𝟸𝟶. 𝚠𝚊𝚜 𝚍𝚊𝚜 𝚋𝚊𝚋𝚢𝚜𝚌𝚑𝚠𝚎𝚒𝚗𝚌𝚑𝚎𝚗 𝚜𝚌𝚑𝚎𝚒ß𝚎⁴ 𝚏𝚊𝚗𝚍
Es ist so weit.
Ich traue mich nicht zu atmen, mich nicht zu bewegen oder zu blinzeln.
Rhys hat sich mittlerweile auf den Rücken gedreht und scheint wirklich gefallen an meinem Schoß als sein Kopfkissen gefunden zu haben.
Wenn er in diesem Augenblick die Augen aufschlagen würde, würde er sehen, wie ich wie ein Karpfen auf ihn runter starre. Wahrscheinlich würde er sich zu Tode erschrecken und das könnte eine sehr unangenehme Unterhaltung mit der Schulleitung und Eliza nach sich ziehen, in der ich versuche, das Ganze zu erklären. Mal davon abgesehen, dass Charlotte mich umbringen würde, sollte ich ihren besten Freund umbringen. Nein, am besten lasse ich ihn einfach schlafen.
Es ist, als hätte ich eine Katze. Und ist es nicht ein ungeschriebenes Gesetz, dass, wenn die Katze sich auf dich drauflegt, du dich nicht mehr zu bewegen hast, bis die Katze von selbst von dir heruntergeht?
Mittlerweile ist auch zu viel Zeit vergangen, um plausibel erklären zu können, wieso ich Rhys nicht schon viel früher geweckt habe.
Der Laptop hat sich schon längst in den Stromsparmodus begeben und ist ausgegangen. Also sitze ich jetzt im Dunkeln des Gemeinschaftsraums und traue mich nicht zu bewegen, weil Rhys Kopf immer noch auf meinem Schoß liegt. Und so wie er schnarcht, wird sich in näherer Zukunft auch nichts daran ändern.
Okay, es ist gar kein richtiges Schnarchen, eher so etwas wie ein Röcheln, obwohl das keinesfalls schmeichelhafter klingt. Aber irgendwie klingt es – ach Herr im Himmel, ich sehe die Reaktionen schon kommen –, aber es klingt halt irgendwie niedlich. Wie so ein süßes, kleines Babyschweinchen.
Nicht, dass Rhys aussieht wie ein Babyschweinchen. Das wäre ja genauso absurd wie die pinken Alpakas.
Rhys sieht irgendwie so viel jünger aus, wenn er schläft. Seine Gesichtszüge sind völlig entspannt und er hat die Lippen leicht geöffnet. Sie sehen aus, als würden sie zum Küssen verführen wollen und irgendwas sagt mir, dass er verdammt angenehme Lippen haben muss. Und meine Fresse, er hat wirklich lange Wimpern! Wie ein Fächer breiten sie sich über seine helle Haut aus. Seine zartbitterscholadenfarbenen Locken hängen ihm fransig in die Stirn und ich bin versucht, sie wegzustreichen.
Rhys ist keinesfalls makellos. Er hat eine kleine Narbe am Kinn, ganz fein und sehr hell, man sieht sie kaum. Und weil wir alle ein Haufen pubertärer Kindergartenkinder sind, sieht man auch bei ihm gewissen Hautunreinheiten. Aber meine Fresse, wer hat sie nicht, die ungebetenen Pickel ohne Aufenthaltserlaubnis? Aber ansonsten sieht seine Haut weich wie die eines Babys aus.
Ich bin Künstler, okay? Und ich bin erwachsen genug, um sagen zu können, dass ein Mensch eine gewisse Schönheit besitzt.
Ist doch nicht mein Problem, wenn gerade zufällig Rhys so ein Mensch ist!
Oh Gott, ich hoffe doch, er hat mich letzte Nacht nicht auch beim Schlafen beobachtet! Langsam grusele ich mich ja vor mir selbst! Wie ein gottverdammter Creep starre ich ihn an. Ich bin also doch unter die Spanner gegangen. Wer hätte es erwartet?
Von mir selbst schockiert wende ich den Blick ab und sehe mich im dunklen Gemeinschaftsraum um. Viel zu sehen gibt es nicht. Also lehne ich meinen Kopf zurück und schließe selbst für einen Moment die Augen. Ich bin so unfassbar müde... Der Mittagsschlaf hat kaum geholfen und die letzte Nacht war eh nicht der Rede wert. Es ist Ewigkeiten her, dass ich mich auf einer Stufenparty so dermaßen betrunken habe, dass ich mich an nichts erinnere. Und mal wieder bin ich dankbar, nur in Rhys Bett gelandet zu sein.
Himmel, wie das klingt! Und trotzdem spüre ich, wie meine Mundwinkel sich verräterisch heben und ich in die Dunkelheit grinse.
Wenigstens hat Rhys nichts getan und meinen betrunkenen Zustand ausgenutzt, wobei ich glaube, dass er eh nicht der Typ für so was ist, und er hat ja auch mehr als deutlich klargemacht, dass ich nicht sein Typ bin.
Ich könnte jetzt einschlafen, dann wäre ich morgen auch niemandem eine Erklärung schuldig, wieso ich ihn nicht geweckt habe. Aber wenn ich jetzt einschlafe, könnte uns morgen früh jemand finden und das wirft dann wieder neue unangenehme Fragen auf, wieso ich die Nacht mit Rhys auf der Couch verbracht habe, zumal wir beide voll bekleidet sind. Ich habe einen Ruf zu verlieren!
Dennoch erweist es sich als Kraftakt, mich dazu zwingen zu wollen, die Augen zu öffnen, also lasse ich sie geschlossen. Ich bin so müde... Wen kümmert es schon, wenn ich nurfünf Minuten die Augen zumache? Es ist so warm und gemütlich hier. Und rieche ich da das Zitronenduschgel?
Ich bin fast eingeschlafen, als das Gewicht, das auf meinem Schoß lag, plötzlich verschwunden ist.
»Oh scheiße«, zischt jemand. »Oh scheiße, scheiße, scheiße.«
Ich bin fast eingeschlafen und mir fehlt das Gewicht meiner Katze. Ich meine, das Gewicht von Rhys Kopf. Rhys wo bist du?
Im nächsten Moment werde ich auch schon unsanft an der Schulter gerüttelt. »Hey Ash. Ash! Wach auf!« Wieder werde ich an der Schulter gerüttelt und brumme unzufrieden, schlage aber die Augen auf. Nein, so geht das doch nicht.
»Ash,wir sind eingeschlafen.«
Nein, du bist eingeschlafen. Ich hatte ja keine Chance mehr dazu.
»Lotta ist auch weg. Oh Gott, es ist schon spät. Na los...«
Er gähnt und streckt sich genüsslich, wobei seine Gelenke knacken und sein Hoodie etwas hochrutscht und einen Streifen seiner ebenmäßigen Haut am Bauch offenbart.
Ich schaue nicht hin.
»Kein Wunder. Der Film war langweilig.«, entgegne ich missmutig und stehe selbst auf, wobei ich aber fast das Gleichgewicht verliere. Gerade noch rechtzeitig greift Rhys nach meinem Arm und hält mich fest. »Langsam. Denk an deinen Kreislauf Opa.«, sagt er und grinst so unverschämt wobei mal wieder das kleine Grübchen auftaucht.
Gott, ist das niedlich. Das Grübchen und die vom Schlaf verwuschelten Haare. Er ist größer als ich! Nur einganz kleines bisschen, vielleicht einen Zentimeter oder so. Ist mir nie aufgefallen.
»Sag mal hast du Gras geraucht?«, frage ich dann plötzlich. Jetzt wo seine Augen offen sind, sehe ich wie rot und gereizt sie wirken und sie sind so braun...
»Was? Nein! Oh Gott, nein!«, lacht er und fährt sich fast verlegen durch die verwuschelten Haare, wodurch er sie noch wuscheliger macht.
Schlafentzug hat dieselben Auswirkungen auf den Körper wie übermäßiger Alkoholkonsum.
Noch nie hat sich diese Tatsache realer angefühlt, denn langsam werde ich ganz wuschelig von dem schwachen Zitronenduft, der uns umgibt.
»Man sollte nur nie mit Kontaktlinsen einschlafen.«, erklärt er. Rhys braucht Kontaktlinsen? Ob er so eine Harry Potter-Brille hat?
Er klappt den noch offenen Laptop zu und klemmt ihn sich unter den Arm. Auf einmal wirkt es, als wüsste er nicht wohin mit sich und fährt sich wieder durchs Haar. Er sagt gar nichts dazu, dass sein Kopf die letzten Stunden auf meinem Schoß lag. Vielleicht hofft er ja, dass ich es nicht mitbekommen habe, weil ich allen Anscheins nach ja selbst geschlafen habe. Und an seiner Reaktion, die ich in meinem Dämmerzustand mitbekommen habe, behagte ihm das Ganze ja nicht wirklich. Er fand es Scheiße hoch vier und genau deshalb werde ich es ganz sicher auch nicht zuerst ansprechen!
»Na dann« Wink mir dem Zaunpfahl, Milchrhys!
»Na dann«, echot er und starrt auf die Spitzen seiner Converse. Himmel! Ich will nur noch schlafen!
»Und du fährst auch mit auf den Ausflug?«, frage ich. Ich frage, wie ein Idiot. Die ganze Stufe fährt, also natürlich fährt er mit!
»Ähm... Ja?«, antwortet er irritiert.
Großartig gemacht Ash, ganz großartig! Ich bitte hier um eine Runde Applaus für mich und meine herausragende Intelligenz.
»Na dann«, sage ich wieder.
»Na dann« wiederholt Rhys erneut.
»Gute Nacht«
»Gute Nacht«
Also wenn er jetzt nur noch das wiederholt, was ich sage, werden das in Zukunft wirklich eintönige Konversationen.
Aber ohne ein weiteres Wort schiebt er sich an mir vorbei und läuft in Richtung der Treppe. Erst als seine Schritte verklungen sind und ich noch mal bis hundert gezählt habe, folge ich ihm nach oben, nehme jedoch einen anderen Flur als er. Unsere Zimmer liegen tatsächlich ziemlich weit voneinander entfernt, was glaube ich echt ganz gut ist.
Meine Fresse, ich sollte in nächster Zeit wirklich die Finger vom Alkohol lassen und zusehen, genug Schlaf abzubekommen. Rhys besitzt eine Anziehungskraft, die mir langsam gefährlich wird.
Es ist, als wäre er ein Planet und ich bin der Meteorit, der beim Eintritt in seine Atmosphäre verglühen wird.
Nur noch ein paar Wochen und wir können diese dämliche Facharbeit endlich abhaken.
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