20.
Mit einem gönnerhaften Schmunzeln kam Dominik auf mich zugetrottet, schaute sich kurz um und legte mir dann eine Hand auf die Schulter. "Verstehst dus jetzt, kleiner Dinosaurier? Du kannst dagegen nicht gewinnen! Keine Chance! Aber wenn du dich entschuldigst und diesem Regierungstypi sagst, dass du gelogen hast, um dich wichtig zu tun, dann verzeihe ich dir vielleicht. Na, wie wäre das?"
Vor dem Klassenzimmer hörte ich Schritte, Tobi kam zurückgelaufen! Er musste bemerkt haben, dass ich fehlte und Dominik ebenfalls nicht den Raum verlassen hatte. "Stegi!", rief er panisch und seine Sorge verlieh mir Flügel. Wenn mein Peiniger ihn sah, würde seine Wut vielleicht auf ihn umschwenken. Tobi besaß keine Muskeln oder verschärfte Sinne! Das durfte nicht passieren! "Vergiss es!", zischte ich also, "Was du tust, ist falsch, ich werde nichts wieder zurücknehmen!"
"Tja, schade", zuckte Dominik verstimmt mit den Schultern, "Und ich dachte, du wärst cleverer!" Er holte aus und ich machte mich auf das schlimmste gefasst, aber es passierte nichts. Er schlug mich nicht zusammen! Etwas ängstlich blinzelte ich und sah ein echt seltsames Schauspiel genau vor meiner Nase passieren:
Dominik hing wie ein lauernder Schatten über mir, aber er sah kein bisschen mehr bedrohlich aus! Sein Mund stand leicht offen, seine Augen starrten an mir vorbei ins Leere und er schien völlig erstarrt in seiner aktuellen Position. Dann sah ich die Hand, die auf seinem Kopf ruhte: "Shhh, du hältst jetzt auch mal deine übergroße Klappe, wenn kein Grips dahinter steckt. Schön ruhig... und einschlafen!" Aufs Kommando erschlaffte Dominik und kippte seitlich zu Boden, um mir einen Blick auf meine Retterin zu verschaffen.
"Na, das war ja mal ne ganz schön knappe Sache, was?", grinste Pauline mich frech an, hinter ihr kam Tobi vorsichtig näher getrippelt. Erstaunt schaute ich zwischen ihr und meinem regungslosen Widersacher hin und her, der noch immer zu unseren Füßen lag und keinen Laut von sich gab. "Was-, und wie hast du-?"
"Ganz einfach! Das ist meine neue Kraft! Cool, oder?", zwinkerte sie völlig unbeschwert. Ich schluckte hart: "A-aber Dominik, ich meine, wird er...?"
Pauline schien endlich zu verstehen, wie sehr ihr Auftritt mich erschrocken hatte. Sie nickte. "Keine Angst, er ist nur erstmal außer Gefecht! Aber ihm geht es gut. In etwa fünf Minuten wird er aus einem kleinen Nickerchen wieder aufwachen, ist also kein großes Ding!"
"Das war großartig, danke Line!", jubelte Tobi hinter ihr, umarmte das etwa eine Handbreite größere Mädchen flüchtig und kam dann zu mir, um mich zu untersuchen. In seine Augen mischte sich Besorgnis. "Tut es sehr weh, Stegi? Er muss dich ziemlich erwischt haben... Hättest du doch nur Rafi nichts erzählt!", murmelte er dabei vor sich hin.
"Mir geht es gut", versicherte ich ihm, obwohl eine Stelle in meiner Bauchgegend noch immer bei jeder Bewegung zwickte. Hauptsache Tobi war okay und Pauline hatte auch nichts abbekommen. Von ihrer Fähigkeit hatte ich noch gar nicht gewusst! Ehrlich gesagt hatte ich sogar geglaubt, sie wäre wie Tim leer ausgegangen, da sie nie irgendwie damit geprahlt hatte oder ich sie je in irgendeiner Form hatte üben sehen. Ein wenig gruselig war es ja schon, es hatte ausgesehen, als hätte sie kurzzeitig die Kontrolle über Dominiks kompletten Körper oder seine Gedanken übernommen! Als sie nun einen Schritt auf mich zukam, wich ich meinem ersten Impuls folgend vor ihr zurück, schämte mich aber sofort dafür. Sie wollte mir ja nichts antun! "Sorry", nuschelte ich, doch Pauline blieb ganz gelassen. "Ich will dich nur checken, dass du nicht verletzt bist! Du müsstest kurz stehen bleiben und dich möglichst wenig bewegen."
