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32 » Ein Tag im Paradies

C H A R L I E

Koh Mak, März 2016

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„Nein, Amy", stöhnte ich ins Telefon. Kurz darauf folgte ein enttäuschtes Seufzen meiner Schwester und anschließend röchelte sie ins Telefon.

„Komm schon, sei einmal cool, Charlie", jammerte sie.

Seit gefühlt einer Stunde versuchte sie mich dazu zu überreden, dass sie mich und Hannah gemeinsam mit unserer Mum vom Flughafen abholte, sobald wir wieder daheim waren. Natürlich hatte sie mir den Vorschlag nicht ganz uneigennützig unterbreitet, denn sie wollte nicht meinetwegen kommen, sondern wegen Niall. Dass sie ihn höchstwahrscheinlich nicht einmal zu Gesicht bekam, weil am Flughafen die Hölle los sein würde, wenn jemand davon Wind bekam, dass Niall dort aufschlug, interessierte sie nicht im Geringsten.

Geduldig hörte ich mir ihr Gejammer an, denn ich war froh, dass sie mich seit Tagen anhörte und nicht wegdrückte, wenn ich sie anrief. Irgendwann hatte sie es schlicht weg nicht mehr ausgehalten und hatte mir eine Nachricht geschrieben. Daraufhin hatte ich sie direkt zurück gerufen und nun saß ich hier und hörte mir ihr Gebettel an.

„Das bist du mir schuldig", sagte sie schließlich und fast hätte ich in den Hörer gebrüllt. Manchmal vergaß ich einfach, dass sie erst fünfzehn war und sich ihr Gehirn in regelmäßigen Abständen einfach in den Ruhemodus begab.

„Vergiss es", blökte ich zurück. Am anderen Ende war ihre Verzweiflung deutlich zu hören. Ich kannte sie so gut, dass ich ihr schmollendes Gesicht genau vor Augen hatte und dass ich mir sicher war, sie würde jede Sekunde auflegen, wenn ich ihr nicht entgegen kam.

Seufzend schaute ich mich um und fächelte mir gleichzeitig mit einem zerknickten Flyer vor dem Gesicht herum. Es war so tierisch heiß hier, dass ich fast dahin schmolz. Wenn ich allerdings die Aussicht betrachtete, die sich mir bot, war es mir das alle Male wert.

Seit heute früh waren wir auf einer kleinen Insel an der thailändischen Ostküste. Das Wasser war so klar, dass man jeden einzelnen Sandkorn auf dem Meeresboden sehen konnte, überall standen unzählige Palmen, die in den Himmel ragten und weit und breit war kein anderer Mensch zu sehen.

Von Koh Mak, eine von vielen Inseln an der östlichen Küste, hatten wir eher zufällig erfahren. Als wir den letzten Ort, der auf unserer imaginären Liste stand, aufgesucht hatten, trafen wir einen Touristen aus den Staaten, der von der Insel geschwärmt hatte. Kurzerhand hatten wir am Festland den Mietwagen abgegeben und hatten das erstbeste Boot genommen, das uns nach Koh Mak brachte.

Auf der Insel gab es einen Resort, wohin sich ab und an Touristen verirrten, doch wir fuhren einige Kilometer weiter an einen abgelegen Strandabschnitt, wo es so ruhig war, dass mir nach dem ganzen Trubel in Bangkok fast die Ohren klingelten. Wir hatten uns für eine Nacht eine kleine Hütte direkt am Wasser gemietet. Diese stand auf dicken Holzpfählen, die im Wasser standen, ganz so, wie in den Zeitschriften und Filmen, bei denen man Fernweh bekam. Wer hier nach Luxus oder Parties suchte, der suchte vergeblich, denn dieser Ort war pure Entspannung und Ruhe.

Die Hütte war komplett aus Holz, das Dach war aus Gestrüpp und es gab nicht einmal eine richtige Tür. Alles in allem war es das reinste Abenteuer, weiße, provisorische Vorhänge flatterten im leichten Wind vor sich hin.

Ed hatte es sich bereits auf der schmalen Veranda, welche eher ein Balkon ohne Geländer ähnelte, in einer Hängematte bequem gemacht und ich hatte mit meinem Handy schnell einen Schnappschuss von ihm gemacht. So wie er dort seit einer Stunde lag und selig vor sich hin lächelte, das klare Wasser und der wolkenlose Himmel im Hintergrund, sah er so friedlich und glücklich aus, dass sich immer wieder ein Lächeln auf mein Gesicht schlich, wenn ich zu ihm herüber sah.

Fast hätte ich meine kleine Schwester am anderen Ende der Leitung vergessen, als ich so verträumt vor mich lächelte. Doch spätestens als sie meinen Namen in den Hörer schnaufte, holte mich die Realität wieder ein.

„Bitte, bitte, bitte, Charlie."

Tief atmete ich ein und rieb mir die Schläfe. Einige Meter weiter saß Hannah im Schneidersitz neben ihrem Koffer und ließ den Kopf hängen. Mit Mundwinkeln, die fast zum Boden reichten, guckte sie auf ihr Handy und raufte sich alle paar Sekunden die Haare. Um sie herum herrschte das Chaos, denn kaum waren wir hier angekommen, hatte sie ihren Bikini gesucht, den sie dann nicht gefunden hatte und sich anschließend genervt auf den Boden setzte. Während sie sich durch das kurze Haar fuhr, auf dem Display herum tippte und vor sich hin seufzte, kramte sie immer wieder in den Tiefen ihres Koffers.

Das Chaos hatte mittlerweile so ein Ausmaß genommen, dass Niall alle Mühe hatte den Raum zu durchqueren, ohne über die zahlreichen Klamotten zu stolpern, die verstreut auf dem Holz lagen.

„Meine Fresse", blökte er los und verlor fast das Gleichgewicht, weil er mit dem Fuß in einem geblümten Kleid hängen blieb. „Räum' den Scheiß hier weg."

Prompt quiekte Amy in mein Ohr, als sie seine Stimme hörte. Zuhause hörte sie es nicht einmal, wenn man ihr durch die dünne Zimmertür entgegen brüllte, andererseits hörte sie wahrscheinlich auch nur das, was sie auch wirklich hören wollte.

„Sag ihm, dass ich Hallo gesagt habe, ja?"

Erneut atmete ich tief ein, rollte mit den Augen und verfluchte sie in Gedanken. „Von mir aus. Aber nur, wenn du jetzt Ruhe gibst und darauf verzichtest, dass du am Flughafen stehst und uns mit wehenden Fahnen erwartest."

Niall, der sich mittlerweile einen Weg durch den Stoffhaufen gebahnt hatte, spitze die Ohren und musterte mich aufmerksam.

„Schön", erwiderte sie beleidigt. Sicher runzelte sie gerade die Stirn und verfluchte mich mindestens genauso sehr, wie ich es bei ihr tat. „Und wenn ich-"

„Nein, Amy", unterbrach ich sie.

Blitzschnell kam Niall mit schnellen Schritten auf mich zu und riss mir grinsend das Handy aus der Hand. Bevor ich jedoch reagieren konnte, plapperte er schon drauf los und begrüßte freundlich meine Schwester am anderen Ende. Hoffentlich wusste er, auf was er sich da eingelassen hatte. Doch statt unkontrolliertes Gekreische, war es totenstill. Ich war mir nicht einmal sicher, ob meine Schwester überhaupt einen Ton sagte, denn wenn ich Nialls Gesichtsausdruck sah, malte ich mir aus, wie sie ohnmächtig auf dem Teppich im Wohnzimmer lag.

Irgendwann erschien ein kleines Lächeln auf seinen Lippen und er entschuldigte sich. Kurz darauf war er aus der Tür verschwunden und ich hörte ihn laut lachen. Perplex schaute ich ihm immer noch hinterher, obwohl er längst aus meinem Blickfeld verschwunden war. Erst als Hannah erneut vor sich hin stöhnte, wandte ich meinen Blick ab und schaute meine beste Freundin fragend an.

