Kapitel 13
Nachdem ich Jacksons Kopf mehrmals versehentlich gegen die Bettkannte geschlagen hatte, hatte ich es dann endlich geschafft. Mit einem angestrengten Ächzen hievte ich auch Jacksons Oberkörper auf sein Bett und lehnte mich erschöpft gegen die Wand neben mir. Mein Atem war schnell und flach, als sei ich gerade einen Marathon gelaufen und kalter Schweiß stand auf meiner Stirn.
Das war anstrengender, als erwartet und um ehrlich zu sein: Ich war am Arsch! Sowohl psychisch als auch physisch. Kurz gesagt: Ich fühlte mich krank, müde und vom Schicksal völlig verarscht.
Jackson Graham hatte mich gesehen. Er hatte mit mir gesprochen. Er hatte mich angesehen. Gott, ich war erledigt! Fearghas würde mich raus werfen. Ich würde zurückgehen, zur Hölle fahren, gesteinigt und für den Rest meines Lebens gequält werden. Mir wurde schon nur bei dem Gedanken daran schlecht. Wenn das nicht mal rosige Aussichten waren!
Das erste Mal seit langem war sie wieder da. Die Verzweiflung, die mich innerlich zerfraß und meinen Kopf zum Schmerzen brachte. Was würde Fearghas nur mit mir anstellen, würde er hier von erfahren? Würde er mich zurück schicken? Nein. Nein, ich konnte nicht zurück. Nie wieder.
"Verdammt, was mache ich hier nur?", murmelte ich kraftlos und ließ mich erschöpft an der Wand neben Jacksons Bett heruntergleiten. Ich musste wieder einen klaren Kopf bekommen, musste meine Gedanken wieder ordnen.
Zitternd zog ich die Beine an den Körper und legte meinen Kopf auf meinen Knien ab. Ich war mir nicht sicher, ob ich gerade eine Panikattacke hatte oder einfach nur fertig mit allem war. Auf jeden Fall schien sich alles um mich herum zu drehen. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Wie fühlte es sich an den Verstand zu verlieren?!
Mein Blick sprang auf den Wecker neben Jacksons Bett, es war schon eine halbe Minute vergangen und so langsam machte ich mir Sorgen. Wie lange konnte ein Mensch ohnmächtig sein, ohne dass es für ihn gefährlich wurde? Sollte ich Hilfe holen? Wo war denn sein menschlicher Bodyguard, wenn man ihn mal brauchte?! Nein, ehrlich jetzt: Wo war dieser Muskelprotz ohne erkennbaren Hals, wenn so etwas hier passierte?!
Oh nein, ich wollte, sollte es hart auf hart kommen, keine Mund zu Mund Beatmung oder Herzdruckmassage bei ihm anwenden. Zumal ich keine Ahnung hatte, wie sowas ging. Ein weiterer Grund warum ich, im Grunde genommen, nicht für diesen Beruf geeignet war.
Als Jackson, nach einer gefühlten Ewigkeit, die in Wirklichkeit keine Minute gedauert hatte, anfing sich neben mir auf dem Bett zu bewegen, sprang ich sofort auf und hastete näher an seine Seite. Er wachte auf. Er wachte doch tatsächlich wieder auf! Glück im Unglück würde ich mal behaupten. Ein breites Grinsen legte sich auf meine Lippe, als Erleichterung meinen Körper durchströmte.
Oh yes! Ich hatte meinen Schützling nicht getötet! Traurig, worüber ich mich noch freuen konnte...
"Gott sei Dank, bist du wieder wach! Ich hatte schon Angst, dass du tot bist. Nun ja, ich hatte mehr Angst meinen Job zu verlieren, aber nimm's mir nicht übel. Weißt du eigentlich, wie schwer du bist?! Es hat mich eine Ewigkeit gekostet, bis ich dich auf dein Bett gezerrt bekommen habe!" Ich stoppte als ich Jacksons panischen und entsetzten Gesichtsausdruck sah.
Oh, oh!
"Nein, nein, nein, nein! Nicht wieder ohnmächtig werden!", brabbelte ich panisch, wich einige Schritte zurück und hob beschwichtigend die Arme.
Jacksons Atem war schnell und seine Blicke sprangen fast schon ängstlich zwischen meinem Gesicht und meinen Flügeln hin und her, während ich ihn flehend ansah. "Bitte... Bitte, bleib ruhig."
