°Silver Dream°
Todesmüde schleppte Silberzweig sich in seinen Bau. Eine frische Wunde prangte in Form eines Kratzers über seinem Auge, fein, aber durch sein silbergraues Fell dennoch sichtbar. Seine blauen Augen schienen noch dunkler als sonst, als er sich in sein Nest fallen ließ. Kalter, harter Erdboden begrüßte sein dreckiges, stumpfes Fell.
Knurrend schob er einige Moosfetzen zurecht. Seinen Pelz würde er morgen putzen müssen. Ermattet legte er den Kopf auf die Pfoten und starrte die Höhlenwand an, bis ihn angenehme Dunkelheit umfing.
Der Himmel war pechschwarz, kein silberner Stern blinkte hoch oben und erhellte die Umgebung, um den Augen der Katzen das Sehen zu erleichtern. Nicht einmal der Mond schien.
Seltsam. Silberzweig hob den Kopf. Gestern war Vollmond, wo ist er jetzt bloß hin? Erst dann bemerkte er, dass er draußen war. Nur schehmenhaft erkannte er die Konturen des Lagers. "Was zum SternenClan ist passiert?" zischte er, erhob sich und lief zurück in seinen Bau - Zumindest dorthin, wo er ihn vermutete. Stattdessen stand er nun vor dem Heilerbau, er erkannte ihn an dem toten Baum, in dessen riesige Höhle sich die Heiler eingenistet hatten.
Ob er sich Mohnsamen holen sollte, um besser zu schlafen? Er steckte den Kopf in den Bau, aber dort war niemand. Also lief er weiter und versuchte, sich gedanklich ein Bild des Lagers zu machen. Dann müsste hier doch jetzt der Anführerbau sein...
"Nicht wie weg." Seinem Vater Goldstern wollte er nicht über den Weg laufen. Mit ihm hatte er schon tagsüber genug Probleme! Also drehte er sich weg und bekam nicht mit, wie an der Stelle, an der sich der Anführerbau hätte befinden sollte, ein schwarzer Schatten vorbeihuschte.
Dort war kein Bau.
Er suchte weiter. Seine Schritte wurden schleppender, sein Atem ging flacher. Ich will schlafen, verdammt! Aber alle Baue waren leer. Das ganze Lager war leer. Ist das überhaupt ein Lager? Unser Lager?
Er gähnte. Dann richtete er seine Augen auf den Wald und blieb stehen. Das ist nicht unser Wald! Als er den Blick abwandte, fielen ihm die vielen, dürren Bäume auf. Es wurde heller. Unheimliches, aschfahles Licht tauchte das leblose, tote Lager in unheilvolle Schatten. Ein Schauer kroch über Silberzweigs Fell und es kribbelte, als würde ihn jemand beobachten.
Er fuhr mit gebleckten Zähnen herum, aber es geschah nichts. Niemand war weit und breit zu sehen. Doch, da! Aus dem Augenwinkel sah er einen Schatten vorbeihuschen. Doch genau so schnell, wie er erschien, war er auch wieder verschwunden.
Kalte Nebelschwaden krochen über den Boden wie giftige Schlangen. Silberzweig stand mitten auf der Lichtung, sein helles Fell von Schatten verdunkelt. Seine Augen blitzten nachtblau. Vor ihm nahm der Nebel die gestalt einer schwarzen Katze an. Silberzweig schnappte nach ihr. Ein jaulen, das von weit her zu kommen schien, erklang, dann erbebte der Borden unter den Pfoten des Katers. Eine dunkle Stimme erscholl.
»Elf werden es sein,
Elf müssen das Trugbild überwinden,
Elf werden die Täuschung erkennen,
Elf müssen sich zusammenfinden,
Den Schatten zu benennen,
Um der Dunkelheit Einhalt zu gebieten.
Elf vereint aus dem hohen Norden,
vereint von helln' und dunklen Orten,
Das Unheil zieht wie dunkle Wolken,
Sie müssen ihren Träumen folgen.«
Silberzweig schloss die Augen. Ein Knurren vibrierte durch seine Brust. Bin ich im SternenClan? Er hob den Kopf. Keine Sterne. Und auch keine Katze mit einem Pelz aus Sternen.
Die Bäume rückten näher. Zwischen ihnen lagen dichte, schwarze Nebelschwaden, in denen Silhouetten umherzuhuschen schienen. Silberzweig drehte sich um und preschte los. Das Gefühl, beobachtet zu werden, brannte auf seinem müden Pelz. Er glaubte, höhnisches Gelächter zu hören, als er stolperte. Schmerz durchzuckte seine Pfoten.
Wenn das ein Traum wäre, wäre ich jetzt aufgewacht. Eine schreckliche, lähmende Gewissenheit überfiel den grauen Kater und er blieb stehen. Er wollte nicht zurückschauen, doch wie von selbst drehte sich sein Kopf nach hinten.
Er war keine Fuchslänge von dem Wald entfernt. Frusteiert ließ er den Kopf sinken und fröstelte. Die Umgebung war plötzlich um einiges kälter geworden.
Eine hohle, unwirkliche Stimme hallte durch die Stille. "Nichts ist, wie es scheint." Die Dunkelheit schien näherzurücken, das anfängliche Licht wurde dunkler und im Wald wisperten Stimmen wie Blätter im Wind - Nur, dass da keine Blätter waren.
Silberzweig legte die Ohren an. Sein Fell sträubte sich. "Ich will in meinen Bau!" fauchte er, obwohl er wusste, dass es sinnlos war.
Plötzlich flatterte etwas über ihn hinweg. Er sah nach oben, aber dort war nichts. Stattdessen fielen vom nachtschwarzem Himmel Federn. Schwarze Federn. Immer mehr, sie wirbelten um ihn herum, nahmen ihm die Luft zu Atmen, füllten seine Mund, verschlossen seine Nase, stachen in sein Fell, seine Pfoten versanken in Schattenfedern.
Silberzweig schrie. Dann erlosch das letzte Licht und alles wurde schwarz.
Das Banner oben ist von FafnirTheCat, die kleineren sind von FlammenfederWaCa.
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