𝟷𝟼. 𝚎𝚛 𝚜𝚊𝚑 𝚍𝚎𝚗 𝚠𝚊𝚕𝚍 𝚟𝚘𝚛 𝚕𝚊𝚞𝚝𝚎𝚛 𝚋𝚊̈𝚞𝚖𝚎𝚗 𝚗𝚒𝚌𝚑𝚝
Und damit kommen wir schon zum letzten Teil unseres beschaulichen Leseabends. Damit das klar ist, ich erwarte eine Schlacht der Kommentare. 😈Muhahaha😈
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Beim Betreten des Gewächshauses schlägt mir sofort die heiße und stickige Luft entgegen. In den ersten paar Sekunden fühlt sich die plötzliche Wärme im Gegensatz zu der Kälte draußen vielleicht angenehm an, doch es dauert keine zwei Minuten, da rinnt mir schon der Schweiß den Nacken hinab.
Es fällt einem schwer, richtig zu atmen und mir steigen sofort der süßliche Duft billigen Alkohols, das schwere Parfum der Mädchen und der nasenhaarwegätzende Geruch der Deos der Jungs in die Nase.
Es ist eine dieser Partys, wie sie nur Schüler einer Oberstufe schmeißen können. Es ist eine dieser Partys, auf denen man den billigen Alkohol mit irgendwas anderem ekelhaft süßen streckt und anschließend aus roten Plastikbechern trinkt.
Und sobald die Feier zu langweilig wird, kommt irgendjemand auf die grandiose Idee, eins dieser bescheuerten Partyspiele zu spielen. Wie zum Beispiel Flaschendrehen, Darkroom oder Sieben-Minuten-im-Himmel.
Nur gut, dass wir hier weder genügend Platz für Flaschendrehen noch einen extra abgedunkelten Raum oder einen übergroßen Schrank haben. Langsam bahne ich mir meinen Weg durch die homogene Masse menschlicher Leiber und steuere so direkt auf die provisorische Bar zu, um mir meinen ersten Drink zu holen.
Der Bass der Musik dröhnt so laut durch den Raum, der eigentlich nicht für so viele Leute ausgelegt ist, dass ich die Vibrationen in meinem ganzen Körper spüre. Sie hallen in meiner Magengegend und meinen Knochen wieder und bohren sich tief in meinen Schädel. Es ist beinahe unmöglich auszumachen, welcher Song das ist, aber es scheint auch niemanden wirklich zu interessieren, so lange sie nur dazu tanzen können.
Es ist eben eine dieser Partys, die wir dazu nutzen, um uns hemmungslos volllaufen zu lassen und das Leben, aber vor allem die Nacht so zu nehmen, wie es kommt.
Carpe noctem und so einen Scheiß.
Wow... Mister Garvey wäre stolz auf mich, wenn er wüsste, dass ich tatsächlich etwas aus seinem Unterricht mitgenommen habe. Nun gut, das beschränkt sich hauptsächlich auf das Angeber-Latein, was Leute auf ihren Social Media Seiten als Status nutzen, um intellektuell zu wirken.
Aber auch ich habe den Plan gefasst, das Leben heute Nacht so zu nehmen, wie es kommt. Sollte das wirklich eine meiner letzten Partys hier in Scottsdale sein, dann will ich das ausnutzen.
Wahllos greife ich nach einem der roten Plastikbecher, die wild verteilt auf einem Tisch stehen, der, als dieser Ort tatsächlich noch zum ziehen von Setzlingen genutzt wurde, als Arbeitsfläche gedient haben muss.
Die Beleuchtung spendet mehr Dunkelheit als Licht, sodass ich nicht erkenne, was genau in dem Becher ist, dennoch kippe ich es ohne zu zögern, in mich rein. Der süße Geschmack ist so übertrieben ekelhaft, dass ich das Gefühl habe, ich kriege einen Knoten in die Zunge, aber Halleluja! Mit Alkohol wurde offensichtlich nicht gespart.
