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Beim Aufklappen des Informationszettels fällt mir dieser doch glatt drei mal aus der Hand. "Gib mal her, das kann man ja nicht mit anschauen!" Susi reißt mir den Zettel aus der Hand und sucht akribisch genau nach den Bildern, die uns endlich sagen sollen, ob eine Schwangerschaft besteht oder nicht. "Mam!" Genau jetzt, im größten Moment der Aufregung, möchte mein Sohn auch ein bisschen Aufmerksamkeit. "Komm her, Schatz!" Genau dann, als ich nach Aaron greife, fällt mir dieser blöde Test aus der Hand.
Hättest den mal vorher aus der Hand gelegt.
Der junge Mann ist leider viel schneller und krallt sich sofort den digitalen Schwangerschaftstest. "Aaron. Gib das her. Das ist bäh!" Aaron gibt Gas und krabbelt auf die Türe zu, die genau in diesem Augenblick wieder geöffnet wird. "Nein!", ich renne meinem Sohn hinterher, stoße Tom auf die Seite und bekomme den kleinen Mann gerade noch so vor dem Wohnzimmer zu fassen. "MAM! HABE!", brüllt mir der auf hundert Prozent geladene Zornigel entgegen. "Ja, genau, Mama will das haben. Das ist nichts für Aaron!", als ich aufblicke, sehe ich in vier fragende Gesichter, wobei Stephan's Gesicht eher nach Antworten verlangt. "Was hat Aaron da?" Paul zieht seine Augenbrauen zusammen und versucht genauer zu erkennen, was ich zu verbergen versuche. "Das ist so ein... Übersäuerungstest. Weißt du, ich habe das Gefühl, dass mein Körper übersäuert ist und darum wollte ich das mal austesten, damit ich gegensteuern kann!" Mit einem gekonnten Handgriff ergreife ich den Schwangerschaftstest und stecke ihn in die Hosentasche.
Stephan schließt währenddessen die Augen und lacht kopfschüttelnd vor sich hin. "Josi? Was ist denn mit Susi los? Die fabriziert so eine Art Pappmaché in dem Waschbecken im Bad... und warum rennst du deinem Sohn wie eine Irre hinterher?" Herr Mayer versteht die Welt nicht mehr. "Kannst du ganz kurz Aaron nehmen und mit ihm Hände waschen? Ich muss zu Susi. Aber richtig Hände waschen... Er hat... ganz dreckige Hände!", ich werfe meinem Bruder schon fast mein Kind in die Arme und renne darauf schnell zurück ins Badezimmer. Nachdem ich die Türe dann auch endlich mal abgeschlossen habe, richte ich meinen Fokus aus meine Freundin: "UUUUUUND?" "Weiß nicht, Tom war zu schnell. Jetzt ist das Papier so aufgeweicht, dass man nichts mehr sieht....", leicht überfordert zuckt Susi mit ihren Schultern, was mich lauthals zum Aufstöhnen bringt. "Egal. Ich habe in meiner Hosentasche einen digitalen Test. Hätte ich blöde Kuh gleich geschalten, wüssten wir längst was Sache ist!", voller Ehrfurcht ziehe ich das besagte Teil aus meiner Hosentasche und schaue sofort auf das Display. "Und? Und? Sag schon!" Susi stirbt fast tausend Tode vor mir, während meine Gesichtszüge entgleisen: "Nichts!" "Wie nichts? Nicht schwanger?" "Ne, da steht nichts auf dem Display! Was ist denn das für ein neumoderner Scheiß?", ich schmeiße den Plastikstab direkt ins Waschbecken und seufze laut auf:
"Also, fünf Stück haben wir noch. Mit einem von denen werden wir es ja hoffentlich auf die Reihe bekommen!" Während ich fleißig am auspacken bin, wird Susi wieder nervös: "Du... Josi?"
"Hmmmm?", ich entnehme hochkonzentriert jeder einzelnen Verpackung den Teststreifen oder Plastikstab und lege alles fein säuberlich in eine Reihe. "Ich muss noch eine Weile warten. Ich kann nicht mehr pinkeln, ich bin leer!" Die Wangen meiner Freundin färben sich in einem leichten Rotton. "Is nich wahr, oder? Boah, Susi. Nimm dein Zahnputzbecher und trink so viel du kannst! Los jetzt!" Da sich das ganze natürlich in die Länge zieht, setze ich mich auf den Boden und lehne mich mit meinem Rücken gegen die Badewanne.
Susi trinkt um ihr Leben und scheint bald vor lauter Wasser kotzen zu müssen. "Lass gut sein und setz dich zu mir. Jetzt müssen wir eben warten!" Mein Arm legt sich um die Schultern meiner Freundin, nachdem sie neben mir auf dem Boden angekommen ist.
"Josi! Hast du deinen Säurehaushalt jetzt ausgewertet oder muss ich in den Garten zum pinkeln?" Stephan kann sich sein Lachen kaum unterdrücken, was mich augenblicklich mit dem Kopf schütteln lässt: "Ne, Aaron hat das Ergebnis zunichte gemacht und jetzt habe ich zu wenig Urin. Nutze doch einfach deine Männlichkeit und geh in den Garten!" "Kein Problem. Übrigens treffen gerade Phil und Alex ein. Nur zu eurer Info!" Jetzt hört sich der Herr nicht mehr ganz so belustigt an. "Stephaaaaaaaan...", mein gequältes jammern zeigt Wirkung: "Jaja. Ich lenke die beiden ab, okay?" "Ich liebe dich!" "Ich weiß! Ich dich auch!" Warum Herr Sindera nach diesem liebevollen Geständnis so schwer durchatmen muss, weiß ich auch nicht so genau, aber ich genieße einfach die Tatsache, dass er uns den Rücken frei hält.
"Was mache ich denn dann, wenn der Test positiv ist?" Susi ist auf einen Schlag total überfordert und sieht so aus, als würde sie jede Sekunde anfangen zu heulen. "Dann sagst du es Phil am besten sofort. Dann kannst du einen Frauenarzttermin ausmachen und er kann gleich mit!" "Ich muss mir erstmal einen neuen suchen... oder warte mal.. meinst du, ich könnte auch zu deinem?" Ich kann Susi gut verstehen, so ein Frauenarztwechsel ist immer eine äußerst unangenehme Sache. "Zu Finn? Ja klar, den kann ich dir nur empfehlen. Da bist du super aufgehoben!"
Mein Herz klopft mir bis zum Anschlag, während mein Fuß nervös vor sich hin zappelt: "Musst du nicht endlich mal pinkeln?" "Neeeee... Ich hoffe, Stephan kann Phil und Alex noch eine Zeit lang ablenken!", kaum hat Susi ausgesprochen, klopft es schon an der Türe: "Schatz? Ist alles in Ordnung bei euch?" "Hi Schatzi. Ja, alles prima!", ich hoffe doch sehr, dass Alex mein Krächzen überhört hat. Susi lehnt sich dicht an mein Ohr: "Seit wann nennst du Alex denn Schatzi?" Ich schaue meiner Freundin überfordert ins Gesicht und rümpfe meine Nase:
"Seit gerade eben?" "Bevor du verblutest, sagst du aber bitte Bescheid!"
Bevor ich was?
"Warum soll ich denn bitte verbluten?" "Stephan hat es mir erzählt, also mach dir keinen Kopf! Wenn es nicht geht, dann sag bescheid, Phil ist auch wieder da!" Alex' Antwort verwirrt mich nur noch mehr. Ich schaue zum wiederholten Mal zu Susi: "Was hat der bitte erzählt?" "Keine Ahnung... aber wenn er nicht sofort bei dem Wort "verblutest" die Türe aufbricht, dann schlussfolgere ich, dass es ein normales Verbluten sein muss!" "Wie kann man denn "normal" verbluten, bitteschön?" "Na, wenn du deine Tage hast!" "Aaaaaaah! Aber warum dichtet der mir sowas an?" "Pfffff, was weiß ich. Aber es würde deinen Zusammenbruch in dem Drogeriemarkt erklären und das es dir einfach peinlich war, das zuzugeben. Somit ist Phil eventuell überhaupt nicht mehr pissig und die Sache vom Tisch!"
"Wenn das so ist, hat Stephan mit einer einzigen Lüge alle Schandtaten bereinigt. Dann hat er wirklich einen Orden verdient!"
"Oh Gott, Josi!" Susi klopft mir wieder wie verrückt auf die Schulter. "Was? Was ist los?" "Ich muss pinkeln!" "Was sitzt du dann noch hier auf dem Boden? Rauf auf die Schüssel und teile dir deine Ladung ein, du hast fünf Tests, die bepinkelt werden wollen!", ich tue es meiner Freundin gleich und stemme mich vom Boden hoch. Während Susi auf der Schüssel sitzt, reiche ich ihr einen Test nach dem anderen und warte geduldig, bis jeder einzelne vollgepinkelt ist. Zum Glück sind wir zwei so unbefangen in unserem Umgang, dass weder Sie noch ich einen großen Akt daraus machen, dass ihr ihr beim pinkeln zugucke.
"Okay... zwei Minuten, dann wissen wir Bescheid!", ich starre gebannt auf die Uhr an der Wand und habe das Gefühl, dass eine Schnecke die Zahnräder der Uhr bewegt.
Zwischendurch klopft es ein weiteres Mal an der Türe: "Josi? Ist alles okay? Wir machen uns langsam echt Sorgen. Wird es denn nicht besser?" "Ja, Phil!"
Noch eine Minute
"Was ja? Dass es dir gut geht oder besser wird oder beides?" Herr Funke hat ein ausgesprochen schlechtes Timing und legt natürlich genau jetzt wieder seine hartnäckige Ader ans Tageslicht. "Kann gerade nicht!", meine Hand greift zu der Hand meiner Freundin neben mir. Wie zwei kleine Mädchen, stehen Susi und ich händchenhaltend vor dieser Uhr und warten darauf, dass der Sekundenzeiger auf der Zwölf ankommt. "Mir ist schlecht!", flüstert Susi vor sich hin, während wir versuchen, die Fragerei von Phil vor der Türe zu ignorieren.
Stunde der Wahrheit!
"Bereit?", ich schaue Susi tief in die Augen, worauf sie mir etwas unsicher zunickt. Wir drehen uns gleichzeitig um und werfen einen Blick auf die Tests. Drei Tests haben zwei Streifen, einer zeigt den Schriftzug schwanger an und einer zeigt nur einen Streifen an. Wir vergewissern uns auf den Beipackzetteln, dass zwei Striche auch wirklich "schwanger" bedeuten und starren uns für einen Moment lang ausdruckslos an.
Eindeutig, oder?
"Du bist...", ich beginne den Satz und Susi vollendet ihn: "Schwanger!"
"Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaah!" Ich werfe meine Arme um Susi und zerquetsche sie fast. "Josi... Ich bin schwanger... von Phil!", stammelt Susi total überfordert vor sich hin. "Na das will ich auch hoffen, dass du von Phil schwanger bist!", mein Lachen wird von lauter Männerstimmen vor der Türe unterbrochen, wobei Alex der lauteste ist: "WENN IHR JETZT NICHT SOFORT DIE TÜRE AUFMACHT, DANN TRETE ICH SIE EIN!" "Jaja, warte kurz. Alles gut!", ich entlasse die geschockte Frau aus meiner Umarmung, stecke alle Schwangerschaftstests in die Plastiktüte zurück, bis auf einen, und stopfen sie in eine der Schubladen der Kommode. Anschließend stecke ich Susi den zurückgehaltenen Beweis in die Hosentasche und öffne letztendlich die Türe.
Ein komplett blasser Alex packt mich in eine Umarmung und drückt mich kurz darauf wieder weg, um mich genau anzuschauen. "Ich denke, dass nicht ich ein Fall für das Sofa bin, sondern du, Herr Hetkamp!", ohne zu zögern schiebe ich den Herrn aus dem Badezimmer und lege einen ganz kurzen Stopp bei Phil ein: "Kannst du mit deiner Freundin mal kurz nach oben gehen und sie gaaaaaaaaanz fest in den Arm nehmen, bitte? Keine weiteren Fragen, mach es einfach!"
Alex parke ich auf dem Sofa und spitze nebenher meine Ohren, um hören zu können, ob Herr Funke meinen Auftrag ausführt. Die paar knarrenden Treppenstufen lassen mich breit grinsen, schüren aber auch meine Nervosität. "Schatz, du solltest dich auch mal hinlegen! Du bist total durch den Wind!" Herr Hetkamp klopft neben sich auf das Sofa und erwartet, dass ich jetzt mit meinem aufgewühlten Zustand einfach einen auf chillig mache. "Ne. Nachher. Hast du Hunger? Bestimmt hast du Hunger! Die Kinder auch... Ich mache essen!", ohne weiter auf die Anwesenden zu achten, laufe ich in den Flur und versuche, irgendwelche verräterischen Geräusche zu hören. Aber man hört nichts! Kein Jubel, kein Lachen, kein Weinen, kein Schreien… Wobei die letzteren beiden Punkte eh nicht wünschenswert wären. Hinter mir stellt sich jemand direkt an meinen Rücken: "Also nicht du, sondern Susi?" "Ach Stephan...", ich drehe meinen Kopf zu ihm und kann mir mein breites Grinsen absolut nicht verkneifen. "Dann bin ich mal gespannt, ob Susi hierher zieht oder Phil zu ihr!", diese Worte schlagen mir ungewollt auf den Magen: "Wie jetzt? Natürlich zieht Susi hier ein. Weißt du, wie cool das wird? Die Kleinen wachsen alle zusammen auf und ich habe meine beste Freundin andauernd um mich und..." Stephan stoppt meine Euphorie mit einer Umarmung: "Lass das die beiden entscheiden und versteife dich nicht darauf, dass es genau so abläuft! Vielleicht wollen die ihr eigenes Ding durchziehen!" "Aber das ist meine Freundin und sie wird sich sicherlich auch über Unterstützung freuen und..."
