
❄︎ 𝟽 ❄︎
𝟽. 𝙳𝚎𝚣𝚎𝚖𝚋𝚎𝚛
❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎
Ein leises Quietschen riss Noël aus seinen Gedanken an den Jungen auf der Trage. Er verzog das Gesicht und musterte die Tür wenige Schritte neben ihm. Eine grüne Fußmatte mit Aufdruck des Grinchs zierte den Eingang, auf welcher sich einige dreckigen Fußabdrücke abzeichneten. Der Schwarzhaarige vernahm ein leises Lachen, was ja mal gar nicht Grinch-haft klang, sondern eigentlich ganz nett. Es quietsche erneut, dieses Mal etwas lauter.
Entnervt musterte Lene den Stift in ihrer Hand. Jonas lachte neben ihr leise auf und reichte ihr einen weiteren Stift. Die beiden waren vertieft in ihre Arbeit mit den Kinderfensterfarben gewesen, doch keiner der Grüntöne hatte tatsächlich funktioniert und sie alle quietschen schrecklich. Sie setzte die Miene des neuen Stiftes auf dem kalten Glas an und lächelte erleichtert: „Endlich Ruhe."
„Die Stifte habe ich schon echt lange", schmunzelte Jonas. Er strich sich verlegen die braunen Haare aus dem Gesicht.
„Sind wohl schon ein wenig in die Jahre gekommen." Lene grinste ihn an.
„Ganz so wie wir. Oh! Ich erinnere mich noch an dein erstes Werk."
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Es war ein kalter Winter gewesen. Lene hatte wenig Zeit zu Hause verbracht, sie arbeitete nachmittags in einem gemütlichem Café und stemmte morgens und abends ihr Studium zur Musikpädagogin.
Als sie eines Abends, am ersten Dezembertag, nach Hause zurückkehrte, war sie fertig mit den Nerven. Sie machte sich erschöpft bettfertig und ging hinüber zum Fenster um den Vorhang zuzuziehen, da fiel ihr eine leuchtend weiße Kugel auf dem Fenster ihres Nachbarn ins Auge. Am nächsten Tag das selbe Spiel: eine kleinere Kugel, die oben drauf gebaut war, dann ein orangener Strich, ein Topf, schwarze Punkte: von Tag zu Tag wurde der Schneemann süßer. Ab und zu erhaschte sie einen Blick auf den Künstler dahinter, welcher zugegebener Maßen von Jahr zu Jahr ebenfalls süßer wurde.
In den nächsten zwei Jahren zauberte er mehr Werke, einen süßen Tom und Jerry Cartoon und eine wunderschön verschneite Winterlandschaft, verpackt als kleinen Adventskalender, welcher Tag um Tag ergänzt wurde.
Lene freute sich stets auf seine Bilder und mit der Zeit fand sie heraus, dass er diese immer morgens zeichnete, während er halb im Pyjama das Fenster öffnete, das Gesicht wegen der Kälte des geöffneten Fensters etwas verzog, wobei seine meist noch vom Schlaf zerwuschelten Haare leicht vom Wind mitgeweht wurden. Wenn sie Zeit hatte, beobachtete sie ihn manchmal und besonders seit dem letzten Jahr traf sie ihn öfters in der kleinen Stadt an.
Aus einer kleinen Freude entwickelte sich mit der Zeit eine kleine Bewunderung, dann ein kleines Verliebtsein. Seine Adventskalender freuten Lene Jahr für Jahr und heiterten sie stets auf.
Doch dieses Jahr, als sie den Vorhang abends erschöpft schließen wollte, war das Fenster leer. Lene runzelte verwirrt die Augenbrauen. Das war ungewöhnlich, sie hatte ihn doch am Samstag noch heimlich auf dem Weihnachtsmarkt beobachtet, als er sich gebrannte Mandeln gekauft hatte. Sie hatten gut gerochen und sein Lächeln war so breit gewesen, dass Lene ihm am liebsten ein kleines Weihnachtsgeschenk gemacht und ihm diese spendiert hätte.
Aber es wäre wohl zu komisch gewesen, ihn anzusprechen.
Er würde denken, sie sei komisch.
Am 2. Dezember war das Fenster noch immer leer.
