C33 - Es lief okay
H A R R Y
Freudig stehe ich im Foyer des Hotels, in dem wir uns verabredet haben, und warte. Leise klassische Musik und gedrückte Stimmen, die spanische Worte formulieren, hallen durch den prächtigen Saal. Ich lehne mich etwas in meinem Sessel zurück, auf den ich mich gesetzt habe und werfe einen Blick auf meine Uhr. Ich bin viel zu früh dran. Aber ich hatte es nicht länger in meinem Zimmer ausgehalten. Tanny hätte sicherlich nicht mehr lange gebraucht um mir die ersten Fragen über meine Verabredung an den Kopf zu werfen. Heute nicht. Heute Abend geht es nicht um Tanny!
Nachdem ich mir einen Kopf über den heutigen Abend gemacht habe, mir vorstelle was alles schief gehen könnte und was nicht, wandern meine Gedanken jedoch ein weiteres Mal zu Tanny. Ich glaube sie hat langsam kapiert, wie wir zueinander stehen. Ich hoffe.
Ich erinnere mich an die Nacht in der Bar, wie sie mit diesem Typen getanzt hat. Sie hat kapiert, dass wir nur Freunde sind und ihn geküsst. Sie macht weiter und akzeptiert meine Entscheidung, oder? Aber wieso war sie dann vorhin wieder in meinem Hotelzimmer? Und wieso hat sie mich so aufmerksam gemustert, sich so geknickt verhalten, als sie den Verdacht hatte ich würde mich für jemanden schick machen? Wir sind Freunde, ich verhalte mich wie ein Freund ihr gegenüber und sie auch. Nicht wahr?
"Hey", werde ich von Kendall aus meinen Gedanken gerissen und blicke auf, lächele ihr zu und erhebe mich. Mit einem freundlichen Lächeln drücke ich sie an mich und gebe ihr einen kurzen Kuss auf die Wange. Sie sieht toll aus. Das Kleid steht ihr ungeheuerlich und passt sich perfekt an ihre Figur an.
"Hey", sage auch ich und nehme ihre Hand in meine. "Wie geht es dir?"
"Gut", antwortet sie und begleitet mich nach draußen, wo auch schon ein Auto auf uns wartet. "Die letzten Tage waren etwas stressig, aber jetzt freue ich mich auf das Essen."
"Ich habe gehört es soll wahnsinnig gut sein", meine ich nickend und öffne ihr die Beifahrertüre. Während wir auf dem kurzen Weg in das Lokal sind, das ich ausgesucht habe, unterhalten wir uns über die vergangene Zeit in der wir uns nicht gesehen haben. Kendall erzählt mir von einem Job und einem Shooting, das sie hatte und dass sie einige Zeit in Utah war und mit ihrer Schwester und ein paar Freunden etwas Zeit verbracht hat. Ich erzähle von meinem Golftrip, lasse aber Tanny und den Unfall weg, und von ein paar Aufnahmeterminen und Interviews. Von der Klubnacht oder meiner Zeit in Schottland erwähne ich nichts. Warum auch, es spielt keine Rolle. Ich glaube Kendall würde über die Ereignisse nur lachen. Ich weiß auch nicht, ob sie mir überhaupt glauben würde. Zusätzlich denkt sie auch, dass Tanny meine Cousine sei. Was hat sie sich nur bei dieser Ausrede gedacht?
Aber warum sollte ich auch in ein Gebäude des berühmten Modeschöpfers einbrechen und dann mit seiner Tochter in ein Flugzeug nach Schottland zu ihrer berühmten Tante fliegen? Kendall würde sich nur Fragen, ob ich komplett spinne.
Ich verhaspele mich in meinen Gedanken und merke erst, als ich von alleine bremse, dass wir bereits angekommen sind. Völlig in Gedanken vertieft habe ich den Rest des Weges gar nicht wirklich wahrgenommen. Oh Gott, hat Kendall was gesagt?
Mit einem Räuspern verlasse ich das Auto und sage dem Kellner am Empfang, dass ich einen Tisch für zwei reserviert hatte.
"Ah, Senor Styles", nickt er und bittet uns ihm zu folgen.
Ich muss sagen ich bin immer noch beeindruckt von diesem Laden, nachdem ich mich umgesehen habe. Die Wände sind schlicht gehalten und werden durch Neon-Elemente und Blumenschmuck gemustert. Zwar sind hier viele Leute, dennoch wirkt es nicht bedrückend oder voll. Durch die Spiegel, die vereinzelt an den Wänden angebracht wurden, wirkt der Raum größer. Auch Kendall scheint es hier zu gefallen. Ihre Augen reflektieren das Neonlicht, als sie sich an den Tisch setzt und sich ebenfalls umguckt. Scheint als hätte ich die richtige Wahl getroffen.