"Josi! Susi bleibt trotzdem noch deine Freundin und sie kann trotz allem unterstützt werden. Jetzt lass das doch alles mal laufen. Ich denke nicht, das die zwei gleich heute die nächsten Monate durchplanen werden!" Stephan streicht mir unaufhörlich über den Rücken und legt nebenher sein Kinn auf meinem Kopf ab. "Ich hasse solche Veränderungen!", murre ich vor mich hin und drück mich noch ein Stück fester an den Polizisten. "Ich weiß. Aber das stehen wir auch zusammen durch, okay?" Mit einem Murren stimme ich ihm zu und lasse mich anschließend in die Küche schieben.
Da die meisten heute noch nichts warmes zum essen hatten, kochen wir zusammen Spaghetti Bolognese. Malea und Aaron kommen ebenfalls in die Küche gekrabbelt und beschäftigen sich nebenher mit ein paar Tupperdosen, die ich ihnen in die Hand gedrückt habe. "Wie waren Phil und Alex eigentlich drauf, als sie hier angekommen sind?" Diese Frage beschäftigt mich immer noch, deshalb muss ich das auch endlich in Erfahrung bringen. "Frag lieber nicht.... Beide waren sauer ohne Ende. Phil hat dann auch erzählt warum... Ich finde ja wirklich auch, dass du hättest nachschauen lassen sollen. Das ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen!" "Stephan, das war doch nur gespielt. Hätte ich das nicht getan, hätte Phil die Tests gesehen und ich wollte auf jeden Fall vermeiden, dass er die richtigen Schlüsse zieht. Wenn Susi nicht schwanger gewesen wäre, hätte das doch nur unnötig die Pferde scheu gemacht! Außerdem hat es schon gereicht, dass Robin und Moritz mich mit den Dingern erwischt haben", ich werfe einen Blick auf meinen Nebenmann, der immer noch nicht so begeistert aussieht: "Warum machst du denn immer alles so kompliziert? Du reitest dich immer tiefer in eine Scheiße hinein, obwohl eigentlich gar keine Scheiße da war!" "Jaaaa. Ich weiß. Was hast du denn jetzt den beiden Notärzten aufs Brot geschmiert, dass die letztendlich so zahm geworden sind?" "Eigentlich hat das eher Alex ins Rollen gebracht. Nachdem ihr beide nicht mehr aus dem Badezimmer gekommen seid, hat er uns gefragt, was ihr da macht. Ich wollte gar nicht viel dazu sagen und habe nur "irgendwelche Frauenprobleme" in den Raum geworfen. Alex meinte dann, dass du bestimmt deine Tage bekommen hast und er gehört hat, dass das erste Mal nach der Schwangerschaft, sehr übel sein soll. Phil hat dann auch gleich seine Gesichtszüge gelockert und letztendlich deinen Schwächeanfall darauf geschoben. Er konnte dann auch irgendwie verstehen, dass du das nicht auf dem Drogeriemarkt Boden, inmitten von vier Männern, preisgeben wolltest. Somit sind alle Themen erledigt!" "Naja, wie lasse ich mich jetzt bluten? Da ist nämlich noch gar nichts... könnte auffallen, oder?" "Wieso? Guckt dein Verlobter so genau nach?" Das laute Lachen steckt mich ebenso an und ich boxe Stephan freundschaftlich gegen die Schulter.
"Soll ich denen oben Bescheid geben, dass das Essen fertig ist? Da hört man gar nichts... nicht das Phil Susi erwürgt hat und danach selbst an Überforderung gestorben ist", mein Blick trifft auf Stephan's, der mich unglaubwürdig mit hochgezogenen Augenbrauen anschaut. Ich erhebe beide Hände und laufe ein paar Schritte rückwärts: "Jaaaaa. Schon gut. Ich lasse die zwei in Frieden und denke einfach, das die sich jetzt ganz doll lieb haben und miteinander kuscheln!"
Aber wenn ich bis in einer halben Stunde nichts von meiner Freundin höre, dann muss ich wirklich nachschauen!
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