„Nichts", sagte sie aufgebracht, als sie meinen Blick bemerkte. „Er ruft nicht zurück, er geht nicht ran. Es ist, als hätte ihn der Erdboden verschluckt."

Enttäuscht ließ sie die Schultern hängen und kramte lieblos ihren Klamottenbestand wieder in den Koffer. Ich wusste ja, dass Hannah sehr an Kenoah hing, aber dass sie sich so sehr den Kopf darüber zerbrach, war für mich neu. Zugegeben war es schon niedlich, wie sehr die rosarote Brille ihre Gedanken beherrschte, da sie doch eigentlich so tough war.

„Ich bin mir sicher, er meldet sich sobald er kann", sprach ich ihr gut zu. Mit einem Lächeln auf den Lippen hockte ich mich neben sie und faltete provisorisch ihre Oberteile zusammen. Ihr Koffer war sowieso schon proppenvoll gewesen, kein Wunder, dass sie nichts wieder fand.

„Und wenn er überhaupt nichts mehr von mir wissen will, sobald ich wieder Zuhause bin?" Sie klang traurig und zuckte immer wieder ratlos mit den Schultern. Meine Güte, der Typ hatte es ihr aber wirklich angetan.

„Dann ist er ein Idiot", sagte ich ehrlich. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Kenoah das Weite suchte, sobald wir wieder in London waren. Ich hatte seine Blicke gesehen, sie sprachen Bände. „Mach dir darüber keine Gedanken, Hannah. Ich bin mir sicher, dass er sich freut wenn du wieder im Lande bist. Dann könnt ihr euch so oft sehen, wie ihr wollt, bis ihr euch gegenseitig auf die Nerven geht."

Fast augenblicklich leuchteten ihre Augen auf und sie strahlte über das ganze Gesicht. „Ich wünschte er wäre hier", sagte sie schließlich und schaute verträumt aus der offenen Tür auf die Veranda. „Wir sind im Paradies und ich kann das nicht mit ihm teilen. Was würde ich dafür tun im Mondschein mit ihm im Meer zu schwimmen."

Ihr so ungewohnte romantische Ader brachte mich zum Lachen. „Ja", prustete ich los, „und am Strand klaut ein Affe eure Klamotten, die Mücken saugen euch aus und weil es hier keine Türen gibt, hören wir uns die ganze Nacht euer Gestöhne an."

„Du bist doch nur neidisch", erwiderte sie und streckte mir prompt die Zunge heraus.

Um ehrlich zu sein war ich das vielleicht sogar ein wenig. Ich hätte meine rechte Hand dafür verkauft, wenn ich die Chance hätte, jemanden zu haben, mit dem ich all das teilen könnte. Zeitgleich hörte ich Nialls unverkennbares Lachen in der Ferne und mein Herz machte einen Satz.

„Wirst du es ihm sagen?"

Perplex starrte ich meine Freundin an. „Wem soll ich was sagen?"

„Niall", sagte sie schlicht und durchwühlte nebenbei grinsend die Seitentasche ihres Gepäcks. „Versuch erst gar nicht, mir zu erzählen, dass da nichts ist, Charlie, das kannst du dir echt sparen."

„Nein", entgegnete ich. Ich hatte nicht geplant, jemals dieses Gespräch mit jemandem zu führen. Plötzlich bekam ich Bauchweh, Heimweh und Kopfschmerzen zugleich. Mein Innerstes sträubte sich dagegen ihr in die Augen zu schauen. Vielleicht hatte ich auch einfach nur Angst davor, was mit mir passierte, wenn ich darüber redete. Ich genoss die Zeit hier viel zu sehr und bekam schon jetzt Herzflattern, wenn ich daran dachte, dass wir bereits morgen den Flug zurück nach London nehmen würden.