Lene war verwirrt. Ob ihm wohl etwas passiert war? Weshalb malte er dieses Jahr nicht? Unschlüssig lief sie in ihrem Zimmer umher. Dann näherte sie sich ihrem Schreibtisch und durchsuchte hektisch einige der Aufbewahrungsboxen, bis sie eine verstaubte Box Fenstermalstifte fand. Sie griff nach dem roten Stift und lief auf das Fenster zu. Zögernd öffnete sie es und stand einige Momente unschlüssig davor. Schließlich setzte sie zum Schreiben an: „Alles okay?"
Am dritten Tag war das Fenster noch immer leer.
Lene war besorgt. Wieso war noch immer keine einzige Abbildung zu sehen? „Hey?"
Erst am vierten Tag bekam sie ihn zu Gesicht. Er sah erschöpft aus, als er aus dem Fenster sah. Dann hielt er Inne und sah hinüber zu Lene. Schnell duckte sie sich vom Fenster weg, gerade in Versuchung etwas für ihn zu schreiben.
Er würde wohl denken, sie sei gruselig, würde er sie sehen. Doch er schien sie nicht gesehen zu haben.
Verwirrt musterte er die Worte der letzten Tage, welche Lene noch nicht weggewischt hatte. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen und seine Augenbrauen hebten sich erfreut.
Jonas hatte nicht im geringsten erwartet, dass ihn jemand vermisste.
Vor allem nicht sie.
Einige Momente lang verharrte Lene unter der Fensterbank, ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals. Dann setzte sie sich auf und hockte sich neben ihr Bett, sodass sie gerade so seinen Oberkörper sehen konnte. Ihr Herz fühlte sich so warm an, als sie ihn Lächeln sah. Dann verschwand er. Nur wenige Sekunden später öffnete sich sein Fenster und er kam mit einem grünen Stift in der Hand zum Fenster. In krakeligen, groben Linien zeichnete er einen Arm mit Gips und fügte anschließend einen lächelnden Smiley hinzu, so als würde er sie beruhigen wollen.
Lenes Blick glitt von seinem Lächeln zu seinem rechten Arm - und sie erblickte dort die vergipste Hand.
Dann verschwand er wieder hinter dem Fenster und lief aus dem Zimmer hinaus.
Lene seufzte erleichtert auf und stellte sich wieder hin. Sie blickte prüfend in Richtung Fenster und wandte sich dann dem eigenen Fenster zu. „Gute Besserung :/"
Nachdem sie ihr Frühstück hektisch hinuntergeschlungen und die roten Haare in Ordnung gebracht hatte, fügte sie hinzu: „Brauchst du Hilfe? Einkaufen oder so?"
Erst am nächsten Tag bekam sie eine Antwort. Er hatte ein zugegebenermaßen etwas schiefes Handy auf das Fenster gemalt, die alte Zeichnung war weg gewischt worden. Daneben hatte er einige Zahlen geschrieben und dahinter ein Fragezeichen.
Lenes Herz schlug ihr jetzt nicht mehr nur bis zum Hals, sondern bestimmt schon bis zur Nase. Jedenfalls war in ihrem Gesicht der leichten Röte zu urteilen nach wohl etwas mehr Blut unterwegs als normalerweise.
„Okay!"
Sie holte ihr Handy hinaus und tippte die Zahlen ein. Mit einem schüchternen Lächeln auf den Lippen schrieb sie ihm also
LENE | Hi, hier ist Lene von gegenüber :)
Nur einige Sekunden später bekam sie eine Nachricht von dem braunhaarigen.
JONAS | Hey :)
JONAS | Ich bin Jonas
JONAS | Danke für dein Angebot
LENE | Kein Problem! Melde dich wenn was ist :))
JONAS | Mach ich
Mit warmen Herzen wandte Lene sich vom Fenster ab und ging in die Küche um Frühstück zu machen.
Am 6. Dezember dann hatte Lene eine Nachricht von ihm bekommen. Er hatte sie abends wieder auf das Fenster gezeichnet, vielleicht um möglichst viele Menschen zu erreichen. Doch hatte er ihr auch eine Nachricht geschrieben - immerhin hatte sie Hilfe angeboten und irgendwas an ihr war beruhigend und machte ihn zugleich so neugierig.
JONAS | Hast du vielleicht so 100 Gramm Zucker?
LENE | Habe ich :)
JONAS | kann ich vorbeikommen? Ich gebe dir auch was von den gebratenen Mandeln ab.
LENE | Oh uh gerne :) Ich bin erst spät wieder zu Hause, können wir das auf morgen verschieben oder bist du gerade dabei die zu machen?
