Kapitel 72. Abschied
Lily hatte sich ihren letzten Morgen auf Hogwarts anders vorgestellt. Nicht so bedrückt und ordinär.
Seit Januar war einige Zeit vergangen...
Genauer gesagt sieben Monate.
Lily stand noch immer in reger Briefkorrespondenz zu Mrs. Shirbatskaja, die sich als außerordentlich geeignete Informantin erwiesen hatte.
Die Rumtreiber, Lily und Co. hatten ihre UTZ-Prüfungen bestanden. Manche erfolgreicher als andere, aber dennoch bestanden.
Und jetzt saßen alle acht am Haustisch der Gryffindors in der großen Halle und hingen, jeder für sich, ihren eigenen trübseligen Gedanken nach.
Das gesamte Gepäck stand schon in der Vorhalle gestapelt und wartete nur darauf in den Zug geladen zu werden.
Die Schüler der niedrigeren Jahrgänge freuten sich bereits auf die Sommerferien zu Hause. Nur der siebte Jahrgang, egal wer oder welches Haus, wirkte missmutig, traurig und ängstlich.
Die meisten hatten gar keine Ahnung, was sie mit ihrer Zukunft anfangen sollten. Sie hatten sich immer auf den Schutz und die Geborgenheit Hogwarts' verlassen und auch, wenn jeder mindestens einmal über Hausaufgaben, Aufsätze oder schlechte Noten genörgelt und mit dem Wunsch schon mit der Schule fertig zu sein geprahlt hatte, war es trotzdem nie ernst gemeint gewesen.
Sirius, der links neben Lily saß und vermutlich von allen am schlechtesten gelaunt war, murrte schließlich: "Jetzt reichts! Ich halte diese bedrückte Stimmung nicht mehr aus."
Sofort ruhten die Blicke seiner Freunde auf ihm und er erklärte weiter: "Wir sind die Rumtreiber und verlassen ganz brav und sang und klanglos Hogwarts? Leute, sorry Mädels und Frank ihr nicht, wir brauchen etwas Großes...
Einen Abgang, an den man sich erinnert!"
Lily schüttelte bloß resigniert den Kopf, Remus seufzte geschlagen und Peter zog die Augenbrauen fragend zusammen. Nur James schien zu seinem Bruder im Geiste zu stehen, trotzdem sagte er vorsichtig: "Ich weiß Pad, aber Streiche brauchen Vorbereitung und dafür haben wir gerade nicht die Zeit."
"Merlin sei's gedankt", murmelte Lily und erntete ein zustimmendes Nicken von Hestia.
Sirius grinste jedoch und hörte gar nicht auf die anderen, denn er beugte sich weiter über den Tisch und flüsterte verschwörerisch: "Missetat begangen."
In James' Augen erschien ein schelmisches Funkeln, Peter konnte ein Grinsen nicht unterdrücken und Remus ließ unter verzweifeltem Stöhnen seinen Kopf auf den Tisch sinken.
Lily wollte gar nicht wissen, was die vier nun schon wieder vorhatten. Da begrüßte sie eher die niederschmetternde Stille.
Sirius sprang auf, eilte zum Lehrertisch, ließ sich einige Meter davor auf den Boden fallen und schrie: "Oh Minnie, wollen wir wirklich scheiden, ohne dass du mich einmal erhörtest?
Schon vom ersten Tag an reizte mich Ihre wunderschöne Gestalt und die Bestimmtheit, mit der Sie mich immer wieder zurückwiesen! Nie wird mein Herz im Stande sein eine Frau so zu lieben, wie die königliche Gryffindor. Die gryffindorsche Königin! Hestia meine Liebe, nimm es mir nicht übel, aber nur Minnie gebührt mein ganzer Respekt und ihr zu Ehren werde ich mich höchst selbst dazu verpflichten als Lehrer auf Hogwarts zu arbeiten, um weiterhin ihr ergebenster und treuester Diener zu sein!"
Die ganze Rede hatte er dramatisch betont und mit vielen großen Gesten unterstützt.
Minerva McGonagall erhob sich und blaffte scharf: "Reißen Sie sich gefälligst zusammen und werden Sie nicht sentimental, Black! Ich habe Ihnen schon in Ihrem ersten Jahr verdeutlicht, dass Sie gern jeden anderen verehren dürfen. Professor Dumbledore oder Professor Slughorn würden sich sicher geehrt fühlen."
