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Kapitel 7

[Alte Verwandte und Bekannte]

~Die Familie ist alles~

Salzige Tränen. Metallischer Geschmack.
Diese Eindrücke waren alles, was der kleine Junge im Moment auffassen konnte. Salzige Tränen und ein metallischer Geschmack im Mund.

„Steh auf, Casmiel." befahl sein Vater, der nur ruhig daneben saß, Zucker in seinen Schwarztee rührte und dabei zusah, wie sein Sohn von einem viel älteren und stärkeren Mann verprügelt wurde.

Aber dennoch stand Casmiel auf und wischte sich die Tränen aus den Augen. Ein Tripe durfte nicht weinen. Das war schwach und Casmiel durfte nicht schwach sein.

Also lief er auf den Mann zu, schreiend vor Zorn und er sprang ab um ihn direkt zu attackieren. Aber mit einer einfachen und schnellen Bewegung mit seiner Handkante stolperte Casmiel wieder Richtung Wand und prallte an dieser ab. Der stechende Schmerz in seinem Rücken zwang ihn beinahe in die Ohnmacht, aber er wollte nicht aufgeben. Noch nicht. Er durfte das nicht. Er war ein Mann und musste Stärke zeigen.

Aber sein Körper wehrte sich gegen diesen Kraftakt und er spürte sein Herz schlagen. Er konnte nicht atmen. Wieso konnte er nicht mehr atmen?
Doch. Da gelangte Luft in seine Lunge, aber er konnte es nicht spüren. Er atmete und kämpfte dennoch mit der Atemnot.

Tatsächlich war Charon Tripe aufgestanden und zu dem gerade einmal zehnjährigen Jungen gegangen, der schwach gegen die Wand lehnte und hustete. Sein Körper war rot und blau, Blut und blaue Flecken schienen sich immer wieder abzuwechseln und nur leichte Spuren eines Tränenrinnsals ließen auf die feuchten Augen hindeuten.

Der Mann kniete sich vor seinen Sohn und nahm sein Gesicht in seine Hand, das zwar unversehrt, aber dennoch mit Blut und Schweiß bedeckt war, sodass man den leichten Tränenfluss deutlich bemerken konnte.
„Hast du Schmerzen, mein Sohn?" fragte Charon sanft und er strich mit seinem Daumen über die Wange seines Sohnes, um seine Tränen wegzuwischen.

Fast schon panisch nickte Casmiel, der noch immer das Gefühl hatte, nicht mehr atmen zu können. Der Kloß in seinem Hals machte das Ganze nicht besser.

„Ich verstehe. Gerard, wir sind hier fertig. Ich danke für Ihre Dienste" befahl Charon dem Mann nur, der sich tief verbeugte und den Raum dann verließ. Es war ein riesiger Trainingsraum mit Waffen jeglicher Art und auch einem kleinen Tisch mit bequemen Stühlen, damit man bei diesen grausamen Trainings zusehen konnte, wie Charon es meist tat.

„Danke Vater" keuchte Casmiel erleichtert, als er bemerkte, das sein Trainer Pietro wirklich fort war. Endlich konnte er aufatmen und das tat er auch, aber sobald er ein kleines Lächeln auf seine Lippen gelassen hatte, sauste schon die Hand seines Vaters auf seine Wange zu traf ihn mit voller Wucht, sodass ein lautes Klatschen zu hören war.

Seine Wange brannte wie Feuer. Schlimmer als die Schläge, die Gerard ihm zugefügt hatte und die Tränen kamen zurück.

„Nicht weinen, mein Kleiner. Ich mache das alles doch nur um dir zu helfen. Damit du stärker wirst und dir niemand mehr etwas anhaben kann. Verstehst du das?" Doch das war nicht mehr sein Vater. Es waren schwarze Schatten, die sich aufbäumten wie eine Flammenwand. Sie kesselte Casmiel das Atmen, nahm immer wieder die Züge seines Vaters an und tauchte wieder in die Schattenflammen ein.

Mehr aus Angst als vor Zustimmung nickte Casmiel bei diesen Worten und kurz darauf rammte das Monster ihm seinen Gehstock in den Bauch. Das spitze Ende war kein Gehstock mehr, sondern ein Messer, und bohrte sich in die Bauchregion des Jungen und ließ ihn aufkeuchen, als Blut durch seine Kleidung sickerte, das fast schon schwarz war. Es war unangenehm, aber Casmiel hatte schon weitaus schlimmeres überlebt.

„Antworte mir, mein Sohn" befahl Charon mit seiner ruhigen und fast schon angenehmen Stimme, die jedoch immer wieder überging in ohrenbetäubendes Röhren und Flackern, als könnten die schwarzen Flammen Worte formen. Wieder nickte Casmiel.

