Freundin
RUNDE 2
Los geht's!🥳
Immer noch leicht zittrig, saß ich eine Stunde später in der Schule auf meinem Platz. Ich hatte bereits meine Hefte und Bücher vor mir liegen und starrte nun ungeduldig auf die Tür zum Klassenzimmer.
Wann kam bloß endlich die Lehrerin?!
Ich hatte keine Lust, mir noch mehr Beleidigungen und verächtliche Kommentare zu meiner Vergangenheit anhören zu müssen, die mir seit dem ersten Schultag an den Kopf geschleudert worden waren. Diese reichen Kids waren echt das Letzte. Zumindest waren die Lehrer hier ganz okay. Aber ansonsten gab es für mich nicht viel zu lachen. Hier ging es nur ums nackte Überleben.
Mein Blick schweifte durch die Klasse. Überall saßen Schüler in Grüppchen, lachten und unterhielten sich. Nur ich war allein.
Ganz hinten im Eck entdeckte ich die arrogante Blondine. Eigentlich hatte ich sie noch wegen ihres Zettels ansprechen wollen, aber mit Jayden hatte ich schon genug Streit, und mein Bedarf an Auseinandersetzungen war gedeckt. Sollte sie doch denken, was sie wollte.
Da öffnete sich endlich die Tür und unsere Englischlehrerin kam beschwingten Schrittes herein. Die Absätze ihrer roten Schuhe klackerten verheißungsvoll auf dem Boden.
Hilflos ließ ich meinen Blick durch die überfüllte Mensa schweifen. Alle Tische waren belegt und immer wenn ich versucht hatte, mich zu jemandem dazuzusetzen, hatte ich nur giftige Blicke geerntet, die alle sagten: Wenn du dich hierhin setzt, bist du tot!
Ich seufzte tief und umklammerte krampfhaft mein Essenstablett. Es konnte doch nicht so schwer sein, hier einen Sitzplatz zu bekommen!
„Hey, du!", erklang da plötzlich hinter mir eine Stimme. Überrascht drehte ich mich um und blickte in das freundlich lächelnde Gesicht eines Mädchens. Sie hatte schokoladenbraunes Haar und schokoladenbraune Augen. Ihr Haar glänzte wie schwarze Rabenfedern. In ihren Wangen gruben sich zwei niedliche Grübchen, und sie hatte dichte, lange Wimpern. Sie war wunderhübsch und mir auf Anhieb sympathisch.
„Du bist die Neue, oder?"
Sie lächelte immer noch. Dieses Mädchen war die erste Person, die mich außer den Lehrern bisher freundlich anschaute.
„Ja... Ja, ich denke schon. Zumindest kenne ich keine andere Neue."
Das Mädchen schmunzelte sichtlich über meine Unsicherheit, aber sie lachte mich nicht aus.
„Ich habe gesehen, dass du hier ganz verloren und allein rumstehst, und wollte dich fragen, ob du dich zu mir an den Tisch setzen willst?" Ihr Lächeln wurde noch breiter. Vor Erleichterung und Glück hätte ich fast laut „JA" geschrien, konnte mich aber gerade noch zurückhalten.
„Sehr gerne!", sagte ich stattdessen und versuchte, ihr Lächeln genauso herzlich zu erwidern, was gar nicht so leicht war, da ich immer noch versuchte, zu verstehen, dass tatsächlich mal jemand nett zu mir war und mich um sich haben wollte.
Ich hatte das Gefühl zu schweben, als ich dem Mädchen zu einem Tisch ganz hinten in der Mensa folgte. Der Tisch war außer einem Rucksack und einem Essenstablett leer. Beides musste also ihr gehören. Zögernd ließ ich mich ihr gegenüber am Tisch nieder.
„Ich heiße übrigens Ari. Hab ganz vergessen, mich vorzustellen!"
„Ich bin Grace. Es freut mich wirklich, dich kennenzulernen! Ich habe noch nicht sehr viele Freunde hier, wie du sicher gemerkt hast. Eigentlich noch gar keine."
Ich lachte leicht verbittert. Ari sah mich mitfühlend an.
„Jetzt sind wir ja zu zweit. Weißt du, ich bin auch nicht gerade ein IT-Girl hier. Meine Eltern sind nicht reich oder berühmt, weshalb ich für die anderen hier nur Luft bin. Ich bin dank eines Stipendiums hier."
