Kapitel 27
Vier Tage sind seit der Befreiung von Chris und Diego vergangen. Chris musste für einen Tag ins Krankenhaus, wegen seinem Fuss, aber der wird wieder in Ordnung kommen.
In der Fabrik, in der die ganze Geschichte damals begonnen hatte, ist viel los. Es wird die Rückkehr von Chris und Diego gefeiert. Die Freunde Rick, Jack, Helen, Hayden, Eric, Liv, Aleyna, Joaquin, Chris, Diego, sowie Sinan, Mike und Mareike sitzen gerade am Feuer, als plötzlich einige Polizisten auftauchen. Allen voran, der dicke Beamte Jenssen, mit dem sie schon einige Male Bekanntschaft gemacht haben.
Jenssen wischt sich den Schweiss von der Stirn, als er ans Feuer tritt. „Ihr seid die Freunde der beiden Jungs, die von Ash Maven entführt und bewacht wurden, ist das richtig?", fragt er in die Runde. Ein einstimmiges „Ja" ertönt.
„Ash war aber nicht der einzige Entführer!", ruft Chris. „Das ist mir klar. Dazu sage ich später noch etwas", erwidert Jenssen, „ich bin hier, um euch einige Fakten über den Fall Ash Maven und die Entführung zu schildern." „Da bin ich aber mal gespannt", murmelt Jack.
„Ash Maven ist für uns kein Unbekannter", beginnt der dicke Polizist und macht eine Kunstpause. „Maven sollte eigentlich vor drei Jahren in einem See ertrunken sein. Nachdem er zwei Mädchen und drei Jungen von reichen Eltern entführt hatte. Seine Leiche wurde aber nie gefunden. Das Paar, das uns damals berichtet hatte, sie hätten Ashs Tod beobachtet, kam mir schon von Anfang an suspekt vor. Ich habe nie an Ash Mavens Tod geglaubt. Und seht ihr? Das hat sich jetzt bestätigt." Jenssen grinst stolz.
Einer seiner Kollegen räuspert sich. „Ähm Boss? Soweit ich mich erinnern kann, waren Sie doch derjenige, der von Ashs Tod überzeugt war, während wir anderen daran gezweifelt haben." „Halten Sie den Mund, Dawson. Sie haben eine völlig falsche Erinnerung", weist Jenssen seinen jüngeren Kollegen zurecht. Alle am Feuer schmunzeln verhalten.
Rick sieht Helen neben ihm aufgeregt an. „Ash Maven war doch auch auf dieser Liste, die wir aus dem Archiv hatten, erinnerst du dich? Wir dachten, er sei tot und haben ihn weggestrichen!" „Stimmt", flüstert Helen zurück, „da wär ich nie drauf gekommen." Sie schüttelt den Kopf. „Unglaublich."
„Also, wo war ich?" Jenssen greift in seine Hosentasche, zieht einen Zettel daraus hervor und hält ihn näher ans Feuer um besser lesen zu können, was darauf steht. „Ach ja, stimmt. Beim Fall Ash Maven. Genau. Die Opfer Chris und Diego haben ausgesagt, Maven sei nicht der einzige Entführer. Ein grosser Mann mit langen braunen Haaren und einer Maske und eine rothaarige Zicke seien ebenfalls in das Verbrechen verstrickt. Nach den beiden wird immer noch gefahndet, aber wir werden sie bestimmt bald finden."
„Wir vermuten übrigens, die beiden seien das Pärchen gewesen, das uns von Ashs Tod erzählt hatte. Die Beschreibung würde passen", fügt der junge Polizist Dawson hinzu. „Das ist richtig... Apropos Pärchen. Ihr wisst nicht zufällig etwas über das Paar, das uns auf die Spur der Entführer gebracht hat, oder?" Polizist Jenssen schaut in die Runde. „Nein, wie kommen Sie denn da drauf?", fragt Mike unschuldig und schmatzt auf seinem Kaugummi herum. „Okay..." Jenssens Stimme klingt vielsagend. „Gut, noch etwas: Nach der Beute wird immer noch gesucht. Bis jetzt hat aber noch niemand von meinen Leuten etwas gefunden. Wir bleiben aber an der Sache dran!"
„Habt ihr noch Fragen?", will Dawson wissen. Allgemeines Kopfschütteln ist die Antwort. „Dann gehen wir jetzt. Wir wünschen euch noch einen schönen Abend. Trinkt nicht zu viel Alkohol." Der junge Polizist zwinkert ihnen zu. „Wir geben uns Mühe", gibt Joaquin lachend zurück und fasst sich gleich danach mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Kiefer. „Mist, der tut immer noch weh!"
Auch Jenssen verabschiedet sich und geht. Dann dreht er sich plötzlich noch mal um. „Noch etwas! Ihr seid doch auch die Jugendlichen mit der Schlägerei im Einkaufszentrum, oder?" „Ja, warum?", antwortet Hayden mit unsicherer Stimme. „Ray von Grünigen, Erkan Ibraimi und Liam Migo, drei der darin verwickelten Jungs, sind verhaftet worden. Auf sie warten vier Monate Jugendgefängnis. Ich dachte, das interessiert euch vielleicht." Mit diesen Worten dreht sich der dicke Polizist endgültig um und watschelt, gefolgt von seinen Leuten, vom Fabrikgelände.