„Ja...ja Vater. Ich verstehe" stotterte er von Schmerz und Angst erfüllt. Doch die Worte klangen, als wären sie weit entfernt von ihm. Als hätte nicht er sie gesprochen.
Alles tat ihm weh, vor allem seine Wange brannte noch und Blut rann aus seinem Mund. Er konnte sich nicht wehren, von Panik und Scham unterdrückt.

„Das wollte ich hören. Du bist eben mein kleiner Junge. Mein Casmiel" säuselte Charon noch und er wuschelte fast schon so wie ein richtiger Vater durch Casmiels weißblonde Haare, die zu diesem Zeitpunkt nicht Schulterlang waren, wie in der Zukunft aber in diesem Augenblick wachte Casmiel aus seinem Alptraum auf und schrie.

Als er bemerkte, wo er war, ließ er sich wieder zurück gegen die Wand sinken. Alles tat ihm weh, als wäre er noch immer in seinem Traum gefangen, aber leider waren die Schmerzen real. Immer wenn er schlief, kamen die unterdrückten Gefühle zu ihm zurück und so auch der Schmerz, den er dank eines Hormons in seinem Körper einfacher ignorieren konnte.

Mit seinen beiden blutigen Händen strich er sich die wilden Haare aus dem Gesicht und verbarg es dann hinter ihnen. Alpträume. Sie verfolgten ihn schon so lange, aber manchmal musste er schlafen. Er hasste es. Vor allem wenn er sich in einem solchen Raum aufhielt, der komplett dunkel war, sodass er nicht erkennen konnte, wie lange er geschlafen hatte, wie viel Zeit vergangen war. Er konnte nur beten, hoffen und lächeln. Ruhig lächeln, alle Strafen wortlos annehmen und keinen Widerstand leisten, wenn er zu seiner fast täglichen Folter gedrängt wurden, damit die Leiterin herausfinden konnte, wo ihre geliebte Tochter war.

Doch die Menschen, die ihn folterten waren nicht so höflich wie Nicholas und meist auch nicht so intelligent. Er durfte schon Charles und William, die beiden anderen Rune-Brüder kennenlernen, aber sie waren anders als Nicholas. William war fast schon wie ein Hund für die Arena. Er führte alle Befehle perfekt aus und tat das, was ihm gesagt wurde. Er lächelte nie, in seinen Augen blitzen keinerlei Emotionen auf und auch Casmiels Fähigkeit war fast machtlos gegen diesen Mann. Manche Leute hatten es sich so lange und intensiv antrainiert, keine Gefühle zu zeigen, dass nicht einmal Casmiel in der Lage war, sie zu durchschauen und ein solcher Mann war William Rune.
Charles war ganz anders. Er war kreativ und definitiv genauso intelligent wie seine Brüder, auch wenn Nick der intelligenteste von ihnen war. Aber Charles hatte seine eigene Art von Intelligenz, genauso wie Will, der es sich aber nicht anmerken ließ, durch seine kalte Maske.
Charles jedoch liebte das Foltern. Casmiel spürte seine Emotionen am intensivsten, denn er war immer sehr fröhlich gesinnt, wenn er jemanden foltern durfte und tat das auch meisterhaft. Selbst Charon Tripe würde diesen Mann loben, da war Casmiel sich sicher.

Nur Charles hatte es geschafft ihm ein schmerzerfülltes Zischen und sogar einen kurzen Einblick auf seine Gefühle zu entlocken. Er war grausam, aber zugleich mochte Casmiel ihn. Er erinnerte ihn stark an sich selbst und auch wenn Charles niemals so sein könnte wie er, wäre Casmiel vielleicht so wie er geworden, hätte seine Vergangenheit ihn nicht vollkommen zerrissen. Casmiel wünschte sich sogar, das er so sein könnte wie Charles, auch wenn dieser manchmal wirklich dumm wirkte.

Als die schwere Eisentür aufgeschoben wurde und das Licht in die dunkle Zelle strömte, musste Cas seine Gedanken unterbrechen, die alles waren, die ihm vor dem Wahnsinn bewahrten.
Zuerst konnte er nicht erkennen wer ihn jetzt schon wieder foltern würde, das Licht strahlte direkt in sein Gesicht und seine Augen mussten sich erst an die plötzliche Helligkeit gewöhnen und er musste sich auf seine anderen Sinne verlassen.

Er kannte diese Schritte. Sie waren sanft, anmutig und elegant, als würde der Fremde, der dem Gangmuster und der Schwere der Schritte nach ein Mann war, einen Ballsaal entlanggehen und eine edle Dame zum Tanz auffordern. Seine Silhouette zeigte, das er groß war, größer als Casmiel und er vermutete einen teuren Anzug er erkennen. Er erkannte das Parfüm, es war unverkennbar und rief schlechte Erinnerungen wach. Seine Erinnerungen schrien auf, wie kreischende Alarmglocken, die in seinen Ohren schrillten und ihn zur Flucht aufforderten. Doch er bewegte sich nicht. Jetzt war Casmiel sich sicher wer dieser Mann war und er ließ seine Hände wieder in seinen Schoß sinken.

„Vater" begrüßte er den Mann, der bei diesen Worten ein Lächeln aufsetzte. Es wirkte stolz, aber Casmiel wusste das es falsch war. Niemand, nicht einmal er selbst, konnte so ein überzeugendes Lächeln aufsetzen. Das war einzig und alleine das Talent von Charon Tripe.

„Casmiel. Ich habe dich vermisst, mein Sohn. Komm her" sagte der Mann sanft während er freudig seine Arme ausbreitete und Casmiel stand tatsächlich auf und ging zu ihm. Fast schon erleichtert legte Charon seine Arme um Casmiel und seine rechte Hand lag auf Casmiels Hinterkopf, während dieser nur hoffte, dass dieser Alptraum bald aufhören würde.

„Komm. Das hier ist doch keine Umgebung für einen Tripe. Du solltest duschen gehen und dir neue Kleider anziehen. Schließlich-" doch weiter kam Charon nicht, denn Casmiel nickte nur, so gut es in der Umarmung möglich war und beende seinen Satz: „Schließlich sieht ein Tripe immer fantastisch aus. Ich weiß, Vater."

„Genau" antwortete er sanft, während seine Hand fast schon beruhigend über Casmiels Hinterkopf strich und er ihn schließlich wieder freiließ. Während der gesamten Umarmung hatte Casmiel nicht geatmet und er fragte sich, ob auch sein Herz kurz aufgehört hatte zu schlagen, dafür spürte er es jetzt umso intensiver, denn es schlug ihm bis zum Hals und ertönte ihn seinen Ohren.

„Komm jetzt. Du musst nicht mehr in dieser Zelle sitzen. Komm mit mir mit, mein Lieber. Du bekommst eine neue Zelle und sogar einen Zimmerkameraden. Besser gesagt Theseus Rendall, deinen Freund. Aber zuerst muss ich mit dir reden" berichtete Charon und ohne darauf zu achten, ob Cas ihm folgte, ging er voraus.

Er konnte so einfach durch die Gänge spazieren und musste nicht darauf achten ob sein Sohn ihm folgte, weil er es bereits wusste. Er wusste das Casmiel keine andere Wahl hatte, denn Cas war intelligent. Er wusste, dass er diesen Schritt gehen musste, denn irgendwann würden seine Gedanken nicht mehr reichen und er würde den letzten Rest Verstand verlieren, der ihm blieb.

Die Kameras wandten sich jedes Mal ab, wenn Charon an ihnen vorbeiging als würden sie seine machtvolle Präsenz fühlen. Er hatte wohl auch mehr Macht in der Arena als die Leiterin, möglicherweise sogar mehr als der Präsident selbst. Wer wusste das schon? Im Moment war es Cas egal. Er blieb wachsam, immer ein paar Schritt hinter Charon, die Muskeln angespannt, auch wenn sie bei der Arbeit aufschrien und ihn beinahe zusammenzucken ließen.

Doch in diesem Moment musste er gehorchen. Deshalb folgte Casmiel ihm auch.
Er war mager geworden, das erkannte er erst jetzt. Die Angabe von 75 Kilogramm würde vermutlich nicht mehr stimmen. Der Frost war eine grausame Krankheit. Sie schien sich von ihrem Opfer zu ernähren, sein Essen zu stehlen, seine Energie und man konnte schon sehen, das Cas an dieser Krankheit litt.
Tiefe Augenringe und rote Spuren zierten das untere Lid seiner dunkelblauen Augen. Dunkelviolette Adern bewegten sich davon weg, wie blitzartige Narben, die unter der Haut lauerten. Seine Haare waren nun vollkommen weiß, genauso wie seine Augenbrauen und seine Wimpern. Seine Haut war noch blässer und fahler als schon zuvor und seine Lippen wirkten bläulich. Er zitterte leicht, als wäre ihm kalt und generell fühlte sich seine Haut unwirklich kühl an, als wäre all die Wärme aus seinem Körper entwichen. Langsam näherte sich Casmiel der zweiten Phase. Er stand gerade noch so an der Schwelle und er wusste genau was dann passieren würde.

