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9. 𝚟𝚘𝚗 𝚋𝚘𝚍𝚎𝚗𝚠𝚊𝚏𝚏𝚎𝚕𝚗 & 𝚋𝚘̈𝚜𝚎𝚗 𝚛𝚒𝚎𝚜𝚎𝚗

Im Nachhinein betrachtet, erscheint es mir fast wie ein Wunder, lebend aus dieser Küche heraus gekommen zu sein.

Das Einzige, was ich jetzt immer noch verspüre, sind Migräne und Hunger. Vielleicht hätte ich die Waffeln doch essen sollen... Aber es geht ums Prinzip!

Also Finger weg von Waffeln jeglicher Art! Und ob du diesen Satz zweideutig verstehen willst oder nicht, sei vollkommen dir überlassen. Ich gebe mir zumindest Mühe, nicht alles immer gleich zweideutig verstehen zu wollen, sodass ich noch in der Lage bin Waffeln zu essen, ohne mir dabei Gedanken um den Hintern eines gewissen Jemands zu machen.

Da ich allerdings immer noch ein wenig Hunger habe – jedoch weder nach Waffeln noch nach Hintern – kann ich vielleicht, sobald wir fertig sind mit Spülen, aus meinem Notfallvorrat in meinem Zimmer einen Knoppers holen. Dieser dürfte bis zum Mittagessen ausreichen und ich will nichts hören von, das sei keine ausgewogene Mahlzeit! Meiner Meinung nach wird Frühstück sowieso viel zu überbewertet. Wenn ich keinen Hunger habe, wieso sollte ich dann essen? Und wenn mir eben ein Knoppers reicht, dann ist das eben so!

Das mit dem Spülen und Küche aufräumen könnte jedoch noch eine Weile dauern...

Bevor Rhys die Führung am Waffeleisen übernahm, hat Charlotte bei ihrem Versuch Frühstück zu machen, ganz schönes Chaos gestiftet. Zusätzlich werde ich jetzt auch noch – unverständlicherweise – dazu genötigt dabei zu helfen, genau dieses Chaos zu beseitigen.

Der Spaß war aber in genau dem Moment für mich wirklich zu Ende, als Rhys mich zwang, den Teller aus dem Garten zurückzuholen. Eigentlich hatte ich diesen dort liegen lassen wollen, als ein Monument der Anarchie und des Widerstandes.

Wäre ich mir aber meines Plans, ein Monument des Widerstandes dort errichten zu wollen, wirklich sicher gewesen, dann hätte ich wahrscheinlich folgende Frage nicht stellen sollen:

»Mit oder ohne Waffeln?«

Den Blick, den ich danach von Rhys bekam, ließ mich am Ende freiwillig gehen. So viel also zum Monument der Anarchie...

Banause. Keine Ahnung von moderner Kunst!

Ich spüren genau die Blicke von Charlotte und Rhys in meinem Rücken brennen, als ich im Vorgarten den Teller und die Waffeln einsammele, über die sich schon gierig die Ameisen her machen.

Wenigsten zollt mir ein ganzes Volk für meine Taten den Respekt, den ich auch von den weniger entwickelten Individuen meiner Spezies erwarte.

Irgendwie passt mir das gar nicht, dass ich mich vorbeugen muss, um die Waffeln aufzusammeln, denn so haben die beiden, wenigstens für einen Moment eine wundervolle Aussicht auf meinen Hintern, womit sich der Kreis von Waffeln und Hintern auch wieder schließt.

Ich hab ja nichts gegen meinen Hintern, Himmel nein! Ich bin sogar der Ansicht einen wirklichen Prachthintern zu haben, aber nach diesem ganzen an den Hintern grapschen von Rhys – auch wenn ich mir bewusst bin, dass er nur an die Liste wollte. Hoffe ich zumindest – ist es mir doch ein wenig unangenehm.

Als ich einen Blick zum Fenster werfe, an dem sie immer noch an der Spüle stehen und jetzt das Geschirr abtrocknen, kann ich sehen, dass sie sich wahrscheinlich über mich unterhalten, denn sie sehen immer in meine Richtung und Charlotte schüttelt gerade scheinbar belustigt den Kopf und kräuselt gleichzeitig ihre kleine Hasennase.

Ich könnte ja versuchen, ihre Lippen zu lesen, um herauszufinden, was genau sie gerade so belustigt. Das einzige Problem an der Sache ist, dass ich es streng genommen gar nicht kann und wenn ich jetzt versuchen würde, blind darauf los zu raten, stehe ich noch länger als nötig, wie ein Irrer mit einem Teller Bodenwaffeln im Garten. Nicht das jemand falsche Schlüsse zieht.

Damit will ich sagen, dass es nicht das ist, wonach es aussieht!

Ich bin schließlich vollkommen normal und nicht Irre oder so.

Aber wenn ich so darüber nachdenke, wäre das genau das, was ein Irrer sagen würde. Ein Irrer oder jemand der gerade dabei ist seine Frau mit dem Gärtner zu betrügen.

Du siehst, manchmal bin sogar ich mir nicht ganz sicher, inwieweit ich tatsächlich zurechnungsfähig bin oder eben nicht bin.

»Rhys und ich haben uns gerade überlegt, dass wir uns vielleicht alle in den Park legen könnten, um schon mal mit der Facharbeit anzufangen. Die ist Hauptteil unserer Gruppenarbeit und wir sollten so langsam mal anfangen, wenn schon in sechs Wochen Abgabe ist.«, fängt Charlotte schon wieder sofort zu plappern an, sobald ich nur zur Tür rein bin und mich eigentlich gerade lieber mit dem Mülleimer unterhalten möchte.

Nein, Spaß. Eigentlich wollte ich jetzt die Waffeln loswerden, denn ich bezweifle, dass die jetzt noch jemand essen will. Kurz hatte ich ja überlegt, sie auf einem neuen Teller neben Adams Bett zu stellen. Der würde ich bestimmt über so ein schönes Frühstück freuen, wenn er denn irgendwann mal wach wird. Aber so gemein bin ja nicht mal ich, der Penis auf seiner Wange reicht fürs Erste.

»Sechs Wochen?« Seit wann gibt es denn bitte diese Deadline? Aber ich bekomme ja eh nichts von dem mit, was an dieser Schule passiert, also muss ich mich eigentlich gar nicht wundern, dass ich das nicht wusste.

»Stand auf dem Arbeitsauftrag von Preston.«, klärt mich Rhys gütigerweise auf und trocknet sich gerade die noch nassen Hände an einem Geschirrhandtuch ab.

»Mal davon abgesehen ist das Wetter gut und das eine Sache, die sich gut auf unser Experiment beziehen lässt. Gemeinsames Lernen in einer Gruppe von Menschen von denen zweidrittel tatsächlich befreundet sind und das übrige Drittel in ihre soziale Gruppe eingliedern wollen.«

Wow, das hat er bestimmt vorm Spiegel geübt.

Bilde ich es mir ein oder kopiert er in gewisser Weise meinen Sprachstil? Das mit dem auf die untergeordneten Individuen abfärben ging ja schneller als gedacht! Ich könnte mein ganz eigenes Experiment starten und beobachten wie lange es dauert, bis sie wie die Lemminge machen, was ich will, weil sie mich als ihren übergeordneten Anführer anerkannt haben.

Aber ein Experiment ist mir mehr als genug, zumal ich dafür eigentlich nichts tun muss. Die zwei wollen ja was von mir und ich muss nur schauen, dass sie mich zum Ende dieser sechswöchigen Frist genauso wenig kennen wie jetzt. Eigentlich ganz schön zu wissen, dass das Ende der Arbeitszeit auch bedeutet, Ying und Yang wieder loszuwerden.

»Können wir machen. Ich muss dann eben nur noch kurz auf mein Zimmer ein paar meiner Sachen holen. Ich würde sagen, wir verziehen uns in eine etwas ruhigere Ecke des Parks.« Ich will ja schließlich nicht, dass ich mit den zwei Schwachköpfen gesehen werde.

Das würde meinem Ruf als einsamer Wolf der Scottsdale nicht besonders guttun.

Zum Glück sind das Schulgelände und der dazugehörige Park, recht weitläufig. Es dürfte also nicht allzu schwer werden, eine ruhige Ecke zu finden und das, obwohl wir sicher nicht die Einzigen sein werden, die auf die Idee kommen nach draußen zu gehen und die Sonne zu genießen.

Es ist sowieso viel zu ruhig hier im Haus, als dass nicht die meisten schon bei ihren Sporttrainings oder draußen sein könnten. Ausnahmen wie Adam werden wahrscheinlich noch bis weit nach Mittag schlafen, denn er war garantiert nicht allein auf seiner Kifferparty.
»Dann auf gehts.«

Irritiert hebe ich meine Augenbraue als sowohl Charlotte und Rhys den Eindruck vermitteln mitkommen zu wollen.

»Ist noch was?«, gebe ich den unmissverständlichen Hinweis, dass ihre Gesellschaft die Treppe rauf keinesfalls erwünscht ist.

»Danke, sehr freundlich.«, wird meine Frage von Charlotte einfach ignoriert, die mein Zögern am Treppenabsatz wohl als falsche Höflichkeit gedeutet hat und jetzt denkt, ich lasse ihr den Vortritt.

»Aber nur gucken. Nichts anfassen.«, flötet sie nach meinem Geschmack viel zu gut gelaunt und wackelt provokant mit ihrem in hellen Jeans steckenden Hintern und hoppelt wie ein kleines Häschen die Treppen hinauf. Okay, sie hoppelt nicht wirklich, aber du weißt schon, was ich meine.

»Jetzt mal ohne Scheiß... Was stimmt mit diesem Mädchen eigentlich nicht?«, frage ich an Rhys gewandt, sobald Charlotte hinter dem oberen Ende der Treppe verschwunden ist, ohne jedoch meinen Blick von der obersten Stufe zu nehmen, auf der sie eben noch gestanden hatte.

»Das herauszufinden ist eine Lebensaufgabe.«, seufzt Rhys halb gequält und ich kann aus dem Augenwinkel sehen, wie er mir einen entschuldigenden Blick zu wirft.

Von wegen! Dem tut das ganz sicher nicht leid, dass er mal nicht allein mit so einer Irren auskommen muss. Ich mag mir vielleicht nicht immer sicher sein, ob ich irre bin oder nicht, aber Charlotte ist es ganz sicher. Und bevor sie einfach in jedes Zimmer eindringt, weil sie glaubt, es könnte meines sein, ist es wohl besser, wenn Rhys und ich schleunigst versuchen, sie einzuholen. Aber tatsächlich wartet sie nur ungeduldig an eine Wand gelehnt darauf, dass wir uns endlich zu ihr Bequemen. Dabei betrachtet sie gleichgültig ihren abgesplitterten orangen Nagellack.

Anscheinend ist bei ihr einfach alles Orange. Ihre Nägel, ihre Haare und diese komische Polaroidkamera, die an einem hellbraunen Ledergurt um ihren Hals baumelt. Dafür leuchten ihre blauen Augen umso eisiger, wenn sie mir einen kurzen Blick zu wirft.

»So, dann zeig uns mal die Casa de Asher.«, fordert sie mich auf und deutet mit einem Kopfnicken den Flur mit dem ausgetretenen Teppich entlang. »Ich schwanke noch, was ich mir darunter vorstellen soll. Buckingham Palace, das Weiße Haus oder vielleicht sogar Christian Greys Spielzimmer?«, rät sie darauf los, während Rhys aussieht, als würde er darüber nachdenken, ob Charlottes Garantie noch gültig ist und er somit sein Umtauschrecht einfordern soll.

»Vielleicht ja eine Mischung aus allen dreien?«, entgegne ich und ernte von Charlotte dafür ein breites, wissendes Grinsen mit dem sie auch versucht ihre bessere Hälfte anzustecken. Rhys jedoch verdreht nur die Augen und ich könnte schwören, dass der hohle Laut der sonst dabei entsteht, heute mal ausbleibt.
Es ist einfach, zu leicht Charlotte glauben zu lassen, dass man ihr gibt, was sie will.

Ich weiß allerdings immer noch nicht, was genau die beiden erwarten zu sehen und wieso sie glauben, mich begleiten zu müssen. Es hätte auch gereicht, wenn sie draußen gewartet hätten und ich meine Sachen einfach allein geholt hätte. Und ich weiß noch nicht so ganz, was ich davon halten soll, wenn sie gleich mein Zimmer sehen.

Aber wieso mache ich mir überhaupt Gedanken? Es ist ein Zimmer wie jedes andere auch und nichts Weltbewegendes, außer vielleicht dem bekifften Adam, der schon wieder auf dem Boden liegen könnte, falls er das Bett schon wieder zu unbequem fand. Ich habe allerdings gar nicht die Zeit mich zu fragen, ob Adam wieder Sack Reis gespielt hat, denn schon stehen wir vor meiner Tür die ich auch, ohne zu zögern, öffne.

Ich würde nicht sagen, dass mein Zimmer, dein Zimmer ist, aber zu verbergen habe ich ja auch nichts und wenn, dann ganz sicher nicht hier. Manche Menschen haben ihre Leichen im Keller und ich eben – nicht.

Und da Adam eben die unliebsame Angewohnheit hat meine Sachen auf der Suche nach Zucker zu durchwühlen, ist es auch alles andere als ratsam meine Leichen hierzubehalten.

Allerdings scheint Adam immer noch im Odinsschlaf zu liegen. In einer Position, die unmöglich gesund für Nacken und Rücken sein kann, liegt er auf seinem Bett und sabbert in sein Kissen. Der Penis prangt immer noch in voller Schönheit auf seiner Wange und ist nicht mal verschmiert.

War der Filzstift vielleicht doch wasserfest?

Ups?

»Gehts dem gut?«, fragt Rhys etwas schockiert und beugt sich über Adam, während ich einfach ein paar meiner Bio Sachen in einen Rucksack stopfe und im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte ein sehr intellektuelles »Hä?« von mir gebe.

»Ob es ihm gut geht, hab ich gefragt!«, betont er noch einmal jedes einzelne Wort, als ich wäre doch nur ein zurückgebliebener Gorilla.

»Ich denke schon? Also er atmet noch, falls du das meinst.«

Dass ich kein Arzt mehr werde, dürfte eigentlich mittlerweile jedem klar sein.

»Hat wohl gestern nur ein wenig zu lang am Tütchen gezogen. Gestern Nacht hielt er sich noch für Céline Dion. Aber wenn er Céline Dion ist, dann war es nicht der Eisberg, sondern sein Gesang, der die Titanic sinken ließ.«, dabei ziehe ich nach und nach alle Schubladen des Schreibtisches, der neben meinem Bett steht auf, auf der Suche nach irgendwelchen Stiften, die noch nicht völlig ausgetrocknet oder leer sind.

»Bist du zu all deinen Freunden so nett?«, fragt mich Charlotte völlig unverblümt und betrachtet mit schieg gelegtem Kopf den gezeichneten Penis auf seiner Wange.

»Wir sind keine Freunde. Er ist nur mein Mitbewohner.«, gebe ich ungerührt als Antwort und hole währenddessen den Schuhkarton mit meinem Süßkram vom Kleiderschrank. Ein Vorteil, wenn man so groß ist und Adam ein Hobbit. Das Versteck hat er bisher noch nicht gefunden und so steht meinem kleinen Frühstück um – man höre und staune – halb zehn nichts mehr im Wege.

»Ah ja... wer solche Freunde hat –«

»Tja, wie gut das ich keine Freunde habe.«, unterbreche ich sie, weil mir das gerade echt zu blöd wird. Und wehe du kommst jetzt mit der Mitleidsnummer! Das sollte auch nicht so klingen, als wäre ich ein armes Opfer, das sich darüber beschwert, keine Freunde zu haben.

In Wahrheit finde ich das eigentlich recht angenehm. Es werden keine Erwartungen gestellt, die ich nicht erfüllen könnte und im Gegenzug muss ich ebenfalls nichts erwarten. Win-Win für beide Parteien also.

»So können wir dann endlich?«, frage ich etwas ungeduldig in die Stille hinein, die nur von Adams Schnarchen gestört wird, und schultere meinen Rucksack. Die Blicke die Charlotte und Rhys austauschen ignoriere ich geflissentlich und verlasse ohne auf die beiden zu warten mein Zimmer.

Ich mag diese Gewissheit, dass die beiden keine andere Wahl haben als mir zu folgen, weil die meisten Menschen es als unangenehm befinden, sich länger als nötig in fremde Leute Zimmer aufzuhalten.

So wenig Lust ich darauf hatte mit den beiden heute lernen zu müssen, umso mehr kann ich es jetzt kaum erwarten an die frische Luft zu kommen und atmete gierig die spätsommerliche Luft ein.

Ja, das gute Wetter hält sich noch wirklich gut und auf den Rasenflächen tummeln sich tatsächlich vereinzelte Schülergruppen. Dieses Bild ist ja fast schon ekelerregend idyllisch und etwas was ich sicher niemals in meinem Leben malen würde. Es würde eine falsche, romantisierte Vorstellung der Wirklichkeit vermittelnd und solche sind mir nur zuwider, besonders weil die Medien davon nur so strotzen!

E – kel – haft!

»Richtung Gewächshaus?«, schlägt Rhys vor der mich, als erstes eingeholt hat und deutet mit einem Kopfnicken auf eine kleine Baumgruppe, unweit des Hauptgebäudes, hinter der sich das alte gläserne Gewächshaus verbirgt.

Dort werden nur schon seit Jahren keine Pflanzen mehr gezogen. Jetzt ist es den Schülern des Senior Years – also jetzt unserem Jahrgang – erlaubt ist, hin und wieder an den Wochenenden eine Party zu veranstalten. Und ich muss sagen, es ist keine schlechte Location. Die vorigen Jahrgänge haben immer alles getan, dass es dort echt nett zum Feiern ist, und die Lehrer halten sich meist davon fern, weil sie befürchten, Dinge zu sehen, die sie gar nicht sehen wollen, weil sie dann regelmäßig Schüler suspendieren müssten.

Unter einem etwas abseits von der Baumgruppe gelegenen Lindenbaum lassen wir uns nieder und machen es uns so gemütlich, wie es eben auf dem harten Boden geht. Und während Rhys und Charlotte schon ihre Bücher aufschlagen und das Handout mit dem Arbeitsauftrag noch mal genauer studieren, lehne ich mich mit dem Rücken gegen den massiven Stamm des Baums und beiße in mein Knoppers.

So viel Zeit muss sein.

Das Sonnenlicht bahnt sich dabei einen Weg durch das dichte, grüne Blätterdach und wirft verzerrte Schatten auf das an den Spitzen bereits vergilbte Gras, das hier etwas wilder wächst als auf den Hauptflächen direkt an den Gehwegen.

Eigentlich ganz schön hier, wenn man es schafft Charlottes schrille Stimme auszublenden.

»Sein Gehirn können wir aber eben nicht an Elektroden anschließen, also müssen wir einfach darauf vertrauen, dass er uns nicht verarscht.«, bekomme ich gerade noch von Rhys mit, als ich fertig bin mit dem Knoppers und mir die Krümel vom T-Shirt und der Jeans klopfe.

»Hä?«

Ja, ich weiß. Heute bin ich mal wieder ganz intellektuell. Es ist Samstag, da darf mein Hirn auch mal Pause machen. »Wir besprechen gerade die Abläufe und wie wir unser kleines Experiment in die Arbeit einbinden. Als Zusatzmaterial eignet es sich, denke ich am besten, denn wir können nicht alles auf unserer Experimentsthese aufbauen, dafür können wir es nicht wissenschaftlich genug dokumentieren und müssen uns nur auf unsere Erfahrungen und deine Ehrlichkeit verlassen. Mal davon abgesehen, dass du kein Regelfall bist.«

Selber kein Regelfall!

Habe ich schon mal erwähnt, dass Rhys etwas Überhebliches an sich hat? Es scheint, als würde er zu allem eine gewisse Distanz wahren, um die Kontrolle zu behalten und sich nicht auf mein niederes Niveau herunterzulassen, dabei wäre es, sollte er mal auf meinem Niveau ankommen, ein Aufstieg.

»Wir erläutern in der Facharbeit einfach ähnliche sozial Studien und gehen Schritt für Schritt die Prozesse durch, die bei der Entstehung eines Gefühls entstehen, durch. Also was löst das Gefühl aus? Wodurch äußern sich solche Reize und durch welche Sinne nehmen wir sie auf? Welche chemischen Prozesse passieren dann im Gehirn? Nicht alles was wir vielleicht als Angst wahrnehmen zum Beispiel ist tatsächlich eine Angst, sonders auch nur eine chemische Reaktion, die uns denken lässt, es sei eine Angst.«, führe ich fort und werde von Charlotte beinahe etwas ungläubig angesehen.

Was denn?

Vielleicht halte ich das Experiment der beiden für schwachsinnig und bin der Meinung, dass sich rein gar nichts für mich ändern wird, aber das heißt, ja nicht, dass mir meine Note vollkommen egal ist. Zwar hat unser Abschlussjahr gerade erst angefangen, aber dennoch ist und bleibt es eben das Abschlussjahr. Auch Rhys scheint für eine Sekunde irritiert.

Nachdem sich aber beide von ihrem Schock erholt haben entsteht zu meiner Überraschung eine erstaunlich gute Diskussion über unser weiteres vorgehen, die Themen und der Struktur der Facharbeit. Rhys hat fleißig auf seinem Collegeblock mitgeschrieben, sodass wir sogar fast schon einen ersten Entwurf des Inhaltsverzeichnisses haben, das wir aber noch weiter gliedern werden.

Während wir arbeiten wird es immer wärmer, da auch die Sonne immer höher steigt und ich langsam echt dankbar für den schattenspendenden Baum bin.

Keine Ahnung wie lange wir schon gearbeitet haben, als ich mitbekomme, wie Charlotte Rhys leicht in die Seite stößt und mit einem Kopfnicken auf etwas aufmerksam macht. Neugierig blickt er sich um und ich meine, ein kurzes unerfreutes Schnauben zu hören. Jetzt sehe auch ich mich um und entdecke, wie über die Wiese eine Art zweiter Feuermelder auf uns zu kommt.

Das fast kupferrote Haar wird von der Sonne etwas reflektiert und mir fällt es nicht schwer, zu erraten, wer da auf uns zu kommt und dabei fast verlegen wirkt.

»Hey«, begrüßt uns Hunter, meint jedoch nur Rhys, den er direkt ansieht und abwartend seine Hände in seinen Hosentaschen vergraben hat.

Meine Güte, dieser Typ ist ein Riese! Das war mir zwar auch schon aufgefallen als ich den Pre Coitus interruptus – ich weiß, dass das kein vernünftiges Latein ist, aber das ist mir egal – habe, aber jetzt vom Boden sieht er noch größer aus.

Und obwohl Rhys sich, als ich die beiden das letzte Mal zusammen gesehen hatte, sich ja anscheinend recht gut mit Hunter verstanden hat, sieht er jetzt alles andere als wirklich glücklich aus, Hunter hier zu sehen.

»Was willst du, Hunter?«, fragt er relativ barsch und kneift sogar die Unterkiefer zusammen. Ich bin ja kein Experte im Analysieren vom Körpersprache, aber das Rhys ziemlich angespannt ist, sehe ich trotzdem.

»Ich wollte nur wissen, ob du heute schon, was vor hast, wir könnten ja –«

»Ja, das passt mir jetzt so gar nicht. Tut mir leid, Hunter, aber wir haben hier echt zu tun.«, wird Hunter von Rhys unterbrochen, der zur Verdeutlichung mit dem Stift auf den Block klopft.

Mit zusammengezogenen Augenbrauen beobachte ich die Szene und versuche jede Mimik und Geste zu interpretieren. Hunter sieht nicht so aus, als würde er so einfach aufgeben.

»Ach komm schon! Wir hatten doch unseren Spaß und wenn der da –«, Hunter wirft mir einen abfälligen Blick zu. »–nicht aufgetaucht wäre, dann –«

»Auch dann wäre es nicht zu mehr gekommen. Hunter, verschwinde einfach. Wir müssen wirklich lernen.«, versucht Rhys weiter ihn loszuwerden und klammert sich mittlerweile beinahe an seinen Stift und zieht den Kopf etwas ein.

Ich mag diesen Hunter nicht. Als ich ihn und Rhys in flagranti erwischt hatte, wirkte er ja ein wenig unbeholfen. So ein großer Kerl und doch völlig unerfahren, der mehr Rhys die Führung überließ. Aber jetzt wird das langsam schräg, wie sehr er mit Rhys alleine sein will.

Charlotte und mich nimmt er kaum wahr, bis auf diesen einen abfälligen Blick, als wäre ich ein Insekt, das man kaputt treten müsse.

»Rhys, jetzt stell dich nicht so an!«, wird Hunter etwas energischer und ich weiß genau, dass ich das gleich irgendwann bereuen werde.

»Jetzt stell du dich mal nicht so an. Bist du wirklich so verdammt notgeil? Also wenn du ein Problem damit hast deine Nudel al dente zu bekommen, gibt es nichts, was du nicht selbst in die Hand nehmen könntest.«, zu dieser Aussage mache ich mit meiner halb geschlossenen Hand eine eindeutige Bewegung und sehe ihm dabei fest in die Augen.

Dass es zwischen uns gerade einen noch gewaltigeren Größenunterschied gibt, weil er steht und ich immer noch an den Baum gelehnt auf dem Boden sitze, ignoriere ich mal.

»Er hat Nein gesagt, also zieh Leine.«

Hunter sieht gerade ein wenig aus wie der böse Zwilling des big friendly Giants und hat die Kiefer fest aufeinandergepresst, während wir uns ein kurzes Blickduell liefern.

Dabei entgeht mir allerdings nicht, dass Rhys Hände die sich immer noch um seinen Stift schließen, kaum merklich zu zittern begonnen haben und Lotta ihm einen besorgten Blick zuwirft.

Das Duell der feurigen Blicke entscheide ich aber für mich. Nichts geht über die endlose Kälte von Stahl.

So manch einer empfindet ja den direkten Augenkontakt mit mir ja als unangenehm, denn anscheinend liegt in dem stahlgrau meiner Augen immer eine gewisse Kälte.

Einmal habe ich sogar welche flüstern hören, man habe das Gefühl, ich würde mit meinen Augen in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele blicken können, um diese auszusaugen und nur die sterbliche Hülle übrig lassen.

Hihi.

Hunters Kiefer mahlen aufeinander und er hat seine Augenbrauen, die genauso rot sind wie seine Haare zusammengekniffen. »Schön.«, gibt er verbissen schließlich nach und macht endlich auf dem Absatz kehrt. Während er sich mit jeden Schritt von uns entfernt, blicke ich ihm immer noch mit zusammengekniffenen Augen hinterher.

Ich mag Hunter nicht, aber dieser Sieg ging an mich.

»Danke.«, kommt es beinahe kleinlaut von Rhys und erst jetzt höre ich auf Hunter hinterher zu starren. »Also fürs Abwimmeln.«, fügt er noch hinzu und kratzt sich halb verlegen am Nacken.

»Ich habs nicht für dich getan.«

Dass meine Stimme schärfer klingt, als eigentlich beabsichtigt, überrascht sogar mich, weshalb ich ein »War ja nicht zum Aushalten diese Drama Queen.« hinterher schiebe, um meinen Worten die Schärfe etwas zu entziehen.

Rhys kneift die Lippen zusammen und wirkt jetzt noch um eine Spur verlegener.

Wie goldig.

»Trotzdem danke.«, bleibt Rhys stur dabei und pustet sich die Strähne, die ihm mal wieder in die Stirn fällt, aus dem Gesicht, wobei er mir direkt in die Augen sieht.

Wo manche ein Problem damit haben mir in die Augen zu sehen, tut er es, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt.

»Wo waren wir stehen geblieben?«, hake ich nach, weil mir die Situation langsam unangenehm wird.

Hunter hat genervt und Rhys hat es offensichtlich nicht hinbekommen ihn alleine loszuwerden. Ich hab ein Problem gesehen und dann eine Lösung geliefert. Kein Grund, das jetzt so aufzubauschen mit irgendwelchen Danksagungen!

Während Rhys zu blättern beginnt, schaut Charlotte nicht einmal in ihre Notizen, sondern hat nur dieses Schmunzeln auf den Lippen, als habe sie gerade etwas herausgefunden, was sonst kein anderer weiß.

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