46 - Zeuge des Tageshoroskops
Die Toiletten waren erstaunlich leer, womit ich nicht gerechnet hatte. Ich dachte, ich würde in Parfümwolken ersticken und mich zu einem der Spiegel über den Waschbecken durchkämpfen müssen.
Vielleicht aber war ich auch einfach den Gang hinter der einen Bar zu weit gelaufen und die Toiletten waren hier vielleicht nichtmal öffentlich.
Wer wusste das schon.
Auffällig war es auf jeden Fall, denn bei der Menge im Club müsste es gerade auf dem Mädchenklo nur so vor Mädchen wimmeln.
Hier tat sich nichts und alles glänzte fast vollkommen unbenutzt.
Ich richtete mir nochmal meine Haare und zupfte mein Kleid zurecht, dann entschied ich mich wieder zurück zu gehen. Auch wenn ich auf Charon sauer war, wollte ich ihn nicht weiter warten lassen. Vorausgesetzt, er stand da noch und hatte sich nicht vom Acker gemacht.
Zuzutrauen wäre es ihm, so wie er die Schwarzhaarige mit seinen Blicken verschlungen hat.
Unglaublich einfach.
Mir hallten immer noch seine Worte von eben im Gedächtnis wider - doch es wurde nach und nach weniger. Es hatte mir definitiv gut getan, mich mal kurz der Situation zu entziehen und durchatmen zu können.
Ich wandte mich vom Spiegel und vom Waschbecken ab, um die Tür anzusteuern und mit meinem Ellbogen die Klinke herunterzudrücken. Mag ja alles nur so vor Sauberkeit strahlen, doch die Toilettentür musste ich jetzt trotzdem nicht unbedingt mit meinen Finger anfassen.
Der kleine schmale Gang war im Gegensatz zu der hellen Beleuchtung auf den Toiletten sehr dunkel, fiel mir in der ersten Sekunde auf.
Ich blieb kurz stehen, um meine Augen an das gedimmte Licht zu gewöhnen - und um darüber nachzudenken, was ich jetzt machen würde.
Warum sind wir eigentlich nicht gleich in den anderen Clubbereich gegangen? Wieso hielten wir uns dieses Mal in diesem Bereich so lange auf? War der andere Bereich etwa geschlossen?
Ich wusste nur, wenn wir dorthin gegangen wären, wäre ich nicht so von Easton abgelenkt gewesen - weil dann hätte ich ihn dort eh nicht gesehen und erst recht nicht wiedererkannnt.
Grimmig presste ich meine Zähne aufeinander.
Easton, Easton, Easton.
Seit wann drehten sich meine Gedanken eigentlich nur noch um Easton?
Ich konnte den Namen nicht mehr hören!
"Easton!"
Verdattert spitzte ich die Ohren. Hatte ich das gerade richtig verstanden? Vorallem den Namen? War ja, als würden meine Gedanken nun auch noch hörbar für alle anderen mit mir sprechen.
"Easton, bleib endlich stehen!"
Nein, ich hatte mich nicht verhört. Schon gar nicht, weil diese aufgebrachte und herumzeternde Stimme eindeutig nach Adriana klang.
Ein hochgewachsene Gestalt tauchte am anderen Ende des kleinen Ganges auf und schien sich umzudrehen.
Ich nutzte die Chance und schlüpfte wieder zurück in den Toilettenraum. Auf keinen Fall wollte ich jetzt an den beiden vorbeigehen, wenn Adriana offentsichtlich kurz vor dem Explodieren stand.
Mich interessierte es natürlich brennend, warum - und ich sollte es auch erfahren, denn anscheinend hielten beide in nächster Nähe zu mir an. Und die Tür zwischen ihnen und mir schien nicht besonders dick zu sein, denn ich verstand jedes Wort. Vielleicht lag das aber auch an der Lautstärke - sie schienen sich regelrecht anzuschreien.
"Was willst du noch, Adriana?", kam es dann auch schon von dem, der offenbar nicht nur in meinem Gedanken herumirrte. Seine Stimme wirkte nicht mehr so gefasst wie sonst, er schien rasend vor Wut zu sein.
Mir rutschte das Herz in die Hose, dabei war es nichtmal ich, die so angefahren wurde. Ich war absolut überrascht - was ist denn passiert, dass jemand mit so viel Selbstkontrolle komplett aus seiner Bahn geworfen wurde?
"Was ich will?", hörte ich Adriana entrüstet nach Luft schnappen. "Dein beschissener Ernst?"