Die erste Phase war nur ein Vorgeschmack des wahren Frosts. Im Gegensatz zu den weiteren Stadien war diese hier ein Witz, obwohl Casmiel sich schon schrecklich genug fühlte. Selbst seine Angst vor dem Schlaf konnte ihn nicht mehr wirklich wachhalten und seine Gedanken flogen wild umher. Nie konnte er sich lange konzentrieren und jemanden widersprechen oder gar kämpfen kamen nicht in Frage. Er fühlte sich ausgelaugt, der Frost stahl seine Energie, seine Kraft.

Doch er wusste schon, was passieren würde und deshalb nahm er es einfach hin. Es war ihm egal. Er würde irgendwann sowieso sterben und wenigstens hatte er ein Zeichen gesetzt und wenn er Glück hatte, würde es bald Aufstände in der Arena und auch außerhalb geben. Vielleicht würde die Arena fallen, auch wenn er das nicht mehr miterleben könnte. Das hatte er nie vor gehabt.

Doch, wenn die Legende seinen letzten Wimpernschlag erlebt und er langsam stirbt in den Armen seiner Folgenden, wenn der gefallene Engel seinen letzten Flug antritt, dann ist der Krieg vorbei.
Dann haben sie gewonnen, die, die man Monster nennt.

Die Zeilen aus der Prophezeiung des Sick Boys waren eindeutig. Es war fast schon zu einfach gewesen, sie zu entschlüsseln, aber Casmiel konnte genau erkennen, was sein Schicksal war. Er würde sterben müssen, damit die Phoenixe überleben könnten. Er, die Legende.

Casmiel hatte dieses Schicksal bereits akzeptiert. Vielleicht war er sogar etwas dankbar dafür, schließlich wäre dieser ewige Kampf endlich vorbei. Endlich könnte er schlafen.

„Was willst du eigentlich von mir? Ich dachte du hoffst auf meinen Tod" fragte Casmiel schließlich. Das alles passte nicht zu Charon Tripe. Casmiel sah ihn eher auf einem seinen bequemen Ohrensessel mit einem Glas Whiskey in der Hand und einem charmanten Grinsen im Gesicht, wie er dabei zusah, wie Casmiel langsam dieser Krankheit erlag und wahnsinnig wurde.

„Ich wollte nie, dass du stirbst. Ich wollte, dass du lernst. Aber du bist trotz allem noch mein Sohn, mein einziger Erbe. Du bist ein Tripe, ob du es willst oder nicht. Deinen Nachnamen kannst du zwar ändern, aber du wirst niemals jemand anderes sein können. Auch wenn du es mir nicht glauben willst, liebe ich dich. Forsche ruhig in meinen Emotionen herum, du wirst erkennen, das es keine Lüge ist" versprach der ältere Mann aber Casmiel schüttelte nur spöttisch schnaubend den Kopf.

„Selbst wenn ich in deinen Emotionen suchen würde, könnte ich nicht sicher sein, ob das nicht alles eine Lüge ist. Ich habe von dir gelernt meine Emotionen zu verbergen und zu verdrehen. Das können alle Tripes, deshalb kann ich ihre wahren Emotionen nur fühlen, wenn sie sie gerade nicht kontrollieren oder manipulieren. Eine geniale Strategie, aber ich kann dir nicht glauben" erklärte Casmiel seinem Vater nur. Er versuchte gerade zu gehen, wankte jedoch ein wenig. Er fühlte sich nicht wirklich gut. Seine Augen waren so schwer und obwohl er gerade erst aufgewacht war, könnte er schon wieder schlafen. Charon wartete immer geduldig, wenn er sich an der Wand abstützen musste, um zu Atem zu kommen. Er wirkte nicht wütend. Nicht abwartend. Manchmal konnte Casmiel sogar einen Funken Sorge aufleuchten sehen, doch das musste er sich einbilden.

„Touché. Punkt an dich. Ich habe erwartet, du würdest das alles so schnell wie nur möglich vergessen wollen. Generell, ich dachte du hättest alle meine Lektionen verdrängt" erwiderte Charon nur höflich, als würde er mit einem guten Bekannten sprechen und nicht mit seinem eigenen Sohn.

„Natürlich nicht. Trotz allem waren deine Lektionen immer sehr hilfreich wenn es um das Überleben ging. Dank ihnen habe ich es aus der Arena geschafft, auch wenn ich das nur ungern zugebe. Aber wenn das deine Liebe sein soll, dann will ich sie nicht." antwortete Casmiel monoton. Er wollte seinem Vater nicht zeigen, wie schwach, verängstigt und sorgvoll er gerade war. Irgendetwas musste hier vorgehen, von dem er nichts verstand aber er wollte es verstehen und riskierte dafür auch ein Gespräch mit seinem Vater.

Gerade machte Charon eine Tür auf und ließ Casmiel vorgehen. Auch wenn er paranoid war und erwartete, dass Charon ihn jetzt hinterrücks erstechen würde, ging er voraus und setzte sich auf einen der Stühle. Mehr gab es nicht. Einen kleinen Tisch und zwei Stühle. Sonst war der Raum vollkommen leer, weiß und steril.

„Darum geht es auch, Casmiel. Ich muss mich wohl bei dir entschuldigen" sagte Charon vollkommen ernst, als auch er sich gesetzt hatte und Cas konnte seine monotone Maske nicht mehr aufrecht erhalten. Fast schon geschockt starrte er seinen Vater an. Kurz bildeten sich Tränen in seinen Augen, doch diese blinzelte er sofort weg und ersetzte die durch eine eiserne Maske, die das Leuchten in seinen Augen erstarren ließ. Verblassen.

„Entschuldigen?" fragte er ein wenig krächzend. Er hatte bei dem Schock wohl ein wenig seine Stimme verloren, so entsetzt war er über diese Offenbarung und Casmiel versuchte ein Anzeichen, wenn es auch so minimal wäre, für eine Lüge zu finden. Aber sein Herz war rein. Charon Tripe schien nicht zu lügen.

„Ja. Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich habe dir unfassbare Schmerzen zugefügt, als du noch ein Kind warst. Aber das habe ich getan, um dich zu beschützen. Ich wollte, das dich diese Welt nicht mehr verletzten kann. Ich habe nur getan, was meine Pflicht war, als dein Vater. Als Tripe. Das bedeutet aber nicht, dass ich es nicht gehasst habe," erklärte Charon seufzend und Casmiel stand so ruckartig und schnell auf, das der Stuhl, auf dem er zuvor noch gesessen hatte, nach hinten fiel und mit einem Krachen am Boden landete.

„Hör auf" murmelte Casmiel leise, seine Stimme zitterte unkontrolliert. „Hör auf diese Lügen zu erzählen, Charon!" rief er dann lauter und seine Gefühle brachen auf ihn ein. Diesen Moment hatte er nicht kommen sehen. Jedes Szenario hatte er in seinem Kopf abgespielt. Er hatte alles erwartet, nur nicht das und hier war es. Das Unvorhersehbare.

„Ich will einen Neustart, Cas. Ich will, das wir uns verstehen können. Gemeinsam leben können. Du bist mein Erbe und-" aber weiter kam Charon nicht, denn Casmiel schlug heftig auf den Tisch und sah seinen Vater wütend an. Wieso war er so ruhig? Wieso konnte Casmiel keine Spur einer Lüge in der Seele dieses Mannes erkennen?

„Sei endlich leise! Du hast mich verlassen! Du hast mich zerstört. Du hast alles zerstört. Wegen dir ist Cassiopeia jetzt tot! Wegen dir ist Caspian verschwunden und wegen dir bin ich so, wie ich jetzt bin! Also sag nicht das es dir leid tut, wenn du keine Ahnung hast, wovon du sprichst!" schrie Casmiel. Er konnte seine Gefühle nicht mehr kontrollieren, der Damm brach zusammen und es war, als würden die Emotionen sich wie eine Schlange um Casmiels Körper winden. Selbst Charon konnte diese mächtige Aura spüren, die von seinem Sohn ausging, aber seine Mimik veränderte sich kein Stück genauso wenig wie sein Herzschlag.

Er sah ihn nur an. Verständnisvoll. Als würde er verstehen. Als könnte er verstehen. Als wüsste er tatsächlich, was er getan hatte. Was Casmiel durchgemacht hatte, nur wegen ihm.

Charon Tripe war ebenso wie Casmiel selbst erzogen worden. Jedenfalls bis er zwölf Jahre alt wurde und seine Eltern ermordet wurden. Dennoch, er hatte mit Helio zusammen trainiert, Assassinentechniken gelernt und wandte sie dauerhaft an.
Sein Puls würde immer dieselben Wellen schlagen. Kein Lügendetektor wäre in der Lage ihn zu durchschauen, nicht einmal die härteste Folter würde etwas auslösen. Sein Herz würde in einem sanften, ruhigen Takt weiterschlagen.

„Ich weiß, dass du verwirrt bist. Aber hör mir zuerst zu, bevor du dumme Entscheidungen triffst, mein Sohn" bat Charon ihn sanft. Vollkommen ruhig, seine Stimme war wie ein sanfter Windhauch, ungefährlich und angenehm. Aber Casmiel wollte sich nicht beruhigen.

„Du bist der Grund, weshalb ich kaputt bin" zischte Casmiel nur abwertend und seine Aura wurde mit jedem Moment stärker, die Schlange wuchs und füllte langsam den gesamten Raum aus. Ihr Zischen klang in Casmiels Ohren nach und erfüllte seine Gedanken mit ihrem Gift.

„Casmiel. Setz dich hin und lass es mich dir erklären" bat Charon erneut. Kein Zucken seiner Mimik, kein Hinweis seiner Gestik. Wenn Casmiel ein verschlossenes Buch war, dann war Charon ein Safe aus dem härtesten Metall der Erde.

Eigentlich wollte Casmiel ihn weiter anschreien, toben, wüten und seiner Wut freien Lauf lassen, aber er stellte den Stuhl passiv-aggressiv auf und setzte sich wieder, in seinen Augen loderte seine Wut jedoch weiter, wie die Glut eines gelöschten Feuers.
„Gut. Erkläre es mir. Aber wehe ich spüre auch nur einmal das du lügst" zischte Casmiel wütend und er verschränkte seine Hände miteinander ohne Charon aus dem Blick zu lassen.

„Ich plane den Präsidenten zu stürzen und ich habe bereits die Tochter meiner Schwester auf meiner Seite. Wir haben ein Video in den Medien verbreitet, in dem sie erzählt, was die Arena und ihre Eltern ihr angetan haben. Bald sollte ganz Amerika davon wissen und die Aufstände werden gigantisch sein" erklärte Charon sachlich, als würde er nicht gerade so eine wichtige Botschaft übermitteln. Sofort wurde Casmiel aufmerksamer, ruhiger und er hörte seinem Vater nun mit vollem Interesse zu.

„Die Tochter des Präsidenten?" fragte er zuerst und Charon nickte. Es wirkte mehr wie ein Gespräch zweier Geschäftsmänner und nicht wie eine Vater-Sohn-Zusammenkunft.

„Ihr Name ist Icarus Athena Caysila Tripe. Du hast sie als Ketara Arayuma kennengelernt, wenn ich mich nicht irre" erzählte Charon weiter. Sofort erinnerte sich Casmiel an Ketara. Das Mädchen mit den Flügeln, die frühere Nummer 1, die scheinbar bei seiner Flucht gestorben war. Wie er erwartet hatte, war es nur eine Ausrede der Arena, damit sie die Spiele spannender machten.

Aber auch Kalea, die Frau, die Casmiel kennengelernt hatte, als sie gerade von einem Wachmann weggelaufen war, hatte von einer Icarus gesprochen. Es war ihre Wohnpartnerin gewesen, wenn Casmiel sich recht erinnerte.

„Icarus? Aber...das widerspricht dem Stammbaum der Tripes. Der Tradition" erwiderte Casmiel ruhig. Er musste rational denken. Durch Charon konnte er erfahren, was alles geschehen war.
Anhand von der Uhr seines Vaters, hatte Casmiel bereits erfahren das bisher drei Tage seit der Schlacht vergangen waren. Drei lange Tage, in denen er furchtbare Qualen erlitten hatte und dem zweiten Stadium immer näher rückte.

„Ich weiß. Sie hat sich den Namen selbst gegeben. Icarus ist Transgenderfluid" erklärte Charon, als wäre es etwas vollkommen normales. Seit wann akzeptierte sein Vater so etwas mit solch einer Leichtigkeit?

Plötzlich lächelte der Mann vor Casmiel leicht und schüttelte den Kopf.
„Mein Lieber. Ich habe das schon immer geduldet. Aber die Gesellschaft nicht und wenn herausgekommen wäre, das mein Sohn gerne Kleider und Stöckelschuhe trägt, dann wäre es aus mit dem Tripe-Vermächtnis. Wie du weißt, habe ich dich nie eingeschränkt in deiner Wahl. Nur in deiner öffentlichen Präsentation." sagte Charon nur amüsiert und Casmiel versuchte seine Mimik besser zu kontrollieren. Er kannte niemanden, der ihn durchschauen konnte. Nur sein Vater war dazu in der Lage.

Und dennoch waren diese Worte von Charon etwas, dass Casmiel nicht einfach an sich vorbeiziehen lassen konnte. „Oh, nicht nur das, Vater. Ich liebe nicht nur feminine Sachen, sondern liebe auch das männliche Geschlecht" meinte Casmiel nur, fast schon schadenfreudig, aber Charon erwiderte dies nur mit einem leichten Lächeln.

„Ich weiß. Das ist mir schon früh klar geworden. Ich meine, sieh dich nur an. Dein Verhalten, dein Kleidungsstil, dein Geschmack. Natürlich stehst du auf Männer, das ist klar und deutlich zu erkennen, Casmiel. Du unterschätzt das elterliche Gespür," Diese Reaktion hatte Casmiel tatsächlich nicht erwartet, auch wenn er sich nichts anmerken ließ.

„Ich dachte, du würdest ausrasten. Schließlich ist dein perfekter Sohn doch nicht so perfekt" antwortete er nur monoton. Er wollte keine Schwäche zeigen, nicht vor diesem Mann.

„Ach Cas. Ich habe das alles nur getan, damit du deinen wahren Wert erkennst. Schon als Kind warst du unsicher, hast dich gefragt, ob du gut genug bist. Unsicherheit kann schnell dein Tod sein, das wollte ich vermeiden. Also habe ich dich geschliffen. Du warst Kohle, aber unter Druck wirst du zu einem Diamanten und diesen Druck musste eben ich auf dich ausüben. Casmiel. Dein Name bedeutet der Perfekte. Ich wollte das du diesen heiligen Namen gerecht wirst, denn du hast diese Perfektion verdient. Du bist der erste deines Namens in einem Stammbaum der Vollkommenheit. Der Erste, der tatsächlich in der Lage sein könnte, das Vermächtnis der Tripes zu tragen. Verstehst du das?" fragte Charon nur und zum einen klang diese Erklärung logisch, aber irgendwie konnte Cas ihm nicht einfach glauben.

„Wieso das alles? Wieso die Lektionen, die Schmerzen, die Strafen. Wieso hast du mir gelehrt, wie ich mich selbst zerstören kann? Wieso hast du mir das alles angetan?" fragte Casmiel nur murmelnd. Er wusste, wenn er lauter sprechen würde, könnte man seine zitternde Stimme hören.

„Weil es eine Tradition ist. Der perfektionierte Zerfall. All die Lektionen, die harten Aufgaben und das Training. Das alles habe ich nur getan, weil es dich stärker machte. Und sieh dich jetzt an. Du bist eine Legende. Denkst du, ein normaler Mensch hätte jemals schaffen können, was du getan hast? Denkst du irgendjemand, hätte all das überleben können, außer du? Die Antwort kennst du. Belüge dich nicht selbst. Du bist etwas besonderes, Casmiel. Du bist ein Tripe. Es fließt Macht durch seine Adern, deine Worte sind eine Klinge und dein Verstand geschliffen. Du bist nicht normal und das ist dein größter Vorteil. Denn du hast gelernt, wie du Schmerz zu deinem Sklaven machen kannst. Wie du Schmerz in deine Waffe verwandelst. Du stehst über der simplen, einfältigen Menschheit. Ich will nur dafür sorgen, dass du das nicht vergisst." erklärte Charon und Casmiel war sich unsicher. Wem konnte er vertrauen? 

Die Worte seines Vaters waren die Wahrheit. Ein normaler Mensch hätte niemals tun können, was er getan hatte. Hätte es niemals geschafft seine Größe zu erlangen. Ein normaler Mensch hätte versagt. Das war sein Vorteil. 

Doch er konnte seinem Vater nicht vertrauen. Er konnte seine Vergangenheit nicht einfach fallen lassen. Er konnte Charon nicht einfach wieder in sein kaltes Herz lassen.

„Du kannst mir glauben oder auch nicht. Es ist mir inzwischen egal. Ich liebe dich und auch wenn ich es dir niemals zeigen durfte, war ich stolz auf dich. Ich habe deine Kämpfe gesehen. Du hast sie immer getötet, nur um der Arena zu zeigen, dass du dich nicht von ihnen beherrschen lässt. Diese Tat hat mich immer sehr beeindruckt. Und als du die Mauer erklommen hast. Wirklich atemberaubend. Ich habe dich nie aus den Augen verloren. Ich wusste immer wo du warst, wohin du gehen würdest und ich habe sogar den ein oder anderen Beschatter auf dich angesetzt. Ich habe auf dich aufgepasst, auch wenn du es nie bemerkt hast" Charon legte seine Hand auf Casmiels Wange. Zuerst wollte er zurückweichen, aber dann akzeptierte er die Berührung. Er war wie paralysiert von dieser Aura, seine Worten, diesen Taten. Das leichte Zucken war kaum eine Bewegung gewesen, nur ein kurzer Moment der Furcht, die Casmiels Herz sich zusammenziehen ließ.

„Was hat dir diese Zerstörung gebracht?" fragte Casmiel verbittert, auch wenn er nicht zurückwich. Doch ebenso wenig reagierte er darauf. Er sah Charon nur kalt an, die Augen starr auf ihn gerichtet, die Miene ernst und ausdruckslos. Tränen zurückhaltend, da er all die Jahre nichts anderes wollte, als diese Worte der Entschuldigung aus dem Mund seines Vater zu hören.

Charons Miene wurde leichter. Sein Lächeln sanfter. Seine Augen weicher.
Es war derselbe Gesichtsausdruck, den Casmiel trug, wenn etwas funktioniert hatte, dass er sich nie erträumt hatte. Etwas weltveränderndes. Als würde Charon an etwas denken, dass ihm großen Erfolg brachte. Liebe in seinem Herzen aufflackern ließ, wie Casmiel es noch nie zuvor erlebt hatte.

"Gibt es denn keinen besseren Beweis dafür, dass Zerstörung Schöpfung ist, als die Menschheit selbst. Sie finden gefallen an der Historie des Verlustes. Der Geschichte der Vernichtung. Was ist es nur, dass Menschen zu so eifrigen Voyeuren der eigenen Zerstörung macht? Ist es vielleicht derselbe Zwang, der die Menschen bei drohender Gefahr vorsichtig werden lässt? Wie auch immer. Zerstörung zieht uns an. Zerstörung weckt unser vergrabenes Interesse. Unsere tiefsten Geheimnisse. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine Sünde sein kann, Zerstörung zu begehren. Und so kann es auch keine Sünde sein, dich zerstören zu wollen, um Perfektion zu erlangen. Ich tat es nur, um dich zu retten. Um dich zu beschützen. Ich wollte nichts anderes, als das Beste für dich, Casmiel."

Voyeure der eigenen Zerstörung. Ja, das waren die Tripes wohl. Mit ihren Traditionen des Zerfalls. Ihren Traditionen der Vernichtung. Sie waren der lebende Beweis, dass Zerstörung Schöpfung ist und Schöpfung Zerstörung. Das Leben und Tod keinen Unterschied machten.

„Ich...ich brauche Zeit" fast schon vorsichtig und mit zitternden Händen, als würde er eine Bombe entschärfen, nahm er Charons Hand von seiner Wange und legte sich auf den Tisch. Mit seinen dunkelblauen Augen starrte er den Mann wieder an.

Kurz noch behielt er seine eigenen Hände auf der seines Vaters. Nahm die angenehme Wärme auf, die bewies, dass Charon tatsächlich in Blut und Fleisch vor ihm saß. Dass er real war.

„Ich finde einen Weg, wie ich dir meine Antwort überbringen werde" fügte er noch hinzu bevor er ruhig aufstand und gehen wollte.

„Natürlich findest du den. Nichts anderes erwarte ich von dir. Aber wenn du schon dabei bist zu gehen. Hier" antwortete Charon ruhig und er warf Casmiel ein kleines Fläschchen mit einer mitternachtsblauen Flüssigkeit zu.

„Was ist das?" fragte Casmiel nur verwirrt und sein Vater schmunzelte verhängnisvoll.

„Du wirst wissen, was du damit tun sollst, wenn die Zeit gekommen ist, es zu nutzen. Und jetzt geh. Dieses Gespräch wurde natürlich nicht aufgenommen und nicht übertragen, aber dennoch solltest du in Zukunft nicht über mich oder den Plan sprechen. Draußen wartet bereits Conrad, er wird dich zu deiner neuen Unterkunft begleiten" sagte Charon und Casmiel ging tatsächlich, still und verwirrt.

„Du wirst mich nicht befreien?" fragte Casmiel noch einmal zögerlich, bevor er den Raum verlassen konnte, die Hand auf der Türklinke, bereit sich umzudrehen und nie wiederzukehren. Die Alarmglocken waren verstummt. Sein Fluchtreflex verschwunden. Er fühlte sich noch immer seltsam unwohl in der Nähe seines Vaters, doch nun war es ebenso ein schlechtes Gefühl, ihn zu verlassen. Sich von ihm zu trennen.

Auf seine Frage hin, lachte der ältere Mann nur amüsiert und schüttelte den Kopf.
„Wenn du eines kannst, Casmiel, dann dich selbst befreien. Du bist schon einmal aus dieser Anstalt geflohen, du wirst es wieder schaffen. Unterschätze dich nicht selbst."

Mit einem letzten Nicken, ging Casmiel tatsächlich. Verließ den Raum, still und schweigend, nachdenkend, über die Worte seines Vaters.

Eine Zeit lang schaute Charon ihm hinterher, bevor er sein Handy aus der Jackentasche holte und jemanden anrief.
„Ja. Ich habe es ihm ausgerichtet. Jetzt müssen wir nur mehr warten. Ich kenne meinen Sohn. Er wird zu mir zurück kommen. Das weiß ich." 

Ein leichtes Lächeln zierte Charons Lippen und er sah auf die spiegelnde Oberfläche des weißen Tisches, in dem er sich selbst sah.
"Casmiel Tripe...komm wieder nach Hause."

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