"Wow Harry, wo hast du denn dieses Lokal ausgegraben?", fragt sie mich begeistert und zückt ihr Handy, um noch einmal aufzustehen und ein Foto des Gangs zu machen.
"Wir waren hier einmal nach einem Auftritt, als wir mit der Band die erste Arena-Tour gespielt haben", erzähle ich. "Mir hat hier alles ziemlich gut gefallen, deswegen dachte ich man kann noch einmal hier her kommen."
Während man uns die Speisekarten reicht und fragt, was wir trinken wollen, kommen wir beide in ein Gespräch. Sie erzählt mir, dass sie es in Erwägung gezogen hat eine eigene Spirituosen-Firma zu gründen. Als ich sie frage, welche Spirituose sie interessieren würde, zuckt sie jedoch nur unschlüssig mit den Schultern. Ich höre mir ihre Geschichten an, jedoch kann ich nicht verhindern mit meinen Gedanken abzurutschen. Ich muss immer wieder an die letzten Tage und Wochen denken und würde mich am liebsten selbst dafür verfluchen. Ich sollte präsent sein und Kendall zuhören, aber ihre Alkoholgeschichten sind so ... öde.
Wir bekommen unser Essen serviert. Ich habe mich für einen Burger entschieden, Kendall für eine Pasta-Variante mit Schrimp. Bis jetzt hatte sie jedes Mal, wenn wir Essen waren und es verfügbar war, Schrimp bestellt. Ich finde Schrimp so widerlich, aber ich muss ihn ja auch nicht essen.
"Erzähl mal, wie kommst du dazu Golf spielen zu gehen? Ich dachte du kannst das gar nicht leiden und findest es öde."
"Oh", mache ich und setze meine Gabel ab. Für einen Moment suche ich nach den richtigen Worten, ehe ich eine schnelle Ausrede auftischen kann. "Ich war Niall noch einen Gefallen schuldig und er wollte, warum auch immer, dass ich mit ihm Golfen gehe. Ich hatte also keine Wahl wirklich."
Sie lacht auf. "Na ja, Niall ist echt verrückt nach Golf."
"Ja", lache ich unsicher und beiße erneut ab, damit ich weiter nichts sagen muss. Währenddessen führt sie das Gespräch fort und ich höre auf einem Ohr zu. "Wenn möglich würde er wohl auf einem Golfplatz leben wollen. Ich weiß auch nicht woher sein plötzliches Interesse daran kommt."
Ich muss an Tanny's irre Idee denken, sich eine Augenbinde überzuziehen und blind den Schläger zu schwingen. Es war eigentlich von vorne herein klar, dass es nur schief gehen kann. Aber sie wollte es durchziehen, um mir eine neue Variante des Golfens zu ermöglichen, die mich eventuell nicht zu Tode langweilt.
"Bist du denn gar nicht hungrig?", werde ich von einer verwunderten Stimme aus meinen Gedanken gerissen und schrecke etwas auf. Kendall blickt mich fragend an und zeigt auf meinen unberührten Burger.
"Oh", mache ich ertappt und versuche die Situation mit einem Lachen zu überspielen. "Sorry, ich wollte ihn noch etwas abkühlen lassen."
"Ist alles okay?", fragt sie nun und legt ihren Kopf schief, blickt mich mit ihren dunkel geschminkten Augen direkt an.
Mist, ich wurde erwischt. "Ja klar!", meine ich räuspernd und will gerade ein weiteres Mal zum Reden ansetzen um mich irgendwie herauszureden, als die Lautstärke im gesamten Lokal beinahe komplett auf Null gefahren wird. Einen kurzen Moment meine ich der Auslöser zu sein, aber als ich bemerke, dass die Blicke der Leute in Richtung Eingang gerichtet sind, schlussfolgere ich, dass ich es nicht sein kann.
Ich schließe mich den Leuten an und blicke ebenfalls gen Eingang des Lokals, in dem man nun wohl eine Stecknadel fallen hören könnte. Was zur Hölle ist hier los?
