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Wie Bucky erwartet hatte, saß Steve am Rande der Lagune und starrte auf das Meer hinaus.
Die Aussicht an diesem sonnigen, jedoch herbsttypisch kalten Tag war wunderschön und das Rauschen der Wellen hatte etwas Beruhigendes.
Bucky wusste, wie gern Steve den Herbst mit all seinen Farben hatte und auch das Meer mit seiner Weite.
"Hier hast du dich also versteckt...", sagte der ehemalige Winter Soldier sanft und spürte anhand der subtilen Straffung von Steves Körperhaltung, dass er ihn gehört hatte.
Sich neben ihn auf einen kleinen Felsen setzend, folgte er Steves Blick in den Horizont und wartete, bis dieser ihn ansah.
"Die Wellen liefern dir keine Antworten, alter Freund..."
"Ich weiß nicht mal, ob ich wirklich Antworten auf meine Fragen haben möchte, Buck…", flüsterte Steve und etwas in dessen Stimme sagte Bucky, dass er hier bereits eine ganze Weile saß und über die Fragen, wie auch mögliche Antworten mit sich selbst gerungen hatte.
"Vielleicht stellst du einfach die falschen Fragen... Hast du darüber schon mal nachgedacht?"
Seinen Freund mit einem langen Blick musternd, richtete Steve den Blick wieder auf das Meer und stützte sein Kinn auf sein hochgezogenes Knie.
"Ich weiß ja nicht einmal, WAS ich wirklich frage...
Buck, ich weiß im Moment nicht, was ich will.
Ich fühle mich so... Zerrissen...", gestand der Blonde in einer derart traurigen Stimme, dass Bucky schlucken musste.
"Ich liebe dich, Buck... Aber... Da ist…"
"Es ist wie damals mit Peggy, oder?"
"Nein." Steve war sich nun wenigsten in diesem Punkt sicher.
"Peggy war... Ich habe für sie geschwärmt, wie ein Teenager es nun mal tut.
Sie war eine Hoffnung...
Eine Idee... Vielleicht war ich damals einfach verliebt in die Idee verliebt zu sein..."
"Für eine fixe Idee hast du aber verdammt lang ihr Bild mit dir herumgeschleppt", kommentierte der Schwarzhaarige trocken, worauf Steve ihm nur einen kurzen Blick zuwarf, der deutlich sagte , dass er das jetzt nicht wirklich hören wollte.
"Dann hast du mich damals für eine fixe Idee zur Seite geschoben...", schlussfolgerte Bucky, wohl wissend, dass Steve es nie so empfunden hatte.
"Ich habe dich nicht beiseitegeschoben, Buck...
Du warst immer in meinem Herzen, du BIST immer in meinem Herzen!
Ich liebe dich..."
"Wie oft willst du das noch sagen, bis du es auch fühlst und glaubst?"
Nun wirklich irritiert, drehte sich Steve zu ihm um und sah ihm direkt ins Gesicht.
"Zweifelst du an meinen Gefühlen für dich?"
"Du gehst mir seit Wochen quasi aus dem Weg, du schläfst alleine.
Fasst mich nicht mehr an, von irgendwas Intimen will ich nicht mal anfangen.
Ja, Steven... Ich zweifle daran, dass du noch immer so für mich empfindest, wie noch vor ein paar Wochen.
Vielleicht ist es, wie ich sage, wie damals mit Peggy, nur das es diesmal eben keine Frau ist, sondern Tony Stark.
Und im Gegensatz zu Peggy... Sorry Steve, aber bei Peggy wusste ich, was du bei ihr suchen könntest..."
Den letzten Teil des Satzes herunterschluckend, senkte Bucky den Blick und biss sich auf die Unterlippe, als er spürte, wie die Wut in ihm aufstieg.
"Ich habe es so satt der Lückenbüßer zu sein."
"Das warst du nie...", versuchte Steve seinem Freund zu versichern, doch der schüttelte nur bitter den Kopf.
"Was dann, Steve? Was bin ich für dich?
Und wage es nicht jetzt zu sagen, dass du mich liebst."
"Du bist der einzige Mensch, der immer für mich da war...
Meine Familie, Buck.
Und auch wenn du es nicht hören willst...
Ich liebe dich, ich werde dich immer lieben, und genau das ist es, was mich gerade so zerreißt.
Ich liebe dich und ich will dir nicht weh tun.
Aber etwas in mir... Tief in meinem Herzen, da sehne ich mich auch nach diesem Mann dort oben.
Ich weiß nicht, was es ist. Ich weiß nicht, warum das so ist...
Verdammt noch mal, ich weiß noch nicht mal, wieso ich gestern..."
Den Satz abbrechend, verzerrte sich Steves Gesicht, als er die Augen zupresste und auf seine Lippen biss, als er den Kopf in die andere Richtung drehte, als würde das etwas gegen seine eigene Verachtung für sich selbst helfen.
"Was hast du gestern...", fragte Bucky nun sanfter, stand auf und kniete sich vor seinen Freund in den Sand, als er erkannte, wie sehr ihn all dies wirklich mitnahm.
"Steve, sieh mich an...", bittend, nahm er die zitternden Hände von Steves Gesicht und sah ihm in die feuchten Augen, in denen Tränen brannten.
"Tony fragte, ob... Ich habe..."
"Ein ganzer Satz, bitte."
Einen zittrigen Atemzug aus seinen Lungen pressend, blinzelte der Blonde die Tränen aus seinen Augen, ignorierte das Gefühl, das sie auf seinen Wangen hervorriefen und hauchte schließlich in einer Mischung aus Entschuldigung, Reue und Hoffnung:
"Wir haben uns geküsst..."
"Nur das?", fragte Buck nun sanft und lächelte aufmunternd.
Ein Kuss?
Ein Kuss machte ihn so fertig?
"Ich habe nicht mehr zugelassen..."
Die Art, wie Steve ihm das gestand, wurde Bucky klar, wie zerrissen Steve wirklich sein musste.
Er spürte, wie der Blonde am ganzen Körper zitterte, spürte die Anspannung in ihm, die jeden einzelnen seiner Muskeln zu erfassen schien.
Er hasste es...
Er hasste es, wie viel er für Steve empfand, aber noch viel mehr hasste er es, diesen Mann vor ihm so zerrissen zu sehen.
Er hasste, wie sehr er das verstand und wie sehr er sich wünschte, dass Steve aufhören würde sich selbst so zu geiseln.
Aber vor allem hasste er die Tatsache, dass er Steven niemals gehen lassen können würde...
Dass er immer der Mann sein würde, der hinter ihm stand.
In jeder Beziehung...
Sie waren Familie.
Auf ihre eigene, verdreht liebende Weise...
"Komm her...", wispernd, zog er den schluchzenden Hünen an sich.
Hielt dem Ansturm der Trauer und der Verzweiflung stand, der sich an seiner Schulter frei brach.
Und schloss die Augen, als er Steve umarmte und seinen Kopf an ihn schmiegte, als dieser in seiner Halsbeuge hemmungslos weinte.
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