Eine wohlige Hitze breitet sich in meinem Körper aus und ich bereue es, mich nicht doch umgezogen zu haben. Mit dem Hoodie ist es definitiv zu warm! Aber wenn ich brav weiter trinke, ist meine Hemmschwelle vielleicht bald so weit unten, dass ich ihn vielleicht ausziehe, obwohl das T-Shirt, was ich drunter trage, auch schon völlig durchgeschwitzt sein muss.
Ich gebe mir selbst noch zwanzig weitere Sekunden, in denen ich nicht versuche, mir den ekelhaft süßen Geschmack von der Zunge zu kratzen und greife erst dann zum nächsten Becher.
Dieses Mal habe ich mehr Glück. Weniger Süßes, noch mehr Alkohol. Und wieder ein zum Himmel schreiendes HALLELUJA auf das Hochprozentige!
Jetzt kann die Party wirklich losgehen. Auch dieser Becher ist schneller gelehrt, als es auf nüchternen Magen vermutlich gesund ist, doch mir reicht ein beherzter Griff in die Schüssel mit den gerösteten und gesalzenen Erdnüssen. Reicht doch, oder? Und selbst wenn nicht, ist es mir egal. Völlig schnieke.
Ich schalte vollkommen ab und lasse es zu, dass mich der wummernde Bass einlullt und ich Teil der homogenen Masse werde, in der ich schon bald von den beiden Grazien angetanzt werde, die mir schon auf dem Weg hierher begegnet sind. Aber sollte ich schon mal was mit einer von ihnen oder sogar beiden was gehabt haben, bleibt es nur beim Tanzen, zu mehr habe ich heute auch irgendwie keine Lust. Vielleicht liegt es daran, dass ich noch nicht genug getrunken habe? Normalerweise habe ich spätestens zu diesem Zeitpunkt mein neues Opfer erwählt und wage mich an die erste Kontaktaufnahme.
Wow... Manchmal bin ich mir tatsächlich selbst peinlich, wenn ich wie ein Alien von einem anderen Stern klinge.
Doch mit voranschreitendem Abend steigt der Alkoholpegel und meine Hemmschwelle sinkt.
Bunte Lichter, krasser Beat, der selbst mich zum Tanzen bringt und es dauert gar nicht lange und ich gröle mit der Menge laut YMCA mit. Immer wieder bekomme ich von irgendwoher einen neuen roten Becher in die Hand gedrückt, den ich nie ablehne. Mir ist so unglaublich heiß und ich nehme alles nur noch verschwommen wahr, aber einen Scheiß drauf! Ich habe mich nie besser gefühlt!
»ASH!« wird mir irgendwann ins Ohr gebrüllt und ich versuche, mich auf das Gesicht vor mir zu fokussieren, was mir aber schwerfällt.
Seit wann sind wir auf einem Schiff? Der Boden schwankt so... Wir müssen auf einem Schiff sein.
Ich mag keine Schiffe.
Ich mag kein Wasser.
Das ist so... nass.
Und es bewegt sich und mir wird schlecht. Wieder schreit mir jemand über die laute Musik ins Ohr. »HÄÄÄÄÄÄ?«
Oh Gott, es geht los.
Kleine Randnotiz... Wenn ich mich betrinke, ist es am Anfang ähnlich wie bei Mister Jekyll und Doktor Hyde.
Meine beiden Persönlichkeiten handeln autonom, ohne das sie meinen Körper verlass. Ergibt das Sinn? Im Grunde genommen labere ich die ganze Zeit Dinge, die ich so eigentlich nicht Denke und die ich eigentlich auch gar nicht sagen will, während ich mir eigentlich bewusst bin, dass ich das nicht sagen will, es aber trotzdem tue.
Es ist so als würde jemand anderes für dich das Reden übernehmen....
Das ist Phase eins.
Phase zwei bedeutet ich hab das Bedürfnis, mich entweder jedem mitzuteilen oder mich in äußerst unangenehme Situationen zu bringen, während ich rede als wäre ich ein kleines Kind mit Trotzanfall. Dann kotze ich meist und dann – dann bin in Phase drei. Ein weinerliches kleines Riesenbaby.
Wir wollen nicht darüber sprechen.
