𝟷𝟽. 𝚍𝚎𝚛 𝚝𝚎𝚞𝚏𝚎𝚕 𝚝𝚛𝚊̈𝚐𝚝 𝚖𝚎𝚒𝚗𝚎𝚗 𝚑𝚘𝚘𝚍𝚒𝚎
Ich wache mit dem Duft von Tee in der Nase auf. Ich kenne den Geruch. Ich kenne den Tee. Woher? Es riecht ja so gut.
Noch sträubt sich mein schlafendes Ich wach zu werden, aber mein Unterbewusstsein tanz gerade Limbo im Flamingokostüm. Genauso wie mein Magen.
Mir ist Speiübel und ich sehne mich nach eben diesem Tee, um meinen armen Magen zu besänftigen, der mir die letzte Nacht anscheinend echt übel nimmt.
Und ich habe Hunger. Wieso habe ich so einen Hunger? Es ist mehr als das... Ich glaube, es ist ein richtiger Heißhunger. Ich hatte noch nie so einen Heißhunger! Aber worauf?
Hm... Irgendwas mit Schokolade wäre toll. Ganz viel Schokolade. Schokoladenpudding wäre jetzt echt eine geile Sache. Ob wir im Kühlschrank noch irgendwo Pudding haben? Oh und gesalzenen Erdnüsse! Ich glaube, ich werde sterben, wenn ich gleich keinen Schokopudding mit gesalzenen Erdnüssen bekomme!
Eine honigsüße Stimme säuselt mir leise ins Ohr und ich grinse breit, als wäre ich bekloppt. Bin ich wahrscheinlich auch, aber wen kümmert das jetzt noch? Muss aber eine verdammt gute Party gewesen sein, denn schon allein ihre Stimme klingt verdammt sexy. Wirklich schade, dass ich mich gerade nicht erinnere, wie wir es getrieben haben. Kommt bestimmt gleich noch, sobald mein Unterbewusstsein aufhört, mit meinem Magen Limbo im Flamingokostüm zu tanzen.
»Aufwachen, Babe... Ich hab dir einen Tee gemacht. Lass mich nicht warten, ich musste schon ohne dich duschen.«, säuselt sie weiter, wobei sie nicht zu knapp schmollt, und ich vergrabe mein Gesicht immer noch in den weichen Kissen, die ebenfalls recht bekannt riechen. Ach, soll sie doch schmollen, eine zweite Runde Ash gibt es sowieso nicht.
»Gib mir noch ne Minute, Sexy.«, murmele ich in die weichen Kissen, um sie zu besänftigen und mir noch ein paar Minuten in diesem himmlisch riechenden Bett zu sichern. Der Spitzname kam mir jetzt ganz spontan. Aber mit ihre Stimme...
Holy Shit!
Hoffentlich kommen die Erinnerungen gleich wieder, wäre doch schade, wenn ich letzte Nacht vermutlich den geilsten Sex meines Lebens gehabt hätte und mich nicht daran erinnern könnte. Aber schlagartig verändert sich die Stimmung. Beinahe rabiat wird mir das Kissen unter dem Kopf weggerissen und ich komme gar nicht erst zum Protestieren, denn selbes wird mir voll ins Gesicht geschlagen. AUA!
»Nenn mich noch mal so und ich reiße dir die Eier ab!«
Auf einmal bin ich hellwach und habe die Augen weit aufgerissen. Langsam beginnt mein Gehirn auch die nicht zusammenpassenden Informationen endlich zu verarbeiten.
Ich liege in einem Zimmer, das nicht meins ist – was zwar nicht immer wirklich verwunderlich ist, aber diesem Fall eben schon.
Ich rieche einen beinahe himmlischen Duft an dem Bett, in dem ich liege, der nicht zu der Person, die mir Gewalt androht, passt, wieso genau, kann ich noch nicht sagen.
Und die Stimme passt nicht zu dem – oh nein. Bitte nicht.
Bitte, bitte lieber Gott. Ich weiß, wir sind nicht die besten Freunde, weil ich eigentlich gar nicht an dich glaube, aber so sehr kannst du mich doch gar nicht hassen!
Schnell rolle ich mich auf dem Bett rum, sodass ich auf dem Rücken liege und wahrscheinlich wie ein Decken-Burrito aussehe, was wahrscheinlich gut ist, sollte sich mein Verdacht bestätigen und ich unter der Decke nackt sein. Nicht das ich mich schämen würde, aber sie muss mich nicht unbedingt nackt sehen...
Mit aufgerissenen Augen starre ich dem Teufel persönlich ins Gesicht. Da steht sie. Die Fäuste in die Hüfte gestemmt, sieht mich trotzig an und als ich den Blick an ihr runtergleiten lasse, stelle ich fest, dass sie einen Hoodie trägt, der sehr verdächtig nach meinem aussieht und der ihr bis fast zu den Knien reicht.
Oh Gott. Bitte, bitte lieber Gott trägt sie da noch genügend drunter, damit ich sicher sein kann, nichts mit ihr gehabt zu haben!
Ihre sonst so leuchtend roten Locken hängen ihr nass auf ihre Schultern hinab, haben dort feuchte Flecken gebildet und ich bete immer noch.
»Haben wir...? Wir haben doch nicht – Oh bitte, bitte haben wir nicht?«
Ich formuliere es wie eine Frage, damit sie mich hoffentlich von diesen Höllenqualen erlöst. Jetzt, wo ich wirklich wach bin, bemerke ich auch endlich die hämmernden Kopfschmerzen, die meinen Schädel zu spalten drohen. Alles ist irgendwie verschwommen und ich will mich übergeben. Schon wieder wahrscheinlich, so wie ich mich kenne. Fuck, hab ich einen Kater...
Oh FUCK! Was, wenn ich während des Koitus mich auf sie übergeben habe?!
Das wäre zwar nicht der Gipfel der Peinlichkeit, da dieser die Tatsache wäre, wirklich mit ihr geschlafen zu haben, aber es wäre trotzdem immer noch peinlich genug, um das Land zu verlassen.
»Das hier ist gar nicht mein Zimmer, Spatzi Spasti.«, stellt sie fest und betont diesen Namen so seltsam. Ich glaube, sie will mir irgendwas damit sagen... Und ich habe Angst vor dem, was sie mir versucht zu sagen. Jedoch hat sie recht. Das ist nicht ihr Zimmer. Viel zu wenig orange und es sieht meinem Zimmer wesentlich ähnlicher als Charlottes. Aber mein Zimmer ist es definitiv auch nicht.
»Das beantwortet nicht meine Frage!«, werde ich nun fast hysterisch und ziehe mir meine – nein, falsch, ist ja nicht meine – die Decke bis unters Kinn. Noch bevor Charlotte aber die Möglichkeit bekommt zu antworten, tritt jemand aus dem Bad und bringt dabei einen Schwall warmer Luft mit sich. Ich hab gar nicht mitbekommen, dass die Dusche lief, aber wahrscheinlich ist die Flugzeugturbine in meinem Kopf auch einfach viel zu laut.
»Oh mein Gott«, entfährt es mir, als ich erkenne, wer es ist. Da steht er. Rhys Welsh quasi nackt und frisch aus der Dusche.
Okay, er trägt ein Handtuch um die Hüften, aber es ist ein wirklich kleines Handtuch. Ein sehr kleines Handtuch. Kann man das eigentlich noch Handtuch nennen?! Es ist nicht so, dass irgendwo irgendwas raushängt, aber wirklich viel verbergen oder der Fantasie überlassen, tut es auch nicht.
»Zu viel der Ehre. Rhys reicht doch völlig.«
Ich hasse ihn. Ich dachte ich wäre derjenige mit dem Gottkomplex?
»Lotta, ich hasse dich.«
Ja, die hasse ich auch. Es ist schön, dass wir mal einer Meinung sind.
»Ich lasse dich nie wieder bei mir duschen, wenn du mir nur das aller kleinste Handtuch übrig lässt! Das ist ja quasi ein Waschlappen!«
Hm. Er ist trainierter, als es sich vorher vermuten ließ. Man sieht ihm an, dass er Schwimmer ist. Schmale Hüften, aber eben nicht zu schmal, dass er aussieht wie ein Stöckchen. Trainierte Waden und Oberkörper, aber auch nicht zu trainiert, dass es unnatürlich aussieht.
Und bevor hier unangebrachte Kommentare auftauchen, ich bin Künstler und habe meines Erachtens und meiner ach so bescheidenen Meinung nach, ein Auge für das ästhetische und Rhys...
Lassen wir das besser, bevor mir wieder irgendwas unterstellt wird.
Was einem für merkwürdige Gedanken kommen, wenn man vermutlich den Kater seines Lebens hat, einen absoluten Filmriss und gleichzeitig eine riesen Panik.
Zurück zur Panik:
»Um Gottes willen, haben wir etwa...?!«
Doch die beiden scheinen mich gar nicht zu hören, sondern diskutieren lieber darüber, wann ein Handtuch noch ein Handtuch ist und wann ein Waschlappen. »KANN MIR JETZT BITTE EINER ENDLICH VERRATEN MIT WEM VON EUCH BEIDEN ICH LETZTE NACHT SEX HATTE?!«
Dann wird mir aber gleichzeitig heiß und kalt und so aufgebracht ich gerade noch war, jetzt bin ich erschreckend ruhig.
»Wir haben doch nicht alle – Ich meine, ich hab doch nicht mit euch beiden...«
Meine Stimme ist ganz dünn, brüchig und irgendwie unangenehm kratzig. Oh mein Gott, wenn eben dieser es nicht mit dem Erschießen hinbekommt, gebe ich mir selbst die Kugel, wenn ich mit beiden gleichzeitig im Bett war.
Ich bin mir ja der Schwammigkeit unserer Spielregeln bewusst, aber ich bin mir ziemlich sicher gesagt zu haben, dass ich für keine Dreier zu Verfügung stehe.
Hab ich doch, oder?
HAB ICH?!
Erst jetzt wenden sie sich mir wieder zu. Ich gebe einen wahrscheinlich unfassbar witzigen Anblick ab, so wie die gaffen und sich dann belustigte Seitenblicke zu werfen. Ich kauere in einem Burrito aus einer Decke bestehend, sehe wahrscheinlich aus wie einer Wasserleiche – zumindest fühle ich mich wie eine – und scheiß mich gleich ein vor Angst. Als sie aber nicht antworten, trifft mich der Schlag.
»Wir haben.« Es heißt doch, keine Antwort sei auch eine Antwort. Ich starre vor mich ins Leere, sehe wahrscheinlich ein wenig manisch aus und versuche mich nicht sofort zu übergeben. Ich fühle mich irgendwie benutzt und... schmutzig? Ist ja nicht so, als würde ich nicht oft genug Sex haben, aber das geschah dann meist, wenn ich in einem zurechnungsfähigeren Zustand war, als vermutlich gestern Abend.
»Du erinnerst dich nicht? Oh, wie schade... Aber keine Sorge, wir haben genug Fotos.«
Ihre Stimme klingt wie die eines Engels, aber Charlotte Montgomery ist der Antichrist. Ich bin mir ganz sicher, dass dem so ist.
Und wieder wird mir heiß und kalt. Wenn Eliza diese Bilder jemals zu Gesicht bekommt... Oder Ian! Selbst er würde mir dann auch nicht länger mehr helfen wollen.
»Okay, Lotta. Das reicht jetzt.«, beschwichtigt Rhys sie und wirft ihr einen mahnenden Blick zu. Er nimmt die immer noch leicht dampfende Tasse Tee von seinem Schreibtisch, die mir bisher gar nicht aufgefallen ist, und kommt auf mich zu. Daher also der bekannte Teegeruch. Ich rieche sofort, dass es die Spezizalmischung seiner Großmutter sein muss. Mit dem Geruch in der Nase muss ich sofort an den Abend denken, als ich das erste Mal diesen Tee getrunken habe. An dem Abend ist Rhys mir auch raus in den Sturm gefolgt und mich vermutlich vor einer Lungenentzündung gerettet. Seitdem bin ich vor allem ihm aus dem Weg gegangen, aber anscheinend sind wir uns auf der Party gestern begegnet, aber ich erinnere mich immer noch nicht.
Er setzt sich auf die Bettkante und reicht mir die Tasse Tee, die ich erst dann annehme, als er mir versichert, dass der Tee nicht vergiftet und angeblich auch ein Wundermittel gegen jeden Kater sei.
Obwohl ich eingerollt in der Decke gegen die Wand gelehnt sitze, wird mir erst durch die Berührung mit der warmen Keramik klar, wie kalt mir eigentlich ist. Ich spüre, dass der Tee warm, wie warm es unter der Decke ist und auch welche Wärme Rhys Körper auszustrahlen scheint, obwohl immer noch genügend Abstand zwischen uns ist, und trotzdem wärmt mich nichts von alle dem. Mir ist kalt.
»Lotta und ich wollten dich nur ein wenig verarschen. Du hattest gestern Abend mit niemandem Sex.«, versichert er mir und sieht mich an. Er hat so braune Augen. Wie flüssige Schokolade oder Schokopudding.
Schokolade? Ich erinnere mich, welche gewollt zu haben.
Sie sehen so offen und ehrlich aus und – ich verfluche mich selbst, dass zu denken – irgendwie süß. Mal davon abgesehen, dass er immer noch nicht mehr als das kleine Handtuch trägt.
»Aber sie trägt meinen Hoodie... Der Teufel trägt meinen Hoodie!« Wie ich es hasse, so verzweifelt zu klingen.
»Dein Hoodie liegt vollgekotzt im Wäschekorb. Der, den sie trägt, ist meiner. Lotta hat die Angewohnheit, mir meine Klamotten zu klauen.«
Und wieder sehen seine Schokoaugen so offen und ehrlich aus, dass ich ihm einfach glaube. Glauben muss.
Abwartend sehe ich Rhys weiter an. Ich bin zu müde, um ihm alles durch nachfragen aus der Nase zu ziehen. Deshalb hoffe ich, er kommt von selbst drauf, mit der Sprache rauszurücken, was gestern passiert ist, wie ich in sein Zimmer gekommen bin und wieso ich in – Fuck. Wenn das hier sein Zimmer ist, heißt das, ich liege hier in seinem Bett?!
Denn wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sein Bett jenes an der gegenüberliegenden Wand ist, auf dem es sich Charlotte gerade gemütlich gemacht hat? Zu mal ich langsam besser in der Lage bin, Sinneseindrücke ihrem Ursprung nach zuzuordnen. Der angenehme Geruch an dem Bett, der so überhaupt nicht zu Charlottes verstellter Stimme gepasst hatte, passt nun viel mehr zu Rhys und der ganzen Restwärme der heißen Dusche, die er abstrahlt.
Zuerst hätte ich ja gesagt, fünfzig zu fünfzig, aber in Anbetracht der restlichen Fakten...
Verdammte Scheiße, ich bin Rhys fucking Welsh Bett gelandet.
JAHA!
Den Satz muss man sich auch erst mal auf der Zunge zergehen lassen.
»Was ist gestern passiert?«, frage ich endlich, als er scheinbar doch nicht weitererzählt. Stattdessen mustert er mich auf eine Weise, als würde er auf ein paar Antworten warten. Aber auf welche?
»Du erinnerst dich nicht?« Ich schüttle den Kopf. »Filmriss. Würde mich wahrscheinlich nicht einmal wundern, wenn hier irgendwo ein Baby wäre, ich eine Gesichtstätowierung hätte oder im Badezimmer ein Tiger eingesperrt wäre.«
Meine Stimme ist immer noch so kratzig. Fühlt sich wie eine Erkältung an. Kurz wirft Rhys Charlotte einen Blick zu, den ich zwar nicht deuten kann, sie aber erwidert und ihm sogar noch etwas mehr mitzuteilen versucht.
»Der einzige Tiger im Bad war Rhys eben. Rawrr.« Ich weiß, sie versucht einen Witz, aber es erscheint mir eher, als wolle sie eine plötzlich aufgekommene Stimmung lockern. Ich stelle die halb ausgetrunkene Tasse auf den Nachttisch und massiere mir meine pochenden Schläfen.
»Du warst gestern ziemlich betrunken.«, beginnt Rhys endlich zu erzählen.
»Ach war ich? Ich dachte, ich hab nen Kater, weil ich Katzen so doll mag.« Habe ich schon erwähnt, dass, wenn ich nicht richtig ausgeschlafen bin, ich gerne noch sarkastischer bin als ohnehin schon?
»Du magst keine Katzen.«, sagt er dann wie aus der Pistole geschossen und sieht mich immer noch auf diese seltsame Art an, wie er eben auch Charlotte ansah, als ich meinen Filmriss erwähnte.
»Stimmt.« Katzen sind mir nicht geheuer. Aber wie kommt er jetzt drauf? »Kannst du mir dann vielleicht noch ein wenig mehr nicht ganz so Offensichtliches erzählen als die Tatsache, das ich betrunken war? Soweit kam ich jetzt auch schon.«
»Du bist ja vielleicht eine Zicke. Meine kleine Schwester ist auch so unausstehlich, wenn sie nicht ausgeschlafen ist...«, schaltet sich Charlotte von dem anderen Bett her ein und ich habe das Bedürfnis, mir meinen Kopf gegen die Wand schlagen zu wollen. Wie kann es sein, dass die Kopfschmerzen mit jeder Minute immer schlimmer werden?
Und kann der Kerl sich nicht endlich anziehen?
Und Charlotte die Klappe halten?
Bitte?
Danke.
»Na ja, also wir können dir nur sagen, was passiert ist, nachdem wir dich gefunden hatten. Du hattest dich irgendwie mit Hunter in die Haare bekommen–«
»Hübsches Veilchen übrigens, KitKat.«, kommentiert Charlotte schon wieder von der Seite, wobei sie unverschämt grinst. Sie tippt sich an die Schläfe direkt neben dem Auge und aus einem Reflex heraus fasse ich hin. Allein die leichte Berührung tut weh und es fühlt sich auch leicht geschwollen an.
»Im Gegensatz zu dir bekomme ich wenigstens Blumen. Was bekommst du von deinem Lover Boy, Lotti Karotti? Von einer laufenden Nase mal abgesehen...«
Lotti Karotti? Wo habe ich das als Spitznamen für Charlotte schon einmal gehört?
Es irritiert mich, weshalb ich die Stirn runzle und trotz Kopfschmerzen mich krampfhaft zu erinnern versuche.
»Jedenfalls warst du total betrunken, Hunter hat dir eine verpasst, du hast gekotzt und wir haben dich weggebracht.«
»Wir?«, kommt es ein wenig fragend von Charlotte, die ihrem besten Freund einen skeptischen Blick zu wirft.
»Ihr wisst, wo mein Zimmer ist, ihr hättet mich dahin bringen können.« Mittlerweile habe ich meinen Kopf gegen die Wand am Kopfende des Bettes gelehnt und die Augen geschlossen. Selbst wenn ich die Augen schließe, spüre ich, wie nah Rhys mir sitzt.
»Wollten wir, aber Adam hat euer Zimmer in Beschlag genommen und er war nicht allein, also habe ich dich hierhergebracht. Du wolltest nicht duschen, obwohl du dich von oben bis unten eingesaut hattest. Wenigstens den vollgekotzten Hoodie konnte ich dir abschwatzen, ehe du dich in mein Bett geschmissen hast und eingeschlafen bist. Ich hätte dich ja wohl kaum in dem Zustand alleine lassen können.«
Das erklärt die Tatsache, wieso ich noch angezogen bin. Ich muss wirklich hacke dicht gewesen sein, aber mein Unterbewusstsein hat mich wohl dennoch davor geschützt, dass Rhys vielleicht die Narben sieht.
In Gedanken klopfe ich mir selbst auf die Schulter, das T-Shirt unter dem Hoodie vor der Party gestern doch nicht ausgezogen zu haben. Aber jetzt... Mir ist so kalt und umso länger ich wach bin, umso mehr bemerke ich auch, wie sehr ich eigentlich selbst stinke.
Ich stinke nach Schweiß, Alkohol und erbrochenem und trotzdem hat Rhys mich in seinem Bett schlafen lassen.
Trotzdem hat er mich nicht allein gelassen.
Ich fühle mich wie durch den Gully gezogen. Außerdem sollte ich mich vermutlich bei beiden und besonders bei Rhys bedanken, dass sie mich gestern Nacht nicht mir selbst überlassen haben. Wahrscheinlich hätte ich ansonsten irgendeinen Mist gebaut. Wenn ich das nicht sogar getan habe, denn irgendwas sagt mir, dass ich mich erinnern sollte, was gestern passiert ist.