Ich hatte mir so viel vorgenommen, hatte mir so viel erhofft und nun rückte das Ende viel zu nahe. Am liebsten würde ich ewig hier bleiben, hier musste ich meine Freunde nicht teilen. Ich wusste, dass es egoistisch von mir war, immerhin hatten sie ihr eigenes Leben. Aber ich war mir sicher, dass mich der Alltag Zuhause wieder mit einem großen Knall einholen würde.

Ich würde Ed sicher für eine ganze Weile nicht zu Gesicht bekommen. Er plante seine Familie zu besuchen, mit einem Freund nach Afrika zu reisen und an seinem neuen Album zu werkeln. Ich wusste, dass ihm all das gut tun würde und er hatte sich die Auszeit wirklich verdient.

Hannah und Kenoah würden sicher wie Klettverschluss aneinander kleben. Ich freute mich wahnsinnig für sie, andererseits konnte ich mir vorstellen, dass die spontanen Mädelsabende, an denen wir tonnenweise Pizza verdrückten, erheblich nachlassen würden.

Und dann war da noch die Gewissheit, dass ich morgens aufstand, ohne Nialls Lachen irgendwo zu hören. Ich hatte mich so daran gewöhnt, ihn jeden Tag um mich zu haben, dass es mir schwer fiel, daran zu denken, wie es ohne ihn war.

Als hätte er gewusst, dass wir über ihn reden, kam Niall freudestrahlend wieder zurück und warf mir mit einer lockeren Handbewegung das Handy zu. Mein Blick fiel kurz auf Hannah, die vielsagend grinste und sich dann wieder dem Berg an Klamotten widmete.

„Lebt sie noch oder muss ich sofort nach Hause?", fragte ich den Blonden lächelnd.

Lässig lehnte er im Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust. Ein sanftes Lächeln zierte seine Lippen. „Wir haben einen Deal", sagte er. „Und sie hat mir versprochen, dass sie morgen nicht kommt, auch wenn sie gerne würde."

„Was für einen Deal?", fragte ich irritiert.

Er verzog das Gesicht und warf anschließend grinsend die Arme in die Luft. „Das verrate ich dir nicht."

Sein spitzbübisches Grinsen veranlasste mich dazu, ihn einfach anzustarren und zu lächeln. Ich hätte Stunden dort sitzen können, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Sein Grinsen wurde sanfter, bis er schließlich nur leicht einen Mundwinkel hochzog und mich genau so stumm anschaute, wie ich ihn.

Mir gegenüber fing Hannah plötzlich laut an sich zu räuspern und ich schreckte zusammen. Schnell wandte ich meinen Blick an und wühlte unkoordiniert in ihrem Koffer herum. Am Boden ihres Gepäcks erspähte ich den schwarzen Stoff mit den weißen Punkten, der mir bekannt vorkam und Sekunden später hielt ich ihr Bikinioberteil in den Händen.

Währenddessen hatte sich Niall wieder vom Acker gemacht und mein Herz sich beruhigt. Glücklicherweise, denn immer wenn er mich so anschaute, hatte ich das Gefühl den Verstand zu verlieren.

„Ich weiß, dass du lieber mit Kenoah unterm Sternenhimmel vor dich hin turteln würdest", sagte ich, „aber vielleicht hast du ja Lust mit mir die Füße ins Wasser zu strecken, bevor ich dich übermorgen wieder mit ihm teilen muss."

Sofort stand sie von Holzboden auf und zog mich mit hoch. Keine zehn Minuten später spürte ich den Sand zwischen meinen Zehen, nachdem wir uns in der kleinen Toilettenhütte umgezogen hatten. Hannah hatte sich dagegen gesträubt hier aufs Klo zu gehen. Seitdem wir angekommen waren, hatte sie mindestens drei Mal betont, wie froh sie war, dass wir nur bis morgen hier waren.