Nagut, ich vertraute ihr! Ihrem Wunsch folgend entspannte ich mich so gut wie möglich und schaute ihrer Hand entgegen, die sie, wie zuvor bei unserem Mitschüler, nach meinem Kopf ausstreckte. Dabei entdeckte ich ihre Narben, ihre gesamte Handfläche wies ein feingliedriges Netz an roten Linien auf, dass sich jedoch auf der Höhe ihres Unterarms bereits vollständig aufgelöst hatte. Sah unerwartet hübsch aus, dachte ich noch, dann berührten ihre Finger auch schon meine Stirn und es passierten viele Sachen auf einmal. Zum ersten tauchten Bilder direkt vor meinem geistigen Auge auf, die transparent die Eindrücke aus meinem realen Umfeld durchscheinen ließen. Ein wenig so, als stünde ich mitten in einem Hologramm, aber es zeigte keine technischen Blaupausen, sondern in bunten Farben gemalte Tiere und Szenarien wie aus einem Kinderbuch. Irgendwie beruhigend und ich grinste automatisch über die leicht unförmigen Gestalten, die plötzlich unseren Klassenraum füllten. Als nächstes wurde mir ziemlich warm, besonders in meinem Oberkörper, wo Dominik mich getroffen hatte. Das tat gut und ich seufzte genüsslich. Die Schmerzen verschwanden, meine Haut begann angenehm zu prickeln und wie durch einen Schleier hörte ich plötzlich Paulines Stimme zu mir durchdringen: "...sehr schön. Und jetzt langsam wieder zu dir kommen!"
Die Bildchen verblassten, die Wärme ließ nach und nur das Prickeln blieb noch ein paar Sekunden, dann blinzelte ich mehrmals und betastete meinen Bauch. Woah, es tat absolut nicht mehr weh! Mir ging es super! Doch anstatt mich sofort bei dem Mädchen zu bedanken, musste ich auflachen: "Oh mein Gott, du bist wie Mantis!"
"Wie.. wer?", reagierte sie verwirrt, während Tobi, der ebenfalls so ein großer Marvel Fan wie ich war, sich nur eine Facepalm gab. "Pauline, bist du dir sicher, dass du ihm nicht zu viel gegeben hast? Er redet totalen Unsinn!"
Entschuldigend stimmte ich ihm zu, dann umarmte ich sie endlich. "Du bist der Wahnsinn!", lobte ich sie, "Wie hast du das rausgefunden, dass du sowas kannst? Und ist das sehr schwer zu kontrollieren? Es wirkt fast spielerisch einfach, wie du das hinbekommen hast!"
Jetzt war Pauline an der Reihe, loszulachen, und Tobi wurde rot um die Wangen: "Sagen wir es so, es begann mit einem unglücklichen Unfall, einem Nachmittag voll unglaublicher Kopfschmerzen für mich und daraufhin viel Übung. Ich war meistens ihr Versuchskaninchen... Aber ja, während viele noch im Krankenhaus geblieben sind, war sie schon Zuhause und hat tausende Wälzer über Humanbiologie verschlungen!"
"Es ist nämlich so, ich kann Körperzellen stimulieren und dazu bringen, bestimmte Hormone und Stoffe auszuschütten oder Aufgaben zu erledigen. Du zum Beispiel hast von mir zuerst eine Dosis körpereigenes Rauschmittel bekommen, damit sich die Zellen um die Problemzone herum leichter behandeln lassen, die haben sich anschließend wieder regeneriert und voilà - du solltest keine Schmerzen mehr spüren! Aber das klappt auch immer nur soweit, wie Zellen sich selbst heilen könnten. Ich wollte das chronische Asthma von meinem Vater behandeln, hat aber leider nicht geklappt. Dafür kriegen er und Mutti jetzt jeden Abend eine mentale Massage und können entspannter schlafen! Ich sag dir, so kompliziert das auch ist und so viel man beachten muss, wenn man bei leichteren Dingen den Dreh raus hat, ist es einfach nur genial und verdammt nützlich!"
Staunend schaute ich sie einfach nur an. Das musste die mit Abstand krasseste Kraft der Welt sein! Und sie stand zum Glück auf meiner Seite und nutzte ihre Fähigkeit auf eine gute Art und Weise, obwohl es bestimmt auch verlockend war, dem einen oder anderen damit einen Streich zu spielen. Einmal hatte ich endlich Glück gehabt!
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Ich entschuldige mich bereits hier für Kapitel 34... Das ist gerade in Bearbeitung und ich drücke mich selbst ein wenig davor, weiterzumachen, weil es mir so leid tut :'S
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