JONAS | Klar, geht auch
Lene sah auf die riesige Uhr im Vorlesungssaal, während ihr Professor über irgendwelche Harmonielehre redete. Vielleicht war es die Langeweile, vielleicht die aufrichtigere Interesse an ihm, vielleicht das Lächeln auf dem Weihnachtsmarkt, doch sie fasste mit einem Mal so viel Mut wie lange nicht mehr.
Und da sie morgen abend keine Vorlesungen hatte, da der Professor für Pädagogik krank geworden war - Eigentlich wollte sie ja lernen, aber wäre es nicht viel schöner...
LENE | Hey, was hältst du davon, morgen zusammen gebratene Mandeln zu machen? Hast du vielleicht Zeit?
JONAS | schreibt...
Lene wurde rot und steckte ihr Handy wieder in die Jackentasche. Sie versuchte ihrem Professor weiter zu folgen, anscheinend hatte er doch kein Interesse und versuchte ihr das nett mitzuteilen und jetzt verschwendete er Zeit auf sie und sie hatte sich nun endgültig vor ihm blamiert.
Sie hatte gerade zurück in das Thema eingefunden und sich einige Notizen gemacht, da vibrierte ihr Handy erneut leise.
JONAS | Klar :) Gerne. Wenn das zu viel ist sag Bescheid, aber hast du Lust mir auch beim Adventskalender zu helfen? Du weißt schon, bei diesen Bildern?
Jonas hatte definitiv nicht 3 Minuten seines Lebens damit verbracht verschiedenste Formulierungen einzutippen, nur um sie wieder zu löschen.
LENE | Oh, ich bin keine gute Künstlerin
JONAS | Klar, musst du nicht sein, keine Sorge
JONAS | Ich habe da so meine Tricks :)
LENE | Na wenn du meinst :)
LENE | Wann kann ich kommen?
Und so trafen sie sich am 7. Dezember, beide aufgeregt und voller Vorfreude bei Jonas zu Hause. Die gebrannten Mandeln kühlten gerade in der Küche aus und sie waren dabei die Stifte auszutesten. Vorher hatten sie bereits mit fast durchsichtigem Faden ein Raster an das Fenster geklebt, welches sich Jonas zuvor überlegt hatte, aber selbst nicht aufhängen konnte. Noëls leise Schritte bemerkten sie dabei selbstverständlich nicht, viel zu vertieft waren sie in einander - entschuldige- in ihr kleines Werk.
„Wirklich? Seit wann lebst du schon hier, wenn du dich noch an mein erstes Werk erinnerst?" Er selbst testete einen dunkelroten Stift aus und dieser quietschte erneut laut auf.
„Oh man, nicht schon wieder! Uh, Seit 4 Jahren! Ich glaube du bist ein halbes Jahr später eingezogen." Sie warf einen Blick auf die Vorlage mit dem Grinch.
„Achso, ja, klar."
„Was sind die ersten sieben Flächen, die wir heute malen?"
Jonas näherte sich ihr und sah sich seinen Plan an, dann zeigte er ihr die Abschnitte. Lenes Magen machte wilde Purzelbäume, als er ihr aus dieser Distanz in die Augen sah. Sie nickte perplex.
Jonas registrierte ihre Überforderung, deutete sie aber etwas anders.
„Das fängt hier an", erklärte er ihr und deutet auf ein Feld rechts neben ihr, dann auf das Fenster.
„Darf ich kurz?" Lene gab ihm den Stift bereitwillig ab und Jonas zeichnete einige Umrisse an.
„Das, aber etwas ordentlicher wenn das geht", lächelte er.
Sie nickte und die beiden fingen an zu arbeiten, während es hin und wieder unangenehm quietschte. Nach einiger Zeit hörte das Quietschen von seinem Stiftetest auf und Lene sah rüber zu Jonas, welcher sie mit einem Lächeln ansah.
„Sieht gut aus.", merkte an und ließ Lene leicht rot werden. Immerhin konnte sie sich ein „Du auch" verkneifen.
„Danke!"
Sie wandten sich wieder der Arbeit zu, bis Lenes Arm anfing weh zutun. Unsicher wandte sie sich an den Braunhaarigen: „Hey, wollen wir die Mandeln probieren gehen?"
Jonas nickte und die beiden gingen in die Küche. Es roch noch immer nach karamellisiertem Zucker und das Lächeln auf seinem Gesicht damals auf dem Weihnachtsmarkt spukte wieder in ihrem Kopf umher.
„Jonas?"
„Mhm?" Sein Gesicht wandte sich ihr zu.
„Warum eigentlich der äh Grinch?"