Im Wasser angekommen war weit und breit niemand zu sehen. Meine beste Freundin rückte immer wieder ihr Bikinioberteil zurecht, weil das Teil dauernd verrutschte. Ich ließ mich im Wasser treiben und betrachtete lächelnd den wolkenlosen Himmel. Irgendwann stolperte sogar Ed an den Strand und ließ sich wie ein nasser Sack in den Sand fallen.

Ein paar Stunden vergingen, Niall überredete uns zu einer Runde Wetttauchen und Hannah winkte nach der dritten Runde ab. Alles im allen war es so harmonisch, dass die Zeit wie im Flug verging.

Gegen frühen Abend entschloss Hannah am Resort vorbei zu schauen, da es dort eine kleine Strandbar gab, an der jeden Abend um neun eine Happy Hour statt fand. Schnell war Ed Feuer und Flamme für die Idee und auch Niall war dem ganzen nicht abgeneigt. Mir war das recht, denn ich hatte sowieso vor, im Fotoalbum herum zu stöbern, welches Luke mir mitgegeben hatte. Bisher war ich kaum dazu gekommen mir das dicke Buch genauer anzugucken. Hinzu kam, dass ich es hier so schön fand, dass ich gar nicht weg wollte. Er recht nicht, um an einer Strandbar zu versacken, wenn ich hier sehen konnte, wie die Sonne langsam hinterm Horizont verschwand.

Eine halbe Stunde später saß ich auf meinem ausgebreitetem Handtuch auf dem warmen Sand und blätterte in den alten Seiten des Fotoalbums. Wunschlos glücklich betrachtete ich die steinalten Bilder meines Vaters. Auf einigen war er mit Onkel Luke zu sehen, auf anderen sah ich meine Großeltern in jungen Jahren. Meine Grandma war schon damals immer schick gekleidet gewesen, sie trug auch heute noch auffällige Kleider. Ich erinnerte mich daran, wie oft sie meinen Vater angemeckert hatte, wenn sie zu Besuch war, nur weil er seine Hemden nicht gebügelt hatte.

Als ich die Seiten weiter umblätterte, erkannte ich Kinderfotos von Nathan und mir, sowieso die Hochzeitsfotos meiner Eltern. Teilweise hatte ich diese Bilder noch nie zu Gesicht bekommen oder schlichtweg vergessen. Bei einigen schien es sogar eine Ewigkeit her zu sein, dass ich sie mir angeschaut hatte. Mum hatte sämtliche Fotoalben in die Tiefen ihres Schrankes verbannt, ich glaubte sogar, dass weder Amy, noch Mason diese jemals gesehen hatten.

Einerseits tat mir das weh, dass sie so selten über Dad sprach. Andererseits erinnerte ich mich immer wieder an Lukes Worte, die er mir mit auf den Weg gegeben hatte. Ich hatte keine Ahnung, wie tief traurig und erschöpft meine Mutter war. Sie vergrub sich in Arbeit, manchmal bekamen wir sie fast gar nicht zu Gesicht.

Bevor ich die nächste Seite genauer unter die Lupe nehmen konnte, sah ich rechts neben mir einen Schatten und kurz darauf versperrte mir Niall den Blick auf das Meer.

„Doch keine Happy Hour?", fragte ich grinsend und schlug das Fotoalbum zu.

„Jedenfalls nicht für mich", erwiderte er. „Also, was machen wir?"

Motiviert stemmte er die Hände in die Hüften und schaute mich auffordernd an. Als ich an ihm herunter sah, fiel mir auf, dass er immer noch seine gestreifte Badeshorts trug, die ich so an ihm mochte. Zusammen mit dem weißen Shirt und seinen hellen Haaren, die im Sonnenlicht noch blonder erschienen, fiel es mir schwer den Blick abzuwenden. Schnell war das Fotoalbum vergessen und ein paar Augenblicke später liefen wir gemeinsam den Strandabschnitt entlang. Vorher deponierte ich das Fotoalbum jedoch sorgsam im Handtuch und legte es vorsichtig auf den Sand.

