Hofpause mit Folgen
Ich hatte keine Ahnung wie lange wir alle schon mit geschockten Gesichtern auf den Schulhof gestarrt haben. Ich hatte auch keine Ahnung wie man es geschafft hatte den grauen Wolf zu verscheuchen und wo er jetzt war. Mein Kopf fühlte sich an, wie eine Zuckerwattemaschine, wo alles verstopft von Watte war und nichts wirklich zu meinem Gehirn durchdrang. Ich hatte erst das Gefühl die Watte los zu sein, als mich jemand an der Schulter berührte. Es war unser Referendar für Mathematik, der mich mit einem undeutbaren Blick von oben bis unten musterte, als ich mich zu ihm umdrehte aber nichts sagte.
„Habe ich irgendwo einen Fleck oder warum starren Sie mich die ganze Zeit an, als wäre ich von einem anderen Planeten?!" fragte ich ihn etwas barscher als beabsichtigt. Er hob beschwichtigend die Hände und antwortete mit überraschender Gelassenheit: „Ich wollte dir nur mitteilen, dass die Schule wegen dem Vorfall gerade auf dem Hof alle Schüler nach Hause geschickt hat. Und du warst die Einzige, die noch im Raum war." Mit der Situation überfordert sah ich ihn an, wie ein Eichhörnchen. Herr Davis schien meinen Blick sehr unterhaltsam zu finden, denn er fing an zu lachen, als gäbe es kein Morgen mehr.
Nun musterte ich ihn genauer und da er grade lachte entblößte er seine Zähne und bei genauerem Hinsehen erkannte ich Blutspritzer auf seiner Lippe sowie seinen Zähnen. Außerdem hatte er nur ein T-Shirt an, welches freien Blick auf seinen Oberarm gab. Dieser war mit einem Tattoo verziert, welches aus verschiedenen ineinander übergehenden Linien bestand. Diese ergaben einen Wolfskopf, der die Zähne bleckte. Sofort wurde ich in die Situation, welche gerade auf dem Schulhof stattfand, zurückerinnert. Wie Robin auf dem Boden saß mit einem blutenden Arm und wie der graue Wolf zähnebleckend zum nächsten Angriff übergehen wollte und dann verblaste die Erinnerung. Dafür rückte die nächste an denselben Platzt, wie ein Filmband, dass sich immer und immer wieder abspielte. Es war die Erinnerung, als Ryan im Krankenhaus lag und unseren Eltern den Unfall erklärte. Er hatte auch etwas von einem Mann erzählt, der so ein Tattoo hatte. Und genau dieser Mann hatte auf meinen Bruder eingestochen und geschlagen.
Langsam versuchte ich Abstand zwischen mir und Herrn Davis aufzubauen, aber er merkte es schnell und machte einen großen Schritt und stand schon wieder bei mir. Ich hielt kurz die Luft an und versuchte irgendeine Möglichkeit zu finden, um mich aus dem Staub zu machen, aber das war fast unmöglich. Ich war zwischen der Wand mit den Fenstern und einem fast Lehrer eingekesselt. Rechts und links neben mir standen die Schulbänke, an denen unter anderen Umständen jetzt meine Mitschülergesessen hätten. Jetzt waren sie leergeräumt und zeigten keinen Hinweis darauf, dass sie heute schon benutzt wurden.
Fies lächelte er mich an und entblößte mir nun nochmals seine blutbespritzten Zähne. Angewidert verzog ich das Gesicht und schloss die Augen, ich machte mich schon auf alles gefasst, aber es passierte nichts. Langsam öffnete ich meine Augen und sah immer noch Herr Davis vor mir, aber wie ausgewechselt. Als ob jemand einen Schalter in seinem Kopf umgelegt hätte und er ein anderer Mensch wäre. Er sah mich etwas merkwürdig an und murmelte etwas für mich Unverständliches, bevor er auf dem Absatz kehrt machte und ging.
