#24 - Wie Wassertropfen gegen das Fensterglas
„Was willst du jetzt noch machen?", wollte Stegi von Tim wissen, beobachtete ihn dabei, wie er die Teller in den Geschirrspüler räumte. Er warf dem Blonden einen kurzen Blick zu, unterbrach seine Tätigkeit nicht und brummte etwas Unverständliches. Das nahm Stegi als keine Ahnung hin, dachte darüber nach, ob es besser wäre, einen Film zu sehen oder irgendwelche Spiele zu spielen. Seine Augen wanderten über den Küchentresen hinweg, zu einem halbleeren Glas Wasser, das da bestimmt schon zwei Tage stand. Wieso es ihm genau in diesem Moment ins Auge stach, konnte er sich nicht erklären. „Film oder Spiele?" Tim richtete sich auf, schloss den Geschirrspüler, zuckte bloß mit den Schultern. „Was du lieber machen möchtest. Aber ich bin schon ziemlich müde, das Basketballspiel war anstrengend", gestand er. Nickend teilte Stegi ihm mit, er solle ihm folgen.
Sie saßen zusammen auf dem Sofa, Tim hielt die Fernbedienung in der Hand und suchte auf Netflix nach einem Film, den sie sich anschauen wollten. Kurzerhand hatten sie sich entschieden, einen Film zu sehen, da es mit Anstrengungen verbunden war, etwas zu zocken. Es regnete noch immer, durch den Wind schlugen die Tropfen gegen die Fensterscheiben, schufen ein stetiges, einschläferndes Hintergrundgeräusch. Stegi bemühte sich, seine Augen offen zu halten, die ihm zuzufallen drohten. Tim dagegen schien noch in bester Verfassung zu sein, er saß aufrecht da und verfolgte den Anfang des Filmes mit, den er ausgewählt hatte. Erst jetzt erkannte Stegi, um welchen Film es sich handelte. Er hatte Baymax mit seiner Schwester im Kino geschaut, versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass er den Film bereits gesehen hatte. Wieso hatte Tim einen solchen Film ausgesucht? Hätte es nicht Batman oder etwas in der Art sein können? Ohne es verhindern zu können, schweiften seine Gedanken ab, das leise Prasseln des Regens trug ihn weit fort, an einen Ort, an dem er seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gewesen war. Damals, bei seiner Großmutter, war er stundenlang am großen Fenster auf dem Dachboden gesessen, hatte hinausgestarrt und das Wasser des kleinen Teiches beobachtet, der hinter dem Haus lag. Der Regen ließ die Wasseroberfläche unruhig werden, hatte die Fische nervös hin und her flitzen lassen. Selbst die Katze hatte sich bei solchem Wetter ins Haus geschlichen und hatte oft stundenlang auf seinem Schoss, zu einer kleinen Kugel zusammengerollt, geschlafen. Er hatte ihr über das Fell gestrichen, ihrem leisen Schnurren gelauscht, weiterhin den Regen beobachtet, der am Fenster Rinnsale bildete. Manchmal war er ebenfalls eingeschlafen, hatte den Kopf an die Fensterbank gelehnt und angefangen zu träumen. Damals, als er noch jünger gewesen war, sein Leben unbeschwert hatte genießen können und sein größtes Problem der Nachbarsjunge war, der ihm manchmal den Kaugummi geklaut hatte. Schlafen, das klang nach einer guten Lösung. Sein Körper würde ihm dafür danken, endlich ein wenig Ruhe zu bekommen.
Stegi spürte eine angenehme Wärme, die ihn umhüllte. Diese Wärme schien von einem Körper auszugehen, wirkte fast so, als hätte sich die Katze seiner Großmutter auf seinen Bauch gelegt. Seufzend drückte er sich näher an die Wärmequelle, atmete den altbekannten Duft ein, der von dieser ausging. Es roch nach seinem Shampoo, Waschpulver und etwas Undefinierbarem, was ihn jedoch nicht sonderlich störte. Erst ein leises Quietschen ließ ihn seine Augen öffnen. Er blinzelte schläfrig, versuchte herauszufinden, wo er sich befand. Jemand hielt ihn in den Armen, was die angenehme Wärme erklärte. „Stegi?", flüsterte sein Träger leise. „Bist du wach?" Etwas vor sich hin brabbelnd vergrub Stegi seinen Kopf im Oberteil des Anderen, begriff nicht ganz, wieso die Person ihn das fragte, geschweigendem, wer ihn das fragte. Die Person atmete tief durch, setzte den Aufstieg fort, stieß schließlich seine Zimmertür auf. Er legte Stegi auf eine weiche Matratze, deckte ihn nach kurzem Zögern zu und trat einen Schritt zurück. „Gute Nacht", hauchte er, verließ leisen Schrittes den Raum. „Danke, wünsch ich dir auch", murmelte Stegi, bevor er wieder vollkommen in die Traumwelt abdriftete.
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