Vielleicht war es das, was Hannah gemeint hatte, denn als ich so unbeschwert neben Niall herlief, wünschte ich mir für einen Moment es würde immer so sein.

Niall fragte mich darüber aus, was ich machen würde, wenn wir übermorgen wieder in London landeten. Ehrlich ließ ich ihn wissen, dass ich bis jetzt kaum einen Gedanken daran verschwendet hatte. Da ich erst im Juni die Stelle in Greenwich antrat, musste ich jedoch schnellstens etwas finden, damit ich die drei Monate überstand. Nicht nur finanziell gesehen, sondern auch, damit ich etwas Zutun hatte und nicht womöglich noch durchdrehte, weil ich vor mich hin vegetierte.

Wahrscheinlich lief es darauf hinaus, dass ich meiner Mum in der Galerie aushelfen würde. Sicher setzte sie mich an den Schreibtisch, an dem ich stundenlang Gespräche von aufstrebenden Künstlern entgegen nahm, vor allem von so welchen, die glaubten, sie wären der nächste Van Gogh. Ich hatte zwar kein besonders gutes Auge dafür, aber wenn ich meine Mum früher auf der Arbeit besucht hatte und die Gemälde teilweise betrachtete, kamen mir manche von ihnen vor, als wären sie in fünf Minuten mit Wachsmalern einfach so dahin geklatscht worden. Andererseits war Kunst natürlich Geschmackssache und da ich keine Ahnung von diesem Kram hatte, hielt ich mich zurück.

Mein Dad sagte immer zu mir, dass Kunst wie Musik sei. Man kann niemanden verurteilen, nur weil einen anderen Musikgeschmack hat. Musik ist das was man fühlt, was die Menschen verbindet. Als ich jünger war, hatte ich das nicht nachvollziehen können, doch spätestens als ich mit Niall im Flowerdale Estate war und dem leisen Knacken der Schallplatten gelauscht hatte, wusste ich genau was er damals gemeint hatte. Plötzlich hatte ich genau vor Augen gehabt, wie mein Vater im Wohnzimmer vor seinem Plattenspieler tanzte und mich durch die Luft wirbelte.

Ich vermisste seine Ratschläge und seine Weisheiten, die ich mir nie richtig zu Herzen genommen hatte, weil ich immer gedacht hatte, dafür wäre später noch genug Zeit. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und ich musste schwer schlucken.

„Über was denkst du schon wieder nach?", riss Niall mich aus den Gedanken und schneller als ich reagieren konnte, hob er mich mit Leichtigkeit hoch und warf mich über seine Schulter.

Etwas hatte er an sich, dass all meine trüben Gedanken für den Moment einfach bei Seite schob. Lauthals fing ich an zu lachen, als ich versuchte mich zu befreien und er seinen Griff verstärkte. Als er schneller lief, ließ ich mich einfach hängen, bis er zum Stehen kam und mich sanft auf dem Sand absetzte.

Minuten später fand ich mich am Fuße einer Palme wieder, die fast waagerecht über dem Wasser gewachsen war. Niall forderte mich dazu auf, auf dem wackligen Teil bis zum Ende zu balancieren und als er mir meine Hand reichte, da tat ich es einfach. Die Palme war sicher an die zwanzig Meter lang, am Ende prangten dichte, grüne Blätter und ich fragte mich, ob unter diesen sogar Kokosnüsse zum Vorschein kamen.

Ich war nie gut darin gewesen das Gleichgewicht zu halten, spätestens als er meine Hand los ließ, weil er bereits bis zur Hüfte im Wasser stand, eierte ich auf dem schmalen Stamm herum und versuchte krampfhaft mich auf den Beinen zu halten. Mit einem frechen Grinsen ließ Niall mich für einen Moment allein, bevor er selbst auf dem Stamm kletterte und mit ausgebreiteten Armen in meine Richtung kam.

„Wage es ja nicht", brüllte ich ihm entgegen. Ich wusste genau was er vor hatte, als er in die Hocke ging und Sekunden später bestätigte sich meine Annahme. Er brachte die Palme gewaltig zum Wackeln, indem er immer wieder in die Hocke ging. Hastig griff ich nach den dichten Blättern am Ende der Palme und hielt mich mit aller Kraft daran fest. Niall sah dabei so albern aus, dass ich ungehalten anfing zu lachen, während er mit Leichtigkeit immer näher kam.

„Das Wasser ist an der Stelle tief genug", sagte er aufmunternd. „Also falls du fallen solltest."

Schnell hatte er den Abstand zwischen uns verringert und Niall zeigte an mir vorbei auf die grünen Blätter. Etwas schwindelig war mir zumute, als ich meinen Kopf drehte. Doch als ich mich vollständig umgedreht hatte, sah ich tatsächlich eine Kokosnuss zwischen den Stielen der Blätter. Vorsichtig ging ich einen weiteren Schritt vorwärts, doch die Palme geriet erneut ins Wanken. Fast von selbst griff ich blind nach Nialls Hand. Sofort verstand er und hatte nun auch alle Mühe das Gleichgewicht zu halten, da ich mich nach vorne beugte und mich darauf verließ, dass er mich hielt.

„Lass mich nicht los", redete ich ihm zu. Seine Finger umschlossen meine Hand und für einen Augenblick fühlte ich mich sicher. Jedenfalls so lange, bis ich ihn leise Lachen hörte und ich plötzlich den Halt verlor.

Fast in Zeitlupe fiel ich nach vorne, griff blind nach der Kokosnuss und rasselte anschließend kopfüber durch die Palmenblätter, bis ich mit dem Rücken auf der Wasseroberfläche aufklatschte und anschließend so viel Wasser in die Nase bekam, dass es brannte. Hektisch versuchte ich oben von unten zu unterscheiden und stieß mich schließlich mit den Füßen am Sandboden ab, um Luft zu holen.

Sofort atmete ich tief ein, strich mit meiner flachen Hand über mein Gesicht und blickte zu Niall. Dieser stand wie angewurzelt auf dem Stamm und starrte mich erschrocken an. Sicher hatte ich ausgesehen als würde ich mir beim Fallen sämtliche Knochen brechen.

Ehe ich mich versah, sprang er mir nach und landete knapp neben mir, was mir das Wasser ins Gesicht spritzen ließ. Als er auftauchte und den selben erschrockenen Gesichtsausdruck drauf hatte, prustete ich ungehalten drauf los. Sofort verschwanden die Sorgenfalten von seiner Stirn und die Erleichterung machte sich auf seinem Gesicht breit.

„Alles in Ordnung?", fragte er. „Hast du dir weh getan?"

„Quatsch", erwiderte ich lachend und drehte mich einmal um die eigene Achse. „Siehst du? Alles noch dran."

„Immerhin hast du die Kokosnuss doch noch gekriegt", sagte er und zeigte an mir vorbei.

Einsam schwamm die Nuss auf der Oberfläche und trieb immer weiter fort. Doch das war mir nun herzlich egal. Endlich erschien das vertraute Lächeln wieder auf Nialls Lippen und er kam einen Schritt näher. Mein Herz begann zu rasen, meine Gedanken kreisten umher.

Und bevor er irgendetwas sagen konnte, nahm ich all meinen Mut zusammen, legte meine Arme um seinen Nacken und küsste ihn.

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Ihr Lieben, ich hoffe ich hab eure Geduld nicht unnötig lang auf die Probe gestellt. Mein ganzer Stress ist jetzt hoffentlich vorbei und ich versichere euch, dass es jetzt wieder wöchentlich weiter geht.

Danke,  dass ihr in der Zwischenzeit trotzdem fleißig weiter gevotet und Kommentare verfasst habt. Auf die restlichen Kommentare, zu zu denen ich noch nicht gekommen bin, werde ich natürlich noch antworten.

Das nächste Kapitel kommt am Sonntag und bis dahin wünsche ich euch eine wunderschöne Woche :)

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