Selten erlebt das jemand mit, weil ich mich meist, bevor ich kotzen muss, verdrücke. Aber mit Phase drei ist es ja nicht vorbei!
Aber einen betrunkenen Ash der Phase vier hat noch wirklich niemand miterlebt. Auch ich nicht, weil ich mich noch nie so sehr betrunken habe, dass ich bis in Phase vier kam.
Meist blieb es bei Phase zwei. Drei, wenn ich mal wirklich mies drauf war. Aber vier?
Wow. Ich kann es mir nicht einmal vorstellen!
»Du bis ja doch daaaa.« Werde ich von Adam angeschrien, der mehr denn je einem Hobbit ähnelt zwischen den ganzen Leuten unserer Stufe, die alle fast einen Kopf größer sind als er.
»Bilbooo!«
Nein, nein, nein. Ich will das nicht. Wieso muss ausgerechnet er jetzt hier auftauchen?!
Ash halt einfach die Klappe und rühr nie wieder Alkohol an!
Pft, wers glaubt, wird selig...
»Jaaa! Ich bin da!«
Ich bin immer noch wütend auf ihn. Ich will ihm immer noch seine Milchzähne aus der Fresse schlagen, aber dennoch umarme ich ihn fast brüderlich. Adam ist wie ein sechsjähriges Kind auf Koks und Zuckerschock. Kleine Kinder dürfen kein Koks. Zumindest durfte ich nie.
Mommy – ich meine Eliza, diese Dampfnudel hat immer Nein gesagt. Sie hat immer Nein gesagt, zu allem. Das war nicht nett. Nein, und Adam ist auch nicht nett. Schwuchtel darf man nämlich nicht sagen!
Es ist einer dieser Aussetzer, die irgendwann auch aus meinem Mund kommen werden, wenn ich mich nicht zusammen reiße und entweder weniger trinke oder verschwinde.
Aber ich will noch gar nicht gehen! Ich bin auch noch gar nicht müde!
Fuck.
Bevor ich noch mehr scheiße rede, stoße ich mich von Bilbo weg und taumle in die entgegengesetzte Richtung. Prompt knalle ich gegen einen Baum und halte mir meinen dröhnenden Schädel.
System oft the down beginnt langsam im Kopf wehzutun. Und wie lange bin ich eigentlich schon hier? Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren und es scheint, als wären noch mehr Menschen hier. Fast die ganze Oberstufe, wie es scheint. Wie viel habe ich getrunken?
Himmel, bitte keine Phase drei heute! Das pack ich nicht auch noch...
Ich erinnere mich an viele rote Becher, kann aber nicht sagen, wie viele und es ist mir auch egal. Ich glaube, ich würde mich tatsächlich gerne übergeben wollen. Und wo zur Hölle kommt dieser Baum her?! Verdammt, das ging aber schnell heute mit den Phasen. Oder vielleicht auch nicht? Wann hat das alles nur angefangen?! Aber was genau hat angefangen?
»Sag mal, bist du bescheuert, du Spast?!«, werde ich direkt von besagtem Baum angepöbelt.
Ich hab mich geirrt. Kein Baum.
Viel mehr ein Turm. Ein großer Turm mit Augen aus Eis.
Whoopsie-doopsie. Da habe ich doch glatt den nächsten unfreundlichen Hobbit erwischt, obwohl Hunter doch eher ein Riese ist!
»Verpiss dich, Knight. Du stinkst wie eine Tankstelle!«
Ach, und du riechst wie ein Blumengeschäft?
Weitere Randnotiz...
Tut er nicht.
Und ich glaube allein dafür, dass ich gerade an ihm geschnüffelt habe, würde er mir jetzt bestimmt gerne eine verpassen.
Genau wie dieser homophobe Hobbit hat er böse Sachen über meinen Becher Milchreis gesagt. Niemand beleidigt Milchreis, außer da ist Zimt drin. Zimt ist ekelig.
Jetzt habe ich nicht nur Hunger, sondern will ihm auch noch genau das sagen.
»Zimt ist ekelig!«
Gut gemacht, Ash! Dem zeigst du, wo der Hammer hängt, weil du der Hammer bist.
Hicks.
Und hacke dicht bist du auch, also beste Voraussetzungen!
»Was bitte?«
Ha! Wer ist jetzt hier der Spatz? Ich meine Spast? Ja, genau! Er ist ein richtiger Spatzi – Spasti! Ich glaube, ich kannte mal einen Spasti... Oder hieß er Basti?
Viel zu viele i's und viele Buchstaben. Wieso sind da so viele Buchstaben??
Deswegen habe ich einen tollen Namen. Da ist ein a und ein h und irgendwo dazwischen noch ein s.
»Zimt ist ekelig, Schatzi.«
»Du hast sie ja nicht mehr alle. Du bist ja völlig dicht!«
Wieso schockiert ihn das? Er steht doch selbst nicht mehr ganz aufrecht! Der Boden schwankt aber so stark, das glaube ich, niemand mehr so wirklich aufrecht steht. Oder sieht das für mich nur so aus?
Sicherheitshalber sollte jemand aber dem Kapitän sagen, dass wir langsamer fahren müssen. Kommt nicht gut, wenn ich am Ende während meiner Standpauke über die Reling kotze.
Haben wir überhaupt eine Reling? Blödes Schiff. Hat nicht mal eine Reling! Na, dem Kapitän werde ich was blasen, wenn ich hier erst einmal fertig bin.
Hihi. Blase... Oh Captain my Captain.
»Und du bis ein notgeiles Sackgesicht.«, werfe ich ihm dafür vor und versuche, ihn mit dem Zeigefinger in die Brust zu piksen. Dafür müsste ich aber erst mal treffen.
Ist wie mit einer Spritze beim Arzt. Der trifft auch nie. Die machen es zum Leistungssport, Dart mit den Armen ihrer Patienten zu spielen. Da trifft jeder Junkie besser!
»Und Milchreis mag dich auch nicht.«, führe ich meine Erklärung fort.
»Was?« Ist der so blöd oder tut er nur so? Ich rede doch von –
Oh.
»Rhys«, folgt schließlich die Erklärung für notgeile, begriffsstutzige und definitiv noch zu nüchterne Riesen Bäume.
Jetzt scheint bei Hunter endlich der Groschen gefallen zu sein, oder viel mehr ein ganzer Sack mit Groschen. »Jetzt hör mir gut zu, Knight. Das zwischen Rhys und mir geht dich einen feuchten Dreck an! Vögle dich ruhig durch die noch übrigen Jungfrauen, aber lass mich gefälligst in Ruhe oder du kannst dich von deiner Zeugungsfähigkeit verabschieden!«
Als ob ich die brauche. Pft.
Obwohl es so laut ist und er so leise spricht, verstehe ich jedes einzelne Wort. Uh... Da wird jetzt aber einer frostig!
»Du machst mir keine Angst, Hunter-mit-dem-Schwanz-ganz-runter.«
Weiß nicht, ob das Sinn macht, aber sein Schwanz ist ganz sicher wie Thors Hammer. Er bekommt ihn einfach nicht hoch.
Grins.
Grins.
Grins.
Und endlich bekomme ich die Chance, seine Faust zu knutschen. Höre ich es knacken? Nein, tue ich nicht. Meine arme Nase hat doch nichts verbrochen, das war doch nur Mister Hyde! Aber dennoch ist es ein großes aua. So groß, dass ich mich nicht mehr auf den Beinen halten kann, taumle, falle, wenn da nicht gleich der nächste Baum wäre. Nun gut, ein Bäumchen.
»Hunter! Was soll die Scheiße?! Bist du jetzt total durch übergeschnappt?!«
Hallo? Wer spricht da?
»Rhys, hilf mir! Verdammt, wie viel wiegt er eigentlich??«
Und dann ist da noch ein Baum, der mich festhält, damit ich nicht falle. Mir ist so schwindelig, ich seh fast nichts mehr...
Man könnte fast sagen, ich seh den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Verstanden?
Verstanden?
Bäume und Wald.
»Wieso lacht er? Lotta, wieso lacht er?! Sag mal, bis du bescheuert, Hunter?! Wie hart hast du ihn erwischt?!«
Oh, der Milchrhys ist aber sauer. Ich hab immer noch Hunger... Huuuunger!