Da war etwas...
Etwas Wichtiges...
»Habe ich gestern Abend noch irgendwas gesagt, als ihr mich aufgegabelt habt? Ich hab das Gefühl, etwas Wichtiges vergessen zu haben.«, gestehe ich endlich und gehe wieder dazu über, mir die Schläfen zu massieren.
»Kann man wohl sagen.«, schnaubt Charlotte verächtlich, weshalb ich ihr einen fragenden Blick zu werfe, aber Rhys kommt ihr zuvor.
»Nur das übliche betrunkene Gelaber, was man so kennt. Du hast auf dem Weg ins Haus einen Baum umarmt, ihn John Cena genannt und geweint, weil du ihn vermisst hättest und er dir noch deine Glückssocken zurückgeben müsste.«
Peinlich, aber nicht so peinlich, dass ich das Land verlassen müsste, und nichts, woran ich mich unbedingt erinnern müsste. Also haben die Gedächtnislücken wohl nicht nur Nachteile.
»Ich hohl dir was gegen die Kopfschmerzen.« Rhys erhebt sich, bevor ich protestieren kann, und kommt nur wenig später mit einer Aspirin wieder, die ich einfach mit dem Tee nehmen soll. »Wenn du willst, kannst du gerne kurz duschen gehen. Ich geh mich vorher nur schnell umziehen...«
Er lehnt gegen seinen Schreibtisch und beobachtet, wie ich die Tablette mit dem mittlerweile erkalteten Tee runterspüle. Kaum zu glauben, aber kalt schmeckt der Tee ja noch besser! Jetzt kommt auch mehr die süße hervor, die mir schon mal aufgefallen ist, die ich aber immer noch nicht zuordnen kann. Ich nicke nur müde und lehne meinen Kopf wieder gegen die Raufaser Tapete. »Danke«
Kurz sieht er mich direkt an und auf seiner Wange taucht wieder dieses Grübchen-Lächeln auf. Sein Grübchen-Lächeln. Das hat er immer, wenn er lächelt. Es ist so etwas wie die Vorstufe zum Grübchen-Lachen. Anscheinend versteht er, dass ich mich nicht nur für die Möglichkeit zum Duschen bedanke. Er nickt kurz und verschwindet wieder im Bad.
Nicht lange und ich fühle mich irgendwie beobachtet.
Charlotte.
Sie ist ruhig.
Zu ruhig.
»Was willst du, Pumuckl. Spuck es aus oder hör auf zu starren. Ich weiß, dass ich heute scheiße aussehe.«
Sie schnalzt missbilligend mit der Zunge und setzt sich nun im Schneidersitz auf das gegenüberliegende Bett. »Du erinnerst dich wirklich nicht.«, stellt sie fest, nachdem sie mich wieder sekundenlang eingehend beglotzt hat und ich zurück geglotzt habe.
Ich schüttle wieder nur den Kopf und habe nicht den blassesten Schimmer. Aber ich weiß schon, wenn ich versuche, die beiden zu fragen, werden sie mich wieder belügen.
Wieso wieder?
Weil ich ziemlich sicher bin, dass ich keinen Baum John Cena genannt und umarmt habe, einfach weil ich keine Ahnung habe, wer John Cena ist, ich keine Umarmungen mag oder wieso ich Glückssocken besitzen sollte.
Ich meine, es sind Socken! Die bringen kein Glück. So etwas wie Glück gibt es nicht.
So weiß ich aber, dass Rhys sich die Geschichte eben nur ausgedacht hat.
Na? Da staunt ihr nicht schlecht, dass ich trotz Kater zu solch intellektuellen Meisterleistungen in der Lage bin. Wie ich schon einmal erwähnt, ich zu sein ist ein Segen und ein Fluch zugleich. Stattdessen stelle ich also eine ganz andere elementare Frage.
»Wieso habe ich mich mit Hunter angelegt?«
Jetzt beginnt sie vielsagend zu schmunzeln und antwortet schlicht:
»Weil er böse Dinge über deinen Milchrhys gesagt hat. Übrigens sind das deine Worte, Ash. Rhys hat dich gestern genau das Gleiche gefragt, bevor du eingeschlafen bist.«
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