Perplex blieb ich noch ein paar Sekunden stehen, nur um danach wieder mein Handy zur Hand zu nehmen und diesmal Mamas Nummer, statt Ryans zu wählen. Nach ein paar mal durchklingeln ging sie dran und sagte mir ich solle kurz auf sie warten. Also ging ich den Flur entlang nach draußen. Es war etwas unheimlich wenn man bedenkt, dass vor nicht mal 10 Minuten alles voller aufgeregt redender Schüler war und jetzt alles leer ist. Niemand ist mehr auf den Fluren aufzufinden. Auch der Schulhof war verlassen. Das Einzige, was daran erinnert, dass jemand vor kurzem hier war, war eine Blutspur. Diese fing in einer Blutlache an und endete dort, wo erst ein Krankenwagen stand. Sie hatten Robin erst unter reichlich Protest mitnehmen können, da er Krankenhäuser und alles was damit verbunden ist hasste.
Da ich so schnell wie möglich wegwollte, überquerte ich in großen Schritten den Schulhof zum Tor. Ein leichter Windhauch wehte mir ein paar Strähnen ins Gesicht, welche aus meinem Zopf gefielen waren. Ich wusste nicht, wie lange ich schon vor dem Tor stand und auf Mama wartete, aber ich wusste definitiv das ich eingefroren war. Als Mamas Auto, um die Ecke auf den Parkplatzt fuhr, war ich mehr als froh. Zum einem, weil ich steif gefroren war und zum anderen, weil ich weg von der Blutlache und den damit verbundenen Erinnerungen wollte.
Schnell zog ich die Autotür auf und ließ mich auf den Sitz plumpsen, lachend sah Mama mir dabei zu und machte die Sitzheizung an. Dankend lächelte ich sie an. Siewusste immer was wir brauchten und war zu egal welcher Uhrzeit für uns da. Und selbst nur wenn Mr. Twinkel um drei Uhr nachts doch noch der Meinung ist, seinen Plüschhintern ins Haus bewegen zu wollen. Sie half uns schon immer und genau dafür liebte ich sie so sehr.
„Also erzähl mal warum muss ich dich nach zwei Spanischstunden schon von der Schule abholen?" Fragte Mama das Offensichtlichste. Ich überlegte, ob ich sie anlügen sollte und eine andere nicht so bekloppte Geschichte erfinden solle, aber ich ließ es. „Naja, wir sind gerade in unserem Matheraum angekommen, als Anika anfing wie ein nie endender Wasserfall zu erzählen, bis sie plötzlich aufhörte. Und dafür kamen vom Schulhof Schrei und dort lag Robin mit blutendem Arm, aber vor ihm stand ein grauer Wolf. Der hatte ihn angegriffen und ich habe keine Ahnung wie er hier auf unseren Schulhof gekommen ist." Erklärte ich es ihr, aber sobald ich es laut ausgesprochen hatte, kamen mir Zweifel. Wer sollte so eine Geschichte glauben? Oder warum sollte ein Wolf mitten in der Stadt auf einem Schulhof einen Schüler angreifen? Warum?
„Wie sah der Wolf, denn genauer aus?" fragte Mama stattdessen. Ich wusste nicht was ich sagen sollte und blieb somit erst einmal stumm. An den Fenstern zogen mittlerweile Wälder und Felder vorbei, sowie ab und zu ein gepflegter Vorgarten mit buntem Herbstlaub. Währenddessen zermarterte ich mir das Hirn, bis mir etwas einfiel. „Mama! Der Wolf war grau, aber er hatte auf seinem rechten Vorderbein eine Art Brandmarkierung, wie Pferde es manchmal haben. Und es war glaube ich ein Wolfskopf, der sich aus verschieden Linien zusammensetzte." Erklärte ich ihr, aber Mama fragte einfach weiter: „Wie genau sah der Wolfskopf aus?" „Ich weiß nicht so genau...wobei es war ein zähnebleckender Wolf und ..." weiter kam ich nicht, denn mir fiel auf wie gut diese Beschreibung auf das Tattoo von Herr Davis passte, und außerdem sah Mama mich entsetzt an. „Scheiße...Ähm tut mir leid" stieß Mama aus und entschuldigte sich sofort für den Ausdruck. Fragend sah ich sie an, aber sie meinte nur: „Das muss ich deinem Vater erzählen. Wir müssen sofort handeln, bevor noch mehr passiert." Jetzt war ich wieder komplett raus, wie im Matheunterricht, wenn Frau Miller etwas erklärt und danach nochmal versucht das Gleiche mit anderen Worten zu erklären.
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