𝗗𝗔𝗦 𝗩𝗘𝗥𝗟𝗔𝗡𝗚𝗘𝗡
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╰┈➤ 𝘈𝘓𝘚 𝘔𝘌𝘐𝘕 𝘉𝘙𝘜𝘋𝘌𝘙 𝘐𝘔 Krankenhaus aufwachte, sich zum Glück nur das Handgelenk verstaucht hatte, teilte uns Ward mit, dass wir von nun an bei ihm wohnen würden. Damit wäre die Sache mit einer Pflegefamilie abgeschlossen und wir wären stets in Outer Banks zusammen mit unseren Freunden.
Darum fuhr ich mit der Twinkie zurück zu unserer Hütte und wir packten unsere wichtigsten Dinge ein. Kleidung, John B ein paar Fotos, ich meine Notizbücher und andere Bücher. Schlussendlich packte ich mehr Bücher als Klamotten ein, weswegen mein Bruder sauer auf mich war.
»Drei Tage dasselbe anzuhaben, ist nicht so schlimm, wie ein einziges Buch für drei Tage zu haben!«, rechtfertigte ich mich und stemmte trotzig meine Hände in die Hüften.
»Sarah leiht dir bestimmt etwas«, meinte er nur kopfschüttelnd und lächelte mich anschließend an.
»Was denn?«
»Spätestens jetzt hätte ich erkannt, dass wir Zwillinge sind.«
Er stoppte beim wilden Stopfen der Klamotten in seinen Rucksack. »Genau dasselbe habe ich als Kind auch mal zu Dad gesagt, als wir für eine Angeltour gepackt haben.«
Ich lächelte sein in Nostalgie schwelgendes Gesicht an, war unendlich glücklich, nicht allein zu sein. Um seinen Arm nicht unnötig zu belasten, schob ich ihn sanft zur Seite, schloss seinen Rucksack und lief voraus. Er nahm sich eine Dose Bier für die Fahrt mit und ich startete den Motor, vorher öffnete ich sie ihm.
»Danke.«
»Natürlich, du Invalide.«
»Das ist wirklich verstaucht!«
»Und ich bin nicht in Rafe Cameron verliebt.«
»Du bist was?«
Er sah mich geschockt an, verschüttete beinahe das Bier auf seinem Sitz.
»Ach, das war doch nur ein Beispiel.«
Zum Außenspiegel hin verdrehte ich die Augen und unterdrückte mein Kichern. Er brauchte mir erst gar nichts vormachen, konnte sich selbst nicht eingestehen, dass er Sarah mochte.
Ward nahm mir die zwei extra Taschen ab, die ich aus der Twinkie holte, während sowohl mein Bruder als auch ich einen Rucksack trugen.
»Das ist von innen ja noch größer als von außen«, murmelte mein Bruder staunend, worauf Ward kurz auflachte und ihm kurz auf den Rücken klopfte.
Misstrauisch brummte ich vor mich her und analysierte die Situation, während mir tausend Gedanken durch den Kopf kreisten. War das wirklich eine so gute Idee gewesen? Warum konnten wir nicht einfach in unserem eigenen zuhause bleiben, mit all den Erinnerungen an Dad? Seufzend hakte ich mich bei JB ein, wodurch er mich liebevoll anlächelte und ich mich gleich besser fühlte. »Wir sind noch immer zusammen. Das wird sich auch nicht ändern. Keine Angst, Emma.«
Ich nickte, lehnte mich für eine Sekunde an seine Schulter, ehe Ward mit uns die gedrehte Treppe ins erste Stockwerk hinaufging, um uns unsere Zimmer zu zeigen.
»Deins ist rechts«, erklärte er an meinen Bruder gewandt, bevor er mich ansah, »und deins ist links. Dazwischen ist eine Tür, damit ihr problemlos zum jeweils anderen gehen könnt ohne in den Flur zu müssen.«
Ich stellte meinen Rucksack auf dem Bett ab und setzte mich an die Kante. »Das ist ein Traum. Danke, Mr Cameron. Wirklich.«
»Ihr könnt mich Ward nennen«, stellte er sicher und winkte nur ab. Ich lächelte ihn vorsichtig an. Er fuhr sich über seinen Bart und hinter ihm erschien Sarah. »Dann lass ich euch mal auspacken«, sagte er und verschwand, wodurch Sarah seinen Platz einnahm.
»Dann ziehen die Routledges also bei den Camerons ein, hm?«, kicherte sie und setzte sich zu mir aufs Bett, wodurch ihre Haare noch ein wenig mehr durcheinander gerieten.
»Wir können jetzt noch viel mehr Spaß haben als davor«, grinste sie und ich nickte eifrig, war schon gespannt, was wir alles anstellen würden. Aber hätte ich eine Wahl gehabt, wäre ich ohne zu Zweifeln zu Meggi gegangen. Mit ihr könnte ich für den Rest meines Leben zusammen unter der Erde hocken, sollte eine Apokalypse drohen. Wir würden nur noch enger zusammenwachsen, statt zu streiten. Sie fehlte mir sehr.
Angespannt spielte ich mit meinen Fingern und räusperte mich ein wenig. »Ich geh rüber. Bis später.«
Meinen Rucksack zog ich vom Bett herunter und trottete durch die Schiebtür, schloss sie nach mir. Mein Zimmer wirkte viel größer. Es war direkt an der Hauswand und hatte eine größere Glaswand vor der man sitzen, fast sogar liegen konnte. Und es gab ein riesiges Bücherregal. Sarah musste die Zimmer ausgesucht haben. Strahlend lief ich langsam eine Runde im Raum herum, ließ meine Fingerspitzen über die Wände, das Regal und die weiche Bettdecke gleiten. Es war wie im Paradies.
Reich zu sein konnte also durchaus glücklich machen.
Ich hörte die Stimmen von Sarah und meinem Bruder durch die Tür und ihr Gelächter, allerdings verstand ich nicht, was sie sagten. Vor dem Regal stehend, zog ich mir ein Buch heraus, dass einen interessanten Titel und ein ansprechendes Cover hatte.
Mit dem Buch in der Hand machte ich es mir auf dem Fenstersitz bequem, winkelte meine Beine an und legte das Buch darauf, während ich aus dem Fenster sah. Ein paar Gärtner schnitten die Grünanlage und räumten die letzten Äste auf, die der Hurrikan vom Baum geholt hatte. Rafes Motorrad stand ganz in der Nähe.
Dann hatte mich das Buch ganz in seinem Bann und ich war verschwunden. Was auch immer passierte, ich nahm keine Notiz davon. Nur die Geschichte zählte, die ich erzählt bekam. Wie die Protagonistin für sich selbst einstand und für andere, wie sie Mut bewies und sagte, wen sie liebte, wissend, dass ihr danach die Todesstrafe drohte. Aber sie fühlte sich so endlos und hatte solch einen hellen Lichtblick, dass diese Dunkelheit weit entfernt schien. Als könne man sie greifen, würde aber nur Luft erwischen. Und sie wollte lieber mit dem Gedanken untergehen, es versucht zu haben, als es niemals ausprobiert zu haben.
Man ließ sie am Ende der Geschichte erhängen. Eine normale unbürgerliche. Ihr Geliebter regierte später das Land, heiratete ein adlige Frau, die er nicht liebte, um für seine gestorbene Liebe das Gesetz zu ändern. So lautete es von diesem Tag an, dass es keinen Unterschied zwischen bürgerlichen und adligen Menschen gab. So begrüßten die Bewohner jeden, der ihnen über den Weg lief. Verkäufer war selbst Käufer. Gab und nahm etwas. Sie alle begegneten einander auf Augenhöhe und es gab Anerkennung, Liebe, Familie. Man hatte ihnen die Welt zu Füßen gelegt, nachdem man ihnen die Augen geöffnet hat. Und dafür hat es einen einzigen Menschen Mut gekostet, bevor ihn alle anderen hatten.
Ich wollte auch so sein. So mutig und sicher meiner Tat, dass mir die Konsequenzen bewusst waren, sie mir aber nichts anhaben konnten. Wer wollte schon nicht gern die Welt verändern. So klein und unterschiedlich sie für jeden auch sein mag. Seufzend wischte ich mir über die Augenwinkel, hatte tatsächlich am Ende des Buches geweint. Es war perfekt.
Nachdenklich schlug ich es zu, warf einen Blick auf die Uhr und geriet in Nervosität. Ganze vier Stunden waren vergangen. Die Gärtner waren verschwunden und alle Äste beseitigt worden. Nur Rafes Motorrad stand noch so da wie davor.
Ich lehnte meinen Kopf gegen die Glasscheibe und dachte an all die Menschen, die einmal gelebt haben und nun nicht mehr leben. Oder welche, die vielleicht in diesem Augenblick ihren letzten Atemzug einnehmen. Haben sie auch das getan, von dem sie sagen können, dass sie etwas erreicht haben? Etwas verändert? Das Leben so ausgekostet, wie es ging? Und dann dachte ich an all diejenige, die nicht früh genug gehen konnten. Das brach mir das Herz, obwohl ich mehr als genug verstand, wie das war.
Es klopfte an der Tür. Allmählich zuckte ich zusammen und unterbrach meine Gedanken.
»Ja?«, fragte ich. Sarah öffnete die Tür einen Spalt und blieb an ihr stehen.
»Es gibt Abendessen. Komm.«
Das Buch stellte ich zurück ins Regal, warf noch einmal einen Blick in mein nun neues eigenes Zimmer und lief gemeinsam mit ihr nach unten zum Esstisch.
Mein Bruder befand sich in einem Gespräch mit Ward. Rose und Wheezie saßen am Tisch und Rafe gesellte sich im selben Augenblick dazu, rümpfte sich vorher die Nase.
Mir stieg die Angst bis zum Hals. Das fühlte sich an als müsste ich eine Prüfung bestehen, um ja nicht aufzufallen, dass ich ein Pogue war und absolut kein Geld hatte. Oder dass ich wusste, wie man sich verhielt, wenn die Familie zusammen aß. Das kannte ich nicht. Mom hatte zwar gekocht und mich gerufen, aber sie aß immer allein im Wohnzimmer und ich allein in meinem Zimmer. Dazwischen gab es keine Kommunikation ... keine Liebe. Das vermisste ich nicht an ihr und der Vergangenheit.
»Da kommt ihr ja. Wir haben uns gerade gefragt, was ihr Hübschen macht«, sprach Ward etwas lauter, sodass sich alle an den gedeckten Tisch setzten.
»Sind ja jetzt da«, erwiderte Sarah.
Mein Bruder saß zwischen Sarah und mir, weshalb ich neben Rafe saß. Er wollte wahrscheinlich nicht selbst neben ihm sitzen.
Ich sah ihn nicht an, fühlte mich unwohl und schuldig. Aber vor allem als hätten wir uns aufgedrängt. Als würden wir es nicht verdienen, so aufgenommen zu werden. Aber ich spürte, dass sich irgendetwas in seinem Gesichtausdruck verändert, auch wenn er nichts sagte.
Mein Bruder dagegen wirkte gelassener und baute ein Gespräch auf, in das alle verwickelt waren, die dafür Interesse zeigten oder sich Beteiligten.
Es war alles Mögliche an Essen auf dem Tisch. Von Brot bis hin zu sauren Gurken und Obst.
Erst als ich die anderen alle ansah und Wheezie mich aufmunternd anlächelte, bemerkte ich, dass jeder etwas zu Essen auf dem Teller hatte außer ich.
Schluckend stieg mir vor lauter Anspannung Hitze in die Wangen und machte das ganze zum Albtraum. Es fühlte sich an, als würden mich alle ansehen. Als würden sie mich beobachten, und wenn mir etwas peinliches passierte, lauthals lachen.
Ich kniff meine Augen für eine Sekunde zusammen, riss mich am Riemen und nahm mir einen Apfel, während ich mit meinem Fuß auf- und abwippte.
Er schmeckte gut, für mein Gehirn aber nach nichts, weil ich ihn kein bisschen genießen konnte. Glücklicherweise wurden meine Essgeräusche von den Stimmen der anderen übertönt und ich versuchte mich zu beruhigen, ehe Rafe seine Hand auf meinen Oberschenkel legte. Ich bekam eine Gänsehaut und mein Bein blieb stumm, wie es sich gehörte.
Zum ersten Mal an diesem Abend sah ich ihm direkt in die Augen und es wirkte, als wäre er unendlich froh darüber. Er nickte ruhig und ich atmete etwas angestaute Luft aus. Seine Hand blieb wo sie war und mit seinem Zeigefinger malte er kleine Kreise auf mein Knie. Ich war ihm dankbar, dass er mir half und es beruhigte mich auf gewisse Art.
»Emma?«
»Hm?«
Es erschrak mich ein wenig, dass Sarah meinen Namen rief.
»Kommst du später mit auf die Party?«
Unsicher sah ich die anderen am Tisch an und überlegte, ob ich das wollte. »Sarah, Liebling«, meinte Ward. »Lass unsere neuen Mitbewohner doch erstmal ankommen. Morgen findet sicher auch eine Party statt.«
Dankbar lächelte ich, fand es wirklich gut, mich erstmal mit dem Gedanken anzufreunden, dass das nun mein Zuhause war. »Wir können ja auch hier was zusammen machen«, schlug ich vor. Vorfreudig stimmte sie zu und aß ihren Teller auf.
Nachdem auch die anderen fertig waren, räumte jeder seinen Teller weg und ging getrennte Wege. Wheezie musste noch Hausaufgaben machen und Sarahs Eltern etwas geschäftliches Besprechen.
Mein Bruder bekam von Sarah etwas gezeigt und ich begab mich auf den Weg in mein neues Zimmer. Am Ende der Treppen bog ich nach rechts und stieß mit Rafe zusammen. Als er mich erkannte, ging er wieder einen Schritt auf mich zu und schloss seine Arme um mich.
»Du bestrafst mich, indem du nicht mit mir sprichst, hm?«, murmelte er in die Richtung von meinem Ohr. »Was habe ich getan, Emma?«
Ich erwiderte seine Umarmung um den Hals und zog ihn spärlich näher zu mir.
»Du hast nichts getan. Es ist alles okay, ja?«
Rafe löste die Umarmung auf und sah mich an, versuchte in meinen Augen zu lesen, ob denn wirklich alles okay war.
»Komm um Mitternacht in mein Zimmer, hörst du?«
Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und griff nach meiner Hand. Ich drückte sie ein wenig.
»Ich werde da sein.«
Rafe nickte eifrig und sobald er Sarahs Stimme hörte, die nach mir rief, lief er weiter. Ich drehte mich noch einmal nach ihm um, und unsere Blicke trafen sich erneut, weil er genau dasselbe getan hatte. Stumm lächelte ich vor mich her und trottete in Sarahs Zimmer. Sie saß an ihrem Schreibtisch und klebte etwas in ein Notizbuch. »Du hast mich gerufen.«
Sie warf mir einen kurzen Blick zu und klappte das Notizbuch zu und drehte sich nun ganz zu mir um. Ich ließ mich auf ihrem Bett nieder.
»Wollen wir uns gegenseitig Locken machen? Und lass mich dich bitte einkleiden!«, meinte sie und klimperte bettelnd mit ihren Augen. Lachend nickte ich. »Na gut.«
Freudenstrahlend klatschte sie die Hände zusammen und zerrte aus ihrer Schublade einen Lockenstab, den sie am Stromnetz anschloss, während ich etwas Musik anmachte. Mein Bruder war sicher mit den Unterlagen der Royal Merchant beschäftigt, die er unbedingt ansehen wollte.
»Weißt du, worüber ich nachgedacht habe?«
»Nein, was denn?«
»Dass es da irgendeinen Zauber gibt. Zwischen den Camerons und den Routledges. Ich und John B und Rafe und du, verstehst du?«
Ich ging zu ihr herüber, nahm den Lockenstab in die Hand und wickelte ihre erste Strähne darum. Gekämmt hatte sie sie schon selbst.
»Rafe und ich?«, wiederholte ich und hob eine Augenbraue an. »Wie oft muss ich dir das noch sagen? Er würde alles für dich tun! Und das sage ich dir als seine Schwester, dessen Puppen er früher den Kopf abgerissen hat.«
Ich breche lauthals in Gelächter aus und verbrenne mich dabei beinahe.
»Das hat er wirklich getan«, bestätigte sie und kicherte ein wenig.
»Ich lache, weil ich mir das mehr als genau vorstellen kann. Ich hätte dasselbe getan. Puppen fand ich schon immer irgendwie ... ekelhaft. Klingt komisch, aber ich hatte und wollte auch nie welche.«
Sarah hielt ihr Lachen zurück.
»Ihr passt wirklich zusammen. Beide kaltblütige Puppenmörder«, steckte sie es mir und ich war bereits fertig mit der ersten Seite ihrer blonden Haare. »Lass uns lieber über etwas anderes sprechen«, versuchte ich das Thema zu wechseln. »Behandelt dich mein Bruder auch gut?«
Durch den Spiegel, der vor ihr stand, konnte ich ihr gedankenverlorenes Lächeln sehen. »Ja, mehr als gut sogar.«
»Gut, er weiß, dass ich ihn sonst über ganz Outer Banks jage.«
Unschuldig zuckte ich mit den Schultern, war fast fertig. »Hab schon gehört, dass du einen dominierenden Ruf hast.«
Sarah grinste mich zweideutig an und ich sprühte ihr ein wenig Haarspray über die vollständigen Locken, bevor wir Plätze tauschten und ich an der Reihe war. Ihre Aussage ließ ich unkommentiert, wusste nicht recht, was ich dazu sagen sollte.
Sarah erzählte mir über die Zeit in der Kook-Academy und wie anders die Leute und der Unterricht dort waren, weswegen sie mich nach dem Stylen in ihre Uniform steckte.
Ich sah viel zu unschuldig und frech zugleich aus. »Wow, das sieht aus als würdest du mit dem Lehrer schlafen«, meinte sie hinter mir und sah mich an. »Oh mein Gott, Sarah!«, murrte ich, flehte sie an, mir einen normalen Schlafanzug zu geben.
Aus ihren Schubladen kramte sie schwarze Shorts und ein kürzeres Oberteil. Ich beschwerte mich nicht, indem ich sagte, dass ich mich höchstwahrscheinlich unwohl darin fühlen würde und zog es einfach an.
»Steht dir besser als mir.«
Ich sah mich vor dem Spiegel ein wenig an und war sogar ganz zufrieden. So schlimm sah ich doch nicht aus.
»Danke.«
Wir umarmten einander und legten uns mit abgedunkeltem Licht auf ihr Bett, starrten ihre Zimmerdecke an und sprachen mehr über die Vergangenheit. Jedes Mal, wenn sie anfing drüber zu erzählen, wirkte sie traurig. Nur war diese Traurigkeit wohl nicht darauf bezogen, dass es vorbei wir, sondern viel eher, was dort alles geschah.
Um die Stimmung aufzulockern hielt ich ihr einen Joint hin. »Magst du?«
»Okay.«
Ich zündete ihn an und rauchte ihn ihr vor, bevor ich ihn aushändigte.
»Mach aber langsam«, warnte ich sie. Brav folgte sie meinen Anweisungen, hustete sich dennoch nach dem ersten Zug die halbe Lunge heraus, was mich zum Lachen brachte.
»Wenn du deine Lippen spitzt und den Rauch quasi rauskickst, kannst du einen Ring machen«, erklärte ich ihr und machte es ihr vor.
Sie wirkte beeindruckt. »Das ist ja cool. Wäre ein Grund, warum ich auf dich stehen würde.«
Ich grinste vor mich her und warf einen Blick auf die Tür, als Wheezie vorbei lief.
»Euer Gras riecht man bis nach unten!«, brummte sie, wodurch wir uns auf den Bauch drehten und noch mehr lachten.
»Übrigens-«, ich drehte mich nach einer Weile der Stille wieder zu ihr, doch Sarah lag auf ihrem Bett wie erschlagen. Ich biss meine Zähne zusammen, nicht zu lachen, und deckte sie vorsichtig zu. Das Licht machte ich aus und ihre Zimmertür lehnte ich an. Es war sogar schon Fünfzehn Minuten nach Mitternacht.
Im Flur war das Licht gedämmt und ich schlich mich den Gang entlang, um weiter hinter zu Rafes Zimmer zu gelangen.
Seine Tür war zu und für einen Moment fühlte ich mich unendlich dumm. Vielleicht wollte er auch gar nicht, dass ich kam - erlaubte sich nur einen Spaß mit Topper. Weil ich aber viel zu neugierig war, wie sein Zimmer aussah, öffnete ich die Tür leise einen Spalt.
Rafe setzte sich sofort aufrecht auf seinem Bett hin und nachdem ich die Tür geschlossen habe, setzte ich mich dazu.
»Hab ich dich geweckt?«, wollte ich wissen.
»Nein, ich habe auf dich gewartet.«
Ich nickte verstehend, wusste, dass er sowieso nicht hätte schlafen können. Rafe rutschte näher und hob sanft mein Kinn an. »Deine Haare-«, er räusperte sich, »Du wirst mit jedem Tag nur noch umwerfender.«
Ohne den Blick zu senken, ließ ich die Verlegenheit über mich ergehen und nahm seine Hand in meine. Sanft fuhr ich über seine Finger, zeichnete seine Adern nach und sah auf seine Ringe, die er immer trug.
Ich spürte seinen intensiven Blick die ganze Zeit auf mir. Er ging mir unter die Haut und er machte sich nicht einmal die Mühe unauffällig zu starren.
»Rafe?«
»Mhm?«, brummte er fragend und ich sah zurück zu ihm auf.
»Nichts, wollte nur deinen Namen sagen.«
Nervös biss ich mir auf die Unterlippe. Wann er es merken würde, dass ich Spielchen mit ihm spielte?
Er nickte ein paarmal, küsste mich anschließend verlangend und begab sich mehr mit mir in die Mitte von seinem Bett. Seine Ellbogen ruhten jeweils links und rechts von meinem Gesicht und ich mochte, wie weich seine Lippen waren. Aber noch viel mehr, wie perfekt sie auf meine passten. Als wären wir füreinander geschaffen worden.
»Sag meinen Namen«, verlangte er, unterbrach den Kuss in der Zeit.
Schluckend musterte ich sein Gesicht und mein Herz fand die Situation so aufregend, dass ich Angst hatte, es würde mir aus der Brust springen.
»Rafe«, ging ich seinem Wunsch nach, strich mit meinem Zeigefinger über seine feuchte Unterlippe und beobachtete, wie sehr sich seine blauen Augen verdunkelten.
»Wiederhol es«, bat er und leckte sich mit seiner Zunge über seine Lippen, an denen kurz zuvor noch mein Finger geruht hatte.
»Rafe, Rafe, Rafe ...«
Er stöhnte kurz auf und küsste mich erneut. Diesmal viel inniger, feuchter. »Du bringst mich um, fuck. Die Art, wie du meinen Namen sagst, das ist besser als jedes Kopfkino der Welt.«
Ich eröttete noch mehr, schlang ein Bein um seine Hüfte und drehte das Spiel um, indem ich nun über ihm auf seinem Schoß saß und seine Hände über seinem Kopf festhielt.
»Sag bitte, wenn ich dich loslassen soll.«
Ich grinste auf ihn herab. Rafe wirkte für einen Bruchteil erschrocken und beeindruckt zu gleich, weil ich ihn überwältigt hatte.
»Oh, ich verstehe ...«, murmelte er und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem viel breiteren Grinsen als davor.
»Damit hast du nicht gerechnet, hm? Denkst wohl immer, dass u unbesiegbar bist und das Sagen haben musst«, neckte ich ihn und schnalzte mit der Zunge.
»Emma«, er drückte gegen meine Hände, doch ich hielt ihm stand, »dass du mir in vielerlei Hinsichten die Stirn bietest, ist einer der Gründe, warum du es mir angetan hast. Du bist unberechenbar. Ich versuche herauszufinden, was du als nächstes tust und dann tust du genau das Gegenteil und wirfst noch mehr Fragen auf. Denk niemals, ich würde dich unterschätzen. Du bist der Intelligenteste Mensch, den ich kenne und du hast mehr Kraft als manche, die trainieren gehen.«
Ich ließ seine Hände los und er setzte sich auf, schlang seine Arme um mich, ehe ich von seinem Schoß herunter konnte.
»Dennoch gehörst du mir«, fügte er raunend hinzu. »Mir allein.«
»Ich gehöre niemandem, Rafe.«
»Sicher?«, hakte er nach und legte seine rechte Hand auf die Stelle, an der mein Herz ist. »Dafür schlägt es aber wirklich beängstigend schnell ... du bist mir verfallen, Emma. Gesteh es dir ein. Denn du bist jetzt meins, hörst du?«
Seine Stimme wurde ein paar Tonlagen tiefer und ernster.
»Shhh, ganz ruhig«, flüsterte ich amüsiert und löste mich von seinem festen Griff, sodass wir uns zusammen auf sein Bett legen konnten. Er schlang einen Arm um meine Seite und ich legte meinen Kopf auf seine Brust. Vorsichtig streichelte er meinen Kopf, und ich spürte durch den Stoff von seinem T-Shirt seine definierten Bauchmuskeln.
Rafe seufzte kurz, worauf ich ihn ansah.
»Du bist die Einzige Person, die solche Gefühle ihn mir hervorrufen kann, und damit auch die Einzige, die dazu Imstande wäre mir das Herz zu brechen.«
Es war das wohl poetischste, was ich ihn je hatte sagen hören und so voller ängstlicher Wahrheit.
Rafe Cameron hatte mir soeben insgeheim gesagt, dass er verliebt in mich war und ich ihm mehr bedeutete als irgendjemand überhaupt. »Ich will neben dir einschlafen, Emma. Und morgens wieder so aufwachen. Ich würde für dich sterben. Jederzeit. Gib mir eine Chance und ich beweise dir, dass ich mich geändert hae, ja? Ich bin nicht so, wie deine Freunde über mich denken.«
Beruhigend strich ich weiter über seine Bauchmuskeln. Ich nickte sanft. »Ich denke nicht wie meine Freunde, Rafe. Ich habe immer noch meinen eigenen Verstand. Und ich kenne dich wohl besser als deine eigene Familie. Was auch immer passieren wird, es wird nie eine Entscheidung geben müssen. Du bist es. Es wirst immer du sein, egal, wie sehr ich michdagegen wehre. Aber ich habe zu große Angst, dass wir zusammen untergehen könnten.«
Bei letzterem schwieg ich eine Weile und schloss kurz meine Augen.
»Wir könnten einander umbringen. Wir würden uns hintergehen und wenn es nur dafür wäre, um den anderen zu beschützen, verstehst du?«
Dann schwieg er eine Weile.
»Willst du es trotzdem versuchen?«, fragte ich und hatte mehr Angst vor meinem Herzen, als vor seiner Antwort ...
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