„Oh, klar, ich habe den Film als Kind geliebt. Um ehrlich zu sein mag ich den immer noch sehr gerne. Ist echt ganz lustig." Unsicher fuhr er sich mit der Hand durch die Haare.
Lene nickte interessiert. „Ah okay! Worum geht es da denn so?"
„Du kennst den Grinch nicht?" Er schaute ihr prüfend in die Augen, dann lächelte er. „Echt nicht?"
Lene schüttelte den Kopf.
Jonas füllte die Mandeln in zwei Schalen. „Hast du Lust das zu ändern?"
Die beiden kehren ins Wohnzimmer zurück, in welchem sie auch zuvor das Fenster bemalt hatten, und er setzte sich auf das weiche Sofa. Dann machte er neben sich Platz, indem er einige Kissen zur Seite schob und lächelte ihr auffordernd zu. Lene setze sich neben ihn und schon bald waren die beiden vertieft in den Film.
Inmitten des Filmes schweiften ihre Gedanken ab und sie sah zu Jonas, dessen Beine so nahe an ihren waren. Wie gerne würde sie ihr Knie an Seins legen und die Purzelbäume zulassen. Er registrierte ihren Blick und sah sie ebenfalls an. Die bleiben verblieben einen Moment in dieser Position. Lene lächelte ihn sanft an und Jonas lächelte zurück. Sie mussten leise lachen, dann sahen sie sich erneut an und Lene konnte nicht anders, als alles an ihm zu bewundern. Seine hochgezogenen Augenbrauen, seine Wangen und die beige Teddy-Jacke, die er sich heute übergezogen hatte, als sie am offenen Fenster gemalt hatten.
Mit einem Mal waren Schreie aus seitens des Films zu hören und Lene schreckte auf, den Blick wieder auf den Film gerichtet. Nur ganz leicht lehnte sie ihr Knie schließlich an Seins, während sie dieses Mal starr auf den Bildschirm sah. Er tat es ihr gleich und übte etwas Gegendruck aus, so als würde er bestätigen, dass es ihm nichts ausmachte.
Und manchmal warf Jonas einen verstohlenen Blick auf ihre Hand, ihre Haare, den mal glücklichen, mal traurigeren Ausdruck ihres Gesichtes und dankte seiner eigenen Tollpatschigkeit sich den Arm beim Schlittschuhlaufe zu brechen ein wenig.
Nach Ende des Filmes war es bereits spät. Die Nacht war hineingebrochen und auch wenn Lene es nicht gerne zugab, war sie müde geworden. Sie tauschten sich noch ein wenig über den Film aus und sie war sich sicher einen weiteren Lieblingsweihnachtsfilm gefunden zu haben.
„Kommst du bald wieder?", Jonas lehnte seinen Kopf an die Sofalehne.
„Gerne.. und dann sehen wir »Eine Weihnachtsgeschichte«, meinen Lieblingsfilm?"
„Klar"
„Darf ich dich zum Abschied umarmen?",Lene überraschte sich heute immer mehr selbst. Aber es fühlte sich so gut an, sich für etwas einzusetzen, was ihr etwas bedeutete. Vor allem weil Jonas ihr ein warmes Lächeln schenkte und sie in seine warmen Arme schloss- jedenfalls soweit es ging mit seinem Gipsarm- und sie ihn leicht an sich drückte.
„Bis bald. Schlaf schön."
„Du auch", nuschelte Lene in seine weiche Jacke hinein.
Er schloss die Augen, um die letzten Momente der Umarmung auszukosten. „Und schreibe mir wenn du bei dir angekommen bist. Einige meiner Nachbarn sind etwas.. sonderbar."
Lene kicherte. „Na, wenn du das meinst. Bis ganz bald, ja?"
Das war der Anfang ihrer Geschichte.
Und wer weiß, vielleicht würde Lene ja eines Tages nicht mehr nur vor seinem Fenster sein.
Noël machte eine demonstrativen Schritt zurück und ging sich die Ohren zuhaltend weiter. Was wohl heute noch geschehen würde?
❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎
𝙵𝚎𝚗𝚜𝚝𝚎𝚛𝚏𝚊𝚛𝚋𝚎𝚗 𝚟𝚘𝚗 skrrraa
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𝙽𝚘𝚌𝚑 𝚎𝚒𝚗𝚎 𝚜𝚌𝚑𝚘̈𝚗𝚎 𝙰𝚍𝚟𝚎𝚗𝚝𝚜𝚣𝚎𝚒𝚝
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