Ich sehe einen dunkel gekleideten Mann, mit vielen Tattoos und markantem Schnauzer, den er zusammengegelt und gestylt trägt. Seine Schuhe vibrieren über den Boden, mit jedem Schritt den er weiter ins Lokal hineingeht. Ich kann erkennen, wie er sich umguckt, die Hände in seinen Hosentaschen vergraben. Es wirkt skurril, beinahe wie eine Szene im Wilden Westen, in der ein Cowboy den Salon betritt, kurz bevor es zur Auseinandersetzung und Schießerei kommt.
Ich blicke zu Kendall, die ebenfalls stumm diesen Mann mustert. Es sieht so aus, als wüsste sie auch nicht so richtig was hier abgeht. Wobei - nach einem kurzen Blick um mich herum bin ich mir sicher niemand hat einen Plan.
Der Mann stampft bis zur Theke vor und lehnt sich an dieser an. Ich höre ihn aufatmen, weil wirklich niemand sonst etwas wagt. Seine genauen Worte kann ich trotz Stille nich verstehen, stattdessen spüre ich den eigenen Puls im Ohr. Er sieht wirklich aus, als würde er der Mafia angehören. Klar, Rio ist bekannt dafür nicht der sicherste Ort dieser Erde zu sein, aber dieses Restaurant liegt in einer sicheren Gegend, normalerweise gibt es hier keine Probleme.
Ich beobachte den dubiosen Mann weiterhin unauffällig, blicke erst weg als er sich noch einmal umguckt. Einen Augenblick noch wagt es niemand, ein Wort zu sagen, und dann zückt er leichthändig einen schwarzen Gegenstand, der mir die Panik in den Körper versetzt und meine Muskeln anspannen lässt.
"Oh Gott", höre ich Kendall die Luft einsaugen und verdeutliche ihr sofort ruhig zu sein. Bis jetzt steht er weiterhin vorne an der Theke, hat seine Aufmerksamkeit dem Barkeeper zugewandt. Eventuell will er Geld von ihm ... oder einen kleinen Snack?
Aber Kendall hat schon recht: Oh Gott. Solche Situationen habe ich auf Tour schon einige Male erwartet, aber dass sie wirklich eingetroffen sind, das ist ein erstes Mal. Gerade jetzt, wo ich keine Security bei mir habe ...
Ich wage es nicht mich zu bewegen. Stattdessen ertrage ich die Gänsehaut stumm und schlucke, obwohl mein Mund staubtrocken ist.
"Ich sage es nicht noch mal, gib mir das Geld", erkenne ich seine Worte dieses Mal. Okay, ein Überfall. Er soll ihm nur das Geld geben und gut ist. Angespannt warte ich auf eine Reaktion des Barkeepers, doch der steht weiterhin nur mit gehobenen Armen vor ihm und zittert.
Oh man, seufze ich nur innerlich. Es sollte ein schönes Date werden. Dieses Mal sollte nichts dummes passieren! Aber im Moment wäre mir eine hereinplatzende Tanny lieber, als angsteinflößende Mafia-Typen mit Waffen.
Doch gerade, als ich beginne mir vorzustellen, mit welcher verrückten Aktion Tanny hier herein spazieren könnte, wird der Mann nur ungeduldiger und erhebt seine Stimme, ruft dem Typ hinter der Bar immer ungeduldiger seine Forderungen gegen den Kopf.
Soll ich was tun? Sich in die Schusslinie zu stellen wäre wohl die dämlichste Idee, auf die man momentan kommen könnte. Nicht das ich so dumm wäre - jede Zelle in meinem Körper würde am liebsten durch den Hinterausgang fliehen und so viel Raum wie möglich zwischen dieses Lokal und mich bringen. Ich blicke zu Kendall, die mich stumm anstarrt und die Luft anhält. Ich sehe, wie die Haare an ihrem Arm sich aufgestellt haben und sie eine sichtliche Gänsehaut trägt.
Während der bedrohliche Mann an der Bar weiter spanische Ausdrücke brüllt und dabei immer lauter und ungeduldiger wird, reiße ich mich innerlich zusammen und lege meine Hand auf ihre, in der Hoffnung ihr etwas Angst nehmen zu können. "Du musst atmen", hauche ich ihr so leise wie möglich zu und drücke ihre kalte Hand leicht. "Alles-"
Das Schreien, das den ganzen Raum eingenommen hat, verstummt, als die Türe ein weiteres Mal aufgeht. Zwar hatte ich mir kurz gewünscht zu sehen wie Tanny den Laden betritt und die Situation auflockert, aber sie wirklich zur Türe herein kommen zu sehen, lässt mir meine Kinnlade zu Boden fallen.
Was.zur.Hölle?
"Wow, was ist denn hier los?", höre ich sie unsicher auf der anderen Seite des Raumes sagen. Sie ist stehen geblieben, steht nun direkt neben dem Typ, der Krawall macht, und blickt sich im Lokal um.
Ich fasse es nicht! Sofort spüre ich die Wut, die in mir aufkocht, als ich realisiere, dass das nur wieder eine von Tannys verrückten Aktionen ist um mir auf die Nerven zu gehen. Alles nur gespielt und inszeniert, wahrscheinlich kommt gleich noch David Hasselhoff aus der Küche getrottet und zieht irgendeine Tanznummer mit Tanny und dem Muskelprotz ab.
Sie lernt nicht dazu! Jedes Mal wenn ich denke sie hat es kapiert kommt sie mit einer neuen, dämlichen Aktion um die Ecke und versaut mir meine gesamte Planung. Ich spüre, wie mein Puls beginnt zu rasen und platze endgültig.
"Ist das dein Ernst?", fahre ich sie von meinem Platz aus an, schieße nach oben und zeige wütend mit dem Finger auf sie.
Kurz meine ich einen funken Verwunderung in ihrem Blick zu erkennen, aber da bewege ich mich schon mit großen Schritten auf sie zu.
"Ich fasse es nicht! Was von all meinen Bitten und Aussagen verstehst du eigentlich nicht?", fahre ich sie laut an und denke gar nicht daran aufzuhören.
"Ich-"
"Nein Tanny! Verfluchte Scheiße! Wie kannst du es wagen hier wieder eine Show abzuziehen? Irgendeine dumme Aktion die mich zu irgendwas bringen soll, das sowieso nicht passieren wird?"
"Was-"
"Ruhe!", unterbreche ich sie ein weiteres Mal wütend. Ich rase, spüre das Adrenalin durch meinen Körper fließen. Es ist mir auch egal, dass das gesamte Lokal seinen Blick auf uns gerichtet hat, oder dass ich nun direkt neben dem Muskelprotz stehe, der mittlerweile Ruhe gibt. "Wieso bist du so ein nerviger kleiner Mistkäfer und kapierst nicht, dass ich nichts von dir will?!"
"Harry-", setzt sie ein weiteres Mal mit großen Augen an, aber ich lasse sie nicht zu Wort kommen. Noch habe ich ihr nicht alles gesagt.
"Was Tanny? Was passiert als nächstes hm? Ein Sondereinsatzkommando, das du befielst? Wird jetzt eine wahnsinnig spektakuläre Rettungsaktion inszeniert, in der Benni und Luna auf Pferden hier herein geritten kommen und uns alle retten? Trägt der Koch gleich noch einen Hula-Rock und fängt an irgendeinen Track zu performen?"
Ich kann meine Stimme nicht kontrollieren, werde immer lauter bis ich meine Ansage beendet habe und tief nach Luft schnappe. "Das ist das allerletzte!"
"Harry!", zischt Tanny mich nur geschockt an und schüttelt warnend mit ihrem Kopf, hebt ihre Hände ergebend in die Luft. Verwundert blicke ich sie an, bis ich einen kalten Schaft an meinem Rücken spüre, der mich beinahe versteinert.
"Ich habe hiermit nichts zu tun!", stottert sie mir entgegen. Nun erkenne ich auch die Angst in ihren Augen, sehe wie sie vor Panik ebenfalls an Ort und Stelle erstarrt ist und abwechselnd zwischen dem Typ und mir guckt.
Warte, was ... ?
Aber ihre Reaktion lässt mich an meiner Aussage zweifeln, und als ich heftigeren Druck an meinem Rücken spüre hebe auch ich meine Hände schluckend nach oben.
"Interessante Konversation", ergreift die tiefe, kratzige Stimme des Mannes wieder die Oberhand und lässt das Blut in meinen Adern ein weiteres Mal erfrieren. Ich starre Tanny direkt in die Augen, als er langsam auflacht, sichtlich amüsiert von meiner Standpauke. "Ihr verrückten Ausländer."
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Ja, wie soll ich anfangen... hätte hiermit noch jemand gerechnet? :D
Ich habe mir ein paar Ziele fürs neue Jahr gesetzt und eines davon war, wieder mehr zu schreiben :) Deswegen werde ich versuchen hier wieder anzusetzen und die Geschichte um Tanny und Harry weiterzuführen!
Ich hoffe ihr seid weiterhin dabei!
Liebe Grüße,
Alina xx
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