„Ein Stipendium? Echt, das ist ja toll!"
Ari wiegte nachdenklich den Kopf, während sie mit dem Löffel in ihrer Suppe rührte.
„Wie man's nimmt. Klar, ist es toll, dass ich eine gute Schule besuchen kann, so sind auch meine Berufschancen später besser, aber..."
„Aber?", hakte ich nach und hoffte, dass ich nicht zu aufdringlich war. Ich wollte nicht die einzige Person vergraulen, die seit langem nett zu mir war und mit mir redete, ohne mich zu beleidigen.
„Aber die Erwartungen an mich sind eben auch sehr hoch. Ich muss top Leistungen bringen, um hier weiter zur Schule gehen zu können und das ist manchmal wirklich hart."
Ich nickte. Das konnte ich sehr gut verstehen. An meiner alten Schule hatte ich neben meinen Jobs meine Zeit auch nur mit Lernen verbracht, um mir und meiner Mutter später ein besseres Leben zu ermöglichen. So war das Leben eben, wenn man nicht reich war.
In meinen Augen hatte es Ari so viel mehr als die meisten hier verdient, diese Schule zu besuchen. Sie strengte sich wirklich an und hatte es aufgrund ihrer Leistungen und nicht wegen ihrer Eltern hierher geschafft.
Ich schluckte, als mir bewusst wurde, dass ich jetzt auch eigentlich zu denen gehörte. Schließlich besuchte ich diese Schule auch nur wegen meines neuen 'Vaters'. Wegen Victor Montgomery.
„Alles gut? Du bist auf einmal so blass?"
„Ja, alles gut." Ich lächelte Ari an. Sie war so nett.
„Es ist toll, endlich mal wieder mit jemandem zu reden", sagte ich ehrlich. Ich mochte Ari, auch wenn ich sie erst seit ein paar Minuten kannte.
„Geht mir genauso. Es tut gut, mit jemandem zu reden, der was in der Birne hat und keines von diesen reichen, verzogenen Kids ist!"
Ari zwinkerte mir zu und ich grinste.
„Stimmt es eigentlich, dass du und deine Mutter bei den Montgomerys wohnt?", fragte Ari nach einer Weile des Schweigens, in der wir uns nur unserem Essen gewidmet hatten. In ihrer Stimme lag nichts Verächtliches oder Höhnisches, nur aufrichtige Neugier und Interesse sprachen aus ihren Worten.
Ich legte meine Gabel zur Seite.
„Ja, das stimmt. Aber man kann nicht sagen, dass ich es genieße. Jayden, Mr Montgomerys Sohn, ist unausstehlich. Glaub mir, mit Satan zusammen zu leben ist angenehmer."
„Aber Satan sieht bei weitem nicht so gut aus, oder?" Ari strich sich schelmisch grinsend ein Haar aus der Stirn und blickte nach links. Als ich ihrem Blick folgte, starrte ich in ein Paar schwarzer Augen. Jayden. Er blickte zu uns herüber, aber als ich seinen Blick erwiderte, wandte er ihn ab und widmete sich wieder diesem Arschloch Roman, der neben ihm saß.
„Was war das denn?", fragte Ari und wackelte mit den Augenbrauen.
„Was soll was gewesen sein?" Ich verstand nicht, worauf sie hinauswollte.
„Na, das gerade."
„Du meinst Jaydens Blick?" Ari nickte. Ich zuckte mit den Schultern.
„Vermutlich hat er versucht, ob er mich mit seinem Blick erdolchen kann. Glaub mir, er wäre froh, wenn ich verschwinde." Bei diesem letzten Satz wurde meine Stimme ganz dunkel und ernst. Ari hatte die Augenbrauen zusammengezogen und musterte mich. Es schien, als wollte sie noch etwas sagen, als die Glocke zum Ende der Mittagspause erklang. Schnell sprang ich von meinem Stuhl auf und sammelte meine Sachen zusammen.
Ari tat es mir gleich, aber bevor wir beide zu unseren Klassenräumen davon flitzen konnten, schob sie mir über den Tisch einen Zettel zu.
"Meine Telefonnummer. Du kannst mich jederzeit anrufen, falls du jemanden zum Reden oder einfach nur eine Freundin brauchst."
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