Sirius griff sich übertrieben ans Herz und rief: "So dann mich meine Liebe auch jetzt nicht erhört, werde ich mein Interesse wohl einem anderen zuwenden müssen.
Madam Hooch..."
Wie aufs Stichwort sprang James auf und rief theatralisch: "Die Freundschaft hält Stand in allen Dingen, nur in der Liebe Dienst und Werbung nicht. So teurer Freund wirst du doch deinen Anspruch nicht auf meine Angebetete erheben, die ich seit der ersten Flugstunde auf das Heftigste verehre!"
Die Schüler johlten und brüllten vor Lachen. Auch Lily, Hestia, Alice und Frank stiegen mit ein.
Aber er setzte noch einen oben drauf: "Meine geliebte Madam Hooch, wollen Sie mir nicht die Ehre erweisen und meine Liebe entgegen nehmen, oder muss ich nach dieser Schmach mit gebrochenem Herzen auf dieser kalten, bösartigen Welt wandeln?"
Madam Hooch schien versucht ihn mit ihrem Besen verprügeln zu wollen, oder aus dem Fenster zu schmeißen...
Eins von beidem jedenfalls.
Peter erhob sich und ging vorsichtig, auf wackligen Beinen nach vorn und ließ sich vor Professor Slughorn nieder.
"Oh mein geehrter Professor...
In den ersten fünf Jahren verging keine Zaubertrankstunde, in der ich nicht zu Ihrer unglaublichen Weisheit und auch Bescheidenheit aufblickte.
Ein jeder wünschte sich die Aufnahme in Ihren berühmten Club, doch nur wenige erwiesen sich Ihrer Aufmerksamkeit als würdig und ich bedauere bis heute Ihnen meine brennende Liebe nicht eher gestanden zu haben.
So bleibt mir nur zu sagen...", er machte eine Kunstpause und das Publikum, dass niemals mit solch genialen schauspielerischen Leistungen gerechnet hatte, wartete gespannt.
"Mir bleibt nur noch zu sagen, Ihr Modegeschmack ist grandios, der haut mich jedes Mal glatt um!"
Lacher erfüllten die große Halle und nun starrten alle wie gebannt auf den verbleibenden Rumtreiber, der sich schließlich ergeben seufzend erhob und vor Professor Kesselbrand zu Boden sank, welcher teils amüsiert, teils schockiert das Geschehen verfolgte.
"Ich bin kein Mensch vieler Worte oder großer Gesten", hob Remus an und fuhr fort: "Aber dennoch muss ich gestehen, dass mein Herz jedes Mal vor Entzücken Luftsprünge machte, wenn sich eine neue Unterrichtsstunde bei Ihnen anbahnte.
Ich habe noch nie einen Menschen mit so viel Anmut und Sanftheit durch das Leben schreiten sehen. Und auch ihre ruhige Art und Gefasstheit machte aus jeder erdenklichen Lebenssituation etwas Gutes.
So betrübt es mich doch ungemein jetzt von Ihnen scheiden zu müssen, da ich nun endlich die Courage fand meine Gefühle zu gestehen.
Oh welch grausame Welt...
Nie ist mir ein vergleichbarer Mensch untergekommen und nie ein Abschied so schwergefallen. Und trotzdem, mein lieber Bruno, vergiss mich nicht und lebe wohl."
Tosender Applaus und Gelächter brandeten durch die Halle und Hestia, die neben Lily eigentlich alles schwermütig angegafft und angejammert hatte, das nicht bei drei unterm Hexenhut war, konnte sich vor Lachen nicht mehr halten. Lily und Alice erging es ähnlich, was vor allem an Remus' Monolog lag.
Professor Bruno Kesselbrand war nämlich durchaus für sein aufbrausendes Temperament und seine nicht gerade feinfühlige Art bekannt. Außerdem hatte er sich einmal vor versammelter Klasse mit einem Troll geprügelt und dabei einen Zeh eingebüßt. So viel also zu Anmut, Sanftheit und Gefasstheit.
Die Rumtreiber erhoben sich und deuten Verbeugungen, sowie Luftküsse in alle Richtungen an. Dann nickten sie sich stumm zu. Peter wurde rot vor Verlegenheit, Remus schüttelte flehentlich den Kopf und Sirius, wie auch James grinsten von einem Ohr zum anderen.
Lily verstand nach einem kurzen Schulterblick auch warum. Argus Filch hatte die große Halle betreten und schaute mürrischer denn je drein.