»Ich kann das erklären! Ich wollte nicht – Okay, ich wollte schon, aber er hat angefangen!«
Wieso schreien denn alle? Es ist so wie damals. Ständig wurde geschrien, sich angeschrien, mich angeschrien. Und sie schreit jetzt auch. Ich will nicht, dass sie schreien. Es soll aufhören! Wieso schreit sie mich an? Ich hab doch nichts getan! Wir haben doch gar nicht–
»Das interessiert mich nicht! Du siehst doch, wie hacke er ist! Verdammt noch mal du gewaltiges Arschgesicht!«
Täuscht mir mein vernebeltes Gehirn es vor oder nimmt mich Lotti Karotti gerade in Schutz?
»Lotta, wir sollten ihn hier wegschaffen.«
»Ich bin aber noch gar nicht müüüde!«
»Doch bist du. Ganz dolle müde sogar.«
Irritiert schaue ich ihn an. Bin ich? Oh. Und mir ist schlecht, aber das weiß ich auch ohne Rhys Hilfe. Und was ich auch ohne Rhys Hilfe weiß, ist, dass alles, was ich heute zu mir genommen habe, wieder rauskommt.
Es riecht ekelig.
Ekeliger als Zimt und meine Augen tränen vom beißenden Geruch.
Ich höre kaum, wie Hunter noch mit Lotta diskutiert, ehe er verschwindet und mich Lotta und Rhys in Richtung der Bar schleifen. Im nächsten Moment drückt mir Lotta fürsorglich eine Wasserflasche in die Hand, während mich Rhys gegen die Wand lehnt, weil ich sonst umfalle. Verwirrt sehe ich sie an. Seit wann so nett?
»Bist du meine Mommy?«, fragt Mister Hyde und sieht sie aus großen grauen Augen an, während ihm die schwarzen, zerzausten Haare verschwitzt an der Stirn kleben.
Phase drei.
Wo ist die echte Charlotte?
»Nein und wenn du mich noch einmal so nennst, reiße ich dir die Eier ab.«
DA IST SIE!
»Ich glaub, er sollte dringend unter eine Dusche und ins Bett. Er hat sich völlig eingesaut.«
»Dich hat er aber mit seiner Fontäne auch erwischt. Und du bringst ihn ins Bett! Das mach ich nicht, kannst du vergessen!«
Ich hasse es, wenn die Erwachsenen reden, als wäre ich gar nicht da.
»Ist ja schon gut. Ich kümmere mich um ihn. Na komm schon, Ash. Wir bringen dich jetzt ins Bett.«
Die Wasserflasche halte ich fest umklammert, als wäre es ein Teddybär. Sie ist ein Beweis, dass Charlotte lieb sein kann. Lieb ausgerechnet zu mir!
»Ich will aber nicht ins Bett! Milchrhys, der Prhys ist heiß läuft doch heute!«
Lieber Gott, erschieß mich.
Ich strecke meine Hand aus und lege sie ihm ans Gesicht und drücke seine Wangen zusammen. »Blub blub. Blubber Fisch.«
Lieber Gott, erschieß mich bitte!
Ich glaube, Lotta fängt an zu lachen und es blitzt wie bei einem Gewitter. »Wieso filme ich das eigentlich nicht? Na los, bring ihn weg, bevor ich es mir anders überlege.«
Ich wehre mich dagegen, dass Rhys mich raus eskortiert und dann wird mir plötzlich kalt. Erschrocken japse ich nach der kalten, frischen Luft, die meinen vernebelten Verstand ein wenig lichtet. Ich will das aber nicht! Wenn ich wieder klar denken kann, kommt der böse Onkel wieder...
»Sei nicht so stur, Ash! Es ist viel zu kalt, um noch länger draußen zu bleiben.«
Doch ich reiße mich trotzdem von ihm los, als wir weit genug vom Gewächshaus sind, und taumle in eine andere Richtung, bis ich gegen einen Baum knalle.
Dieses Mal bin ich mir sogar fast sicher, dass das jetzt ein richtiger Baum ist!
