Abendessen
Als ich aufwachte, blickte ich in die Dunkelheit. Das einzige Licht kam vom nächtlichen New York unter mir. Schlaftrunken drehte ich mich auf die Seite. Mein Blick fiel auf den Wecker, der auf dem Nachttisch stand. Es war halb sieben. Moment mal! Wie vom Blitz getroffen sprang ich aus dem Bett. Schon halb sieben! In fünfzehn Minuten musste ich zum Abendessen im Esszimmer erscheinen. Meine Mutter würde mich umbringen, wenn ich zu spät zum Essen käme.
Schnell schaltete ich das Licht im Zimmer an und schlüpfte aus meinen vom Schlafen ganz zerknitterten Sachen. Ein Blick in den Spiegel zeigte mir, dass die wenige Schminke, die ich aufgetragen hatte, komplett verwischt war und meine Haare wie ein Vogelnest aussahen.
Ich öffnete die Türen zu meinem begehbaren Kleiderschrank. Was davon war bloß für ein Abendessen mit meinem neuen Stiefvater geeignet?! Hektisch ließ ich meinen Blick über die hunderten Paare von Schuhen, Hosen, Kleidern, Pullis, T-Shirts, Mänteln und Hüten wandern. Schließlich griff ich einfach nach einem dunkelblauen, formell aussehenden Kleid. Damit würde ich doch hoffentlich nichts falsch machen. Während ich versuchte, in das Kleid hineinzukommen - was übrigens total lächerlich aussah, weil ich dabei auf einem Bein hüpfte und mit meinen Armen hin und her zappelte - versuchte ich gleichzeitig, in ein paar schwarze Ballerinas zu schlüpfen.
Als ich es endlich ohne Beinbrüche geschafft hatte, mich anzuziehen, eilte ich ins Badezimmer. Meine Haare und mein Gesicht konnten auf keinen Fall so bleiben. In den Schubladen des Waschbeckens wühlte ich nach einer Bürste und einem Waschlappen. Ich begann, mein Haar gründlich zu kämmen und wischte mir die Schminke aus dem Gesicht. Als mein Blick dieses Mal auf die Uhr fiel, hatte ich gerade mal noch fünf Minuten. Kurz überlegte ich noch, ob ich mir noch Schmuck anlegen sollte, aber ich wollte es nicht riskieren, doch noch zu spät zu kommen. Deshalb verließ ich mein Zimmer im Laufschritt. Jetzt bei Nacht erschienen mir die Gänge des Penthouses im grellen weißen Licht, noch kühler und unheimlicher. Ich atmete tief durch und nestelte nervös an meinem Kleid herum. Was würde mich jetzt wohl beim Abendessen erwarten? Wie würde sich Victor Montgomery verhalten? Mein Herz begann wieder schneller zu klopfen und ich hörte mein Blut in den Ohren rauschen.
Als ich vor einer Abzweigung der Gänge stand, blieb ich für einen Moment unentschlossen stehen. Wo ging es nochmal in Richtung des Esszimmers? Kurz entschlossen bog ich nach links ab. Ja, links sollte stimmen. Hoffte ich zumindest. Als ich nach einigen Metern die Stimme meiner Mutter hörte, atmete ich erleichtert aus. Ich hatte also den richtigen Gang gewählt. "Reiß dich zusammen, Emily!", hörte ich da plötzlich die schneidende Stimme meines Stiefvaters. Stocksteif blieb ich stehen. "Es ist nur ein Abendessen mit meinen Eltern! Außerdem solltest du dich geehrt fühlen, sie kennenzulernen! Nicht jeder hat die Ehre, Mr. Montgomery und Mrs. Montgomery kennenzulernen!"
"Ja... Ja, das tue ich ja auch, Victor, aber... Ich habe gedacht, wir gehen es ein wenig langsamer an..."
"Ich dachte, du wolltest mich unbedingt heiraten?"
"Ja, natürlich, doch vielleicht... vielleicht mit ein bisschen mehr Zeit..."
"Zeit, Zeit! Wir werden heiraten, Punkt! Das ist alles, was ich und was du wissen musst."
"Ja, natürlich, Victor...", antwortete meine Mutter. Sie klang geknickt. Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Es schien so, als wollte Victor Montgomery meine Mutter zur Hochzeit zwingen. Sicher hatte sie zu ihm ziehen wollen und sie hatte auch öfter mit dem Gedanken gespielt, ihn zu heiraten, aber sie hatte erst mal ein Jahr abwarten wollen, wie die Beziehung läuft. Doch die Nachricht, dass Mr. Montgomery offenbar die Hochzeit so schnell wie möglich hinter sich haben wollte, machte mich wütend. Ganz so, als sei die Hochzeit irgendeine lästige Sache, die er nicht länger vor sich herschieben wollte.
Minutenlang stand ich so da. Steif und verspannt und das Gesicht vor Wut und Verzweiflung verzerrt. Ich hasste ihn so sehr, diesen Mr. Montgomery! Erst als ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, setzte ich meinen Weg langsam fort. Das Penthouse erschien mir jetzt sogar noch unfreundlicher.
Als ich das Esszimmer betrat, drehten sich augenblicklich die Köpfe von meiner Mutter und Victor Montgomery zu mir herum. "Gracy!" Meine Mutter ließ sich nichts von ihrer Unsicherheit von gerade eben anmerken. "Schön, dass du da bist!" Sie umarmte mich und drückte mir einen Kuss auf den Scheitel. Mein Stiefvater nickte mir bloß kurz zu. "Wo jetzt alle da sind, lasst uns essen", meinte er kühl. Dabei richteten sich seine schwarzen Augen wie die kleinen Köpfe von Stecknadeln auf mich. Ich schluckte. Trotzdem versuchte ich, nicht eingeschüchtert zu wirken. Obwohl ich es insgeheim war. Sogar sehr. Meine Mutter strahlte und zog mich zum Esstisch. Victor Montgomery nahm natürlich am Kopfende des endlos langen Tisches Platz, an dem mindestens zwanzig Personen hätten Platz finden können. Mum setzte sich neben meinen 'Vater'. Zögerlich ließ ich mich auf dem Stuhl neben ihr nieder.
Ich starrte auf das Silberbesteck und die Kristallgläser vor mir. Alles, wirklich alles hier war so edel. Selbst dieser Tisch, der Stuhl auf dem ich saß und das Besteck. Mein Gesicht spiegelte sich im gründlich polierten Teller. "Das Essen!" Mr. Montgomery griff nach dem Glöckchen rechts neben sich. Sofort ging eine Tür neben der Küche auf und ein Mädchen mit weißer Schürze und Haube kam herein. Sie trug eine große Schüssel mit Salat und hinter ihr traten noch zwei Butler aus der Tür. Jeder von ihnen trug jeweils eine Servierschale vor sich und der zweite trug zusätzlich noch eine Weinflasche in der Hand. Mir wäre das Ganze schon nach wenigen Metern heruntergefallen. "Sir." Einer der Butler stellte die Servierschale vor ihm ab und hob die Weinflasche an. "Möchten Sie?"
"Ja, schenken Sie mir ein, James." Der Butler, James, tat wie ihm geheißen und goss seinem Herr die blutrote Flüssigkeit ins Glas. "Für Sie auch, my Lady?", wandte er sich nun an meine Mutter. Diese blickte zu meinem Stiefvater, doch dieser schwenkte gelangweilt den Wein in seinem Glas herum. "Ähm... Gerne. Danke." James schenkte ihr den Wein ins Glas und entfernte sich dann. Das Dienstmädchen und der andere Butler stellten derweil die Salatschüssel und die Servierschale auf dem Tisch ab. Das Mädchen hob die Deckel an und darunter kam ein Hummer mit schwarzem Reis und Austern zum Vorschein. Auf einer anderen Platte lag zartes Rindfleisch und Nudeln mit Trüffeln und unter der letzten Haube befanden sich die feinsten Pralinen, die ich je gesehen hatte. Beinahe ehrfurchtsvoll betrachtete ich das Essen. So edel hatte ich noch nie gespeist. Das teuerste, was ich vermutlich je gegessen hatte, war Lachs mit Nudeln und Spinat gewesen. Aber das hier war eine ganz andere Liga. "James, geben Sie mir etwas von dem Hummer und dem Reis. Auch ein wenig von dem Trüffel, aber ohne die Nudeln. Das Gleiche tun Sie auch Mrs. Emily auf den Teller."
"Sehr wohl, Herr." Ich musste ein verächtliches Schnauben unterdrücken. Er bestimmte einfach für meine Mutter, ohne sie nach ihren Wünschen zu fragenWas interessierte ihn schon was sie wollte? Ich presste die Lippen aufeinander. Das war alles so ungerecht. Auch das James Mr. Montgomery "Herr" nannte. Niemand sollte einen anderen Menschen nennen müssen. Wir waren doch alle im Prinzip gleich. Aber in dieser Welt spielte es eben eine entscheidende Rolle, ob man mit einem Silberlöffel oder einem alten verrosteten Löffel im Mund geboren wurde. Meine Mutter, ich und James gehörten eindeutig zu den verrosteten Löffeln, während der ach so großartige Victor Montgomery die Ehre eines Silberlöffels besaß. "Und der kleinen Daisy macht ihr bitte etwas von den Nudeln auf den Teller", befahl mein Stiefvater. Ich knirschte mir den Zähnen. "Sie heißt Grace, Victor", verbesserte meine Mutter ihn sanft. Aber Mr. Montgomery ignorierte sie.
Ich flüsterte ein leises "Danke" zu James, als er mir den Teller mit den Nudeln vor die Nase stellte. Ich musste zugeben, dass sie wirklich köstlich rochen. Ich linste zu Victor Montgomery. Ich hatte furchtbaren Hunger, aber ich traute mich nicht mit dem Essen anzufangen. Doch da Mr. Montgomery bereits zu essen begonnen hatte, tat ich es ihm gleich. Auch meine Mutter griff nun nach Messer und Gabel.
"Morgen wird dein erster Schultag Collegiate School, Gacy. Hinterlass einen guten Eindruck und benimm dich. James wird dir morgen früh deine Schuluniform bringen." Zumindest war er dieses Mal ein wenig näher an meinem Namen dran. Gacy statt Daisy. Er machte Fortschritte.
"Da freut sich Gracy bestimmt sehr, nicht wahr?" Meine Mutter stieß mich mit dem Fuß unter dem Tisch an. "Ja, ich freue mich sehr und werde einen guten Eindruck machen", leierte ich herunter.
"Das ist gut. Ich möchte nicht, dass er Name Montgomery in den Dreck gezogen wird." Mein Stiefvater blickte mich kalt durch seine schwarzen Augen an, während er sich den Mund mit einer Servierte abtupfte. Mein Kiefer verspannte sich. Was glaubte er eigentlich wer er war?! Arroganter, ekelhafter, widerwertiger... In diesem Moment ging plötzlich die Tür zum Esszimmer auf und ein junger Mann kam langen, entschlossenen Schrittes herein.
Hallo!
Ich hoffe sehr, dass euch die ersten drei Kapitel von "Destined for us" gefallen haben! 🥰Und wie ihr vielleicht schon ahnt, werden wir im nächsten Kapitel endlich auf unseren lieben Badboy Jayden treffen. Ich bin gespannt was ihr von ihm haltet!
Ich hoffe ihr bleibt an der Geschichte dran und lest sie weiter! Ich freue mich über jeden einzelnen Leser und eure Votes und Kommentare bedeuten mir sehr viel, also seit nicht zu schüchtern mir zu schreiben! Ohne euch könnte diese ganze Story nicht funktionieren!
Eure Geschichtenmalerin <333
PS: Was haltet ihr bisher von Gracy und ihrer Mutter? Wie ist eure Meinung zu Mr. Montgomery?
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