"In Hogwarts da haben wir einen Hausmeister,
Der fürchtet sämtliche Poltergeister.
Dabei weiß er gar nicht um seine Macht,
Da die Schüler beim Gedanken an ihn ängstlich Zittern in der Nacht.
Sein gemeiner Blick, so mürrisch und kalt
Das Katzenvieh an seiner Seite zickig und alt.
Ja sie sind schon ein schönes Pärchen
Und freuen sich über jedes den Schülern gekrümmte Härchen.
Durch die Gänge kann er rennen wie ein geölter Blitz
Und wenn man ihr ihn rennen seht, so fürchtet um euren illegalen Besitz.
Doch uns interessiert all das nicht mehr
Uns macht Argus Filch nicht mehr das Leben schwer.
Der Abschied von euch bereitet uns große Trauer
Aber viel Spaß noch im Kerker, denn der Rumtreiberbericht sagt es gibt Schauer."
Sie sangen es schief und falsch und ohne Metrum und machten damit vermutlich sämtlichen Slytherins Angst davor noch einmal in die Kerker zu gehen.
Der Hausmeister von Hogwarts taxierte die vier mit unverhohlener Wut und kreischte: "So, dass habt ihr euch aber fein ausgedacht!
So ein nettes Ständchen zum Abschied hat doch jeder gern und dann noch als Geschenk Regen in den Kerkern...
Aber ich habe auch noch ein Geschenk für euch Jungs!
Her mit dem Pergament!"
Die vier erbleichten, Sirius fiel unterwürfig auf die Knie und bettelte um Gnade, James tat es ihm gleich und Remus und Peter trugen verzweifelte Mienen zur Schau.
Doch Filch war unerbittlich und unter Tränen (ja, James und Sirius heulten!), überreichten sie ihm schließlich die Karte der Rumtreiber, die er schmierig grinsend entgegen nahm.
"Keine Sorge, unsere Erben kommen nach Hogwarts und dann werden sie das Schloss wieder unsicher machen, aber bis dahin, Missetat begangen!"
Wie auf Kommando schmissen sie etwas in die Höhe und kurz darauf erschienen in der Luft vier riesige Gestalten.
Ein Wolf, ein Hund, ein Hirsch und eine Ratte schwebten durch die Halle, bevor sie sich unter großem Getöse in Feuerwerk auflösten.
Lily, Hestia, Alice und Frank lächelten wehmütig. Dieser Abgang war wirklich unvergesslich, auch wenn Filch dazwischen gefunkt hatte.
Eine Stunde später wanderten sie den langen verschlungenen Weg zum Bootshaus herunter, um die letzte Rückreise anzutreten und eine letzte Fahrt über den See zu genießen.
Lily saß gemeinsam mit ihren Freundinnen und Frank in einem Boot, während die Rumtreiber sich ebenfalls eines teilten.
Das Gepäck wurde von den Hauselfen zum Bahnhof gebracht.
Wehmütig betrachtete Lily das Schloss, welches in der Ferne immer kleiner wurde und senkte traurig den Blick auf die spiegelglatte Oberfläche des schwarzen Sees, über den sie gerade wie von Zauberhand fuhren.
Sie tauchte die Hand in das dunkle Wasser und beobachtete die kleinen Wellen, die sich bildeten und leise plätscherten.
Plötzlich ringelte sich etwas um ihre Hand und Lily zuckte heftig zusammen, bis sie bemerkte, dass es der Riesenkrake war, der ihr zum Abschied quasi die Hand geschüttelt hatte.
Lächelnd machte sie ihre Freunde darauf aufmerksam, die es ihr sofort gleichtaten.
Dann kehrte wieder bedrückende Stille ein.
Am Bahnsteig musste sie sich wirklich zusammenreißen, um nicht doch noch aus Abschirdsschmerz einige Tränen zu vergießen.
Hestia war da nicht so diskret wie ihre Freundin, denn sie heulte wie ein Schlosshund und ließ immer, wenn sie sich die Nase schnäuzte ein Nebelhorn erklingen.
So hatte ihn sich niemand vorgestellt. Den Start ins richtige Leben.
Und Lily war sich sicher, dass da noch einiges auf sie zukam.
So, es klingt wie ein Ende, ist aber nur ein Kapitelende, sowohl im Leben unserer Freunde, als auch in der Geschichte.
Es geht spannend weiter.
Sirius braucht schließlich noch sein Motorrad und Lily muss noch James heiraten.
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