Aber ich komme nicht mehr dazu, es genauer zu überprüfen, denn erneut entleert sich mein Magen. Da ist doch gar nichts mehr drin zum Kotzen! Sanft wird mir über den Rücken gestrichen.
»Na los. So ist gut, einfach alles raus.« Seine Stimme klingt lieb und es scheint ihm völlig egal zu sein, dass mein Rücken ganz nass geschwitzt ist. Zitternd und erschöpft lasse ich mich am Stamm hinabgleiten und kauere mich auf dem Boden zusammen, umschlinge meinen schlotternden Körper. »Jetzt besser?« Ich blicke auf und sehe in zwei Augen, die aussehen wie flüssige Vollmilchschokolade. Er hockt direkt vor mir und sucht meinen Blick. Ich schüttle verneinend den Kopf.
»Ich hab Hunger.« Wie ein jammerndes Kind vergrabe ich mein Gesicht an meinen Knien. »Und ein aua.«
»Lass mich mal sehen.« Er streckt seine Hand aus und ich weiche zurück. »Bitte.«
Und dann wird mir wieder an der Wange warm. Nicht weil ich schon wieder geohrfeigt werde, sondern wegen seiner warmen Hand, die von meiner Wange hoch zu meiner Schläfe streicht.
»Es blutet zwar nicht, aber morgen wirst du die Kopfschmerzen deines Lebens haben. Und einen üblen Kater.«
»Ich mag keine Katzen.«
»Deswegen bekommst du auch ein Kater. Und jetzt komm, es ist kalt.«, versucht er mich schon wieder zu überzeugen.
»Mir ist nicht kalt.« Gelogen. Na ja, fast. Jetzt ist mir nicht kalt, aber sobald die warme Hand weg ist, wird es wieder kalt werden. Sehr kalt sogar.
»Geh nicht weg!«
Was, wenn er geht und mich hier alleine lässt? So wie sie alle gegangen sind? So schrecklich allein... Ich vergrabe mein Gesicht an den Knien und spüre, wie sich jemand dicht neben mich setzt und seinen Arm um mich legt.
»Ich lass dich nicht allein.«, flüstert er und umarmt mich.
Ich mag Umarmungen eigentlich nicht. Sie sind nur ein Weg, das eigene Gesicht zu verbergen, damit die Lüge nicht erkannt wird.
Aber diese Umarmung mag ich.
Irgendwie.
Ich hebe meinen Kopf von den Knien, die jetzt nass sind, und sehe wieder die Schokoaugen. »Huuuunger.«
Es entlockt ihm ein leises Lachen und mir wird immer wärmer.
Es ist ein Grübchen-Lachen. Sein Grübchen-Lachen.
»Was willst du denn essen? Vielleicht kann ich dir was machen, wenn wir gleich ins Haus gehen.«
Ich schüttle den Kopf. Ich will nicht ins Haus. Hier ist es schön. Hier ist ein Baum und ich bin nicht allein. Vielleicht riecht es ein wenig nach Kotze, aber das ist okay.
»Und was willst du dann?«
»Schokolade.«
Und ich will jetzt wirklich Schokolade! Zartbitterschokolade und geschmolzene Vollmilchschokolade am liebsten. Anders als Lotta, will ich aber nicht darauf warten müssen. Deswegen hole ich sie mir jetzt einfach selbst und lasse mich zur Seite fallen, bis ich mit meinem Kopf gegen seinen knalle.
»Aua.«, murmele ich noch und dann wird mir so richtig warm.
Es ist komisch... Er schmeckt gar nicht nach Schokolade, sondern – süß und salzig. Seine Lippen sind warm und weich und ich will gar nicht aufhören, bis ich bemerke, dass ich immer noch atmen muss.
Also lehne ich mich wieder zurück und grinse breit. »Du schmeckst nach Pfirsich.«
»Und du nach Kotze.«
»Wieso schmeckst du nach Pfirsich?«
Er räuspert sich und sieht mich gar nicht mehr an, was gemein ist. »Lass uns – lass uns endlich ins Haus gehen. Mir ist kalt.«
Phase vier.
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