Die Party wird immer grösser und mehr und mehr Leute strömen auf den Platz. Junge Frauen und Männer, die Hayden noch nie gesehen hat, tauchen auf. Rick, Jack, Helen und Joaquin scheinen aber die meisten zu kennen. Auch Chris und Diego sehen nicht so aus, als wären die Menschen Unbekannte für sie.
„Willst auch nen Drink?" Mike taucht neben Hayden auf. Er ist offensichtlich ziemlich besoffen, denn er lallt und kann sich kaum auf den Beinen halten. Ausserdem klebt ein Kaugummi an seinem Kinn, was er im nüchternen Zustand bestimmt gemerkt hätte. „Nein danke", lehnt Hayden ab, „ich mag keinen Alkohol."
Mit einem Ächzen lässt Mike sich neben ihn fallen. Schweigen macht sich breit. „Is was?", fragt Mike schliesslich mit einem Seitenblick auf Hayden, der vor sich auf den Boden starrt. „Was würdest du tun, wenn du jemandem, den du damals noch nicht mochtest, aber jetzt schon, etwas Schlechtes angetan hättest?" Hayden knetet seine Finger. „Er es nicht weiss und du bis heute ein schlechtes Gewissen deswegen hast, dich aber nicht traust, es der Person zu sagen?"
„Ich würde es trotzdem sagen." Die Stimme von Mike tönt, trotz des vielen Alkohols in seinem Blut, klar. „Denn, wenn du es nicht tust, kann es die Freundschaft zerstören und der andere weiss nicht einmal, warum. Weil du dann wegen deinem schlechten Gewissen komisch zu der Person wirst. Glaub mir, ich weiss wovon ich rede!"
„Wieso, was ist passiert?" „Ich hatte damals einen Freund. Der hiess Tyler. Wir kannten uns schon seit dem Kindergarten. Tys Eltern sind reich. Stinkreich, um genau zu sein. Ich bin arm und habe kaum etwas. Doch zwischen uns war das nie ein Thema. Es war uns egal. Als wir älter waren, brauchte ein Kumpel von der Strasse Geld. Geld, das weder er noch ich hatten." Mikes Blick schweift in die Ferne. „Mein Kumpel wurde erpresst, verstehst du? Wenn er nicht innerhalb von drei Tagen 100 Riesen auf den Tisch geblättert hätte, wäre er gestorben. Solche Leute, wie seine Erpresser, kennen keine Gnade."
„Und da hast du keine andere Möglichkeit gesehen, als Tyler zu bestehlen?" „Ja." Das Gesicht von Mike ist traurig. „Ich habe es ihm bis heute nicht gesagt, aus Angst, er würde mich deswegen hassen. Unsere Freundschaft ist in Brüche gegangen."
Mikes Stimme klingt jetzt eindringlich. „Du musst es der Person sagen! Sonst quält es dich dein ganzes Leben lang! Danach kann sie immer noch entscheiden, ob sie dich hasst oder nicht. Aber du hast ein reines Gewissen."
„Warum sagst du es Tyler nicht?" „Weil ich ein Feigling bin." Mike nimmt einen tiefen Schluck aus seiner Wodkaflasche. „Nimm dir kein Beispiel an mir! Das ist keine gute Idee. Mut gehört nicht gerade zu meinen Stärken."
Hayden schmunzelt ein bisschen. „Im Nerven bist du aber unschlagbar!" „Irgendein Talent muss ich schliesslich haben, oder?" Mühsam erhebt sich Mike. „Sag es Rick!" „Woher weisst du, dass Rick etwas damit zu tun hat?", fragt Hayden erstaunt. „Weil du vorhin bei deinen Erzählungen immer wieder zu ihm hinübergeschaut hast. Und weil ich, seit ich dich kenne, das Gefühl habe, dass dich irgendetwas in Bezug auf Rick bedrückt." Mike setzt sich in Bewegung. „Ich weiss, dass alle denken, ich sei ein Dummkopf, aber ich kriege mehr mit, als du denkst!" Er zwinkert Hayden zu und schwankt langsam davon.
Rick sitzt am Feuer und plaudert mit Mareike. Hayden geht auf ihn zu und berührt ihn an der Schulter. „Rick, kann ich dich kurz sprechen?", fragt er leise. „Klar, warum nicht?", erwidert Rick und erhebt sich. An Mareike gewandt sagt er: „Bin gleich wieder da!" „Kein Problem", grinst Mareike, „ich glaub, ich überlebe auch ohne dich!"