"Ja, das ist mein beschissener Ernst. Rede endlich oder verschwinde. Ich habe keine Zeit für so einen Kindergartenkram."
Jetzt schien sie nur noch mehr nach Luft zu schnappen. "Kindergartenkram? Seit wann bezeichnest du etwas, was uns angeht als Kindergartenkram?" Sie wurde zum Ende hin immer biestiger und zischender.
Wie eine fauchende Schlange.
Oh man, in was war ich hier nur hineingeraten? Ich hoffte, ihre Auseinandersetzung würde nicht lange gehen, denn ich wollte irgendwann noch zurück. Und sollte Charon noch immer an der Bar stehen, würde der sich auch langsam fragen, wo ich blieb und vielleicht noch nachgucken kommen. Und wenn er gemerkt hat, wo ich zur Toilette gelaufen bin, würde er auch noch hierher kommen und sofort vermuten, dass ich hinter dieser Tür hocken würde als Lauscher in einem sehr vertraulichen Gespräch und das nach dem, was er mir gerade eben noch gesagt hatte.
Wie schlimm konnte meine Lage eigentlich noch werden?
"Es gibt kein uns mehr, Adriana."
Stille.
Selbst mir entgleisten sämtliche Geischtszüge.
Bitte was?
Easton ließ Adriana gar nicht erst zur Wort kommen, sondern redete gleich aufgebracht weiter. "Und in Wahrheit hat es das auch nie gegeben oder irre ich mich da etwa? Ich habe deine Spielchen schon seit einer Weile sowas von satt. Du hüpfst und kletterst von einem Kerl zum nächsten Kerl - und dann wieder umgekehrt. Und plötzlich ist dir dann mittendrin aufgefallen, dass es mich ja auch noch gibt." Er lachte laut auf und ich konnte mir bildlich vorstellen, wie er sich dabei durch die Haare fuhr. "Ich dachte, der Abend wird vielleicht ganz nett - aber hast du echt gedacht, ich bekomme nicht mit, welche Spielchen du abziehst?"
Und Adriana, so dreist wie sie war, ging gar nicht auf alle anderen Sachen ein. Nein verdammt, sie stritt es nichtmal ab.
Bisher dachte ich, dass Typen wie Easton niemals solche Probleme mit Mädchen haben würden- und dass Mädchen Kerle wie ihn überhaupt so behandeln würden.
Aber anscheinend hatte er sich einfach in das falsche Mädchen verliebt und die rosarote Brille ein Stück zu lange aufgehabt.
Wem ist das mit dieser rosaroten Brille noch nicht passiert.
Trotzdessen fiel mir die Kinnlade klappernd auf den Boden.
"Ach ja?", antwortete Adriana giftig. "Dann sag doch mal. Welche Spielchen ziehe ich denn so ab?"
"Hast du das jetzt etwa wirklich gefragt?", knurrte Easton zurück. So langsam schien er wirklich komplett die Geduld zu verlieren. "Als ob ich dir das jetzt noch auf die Nase binden muss, dass du Jayden eifersüchtig machen willst und er dadurch dann wieder zu dir zurückgekrochen kommt - wie erbärmlich. Er wird dich wieder betrügen, nur mal so am Rande."
"Ach ja?", hakte sie schrill nach und stritt wieder nichts von dem, was er festgestellt hatte, ab. Meine Güte, war diese Person dreist. Aber wahrscheinlich wäre es sogar noch dreister, wenn sie sich herausreden würde. "Woher willst du das jetzt wieder wissen?"
"Hab ich im Tageshoroskop gelesen", entgegnete er trocken, hörbar bemüht, sich etwas abzuregen und nicht durchzudrehen.
Nun lachte sie laut auf. "Siehst du? Das und vieles andere ist ein Beweis dafür, dass du so viel interessanter als die anderen bist. Vorallem nicht so schnöde langweilig. Wieso glaubst du mir nicht, dass ich es mit uns wirklich versuchen möchte?"
"Ach komm", schnaubte er. "Das glaubst du dir ja nichtmal selbst. Ich fand es okay, dass wir in den letzten Wochen wieder mehr Zeit miteinander verbracht haben - aber mehr sehe ich darin nicht mehr. Ich bin bewusst auf deine Annäherungen in den letzten Tagen nicht eingegangen."
Wie? Sie hatten all die Zeit doch nichts mehr miteinander? Und alle anderen, sprich auch Charon, hatten daran geglaubt, weil es sonst der Fall gewesen ist?
Damit hatte ich nicht gerechnet.
"Und der Kuss von eben? Du hattest dich gegen ihn nicht gewehrt-"
"Du hast mich geküsst", stellte Easton scharf klar. "Völlig aus dem Nichts. Ist doch klar, dass ich damit nicht gerechnet habe und erst eine Sekunde später reagiere. Soll ich dir jetzt etwa nochmal die Situation beschreiben? Dass ich dich diese eine Sekunde später dann von mir weggedrückt habe?!"
Oh wow, das klang sehr... niederschmetternd. Für Adriana.
Doch sie schien sich noch am letzten Grashalm klammern zu wollen. "Aber Easton-"
"Verdammt, nein. Ich habe einfach keine Lust mehr darauf. Akzeptiere es endlich!"
Ich hörte sie wutenbrannt aufstampfen. "Easton, ich-"
"Verschwinde!", fauchte er und ließ sie nun gar nicht mehr ausreden.
Hallejuja.
Erneut kehrte Stille ein.
"Na schön", kam es schließlich von ihr. "Dann verschwinde ich eben. Aber du wirst das noch bereuen, glaube mir."
Er lachte erneut, es klang eindeutig freudlos. "Steck dir deine armseligen Drohungen sonst wo hin, das ist einfach nur lächerlich und so bist du auch nicht."
Ein gereiztes Schnauben, dann entfernten sich Schritte.
Ach. Du. Schande.
Wobei bin ich hier nur Zeuge gewesen?
Ich ließ meine angestaute Luft nur ganz langsam meiner Lunge entweichen. Wenn die Tür wirklich nur so dünn war, dann hatte ich keine Lust, dass Easton meine Anwesenheit bemerkte. Das würde jetzt noch fehlen. Ich war mir sicher, er würde dann komplett ausflippen.
Ich hätte auch keine Lust, dass jemand so ein Gespräch mitbekommt.
Aber meine Güte... das musste ich erstmal selbst verarbeiten, dabei war ich daran nichtmal beteiligt gewesen.
Wow.
Easton hat Adriana abserviert... und das schon seit einiger Zeit. Wer hätte das gedacht? Offentsichtlich nichtmal Adriana.
Nervös hielt ich weiter in meiner Lauschposition inne und zählte artig die Sekunden, bis ich in etwa auf zwei Minuten kam. Danach hielt ich es in meinem Versteck nicht mehr aus. Ich hatte zwar noch immer keine Schritte gehört, aber vielleicht ist Easton ja einfach leiser unterwegs und in die andere Richtung abgehauen.
So oder so musste ich endlich mal aus meinem Versteck herauskommen und es riskieren. Warum sollte er auch so lange noch hier im Gang herumstehen?
Wobei, ich würde zu dieser Art von Person gehören, die sich erstmal wieder abseits sammeln müsste und sich nach so einem Wutanfall auch nicht groß von der Stelle bewegen könnte.
Egal. Ich hoffte, er zählte nicht zu diesen Personen wie ich es tat.
Mein Ellbogen legte sich auf die Klinke und öffnete langsam die Tür, dann schob ich mich in die Dunkelheit heraus. Mein Kopf schwenkte sofort nach links, wo der Gang zum Clubbereich, den Bars und der Tanzfläche führte.
Es war niemand zu sehen.
Erleichtert atmete ich aus. Ich gab der Tür einen Schubs, um ihr Zufallen zu beschleunigen, drehte mich aus irgendeinem mir unerklärlichen Grund nochmal um - und hätte beinahe vor Schreck aufgeschrien.
Da stand er vor mir, die Augen funkelten in der Dunkelheit wie die grünen Polarlichter in einer eiskalten Winternacht.
So in etwa fühlte ich mich nun auch - als hätte man mich am Nordpol ohne Jacke abgestellt, während mich Easton nun ohne jegliche Zweifel fest im Visier hatte.
Tut mir leid, dass wieder ein paar Tage ohne Update verstrichen sind. Mir ging es nicht so gut. Dafür hoffe ich, dass ihr dieses Kapitel mochtet ❤️
Einige von euch hatten das ja schon vermutet, dass zwischen Easton und Adriana nichts mehr ist - doch habt ihr letztendlich mit so einer Situation gerechnet?
Und nun steckt Iva nachträglich im Schlamassel mit drin... wie Easton wohl reagieren wird? Was denkt ihr?😌
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