Kapitel 46
Weihnachten 1
Die Feiertage rückten näher.
Adrian war es etwas mulmig ums Herz.
Am liebsten wäre er ja Heiligabend mit seiner Süßen ganz alleine in dem gemütlichen Haus geblieben, hätte sie vielleicht unterm Weihnachtsbaum geliebt, ihr seine Geschenke gegeben, obwohl sie sich versprochen hatten, sich nichts zu schenken.
Aber dieses Versprechen hatte er sehr bewusst gebrochen.
So viel Macho war er dann doch noch, dass er sich nicht vorschreiben ließ, wann er seinem Mädchen etwas schenken durfte!
Aber das mit dem Alleinsein an Heiligabend würde schlecht möglich sein.
Zwei Tage vor dem Fest rückte er mit der Sprache heraus.
„Du? Alina? Könnten wir über die Feiertage sprechen?" begann er vorsichtig.
Sie lächelte ihn an. „Wir können über alles sprechen! Warum also nicht über Weihnachten?"
„Hm!" begann er zögernd. „Also wir, ich meine, meine Familie, wir feiern den Heiligen Abend immer etwas anders als vielleicht andere!"
Nun war ihr Interesse geweckt. Das war doch toll! Neue Erfahrungen waren immer gut! Dafür war sie durchaus zu haben.
„Ich höre?"
„Okay! Meine Großeltern leben in Marbella. Die Eltern meines Vaters haben sich dort ein Haus gekauft, als sie den Betrieb übergeben haben. Weil sie sich mit den Eltern meiner Mutter so gut verstanden haben, haben sie die beiden einfach mitgenommen. Und zu Weihnachten kommen die vier immer heim, da gibt es dann ein riesiges Fest im Haus vom Mum und Dad, mit allen Tanten und Onkeln, Cousins und Cousinen sowie deren Nachwuchs. Das ist ein riesiges Remmidemmi, aber schön!" Er sah sie ein wenig bang an.
Sie sprang hoch, klatschte in die Hände. „Das ist doch super! Familie ist immer super!" Plötzlich bremste sich ihr Enthusiasmus ab. „Du willst schon, dass ich da mitkomme? Ich kann auch zu meinen Eltern fahren oder zu Ben und Karen!"
Adrian tippte an ihre Stirn. „Bist du ein bisschen diggidiggi? Natürlich kommst du da mit! Alleine gehe ich ja gar nicht hin!"
„Gut!" antwortete sie, und so empfand sie es auch. Sicher, sie waren kein festes Paar, aber Heiligabend alleine zu sein, also ohne diesen gutaussehenden Typen da neben sich, hätte schon ein wenig gezwickt.
Außerdem konnte er sich da vor all den Leuten nicht zu sehr über die Geschenke beschweren, die sie liebevoll für ihn ausgesucht hatte.
Sie hatten sich zwar versprochen, sich nichts zu schenken, aber ihr war dieses gegenseitige Versprechen ein wenig halbherzig vorgekommen, ein wenig zu vernunftgesteuert.
Also packten sie am Mittwoch – die Feiertage lagen sehr günstig in diesem Jahr – ihre Übernachtungstasche.
Als Adrian seine Geschenke mit hineinschmuggelte, entdeckte er einige Päckchen.
So ein Luder! dachte er grinsend. Da hätte sie mich einfach auflaufen lassen.
Aber ihm war auch klar, dass sie sich beide nicht daran halten würden – nicht bei ihrem ersten gemeinsamen Fest.
Da hatte die Vernunft, die ihnen eingegeben hatte, dass sie ja alles hatten oder sich alles kaufen konnten, Sendepause gehabt.
Sicherheitshalber steckte er die Tasche in den Kofferraum, damit sie nicht merkte, dass sie sich wie von Geisterhand gefüllt hatte.
Auf der Waldstrecke lag ziemlich viel Neuschnee, er kam nur langsam voran.
Auch, weil seine Augen sich immer wieder an ihrem schönen Gesicht festhängten, das wie das eines glücklichen Kindes strahlte.
„Schau auf die Straße, Gedack!" forderte sie ihn immer wieder auf.
„Auf diese hässliche Straße? Spinn ich, oder was?" erklärte er lächelnd.
Dieses Lächeln, das seine schönen weißen Zähne blitzen ließ, hatte es ihr von Anfang an angetan!
„Fahr doch du! Dann kann ich in aller Ruhe mein schönes Mädchen angucken!" schlug er vor.
„Spinn ich?" gab sie lachend zurück und richtete sich auf ihrem Platz so ein, dass sie ihn voll im Blick hatte.
Ja! Das tat gut, dass sie ihn offensichtlich attraktiv fand.
Er war zwar schon irgendwie selbstsicher, was sein Aussehen betraf, aber es hätte ja sein können, dass er so gar nicht ihr Typ gewesen wäre.
„Was ist eigentlich so dein Männertyp?" fragte er aus seinen Gedanken heraus.
Sie lachte laut los. „Das dürfte so schwer nicht zu erraten sein!"
Jetzt musste er aber eine kleine Fahrpause einlegen und den süßen Käfer erst einmal küssen. Sie waren bestimmt schon zehn Kilometer gefahren – das ging ja gar nicht, so ganz ohne ein bisschen Zärtlichkeit!
Irgendwann aber kamen sie an seinem Elternhaus an.
Zwei hochbetagte Damen – die eine winzig klein, die andere groß und stattlich, beide mit einem flotten Kurzhaarschnitt und sonnengegerbter Haut, öffneten, bevor er den Schlüssel ins Schloss stecken konnte.
„Ah! Das muss Alina sein! Wir haben schon so viel von dir gehört!" zwitscherten beide gleichzeitig, hakten sich bei ihr ein und schleppten sie nach drinnen.
Adrian stand da wie ein begossener Pudel.
„Ich freue mich auch, euch zu sehen!" rief er seinen Omas nach.
Dann lächelte er zufrieden.
Sie hatte ihm innerhalb eines Nachmittags den Kopf vollkommen verdreht, hatte es geschafft, dass er sich zum ersten Mal verliebt hatte.
Wo auch immer sie auftauchten, wurde sie schnell zum Mittelpunkt.
Sie war eine Herzenfängerin, obwohl sie das natürlichste weibliche Wesen war, das er je kennen gelernt hatte.
Er stand an einer Säule des großen Wohnraumes und beobachtete glücklich, wie sich alle um sie scharten. Ihn schien niemand seiner großen Familie wahrzunehmen, und er war sehr zufrieden darüber.
Sie brauchte die ganze Liebe dringender als er.
Patrick stellte sich neben ihn, gab ihm ein Glas des berüchtigten Punsches.
„Sie hat die Massen ganz schön in der Hand!" scherzte er und deutete mit dem Kopf auf die Prinzessin, die Hof zu halten schien.
Adrian schmunzelte dem Bruder zu. „Es tut ihr gut!" sagte er nur.
Es dauerte nicht lang, da hatte sie wie auf Dads Geburtstag die Kinder an sich hängen. Hilfesuchend sah sie sich nach Adrian um, doch der rührte sich nicht von seinem Beobachtungsplatz. Kinder waren so gar nicht ihrs, obwohl sie sie anzog wie Motten das Licht.
Gesprächsfetzen drangen zu ihm herüber.
„Was machst du eigentlich beruflich?" fragte die zehnjährige Emma.
„Ich baue Autos, zusammen mit Adrian!" antwortete seine Süße.
Emma lachte und einige aus dem Kreis der Bewunderer mit ihr.
„Frauen können keine Autos bauen!" erklärte Luca mit all seiner achtjährigen Überlegenheit.
Alinas Nase krauste sich, wie immer, wenn sie unwillig wurde. „Und warum bitte nicht?"
Der Junge wusste das genau. „Frauen haben viel zu wenig Kraft!"
Sein Mädchen sah den Kleinen an, als wollte es ihn erdolchen. „Autos baut man mit dem Kopf, nicht mit den Armen! Das machen Maschinen!"
Emma hing an ihren Lippen, ihre Schwester Leni hielt den Atem an. „Echt jetzt?" fragte die Sechsjährige.
„Natürlich!" antwortete Alina. „Wir entwerfen alles am Computer, dann werden die Roboter programmiert, und die setzen alles zusammen. Zuvor müssen die Teile natürlich von anderen Maschinen gebaut werden!"
Adrian musste lächeln.
Ob die Kleinen das verstanden?
Aber sie hatte genau den richtigen Ton getroffen, Kinder schienen mehr zu verstehen, als Erwachsene so annahmen.
„Kann ich dann auch Autobauerin werden?" fragte Manu.
„Das heißt Entwicklerin oder Programmiererin oder Elektronikerin oder Konstrukteurin!" verbesserte Alina.
„Und? Kann ich das alles werden?" Manu ließ nicht locker.
Bea mischte sich ein. „Quatsch! Mädchen können das nicht werden. Nur Lehreinnen, Krankenschwestern, Kindergärtnerinnen und so Zeug!"
„Sagt wer?" fragte Alina entsetzt.
Bea baut sich vor ihr auf. „Das sagt mein Papa! Und mein Papa weiß alles!"
„Dein Papa ist im letzten Jahrhundert stecken geblieben!" antwortete Alina. „Frauen können alles werden, was sie wollen! Sie müssen es nur wirklich wollen! Es ist nicht einfach, aber es lohnt sich auf alle Fälle!"
Die Kids hingen an ihren Lippen, Jungen wie Mädchen.
Irgendwie schienen sie jedes Wort zu verstehen und ihr auch jedes Wort zu glauben.
Seltsam! dachte Adrian. Diese Wirkung, die sie auf Kinder immer hat.
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