Leise lachend folgt Rick Hayden an einen ruhigen Ort. „Ich muss dir was sagen." Hayden rutscht nervös auf dem Boden hin und her. „Schiess los!", ermuntert ihn Rick. „Hör mal... Ich hab etwas Dummes gemacht", sprudelt es aus Hayden heraus. „Was denn?", fragt Rick. „Ich war derjenige, der damals Rays Handy zerstört hat. Ich wusste, dass der Verdacht auf dich fallen würde. Ich war wütend. Deinetwegen hatte ich mich mit Liv gestritten und wollte mich rächen."
„Weil Liv nicht auch gegen mich war?", will Rick wissen. „Ja. Unser Vater hat uns den Umgang mit dir verboten. Ich wollte keinen Ärger mit ihm, aber weil Liv dich verteidigt hatte, war in unserer Familie dicke Luft. Ich war einfach wütend und enttäuscht, weil sie mich einen Verräter genannt hat. Später habe ich Ray und seine Leute gegen dich aufgehetzt. Es tut mir wirklich leid, Rick. Ich habe gemerkt, dass meine Vorurteile gegenüber dir, falsch waren. Kannst du mir verzeihen?"
„Logisch vergebe ich dir!" Rick nimmt den niedergeschlagenen Hayden in den Arm. „Die Sache mit dem Handy habe ich schon lange vergessen. Mach dir keinen Kopf! Ausserdem hätte Ray auch so versucht, mich fertig zu machen." „Danke." Die Stimme von Hayden klingt erleichtert. „Danke dir, dass du es mir gesagt hast", erwidert Rick mit einem Seitenblick auf Hayden. „Vergessen?", fragt Hayden vorsichtig und hält Rick die Hand hin. „Vergessen", lächelt dieser und schlägt ein.
Eine Weile ist es still zwischen den Jungs. Dann hebt Hayden den Kopf. „Wer sind die denn?" Er zeigt auf einige Erwachsenen im Anzug, die auf das Gelände treten. „Keine Ahnung. Sehen wir mal nach!"
Die beiden treten wieder ans Feuer. Dort stehen die Anzugmenschen. Einer von ihnen erhebt die Stimme. „Wer von euch sind Jack, Helen, Joaquin, Chris und Diego?" Die angesprochenen heben zögernd die Hand. „Wir sind vom Jugendamt und haben beschlossen, was mit euch geschehen wird: Dass Jugendliche wie ihr alleine in einer Fabrik hausen, können wir nicht verantworten. Deshalb haben wir für jeden von euch eine Pflegefamilie organisiert. Schon morgen könnt ihr bei ihnen einziehen. Schulisch unterrichtet werdet ihr privat. Ihr seid schon zu alt, um in eine richtige Schule zu gehen. Schliesslich könnt ihr noch kaum lesen und schreiben."
Ein Gemurmel macht sich breit. „Hat noch jemand eine Frage?" „Wohin gehe ich?", will Rick wissen. „Du wohnst ab jetzt bei einem gewissen Michael Bonaparte. Er sagte uns, er teile dir das persönlich mit...?" „Mike??", ruft Rick verwundert und schaut zu ihm hinüber. Der grinst. „Was dagegen?"
Einige Tage sind vergangen. Jack, Helen, Joaquin, Chris und Diego haben sich gut bei ihren Pflegefamilien eingelebt. Auch von Rick hört man kein Murren.
Die Freunde sitzen zusammen und warten auf Joaquin. Als dieser endlich auftaucht, ist er völlig aus der Puste. „Habt ihr schon das neuste gehört?", fragt Jo aufgeregt. „Na sag schon!", fordert Liv. „Mein neuer Vater ist ja Tony Dawson und..." „Moment Mal, du meinst DEN Dawson? Der, der mit Polizist Jenssen auf unsrer Party war?", unterbricht Jack ihn. Joaquin nickt. „Genau der. Und er hat mir etwas Interessantes erzählt."
„Spann uns nicht so auf die Folter", drängt Eric. „Die Polizei hat die Suche nach der verschwundenen Beute aufgegeben. Erstens, weil sie zu wenig Leute haben und zweitens, weil sie nichts gefunden haben." „Ja, und?", fragt Diego. „Was und? Wir haben freie Bahn! Wir können selber nach der Beute suchen!" Joaquin schaut die anderen strahlend an.
„Jo, wir haben über ein halbes Jahr nach der Kohle gesucht und nichts gefunden. Die ist bestimmt nicht da!", sagt Chris etwas genervt. „Da wart ihr während dem graben auch höchstens zu viert! Wir sind viele und haben auch noch Freunde. Ausserdem... Wer sagt denn, dass die Beute IM Steinbruch versteckt ist? Sie könnte doch auch NEBEN dem Steinbruch sein!" „Vielleicht hast du Recht", bemerkt Helen nachdenklich. „Wenn wir nichts finden, können wir jederzeit wieder damit aufhören." „Seht ihr?" Joaquin grinst in die Runde.
„Lasst uns die Beute finden!"
Und, was sagt ihr zu diesem Ende? :)
!Wichtig! Im Nachwort gibt es genauere Infos zum Teil 2
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