"Also entweder ich hab mir den Kopf wirklich extrem stark angeschlagen oder ich verliere den Verstand... oder du bist wirklich real. Sag mir bitte sofort, was der Fall ist oder ich dreh durch!", sagte er mit zitternder Stimme.
Mich störte der Fakt, dass er vor mir mehr Angst zu haben schien als vor seinen Verfolgern. Ich hatte ihn gerettet und ihm nie etwas Schlimmes angetan. Also... nicht in der Realität.
"Ich sagte doch schon, wer ich bin", murmelte ich skeptisch, seufzte dann leise und begann erneut. "Mein Name ist Revanna. Ich bin ein Animabus Perditus, dein persönlicher Beschützer. Verdammt, du bist echt schwer von Begriff", nuschelte ich den letzten Teil und trat wieder näher. "Nicht persönlich nehmen, aber das wollte ich schon lange loswerden."
Jacksons Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig und aus Angst wurde langsam aber sicher Wut. Irgendwas hatte ich falsch gemacht.
"Weißt du was? Ich glaube dir kein Wort. Also hör mir jetzt gut zu: Wer auch immer du bist, ich möchte, dass du aufhörst mich zu verarschen und verschwindest. Wie auch immer du hier rein gekommen bist, ich werde dich Freak nicht anzeigen, wenn du einfach wieder verschwindest!"
"Wieso glaubst du mir nicht?"
"Weil es so etwas wie übernatürliche Beschützer, Engel und Dämonen nicht gibt!"
"Oh, glaub mir, die gibt es sehr wohl. Arrogante, naive, geflügelte Idioten, mit Vaterkomplexen und stinkende, mies gelaunte Feueranzünder mit ebenso großen Schöpferkomplexen", kommentierte ich trocken, drehte mich wieder von ihm weg und lief in Richtung der Balkontür. Jackson schien von meinem Kommentar etwas überrumpelt, sah mich mit gerunzelter Stirn an und verfolgte meine Schritte skeptisch.
„Ich kenne dich", wiederholte er. „Du verfolgst mich, schon seit längerer Zeit... Bist du ein Stalker? Ist es das? Und was sollen die Flügel? Bist du eine Irre? Muss ich die Polizei rufen?", fragte er plötzlich und stand eilig von seinem Bett auf, um noch mehr Abstand zwischen uns zu bringen. Wieso fragten mich denn alle, ob ich irre war?! War ich irre? Nein, ich war nicht irre. Irre großartig vielleicht, aber nicht geisteskrank... Zu mindestens nicht vollständig, sowie die Menschen, die mit Bäumen redeten und einen Schuh als besten Freund hatten. Zumal ich Nichts und Niemanden als besten Freund hatte... Ich hätte wirklich den Mops der fetten Frau stehlen sollen... und ihre Brieftasche.
"Ich bin nicht irre! Und hätte ich jetzt meinen coolen Hundefreund mit, den ich nicht besitze, weil mein Vorgesetzter mir das Klauen von Lebewesen, die im Besitz eines Mensch sind, verboten hat, würdest du das auch verstehen."
Hatte ich die Situation damit besser gemacht?
"Was?!"
Wahrscheinlich nicht.
"Da will man einmal beim Zoobesuch einen Pinguin mitnehmen und wird direkt angemotzt, als wäre es eine Straftat gewesen, dass ich ins Pinguingehege gegangen bin, anstatt meinem Schützling dabei zu helfen, nicht von einem Papagei getötet zu werden."
"Hast du sie nicht mehr alle?!"
"Hey, dass hat mein Chef auch gesagt." Jackson wich erneut einige Schritte zurück. Wieso hatte ich das Gefühl, dass diese Konversation in die völlig falsche Richtung lief?
"Du-du bist wahnsinnig! Eine Stalkerin, mit Wahnvorstellungen und falschen, seltsamen... Flügeln... Verschwinde! Verschwinde sofort, oder ich rufe die Polizei!"
Ja... Irgendwas hatte ich falsch gemacht. Fragte sich nur was.
"Komm mal runter, du Freak!", zischte ich ihn an, genervt von der Tatsache, dass er so überreagierte. Ich war nicht wahnsinnig! Oder eine Stalkerin. Nein, Moment, ich folgte ihm tatsächlich auf Schritt und Tritt und beobachtete jeden seiner Schritte. Verdammt!
"Ich lüge nicht und ganz ehrlich, deine Art fängt so langsam an, mich zu nerven. Wer glaubst du, hat dich wohl vor dem Autounfall gerettet, huh?! Wer hat dich vor den Angreifern im Park beschützt?! Wer hat dein Essen im Restaurant wohl manipul... Oh!", stoppte ich mich selbst in meinem Wahn, als ich bemerkte, wie fassungslos Jackson mich anblickte.
"Du hast was getan?!"
"...Äh, dich gerettet", versuchte ich es wage, wohl wissend, dass er auf etwas Anderes hinauswollte. Wieso konnte ich auch nie meine Klappe halten?
"Raus!" Na klasse. Wir kannten uns erst seit wenigen Sekunden offiziell und waren uns schon am anschreien. Wenn das nicht mal eine gute Voraussetzung für unsere Zukunft war. Nun ja, falls es denn eine gemeinsame Zukunft für uns als Schützling und Beschützer gab. "Raus aus meinem Haus!"
"Fein!", schrie ich, genervt von seinem Überreagieren und stampfte auf seine Balkontür zu. Ich hatte genug. Ich würde mich hier nicht anschreien lassen. Erst recht nicht von ihm.
"Hey, wo läufst du denn hin?! Zur Haustür geht's da lang! Wir befinden uns hier im dritten Stock!" Oh, jetzt wollte der feine Herr mir schon Befehle erteilen.
"Weißt du was?! Ich kann dich echt nicht leiden, Graham. Ich hasse dich und dein Leben und Chestity und deine Freunde und deine ganze verdammte Existenz. Du solltest mir danken, denn ohne mich wärst du jetzt tot. Aber nein, der feine Herr ist sich ja zu gut dafür!", wütend riss ich die Balkontür auf, welche mit einem lauten Krachen gegen die bodentiefen Fenster schlug. Oh, dieser Junge trieb mich noch in den Wahnsinn. Nicht, dass ich da nicht schon angekommen wäre.
„Oh Graham, wenn ich wegen deinen offensichtlichen Problemen und deinem Wahnsinn, der wahrscheinlich überhaupt erst dazu geführt hat, dass du mich sehen kannst, wieder in das verdammte Loch gesteckt werde, werde ich dafür sorgen, dass ich als Taube wiedergeboren werde und dich dann für den Rest deines Lebens heimsuchen. Ich weiß nicht, ob es möglich ist wiedergeboren zu werden..., aber ich werde einen Weg finden." Verdammt. Im Grunde war ich noch lange nicht fertig mit einem Monolog gewesen, doch da ich beim Laufen in Jacksons wütendes und zugleich überfordertes Gesicht gesehen hatte, hatte ich nicht gemerkt, wie weit ich mich bereits auf dem Balkon zurück bewegt hatte. Erst als ich, mit nicht gerade wenig Schwung, gegen das Geländer stieß und meine Flügel meinen Oberkörper über das Geländer zogen, blieb ich abrupt stehen. Doch da war es schon zu spät.
Meine Flügel hatten sämtliches Gewicht auf meinen Oberkörper verlagert, der bereits über dem Geländer lag und keine Sekunde später befand ich mich auch schon im freien Fall.
Ein genervtes Knurren verließ meine Lippen.
Wieso lief denn nie etwas so, wie ich es wollte?!
Der Fall war nur sehr kurz.
Ungefähr einen Meter über dem Boden schlugen meine Flügel sich auf und einen Flügelschlag später befand ich mich schon wieder in einer sicheren Höhe über dem gepflegten Rosenbeet vor dem Haus der Grahams.
Der lauwarme Sommerwind strich angenehm über mein Gesicht, sorgte dafür, dass ich für wenige Sekunden all meine Sorgen vergaß.
Es hatte schon etwas Gutes, Flügel zu besitzen. Kaum vorstellbar, wie mein Gesicht jetzt aussehen würde, wäre ich aus drei Metern in einen Rosenstrauch geklatscht.
Ohne mir weiter Gedanken zu machen, flog ich also wieder ein Stück nach oben, sodass ich ungefähr auf Höhe von Jacksons Balkon war. Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen. Fliegen war schon etwas Schönes.
Es machte glücklich, man fühlte sich frei. Es ließ alle Sorgen und Probleme klein und weit weg erscheinen...
Zu meinem Pech war eines meiner größten Probleme auf den Balkon geeilt und starrte mich nun mit großen, ängstlichen Augen an.
„D-du, du...fliegst... A-aber das ist nicht möglich..."
Verdammt!
Konnte mein Tag denn noch beschissener werden?
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro