Letzter Tag
Am nächsten Morgen stand ich unruhig vor meinem Spiegel im Bad und rückte meinen Pferdeschwanz zurecht. Morgen war Samstag und somit war heute der letzte Tag für zwei Wochen, an dem ich meine Mutter sehen würde. Ich strich den Rock meiner Schuluniform glatt und musterte mich ein letztes Mal im Spiegel. Wieder einmal stellte ich fest, dass ich wie ein komplett durchschnittliches Mädchen aussah. An mir war nichts besonders, anders als bei meiner Mutter, die Karriere als Model hätte machen können.
Seufzend verließ ich mein Bad und schulterte meinen neuen Rucksack, der bereits gepackt auf meinem ebenfalls neuen Bett lag. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass das tatsächlich mein Zimmer sein sollte. Es war so riesig, so luxuriös, so... wenig ich.
Inzwischen war ich auch die kleine Wendeltreppe in den oberen Teil meines Zimmers hinaufgegangen. Dort oben hatte sich doch tatsächlich ein kleiner Whirlpool mit einer grandiosen Sicht auf die Stadt befunden und ein Schrank, der voll von teurem Schmuck war. Rubinohrringe mit passender Kette, goldene und silberne Ringe, teure Haarspangen, diamantbesetzte Haarreifen und Broschen. Für einen Moment war ich versucht gewesen, eine der funkelnden Broschen anzustecken, aber dann hatte ich sämtliche Schubladen zugeknallt und mir geschworen, niemals auch nur ein einziges von diesen Schmuckstücken zu tragen.
Sie gehörten mir nicht, sondern Mr. Montgomery. Ich würde nicht noch mehr von diesem teuren Wahnsinn annehmen, in den er mich und meine Mutter gezogen hatte. Wie hieß es doch so schön? Es ist nicht alles Gold, was glänzt.
Als ich mein Zimmer verließ, stieß ich beinahe mit James zusammen, der offenbar vor der Tür auf mich gewartet hatte. "James!", stieß ich überrascht hervor und presste mir die Hand auf das Herz. "Sie haben mich erschreckt!"
"Oh, ich bitte Sie um Verzeihung, Miss. Aber Mr. Montgomery bat mich, Ihnen das unbedingt noch zu geben!" Der Butler hielt mir eine kleine Schachtel hin, die mit einer rosa Samtschleife verziert war. Ich schluckte. Was war das? Ein Bestechungsgeschenk? Oder eine weitere Demonstration seines Reichtums?
"Wollen Sie es denn gar nicht aufmachen?" James sah mich fragend an. Ich schüttelte nur den Kopf. "Nein, ich denke, ich werde es erst mal so verpackt lassen." Ich lächelte ihn an, fürchtete jedoch, dass es eher aussah wie eine Grimasse.
"Wie Sie wollen, junge Lady." Dabei trat ein seltsamer Ausdruck in James' Augen. So einen, wie ich ihn schon mal bei ihm gesehen hatte. Hatte er nicht genauso geschaut, als er mich und Jayden in unserem Streit erwischt hatte? Und selbst wenn, was bedeutete dieser Blick?
Auf einmal juckte es mich in den Fingern, das Geschenk doch zu öffnen. Bevor dieses Gefühl jedoch die Oberhand gewinnen konnte, stopfte ich die Schachtel hastig in meinen Rucksack.
Gerade als ich mich auf den Weg zum Fahrstuhl machen wollte, hielt mich der Butler auf. "Eines noch, Miss. Der Herr wünscht, dass Sie sich nicht bei ihm bedanken oder Ähnliches. Er mag das Wort 'danke' nicht sonderlich, und... wenn ich Ihnen noch etwas anvertrauen darf? Er hält auch nichts von Dankbarkeit oder Zuneigung."
Ich nickte nur perplex und umklammerte die Träger meines Rucksacks. Ich hatte das Gefühl, dass hinter den Worten des Butlers noch etwas anderes steckte. Aber was?
Den ganzen Weg zum Fahrstuhl, hinauf aufs Dach und den Weg zur Schule im Helikopter zerbrach ich mir darüber den Kopf. Jedoch ohne eine Antwort auf die Frage zu finden. Jayden hatte mich wie immer von oben herab behandelt und mir einige Beleidigungen an den Kopf geworfen, die ich entweder ignoriert oder zurückgeschossen hatte.
Jetzt saß ich in einem der strahlend weißen und sauberen Klassenzimmer der Collegiate School. Ich hatte Mathe und versuchte den Erklärungen der Lehrerin zu folgen, was gar nicht so leicht war. Denn bisher verstand ich nur Bahnhof. Was erstens entweder an mir und meinem mangelnden Talent in Mathe oder zweitens an ihrem fehlenden Talent zum Erklären liegen könnte. Ich tippte auf beides.
Gerade als ich dabei war, den einen Tafelaufschrieb in mein Heft zu kritzeln, landete ein Zettel auf meinem Tisch. Ich runzelte überrascht die Stirn, bevor ich mich umdrehte und nach dem Absender Ausschau hielt. Einen Moment später wünschte ich mir, es nicht getan zu haben, denn mir blitzten ein paar giftgrüne Augen und seidige blonde Haare entgegen. Das Mädchen vom Flur. Sie warf ihr langes Haar zurück und funkelte mich noch einmal böse an, bevor sie sich wieder ihrem Aufschrieb widmete.
Ich drehte mich wieder zur Tafel um und fing den fragenden Blick meiner Mathelehrerin auf. Hastig beugte ich mich wieder über mein Heft. Während sie schrieb, überlegte ich, was ich mit dem Zettel machen sollte.
Sollte ich ihn lesen oder nach der Stunde besser doch lieber in den Müll schmeißen? Es konnte schließlich nichts Gutes sein, was das blonde Mädchen auf diesen Zettel geschrieben hatte. Bestimmt nur irgendwelche Beleidigungen. Aber was, wenn nicht?
Den Rest der Stunde kaute ich nachdenklich auf meiner Unterlippe herum. Schließlich erklang endlich der erlösende Pausengong. Hastig stopfte ich meine Mathesachen in meinen Rucksack, bevor ich das Klassenzimmer verließ. Dabei streifte mein Blick noch einmal das blonde Mädchen. Jetzt lächelte sie gerade einem gutaussehenden rothaarigen Jungen zu.
Schnell wandte ich den Blick wieder ab und stürmte die Flure hinunter in Richtung Schulhof. Ich war nicht gerade erpicht auf eine zweite Begegnung mit Jaydens sogenannten Freunden oder der grünäugigen Blondine. Immer wieder rempelte ich aus Versehen andere Schüler an und entschuldigte mich. Schließlich quetschte ich mich noch durch die Warteschlange vor dem Schulkiosk, der diesen Namen eigentlich nicht verdiente.
Denn wie alles an dieser Schule war auch er prächtig, luxuriös und schrie einem förmlich das Wort Geld entgegen.
Ich ließ mich auf eine Bank ganz weit hinten im Schulhof nieder und atmete erstmal erleichtert aus. Geschafft. Kurz huschten meine Augen nochmal zum Gebäude zurück, wo ich die vielen Schülerinnen und Schüler erkennen konnte, die dort überall in Grüppchen herumstanden. Ob ich sowas je auch haben würde? Freunde? Ich hatte nie wirklich welche gehabt. Meistens war ich zu beschäftigt damit gewesen, neben der Schule noch zu arbeiten, um das Einkommen von meiner Mutter und mir zu verbessern. Da blieb keine Zeit für andere. Außerdem hatten sich nie sonderlich viele für mich interessiert. Eigentlich niemand, wenn ich so darüber nachdachte.
Schnell, um mich von meinen trübseligen Gedanken abzulenken, öffnete ich meinen Rucksack und holte mein Frühstück heraus, das mir James heute Morgen gebracht hatte. Er war so nett. Ich hatte angeboten, mir mein Frühstück selber zu machen, weil ich das früher auch immer so getan hatte. Aber James hatte bloß abgewinkt und gemeint, dass das ja sein Job sei und es ihm außerdem Spaß machte, für eine so nette junge Dame das Frühstück zu machen.
Bei dieser Erinnerung musste ich lächeln, während ich in mein Wurstbrot biss. Erst jetzt fiel mir wieder das Geschenk von Mr. Montgomery ein. Ob ich es doch öffnen sollte. Ich hörte auf zu kauen und schielte zu meinem geöffneten Rucksack. Ein Teil der rosa Schleife lugte heraus.
Ohne, dass ich wirklich wusste, was ich tat, schluckte ich den Bissen meines Brots hinunter und griff nach der weißen Schachtel. Die rosa Schleife raschelte geheimnisvoll, als ich sie aufzog. Mein Herz raste in meiner Brust, während das Blut wie ein Wasserfall in meinen Ohren rauschte. Was mochte mein Stiefvater mir wohl geschenkt haben? Einen Goldbarren? Ein Armband? Eine... Kreditkarte?
Je mehr ich darüber nachdachte, umso klarer wurde mir, dass so ein Geschenk nicht zu Mr. Montgomery passte. Er war nicht der Typ, der seiner Stieftochter etwas schenkte, um sich bei ihr einzuschleimen. Ich war ihm doch eigentlich völlig egal. Ich war das Haustier, das meine Mutter mit in seine Wohnung geschleppt hatte.
Je mehr ich darüber nachdachte, um so klarer wurde mir, dass so ein Geschenk nicht zu Mr Montgomery passte. Er war nicht der Typ, der seiner Stieftochter etwas schenkte um sich bei ihr einzuschleimen. Ich war ihm doch eigentlich völlig egal. Ich war das Haustier, dass meine Mutter mit in seine Wohnung geschleppt hatte.
Als ich den Deckel der Schachtel anhob zitterten meine Hände leicht. Ich musste mich zwingen mehrmals ein und auszuatmen, bevor ich den Deckel komplett entfernte und auf das starrte was dort in der Schachtel lag.
Eine Kette.
Hey^^,
ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen und ihr habt jetzt Lust auf das Nächste! :)
Fandet ihr irgendetwas nicht so gut oder habt an sich Verbesserungsvorschläge oder Wünsche, die ich euch erfüllen kann? Schreibt es mir gerne in die Kommentare.💖
Was haltet ihr eigentlich von Mr Montgomerys Geschenk? Habt ihr irgendwelche... Theorien?😁
Eure Geschichtenmalerin <333
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