➳ 24. Desdemona
Hitze ließ die Luft lautlos flimmern und den staubigen Boden noch trockener werden.
Lavafunken stoben überall durch die Luft, drohten jeden zu verbrennen, der sie boch spüren konnte.
Tod lag in der Luft, vermischte sich mit Leid und Erbärmen.
Während der scheinbare Himmel in ein dunkles Rot getaucht war und man bei längerem Hinsehen erkannte, dass es nur geschlossener Stein in der Höhe war, stolzierte eine unmenschlich blasse Frau mit langen Beinen durch die Einöde.
Ihr kurzes schwarzes Kleid war zerfranst von einigen Funken, ihre glatten dunkelroten Haare in einem einfachen Zopf bis zu den Oberschenkeln geflochten.
Die Lippen hatte sie blutrot gemalt und auch der schwarze Kayal mit Lidstrich saß in perfekten Bögen.
Ihre schwarzen Absätze klackten ungewohnt auf dem Boden.
Hinter Steingebilden, unter verdorrten Dornenbüschen und allen Löchern und Ecken krochen Gestalten herbei, schleppten sich heran um zu sehen, wer es wagte, an diesem Ort aufrecht und mit Stolz zu gehen.
Als sie sahen, wessen Anwesenheit sie beehrte, zogen sie sich schnell wieder zurück. Vom Tod wollten selbst die Toten nicht gesehen werden.
Vier Wachen begleiteten die Frau. Vier modrige Leichen, mehr Skelett schon als Lebewesen, mit leeren Augenhöhlen und klapperndem Gebiss - grinsend bis in alle Ewigkeit. Sie hielten spitze Speere in den Händen, während sie - zwei vor ihr und zwei hinter ihr - die Frau eskortierten.
Ihr Ziel war offensichtlich.
Aus Kilometern Entfernung sah man schon den spitzen Palast des Gottes, dunkel und mahnend in die Höhe erstreckt. Dort wartete er. Endlich.
Ein vorfreudiges Grinsen schlich sich auf ihre Lippen, doch sofort wurde sie wieder ernst. Zu früh. Es war zu früh.
Sie waren an der knochigen Tür des Palastes angekommen.
Zwei weitere Wachen waren davor platziert, beäugten sie, als hätten sie Augen mit denen sie sie sehen könnten und öffneten ihr schließlich die knarzende Tür.
Die Kohorte setzte fort.
Schwarze Absätze trafen auf schwarze Marmorfliesen, das Hallen schallte wohl durch das ganze Reich.
Doch die Frau hielt nicht an. Ihr Ziel war nun so nah wie noch nie zuvor.
Fest hatte sie den Thron fokussiert, der nun in aller Größe vor ihr am Ende des Saales aufragte. Aus Knochen gebaut. Der Falsche auf ihm sitzend.
Neben ihm, ebenfalls auf einem kleineren Thron, seine Frau.
Er sah gelangweilt aus, doch sie konnte seine Neugierde riechen.
Kurze schwarze Locken, voller Bart, blitzende Augen. Es war überraschend wie schlicht er doch angezogen war, in schwarzer Hose und einer ledernen Weste im selben Ton.
Die Wachen um sie herum fielen tief auf die Knie, doch sie blieb stehen und reckte fast schon trotzig das Kinn nach vorn.
"Sei gegrüßt, Hades, Gott der Unterwelt. Persephone." Sie nickte der jungen Frau zu, die noch schöner war als die Geschichten es besagten.
Im Gegensatz zu ihrem Mann kleidete sie sich ihrer Position entsprechend, in einem ausladenden erdigen Kleid.
Hades runzelte die Stirn, rückte seine unscheinbare Krone zurecht. "Ich vergebe nicht Audienzen, wie es allen gefällt. Was denkst du dir, hier ungebeten einzutreten?"
Die Frau lächelte mild. "Ich habe mich selbst hereingelassen. Darf man heutzutage nicht einmal mehr sein eigen Haus ohne Erlaubnis eines Gottes betreten?"
Nun setzte sich Hades aufrechter hin. Triumph schoss durch ihre Adern. Ja, dachte sie sich, du hast richtig gehört, dummer Köter.
"Was gibt dir das Recht-?", brüllte Hades und seine Stimme glich dem Donnerschlag des schlimmsten Gewitters.
Auch Persephone runzelte die Stirn. "Dein Haus?", fragte sie mit glockenheller Stimme.
Das Lächeln der Frau wurde endgültiger und mit einem Finger fuhr sie eine lange Narbe ab, die sich wie eine zierliche Schlange in einem hellen Rot um ihren Hals schlängelte.
Es war unschwer zu erkennen, dass diese Narbe ihren Weg in den Tod in Erinnerung hielt.
"Ich bin gekommen, um meinen rechtmäßigen Platz anzutreten. Großzügig, dass du mir den Thron solange warm gehalten hast. Wachen."
Von Zorn erfasst sprang Hades auf, doch hatte er gleich siebzehn Speere auf seine Brust gerichtet. Von den eigenen Wachen.
"Was geht hier vor?", stieß er aus, entsetzt begreifend, dass es um seine Frau nicht besser stand, die leise wimmerte.
Voller Zorn ballte er die Fäuste zusammen und die Erde unter ihren Füßen begann zu grummeln, doch selbst der König der Unterwelt wusste, dass er mit unüberlegten Aktionen nur seine Frau in Gefahr bringen würde.
Und so starrte er den Eindringling an, als könne er sie mit bloßem Blicke in Flammen aufgehen lassen.
"Wer bist du?", knurrte er mit zusammengebissenen Zähnen.
Er starrte seine Wachen an. "Wieso sind sie dir ergeben?"
Wieder lächelte die Frau. "Ich bin das Kind, von dem du schon bald wünschen wirst, du hättest es nie gezeugt. Wenn dir dieser Titel zu lang ist, kannst du mich auch Desdemona nennen. Wachen, führt sie ab. Werft sie in eine Zelle."
Immer mehr Skelettwachen tauchten hinter Säulen und Ecken auf, umzingelt das Königspaar und brachten sie in ihre Gewalt.
Natürlich hätte Hades sich mit einem Wutanfall befreien können, doch hätte er dies nicht ohne den Verlust Persephones zu Ende bringen können.
Er stellte sie über seinen Thron, was Desdemona nicht erwartet, aber gehofft hatte. Der König der Unterwelt war weich geworden in den letzten Jahrtausenden, umso dringender, ihn endlich wegzuschaffen.
"Das wirst du bereuen!", schrie der Todesgott, "Warte nur, bis du meine Rache spürst!"
Nun entfloh Desdemona ein ehrliches Lachen und sie trat an ihn heran.
"Du hast ein kleines Detail vergessen, mein König."
Sie beugte sich zu ihm herunter, bis sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von ihrem entfernt war und sie den Hass in seinen Augen knistern sehen konnte. Ihre nächsten Sätze waren nur noch ein Flüstern, sodass nur Hades es hören konnte.
"Niemand wird kommen, um dich zu retten. Wann haben sich deine Brüder je um dich geschert?
Du wirst hier schmoren, bis deine Geschichten nur noch blasse Erinnerungen in den Köpfen der Lebenden sind und die Toten nur noch über deinen übrig gebliebenen Schatten lachen.”
Sie ließ den tobenden Gott und seine Frau abführen und sank voller Triumph auf den Thron.
"Ab heute", verkündete sie den noch anwesenden Wachen, während eine ihr Hades' Krone auf das Haupt setzte, "beginnt meine Ära."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro