67. Weg in die Dunkelheit
Als Sirius das Fläschchen weiter reichte, musste Felice sich abwenden. Dieser Trank, egal welch glückliche Wirkungen man ihm zuschrieb, bereitete Felice Übelkeit, weil eben dieses goldene Schimmern sie stetig an den Wahnsinn ihres Vaters erinnerte. Aber vielleicht war sie wenigstens so in der Lage ihre Freunde zu schützen, wenn auch nur kurz. Die kleine Menge an flüssigem Glück würde nicht lange anhalten, aber vielleicht hielt es lang genug, bis sie Lily und Astor gefunden hätten.
>>Wahnsinn... Ich fühle mich so leicht!<<, säuselte James und grinste dabei etwas dämlich. >>Boah, Tatze das müssen wir öfters nehmen. Besser als Feuerwhiskey.<< Entnervt verdrehte Felice die Augen und seufzte auf. Sie verschwendeten kostbare Zeit, aber James Potter musste erst noch sein offensichtliches Alkoholproblem deutlich machen.
>>Konzentriert euch! Bitte, das alles hier ist kein Scherz!<< Remus legte beruhigend seine Hände auf Felice Schultern und musterte sie eindringlich. >>Felice, wie nehmen das alle hier ernst. Sehr ernst sogar und ich habe keine Ahnung woher ich das weiß, aber deinem Bruder wird nichts geschehen. Oder Lily. Du schaffst das! Führ uns einfach in und durch das Haus, wir helfen dir und erledigen den Rest.<<
Felice hielt für einen Moment den Atem an und erlaubte es sich Remus direkt in die Augen zu sehen, ehe sie den Blick abwandte und sich wieder auf das eigentliche Problem zu fokussieren versuchte. Wenn Remus nur gewusst hätte, welch beruhigende Wirkung seine Worte auf sie hatten. Felice regte sich ja nicht mal wirklich über James auf, aber irgendwie musste sich ihre Angst Luft verschaffen. Denn das war es was sie spürte. Kalte, lähmende und allumfassende Angst. Es stand so viel auf dem Spiel.
>>Hier müsste irgendwo eine kleine Holztür sein.<<, lenkte Felice deshalb ab, bevor sie noch mehr Menschen anschnauzen würde, die ihr nur helfen wollten. Suchend schob sie also den dichten Efeu beiseite und fuhr mit den bloßen Händen den kalten Stein der hohen Grenzmauer, die das ganze Anwesen der Grindelwalds umzäunte, entlang. Vor ein paar Jahren einmal hatte Felice den kleinen Durchgang, der schon damals fast zugewachsen war, durch einen Zufall entdeckt. Zu dem Zeitpunkt war sie sich dem Wert dieser Information noch nicht bewusst gewesen, denn allen Anscheins nach wusste ihr Vater ebenfalls nichts davon. Vielleicht hätten sie und Astor schon viel früher fliehen können, so wie damals Latona. Falls ihre Mutter denn diesen Weg genommen hatte. Wenn das kleine Tor damals schon fast zugewachsen war, musste sie heute vollkommen unter den dichten Ranken verschwunden sein. Immer wieder lief Felice an der Mauer entlang und zerrte an dem dichten Blattwerk, schnitt sich dabei nicht nur einmal an scharfen Spitzen und Stacheln des Gestrüpps was auch noch an der Mauer entlang wucherte. Darauf, dass sie dabei alles andere als besonders leise war, achtete Felice gar nicht. Das einzige worauf sich ihre Konzentration fokussierte, war diese verdammte Tür zu finden und damit einen Zugang zu Elder Hall.
Felice Suche entlang der Mauer wurde hektischer und Panik stieg in ihr auf. Was wenn Corvus irgendwann die Tür gefunden und sie anschließend verschlossen hatte?! Oder konnte Felice sie deshalb nicht finden, weil es einfach viel zu dunkel war und sie ihren Zauberstab aufgrund des Risikos nicht benutzen konnte?!
>>Felice? Bleib ruhig. So wirst du sie nicht finden.<<, versuchte Sirius sie zu beruhigen und dabei von der Mauer wegzuziehen. Etwas in ihm sagte ihm, dass er Felice beschützen musste, und dass der Platz direkt an der Mauer gefährlich war. Aber Felice riss sich aus Sirius Griff los und lief wie eine Wahnsinnige vor der Mauer auf und ab.
>>Spürt ihr das auch?<<, wisperte Peter plötzlich und sah sich dabei Aufmerksam um, taxierte die Dunkelheit mit einem ungewöhnlich scharfen Blick. Auch Peter konnte es jetzt spüren. Etwas kam direkt auf die fünf Gryffindors zu und dann wäre es besser, wenn sie nicht gesehen werden würden. Aber auch diese warnenden Worte wurden von Felice geflissentlich ignoriert. Wo war diese verdammte Tür?! >>Wo— wo ist sie?! Sie muss hier irgendwo sein! Sie muss!<<
Ihr ganzer Plan baute auf der Existenz dieses Durchgangs auf, war diese nicht vorhanden würde alles wie ein Kartenhaus zusammenfallen und sie stünde nur noch vor Trümmern. Diese Tür war gleichzeitig der einzige Ausgang, den die Rumtreiber, Astor und Lily später nehmen konnten, um sich im Schutz des Waldes zu verstecken, bevor Dumbledore und seine Leute sie finden würden. Felice stand den Tränen nahe. Heiß brannten diese in ihren Augen und machten klares sehen beinahe unmöglich. Hatte sie bereits jetzt schon versagt? Noch bevor sie einen Weg gefunden hatte zu ihrem Bruder zu gelangen?
Plötzlich wurde Felice aber von hinten gepackt und zurück in den Schatten der Bäume gezerrt. Eine warme und raue Hand lag auf ihrem Mund, um ihre Schreie zu dämpfen, gleichzeitig wurde Felice Taille von hinten einem starken Arm umfasst. Beruhigend wisperte Remus ihr leise ins Ohr. >>Es kommt jemand.<< Sein Griff lockerte sich etwas und Felice blinzelte ihn verständnislos an. Sein Blick und auch der der anderen blieb stur entlang der Mauer gerichtet. Keiner der Vier konnte sagen woher sie alle auf einmal die Gewissheit hatten, dass sich jemand näherte, aber es dauerte nur wenige Sekunden und es lösten sich aus den undurchdringlichen Schatten des Unterholzes zwei vermummte Gestalten. Felice Herz begann zu rasen, denn unter einer der Kapuzen lugte eine weiß-blonde Haarsträhne hervor.
Malfoy.
Erst noch schweigend patrouillierten sie entlang der Mauer und kamen dabei gefährlich nahe an dem Versteck von Felice und den Rumtreibern vorbei.
>>Meinst du er lässt mich auch mal Spaß mit dem kleinen Schlammblut haben?<<, hörten sie den kleineren von beiden wispern, als er gerade an ihnen vorüberzog. Er kam dabei so dicht an ihrem Versteck vorbei, dass Felice den Gestank nach saurer Milch der von ihm ausging deutlich wahrnehmen konnte und es schwer hatte ein Würgen zu unterdrücken.
>>Maul halten!<<, wurde er sofort von Malfoy angeschnauzt. >>Wenn er dich erwischt, wie du diesen Dreck anfasst, sind deine Stunden gezählt.<<
Felice warf einen schnellen Blick zu James. Dieser hatte seine Kiefer fest aufeinander gepresst und seine Hand hielt seinen Zauberstab so fest umschlossen, dass die Fingerknöchel bereits weiß hervortraten. Er stand kurz davor auf diesen Mann loszugehen und Felice verstand seinen Zorn nur zu gut, aber jetzt hieß es abwarten.
Bald.
Bald schon würden sie alle bezahlen.
Quälend lange Minuten mussten sie alle im Dickicht hocken, bis sie sich vollkommen sicher sein konnten, dass die beiden Männer außer Hörweite waren. Dann aber stieß James etliche Flüche aus, bei denen seine Mutter wahrscheinlich das Bedürfnis gehabt hätte, ihm den Mund mit Seife auszuspülen.
>>Wehe sie rühren sie an! Wehe sie haben ihr auch nur ein Haar gekrümmt! Ich bring sie um! Ich bringe sie alle um!<<, schrie er seinen Zorn hinaus und schien am liebsten allein einen Sturm auf Elder Hall anführen zu wollen. Aber bevor James im Alleingang losstürmen konnte, bekam er von Peter einen Schlag in die Seite, der ihn dazu aufrief, gefälligst still zu sein. Malfoy und der andere mochten zwar außer Hörweite, aber keiner konnte wissen, ob nicht noch mehr Patrouillen den Wald durchkämmten.
Felice starrte wie gebannt auf die Stelle an der die beiden verschwunden waren. >>Kommt. Wir müssen weiter und du findest diese Tür, ich weiß es.<< Remus stieß sie leicht an, damit Felice aus ihrer Trance erwachte. Wie mechanisch nickte sie und trat zurück an die Mauer, die hoch in den Himmel ragte und neben der Felice sich so entsetzlich klein und hilflos fühlte. Wie konnte sie nur glauben, tatsächlich eine Chance gegen ihn haben zu können? Das einzige was Felice daran hinderte, wie ein feiges Tier den Schwanz einzukneifen, war die Tatsache das hinter ihr vier und vor ihr zwei Menschen darauf warteten, dass sie sie anführte und die ihr Vertrauten. Diese Menschen durfte Felice nicht enttäuschen. Besonders einer von ihnen der sein halbes Leben darauf wartete, dass sie kam und ihn befreite.
Entschlossen streckte Felice die Hände aus und tastete sich entlang des kalten Gesteins und den verworrenen Ranken, bis ihre Hände auf etwas feuchtes Hölzernes stießen. Mit einem beherzten Ruck, wobei sie sich wieder feine Schnittwunden zuzog, riss Felice das Gestrüpp beiseite und gab somit den Blick auf eine winzige, verwitterte Tür frei. >>Ich wusste es.<<
Felice warf Remus kurz einen dankbaren Blick zu. Jetzt mit dieser winzigen Pforte, erschien die Mauer nicht mehr ganz so hoch. Das Holz knirschte protestierend, als Felice sich mit ihrem ganzen Gewicht dagegen stemmte, um sie aufzudrücken. Aber die Witterung und der Zahn der Zeit hatten dafür gesorgt, dass sich das Holz stark verzogen hatte und kaum nachgab.
>>Lass mich das mal machen.<< Mit einem fetten Grinsen im Gesicht, ließ James seine Fingerknöchel knacken und seine Muskeln spielen. Seine kleine Angeberei konnte, in Anbetracht dessen, dass es stockdunkel war, zwar keiner wirklich sehen, aber seinem Ego schadete es nicht. Mit einer ordentlichen Wucht warf er sich gegen das morsche Holz und bekam, als es nicht klappte, direkt Unterstützung von Sirius. Zu zweit warfen sie sich nun gegen das Türblatt. Aber auch mit der Kraft zweier gut trainierter Quidditchspieler gab die kleine und anscheinend sehr robuste Tür nicht nach. Ein drittes Mal nahmen beide Anlauf, um dem alten Holz den Garaus zumachen. Im selben Moment jedoch zog Peter seufzend seinen Zauberstab und murmelte ein leises Alhomora. Beinahe Geräuschlos sprang diese nun auf und sowohl James als auch Sirius, die ihren Schwung nicht mehr hatten abbremsen können, landeten bäuchlings im Dreck.
>>Geht doch.<<, brummte Peter zufrieden und steckte den Zauberstab weg. So elegant wie es bei seiner Körperfülle und dem Hindernis am Boden ging, stieg Peter über das Knäul aus James Armen und Sirius Beinen hinweg und sah abwartend zu den beiden hinunter. >>Worauf wartet ihr denn?<<
Felice Mundwinkel zuckten und von Remus war ein leises Lachen zu hören. Schimpfend erhoben sich beide und klopften sich die trockenen Blätter und den Dreck von der Kleidung, bevor sie sich alle daran machten im Schutz der Dunkelheit den Garten zu durchqueren. Dabei mieden sie die mit Kies ausgestreuten Wege und blieben auf dem perfekt gestutzten Rasen. Felice Herz schlug ihr bis zum Hals, wenn sie jetzt entdeckt würden, dann gäbe es keine Rettung mehr und sie alle wären verloren. Hier hatten sie auf offener Fläche keinerlei Chance Deckung zu beziehen und wären Zaubern und Flüchen Schutzlos ausgeliefert. Aber wie durch ein Wunder oder vielmehr dank des Einflusses Felix Felicis', erreichten sie den angesteuerten Eingang zur Küche ohne dabei von Corvus Gefolgsleuten entdeckt zu werden. Jetzt mussten sie jedoch hoffen, dass keiner in der Küche die Arbeit der Hauselfen überwachte. Wenn dies der Fall wäre, mussten sie schnell sein und ihn ausschalten, bevor er Alarm geben konnte.
Gedanklich war Felice duzende erdenkliche Eventualitäten durchgegangen, die auf sie zukommen könnte. Doch für jede die sie durchgegangen war, gab es bestimmt ein duzend neue, die sich nicht vorhersehen konnte. Es war zum verrückt werden! Wieso mussten die Rumtreiber nur mitkommen?! Das hier war ein Himmelfahrtskommando! Sie führte sie alle in einen möglichen Tod! Felice hatte nichts mehr zu verlieren, aber bei James, Sirius, Remus und Peter sah die Sache ganz anders aus. Sie hatten zwar den Trank genommen, aber würde das reichen, sie vor den Todes- und Folterflüchen ihres Vaters und seiner Anhänger, zu beschützen? Noch bevor Felice sich die Frage selbst beantworten konnte, wurde die Küchentür einen Spaltbreit geöffnet. Sofort hatten alle ihre Zauberstäbe auf diesen Spalt gerichtet.
>>Winny wusste, dass seine Miss Felice zurückkommt. Miss Felice ist gekommen und Meister Astor und die junge Miss Lily zu retten! Miss Felice lässt die die sie liebt nicht im Stich, das hat Winny immer gesagt.<<, piepste die Stimme des Hauselfs und seine großen Tennisball Augen blickten zu ihr auf. Das letzte mal als Felice den alten Hauselfen zu Gesicht bekommen hatte, waren dessen Hände dick bandagiert gewesen. Jetzt waren die Verbände zwar verschwunden, aber hässliche Narben verliefen über die runzelige Haut von Winnys Händen.
>>Winny, bei Merlins Bart! Winny!<< Felice eilte auf den Elf zu und ließ sich vor ihm auf die Knie fallen um diesen fest zu umarmen. >>Miss Felice kann doch nicht ihren Diener umarmen. Lassen Sie das Miss Felice, was soll denn der Meister denken? Oh je, oh je! Der Meister! Miss Felice muss sich verstecken! Meister darf nicht wissen, dass Miss Felice hier ist! Oh Miss Felice, Winny ist so glücklich Sie zu sehen!<<, plapperte Winny darauf los und wandte sich aus der Umarmung von Felice. Die großen Augen verengten sich zu zwei schmalen Schlitzen als er den Rest der Gruppe hinter Felice wahrnahm. >>Ein Black, ein Blutsverräter, ein Werwolf und eine Ratte. Wenn Sie meiner Miss Felice schaden, wird Winny ihnen schaden. Gewaltig Schaden!<<
>>Der einzige der einen Schaden hat, ist dieser arme Kerl.<<, raunte Sirius Peter zu und sah argwöhnisch auf Winny herab, der nun seine knochigen Ärmchen in die Hüften gestemmt hatte und gefährlich zu ihnen empor funkelte. Peter grunzte belustigt.
>>Sirius! Rede nicht so mit ihm. Winny ist der einzige Freund gewesen den ich hier hatte! Er meint es nicht so. Er kennt es nicht anders. Mein Vater... Winny mag nun mal keine Fremden.<<, fuhr Felice ihn sofort an, bevor sie sich an Winny wandte.
>>Winny, mein Bruder und Lily. Weißt du wo sie sind? Du hast recht, ich—wir wollen sie retten, aber wir müssen erst wissen wo sie sind.<< Felice sah den Elf eindringlich an und legte während sie sprach ihre Hände auf seine dürren Schultern. >>Meister hat Meister Astor und Miss Lily in einen der oberen Zellen gebracht. Miss Lily ist sehr gütig zu Winny. Sie ist lieb und, oh Miss Felice, Sie ist genauso nett wie Miss Felice!<<, geriet er ins Schwärmen. James Mundwinkel zuckten nach oben, er war vollkommen verzückt von diesem Hauself.
>>Miss Felice muss aber rein kommen. Mister Malfoy und Mister Rosier sind hier.<< Felice Miene fiel in sich zusammen.
Rosier.
Sofort erhob sie sich und folgte Winny in die Küche, genauso wie James, Sirius, Remus und Peter. In der Küche tummelten sich die Hauselfen die sofort alle freudig Felice umringten und ihre Händchen nach ihr ausstreckten, um sie zu begrüßen.
Es war dunkel hier, das einzige Licht fiel durch ein hoch gelegenes Fenster und warf einen hellen Streifen auf den schweren hölzernen Arbeitstisch, auf dem sofort einige Gläser für Felice und ihre Freunde bereit gestellt wurden. >>Winny, sag ihnen, wir wollen nichts trinken. Du musst uns nur sagen, wo ich meinen Bruder und Lily finde.<<
>>Winny wird es nicht sagen, Meister hat es verboten. Winny darf mit keinem darüber sprechen. Aber zeigen, das kann Winny seiner Miss Felice.<< Ein schelmisches Grinsen lag auf den Lippen des kleinen Elfs und in Felice keimte wieder Hoffnung auf. Es war noch nicht alles verloren. Mit Winny an ihrer Seite würden sie es schaffen. Viel zu gut erinnerte ich Felice an das unirdisch gelegene Tunnelnetz unterhalb des Gebäudes. Lange hatte in den Weihnachtsferien der Abstieg bis ganz nach unten gedauert, dort wo sich Astors Zelle befand. Die Zelle die tief im Erdreich verborgen den wahren Erben von Grindelwald Manor und Elder Hall, den wahren Erben des Namens Grindelwald, den Erstgeborenen, vor dem Rest der Welt verbarg. Wenn sich Astor jetzt aber in einer der oberen Zellen befand, würde es nicht lange dauern bis sie ihn gefunden hätten.
>>Winny, führ uns hin.<<, bat Felice nun den kleinen Elfen mit neuem Tatendrang.
Dieser nickte eifrig und nahm Felice bei der Hand. Ihre andere umklammerte eisern ihren Zauberstab, von dem sie heute ganz sicher noch Gebrauch machen würde. Zu fünft folgten sie Winny, der sie als erstes aus der Küche raus, zu einer schmalen, sich nach unten windenden Wendeltreppe führte. Der Abstieg erfolgte nur schwer, denn die Stufen waren schmal und uneben in den groben Stein gehauen.
>>Vorsicht! Ihr müsst den Kopf etwas einziehen. Diese Treppen sind eigentlich nur für die Hauselfen um den Gefangenen ihr Essen zu bringen.<<, erklärte Felice leise. Ansonsten schwiegen sie während des Abstiegs. Die einzigen Geräusche waren die ihrer Schritte, angestrengtes Schnauben und hin und wieder ein unterdrücktes Fluchen, wenn einer der etwas größer gewachsenen Jungs irgendwo gegenstieß. Umso tiefer sie kamen umso kälter und feuchter wurde die Luft und bald schon war ihr Atem in weißen Wölkchen zu sehen.
>>Sagte er nicht obere Zelle? Bei Merlins Bart, ist es noch weit?<<, jammerte Peter irgendwann. >>Der junge Herr wimmert wie ein Kind. Winny versteht nicht wieso Miss Felice den jungen Herrn mitgenommen hat.<< Winnys Stimme klang tadelnd, denn es war nicht das erste mal, dass Peter sich beschwerte. >>Wir auch nicht.<<, brummte Sirius missmutig der direkt hinter Peter ging und deshalb noch langsamer vorankam.
>>Winny, er ist—ein Freund.<<, versuchte Felice wieder zu vermitteln, aber insgeheim gab sie Peter ein wenig recht. Felice hatte keine Ahnung wie tief diese Gänge eigentlich reichten und langsam wurde ihr schwindelig bei den ganzen Stufen, die sich schier endlos nach unten wanden. Doch lange dauerte es nicht mehr und die Treppe mündete unvermittelt in einem schmalen ebenso niedrigen Gang, an dessen Wände Fackeln in ihren Verankerungen hingen.
>>Gemütlich. Wirklich gemütlich. Bekommt man ein ganz heimeliges Gefühl...<<, kommentierte James als er in den Gang gestolpert kam. Doch Felice hörte gar nicht darauf. Beinahe endlos erstreckte sich der Gang vor ihnen, verlor sich in der Dunkelheit. Aber von irgendwoher schien ein Lufthauch zu kommen, ließ die Flammen flackernde Schatten an die grob behauenen Wände werfen und wehte Felice kühl ins Gesicht.
Eine Vorahnung, eine Vermutung oder ob es ein genaues Wissen war, konnte Felice nicht beurteilen, aber sie glaubte etwas zu spüren. Sie wusste nicht einmal was es war, aber etwas zog sie nach vorne in die Dunkelheit, ins Ungewisse.
>>Er ist hier.<<, wisperte sie.
>>Wer?<<, kam es gleichzeitig aus den Mündern der Rumtreiber. Nur Winny schien zu verstehen und blickte wissend zu Felice auf. Diese legte eine Hand an den kalten Stein.
Trocken.
Tiefer schien es als würden die Mauern weinen, wenn Wasser aus den oberen Erdschichten die Wände entlang sickerte. Aber die Stelle die Felice berührte, wurde mit jedem Moment wärmer und wärmer, während die Flammen der Fackeln von Moment zu Moment kleiner und schwächer wurden. Felice zuckte zurück als der Stein plötzlich so heiß wurde, dass sie sich eigentlich hätte verbrennen müssen, aber sie spürte keinen Schmerz. In dem Moment in dem Felice ihre Hand wieder zurückzog, schien es als wären die Flammen zu neuem Leben entfacht und züngelten kräftig wie zuvor empor, warfen neue unheimliche Schatten an die groben Felswände.
Stille umfing sie alle. Keiner sprach, keiner wagte es zu atmen und keiner rührte sich.
>>Das war unheimlich.<<, stellte Peter ruhig fest und streckte seine Hand nun ebenfalls nach dem Fels aus, zuckte aber zurück noch bevor er sie richtig berührt hatte. Vor Schmerz aufzischend blickte er hinab auf seine leicht verbrannten Finger. Die Haut war gerötet und warf kleine Bläschen. Fragende Blicke der Rumtreiber lagen jetzt auf Felice, als könne sie erklären, wieso Peter sich verbrannt hatte und sie nicht. Oder wieso eine eigentlich kalte Felswand plötzlich heißer war, als jede Herdplatte.
Diese aber starrte weiter ins dunkle, bevor sie einfach loslief. Ungeachtet dessen ob die anderen ihr folgten, legte Felice einen Fuß vor den anderen, immer tiefer ins Ungewisse. Bald schon war Felice in vollkommene Schwärze gehüllt, dort wo das Licht der Fackeln sie nicht mehr erreichte, aber dennoch brauchte sie kein Licht das sie führte.
Die junge Grindelwald folgte dem Gang, als hätte sie nie etwas anderes getan. >>Felice? Felice, warte auf uns!<<, rief Remus ihr hinterher und entzündete seinen Zauberstab, genauso wie Sirius, James und Peter. Das Licht der Fackeln reichte nur wenige Meter weit und ohne deren Hilfe war es unmöglich auch nur die Hand vor Augen zu sehen, geschweige denn jemandem zu folgen.
>>Was tut sie da?<< Angestrengt starrten sie in die Dunkelheit und versuchten zu Felice wieder aufzuholen. >>Die junge Miss Felice folgt ihren Instinkten. Ihren Jahrtausende alten Instinkten. Miss Felice ist erwacht.<<, flüsterte Winny beinahe ehrfürchtig und klammerte sich etwas ängstlich an die Hand von Remus, der diese leicht drückte.
>>Was soll das heißen, sie ist erwacht?<< Doch Winny schüttelte nur den Kopf und deutete in die Dunkelheit, damit sie sich beeilten.
Felice bekam davon nichts mit. Der Gang schien gar nicht enden zu wollen und sie hatte mittlerweile keine Ahnung mehr, wie lange sie gelaufen war. Vielleicht war dies aber auch nur ein weiterer Zauber, um möglichen Eindringlingen es unmöglich zu machen die Orientierung zu behalten. Aber ans umkehren war schon lange nicht mehr zu denken. Felice spürte es ganz deutlich, diesen Sog, der sie immer tiefer zog und sie dazu veranlasste jede Vorsicht über Bord zu werfen. Aber mit der Zeit wurde es anstrengender dem Gang zu folgen, denn es fühlte sich so an als würde dieser leicht ansteigen. Trotzdem beschleunigte Felice ihre Schritte, denn das brennen, dass sie tief in ihrem inneren spürte wurde stärker.
Hitze brannte durch ihre Adern, so wie damals der Kalte Fluch ihres Vaters nach der Brandmarkung. Nach Minuten, Stunden oder Tagen, Felice konnte es nicht sagen, endete der Gang plötzlich vor einer massiven Eisentür, ähnlich der, hinter der ihr Großvater in Nurmengard weggesperrt worden war. Wie versteinert blieb sie davor stehen und legte ihre Hände an das kalte Eisen. Nur Momente darauf nahm sie Schritte hinter sich wahr, aber Felice hatte keine Angst. Tiefe Ruhe lag in ihrer Seele und sie hatte schon vor einer Weile begonnen, eine Melodie vor sich hin zu summen. Felice kannte diese Melodie nicht, aber sie fühlte sie in ihrem Herzen und hörte sie in ihrem Geist.
>>Wie hast du das gemacht? Es ist Stockdunkel und du bist beinahe weggerannt.<< Verblüffung stand in den Augen von Remus, weshalb Felice nur sanft Lächeln konnte und mit den Schultern zuckte. Remus wollte erneut zu etwas ansetzen, als sein Blick auf Felice Augen fiel. Im Licht seines Zauberstabs sah es für einen Momentlang so aus, als wäre das gewohnte dunkelblau ihrer Augen den kleinen goldenen Sprenkel gewichen, sodass Felice Augen golden zu schimmern schienen. Einen Wimpernschlag später jedoch leuchteten ihm jedoch wieder in einem klare, dunklen Blau entgegen, sodass Remus nicht mehr sagen konnte, ob er sich das nur eingebildet hatte oder das Licht ihm einen Streich spielte.
Nun aber trat Winny vor. Ohne, dass sie ihn darum hätten bitten müssen, trat er auf die Tür zu und legte nun selbst seine Hände daran. Lautlos und als würde sie nichts wiegen glitt die Tür auf. Dahinter lag das Hauptnetz des Unterirdischen Gewölbes. Felice und die Rumtreiber mussten wirklich ziemlich weit oben sein, denn die Gänge hier waren hell, breit und eben getreten. Schmerzhaft kniffen sie alle die Augen zusammen bei dem plötzlichen Lichteinfall, der einen krassen Kontrast zu der eben noch vorherrschenden Dunkelheit stellte.
>>Hier entlang, Miss Felice. Miss Felice muss sich beeilen, der Meister erwartet heute hohen Besuch. Besuch von dem hohen Lord.<<, wisperte Winny und drängte zu Eile in dem er wieder Felice an der Hand nahm.
>>Lord? Welcher Lord? Doch nicht der Lord?!<< Noch nie hatte das ängstliche Wimmern von Wurmschwanz, mehr dem Fiepen einer Ratte geglichen, als in diesem Moment.
>>Sag mal... Und das konntest du nicht ein wenig früher erwähnen?!<< Selbst Sirius Pokerface begann bei dieser Information zu bröckeln, was ja auch nicht all zu verwunderlich war.
>>Sirius, es ist mitten in der Nacht, wenn er kommt, dann erst lange nach Sonnenaufgang und bis dahin sind wir hier raus.<<, fuhr Felice ihn an und folgte Winny bis zu einer weiteren Eisentür, die ganz genauso aussah wie die, durch die sie eben schon mussten. Und wieder war Winny in der Lage die Tür ohne Schwierigkeiten zu öffnen. Die Magie der Hauselfen unterschied sich dann doch wesentlich von der der Zauberer und Hexen.
In der Zelle war es dunkel und nur ein schmaler Streifen Licht fiel von der Tür aus in deren Inneres. Stroh raschelte und ein ängstliches wimmer war zu hören. Astor! Felice wollte losstürmen, als sie auch noch ein beruhigendes wispern wahrnahm, das ihren Bruder offensichtlich zu trösten schien. >>Astor? Lily?<<
>>Merlins Bart! Felice?!<<, hörte sie die ungläubige Stimme ihrer besten Freundin. Wieder Strohrascheln und Felice trat in die Zelle. Muffige und abgestandene Luft empfing sie, zumindest war es hier nicht so kalt wie in den unteren Zellen und vor allem war es hier trocken. Ohne zu zögern ließ sich Felice vor Lily und Astor auf die Knie und in den Dreck der hier herrschte fallen. Modriges Stroh war das einzige was ihnen als Unterlage diente und sie etwas vor der Kälte des Bodens schützte. Jetzt wo Licht in die Zelle fiel, war Felice auch in der Lage zu erkennen, wie es um ihren Bruder stand.
>>Astor!<<, vor Freude hätte sie aufheulen können. Doch dieser starrte sie aus ungläubigen Augen an, als würde er sie gar nicht erkennen. Ängstlich kauerte er in der Ecke und zitterte am ganzen Leib als Felice sich ihm näherte. Panisch begann er vor sich hin zu brabbeln, ohne das man verstehen konnte, was er sagte.
>>Astor, ich bin es. Feli! Deine Feli.<<, verzweifelt streckte Felice die Hand nach ihrem Bruder aus. Es kümmerte sie nicht, dass er immer noch so schrecklich stank, dass seine Kleider nur noch Lumpen waren und sein Haar wie ein verfilztes Vogelnest aussah. Aber er war am Leben! Und er schien sie nicht mal mehr zu erkennen, dabei hatten sie sich vor knapp zwei Monaten noch gesehen. Was hatte Corvus ihm in der Zwischenzeit noch alles angetan?! Mittlerweile waren auch die Jungs in die Zelle getreten, während Winny wache stand.
>>Hey, Evans.<<, verlegen fuhr sich James durch die dunkle Mähne und rückte seine Brille zurecht.
>>Potter?<< Lily Augen weiteten sich vor noch mehr Unglauben als sie die anderen Rumtreiber ebenfalls erkannte. >>Was macht ihr hier?<<
>>Naja, wir dachten uns, der gute Moony sollte seinen Schwiegervater in Spe endlich kennenlernen. Und da wir schon mal hier sind, dachten wir uns auch, dass es nur höflich wäre bei dir auf eine gute Tasse Tee vorbei zu kommen.<<, antwortete Sirius vollkommen ernst, während Remus sein Gesicht in seinen Händen vergrub.
>>Ach so, na dann. Pfefferminz oder Ingwer? Earl Grey ist leider aus.<<, gab Lily ungerührt zurück und ohne mit der Wimper zu zucken. Sie war zwar erst seit wenigen Stunden hier, aber nur ein Blinder hätte die Platzwunde oberhalb ihrer Augenbraue, übersehen können. Glücklicherweise schien sie bisher nicht noch mehr Wunden davongetragen zu haben.
>>Astor, bitte.<<, nun konnte Felice ihre Tränen wirklich nicht mehr länger zurückhalten. Und endlich, endlich schien es als würde Astor begreifen, wen er da vor sich hatte. Die Augen weit aufgerissen streckte er seine Arme nach seiner Schwester aus, die ihn sofort fest an sich drückte. Beide Geschwister lagen sich in den Armen, während von Felice erleichtertes Schluchzen zu hören war und sie Astor immer wieder versicherte das sie ihn jetzt rausholte.
>>Das ist er? Astor Grindelwald? Felice Bruder?<<, wisperte James, der sich zu Lily auf den Boden gehockt hatte. Nur gedämpft unterhielten sie sich um den beiden einen kurzen Moment für sich zugeben, bevor sie gleich wieder aus dem Haus verschwinden mussten.
>>Ja.<<, antwortete Lily ihm genauso leise und warf den Zwillingen einen mitleidigen Blick zu. >>Er ist krank. Felice Vater, meine ich. James, ich hab es gesehen... Gestern als ich hier ankam. Er hat ihn—<< Lily brach ab und schluckte schwer.
>>Im Unterricht davon zu hören und es dann mit eigenen Augen zu sehen... James, Astor muss hier weg. Seine Seele ist so— kaputt. Seht ihn euch an, er hat seine Zwillingsschwester nicht erkannt! Ihr müsst ihn hieraus schaffen!<< Lily hatte nach James Hand gegriffen und sah ihn während sie sprach eindringlich an.
>>Euch beide! Wenn du denkst, Evans, ich lass mir die Chance entgehen, doch noch irgendwann ein Date mit dir zuhaben, dann täuschst du dich. Wir lassen dich doch nicht bei diesem Psychopathen zurück!<< Lily hatte dafür nur ein müdes Lächeln übrig. >>Das wird mit diesem Schmuckstück nur schwer gehen.<< Erst jetzt sahen sie, das auch Lily eine schwere Eisenkette, die in der Wand verankert war, um ihr Fußgelenk trug.
>>Evans, bist du eine Hexe oder bist du keine?<<, gespielt tadelnd wackelte Sirius mit seinem Zauberstab vor ihrer Nase herum. Lilys Augen verengten sich zu zwei engen Schlitzen. >>Und wie hat der große Sirius Black sich das vorgestellt, dass ich die Ketten ohne Zauberstab löse, weil mir der möglicherweise angenommen wurde?<<
>>Die jungen Leute müssen aufhören zu streiten. Muss Felice und ihre Freunde müssen sich beeilen. Meister Corvus wird bald nach dem Rechten sehen kommen.<<, war Winnys piepsende Stimme von außerhalb der Zelle zu hören.
Mittlerweile hatte Felice es geschafft sich zu beruhigen und hatte Astor ihre warme Jacke um die Schultern gelegt. >>Er hat recht. Wir müssen raus hier.<< Ein letztes Mal wischte Felice sich über das Gesicht und zog ihren Zauberstab. Da ihr Vater wohl kaum mit Eindringlingen gerechnet hatte, war es ein leichtes die einfachen Ketten zu sprengen. James und Sirius mussten Astor beide unter die Arme greifen, um ihn auf die Beine zu ziehen und zu stützen. Astor war erst panisch zurückgewichen und hatte erst durch gutes zureden von Felice zugelassen, dass ihm die beiden Jungs halfen.
>>Astor, das sind meine Freunde. Sie helfen uns und werden dir nichts tun.<< Durch die Jahre in Gefangenschaft war Astor extrem geschwächt, nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Felice musste mit ihm reden, wie mit einem kleinen Kind, damit er verstand was vor sich ging. Es brach ihr das Herz ihn und seine Seele so verkümmert zu sehen. Aufgeregt begann Astor aber vor sich hin zu brummen, gab unverständliche Laute von sich, aber dennoch sah Felice eines in seinen Augen, von dem sie nicht mehr zu hoffen gewagt hatte.
Freude.
Freude darüber, dass Felice ihr Versprechen hielt, auch wenn sie noch lange nicht raus aus der Gefahrenzone waren. Felice hatte ihren Bruder gefunden und bald wäre Astor endgültig in Sicherheit. Damit dies aber auch für immer so bleiben konnte, musste sie dafür sorgen, dass Corvus Grindelwald ihrem Bruder niemals wieder weh tun konnte. Aber dafür würde Felice den Weg einschlagen müssen, vor dem Stradivarius Pavlos sie gewarnt hatte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro