track 03: 𝗠𝗢𝗥𝗘
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❛ that's half my life, the reason for living, the joy of life ❜
Selbst unter einem fad grauen, wolkenschweren Himmel waren die Straßen Seouls ein Anblick den Hoseok um nichts auf dieser Welt eingetauscht hätte. Es war faszinierend, wie sich die Hochhäuser in das Grau bohrten, ihre Spitzen irgendwo zwischen dem gesenkten Teppich aus Wasserdunst verschwindend. Fast so als wolle der Himmel Meter für Meter sich weiter auf den Boden herabsenken und die Millionen von Einwohnern in ihrem Grau ersticken.
Dennoch nahm das Leben in der Stadt nicht ab. Nach wie vor waren die Straßen überfüllt mit der Hektik der Menschen und dem lauten Plätschern der Pfützen, wenn ein Auto es wagte, durch die Wasseransammlung zu fahren. Kinder bettelten ihre Eltern an, an einen der Corn-Dog-Stände anzuhalten, die man sowieso an jeder Straßenecke fand und Erwachsene pendelten beschäftigt von A nach B. Und irgendwo zwischen diesem ganzen Trubel stand Hoseok. Nicht wissend, warum er überhaupt seine eigenen vier Wände verlassen hatte und neidisch auf jeden fremden Passant, der einem Sinn in seinem Leben folgte.
Wie lange er jetzt wohl schon unter den Menschenmengen wanderte, während während er sich fragte, wo seine Füße ihn hintragen sollten? Bestimmt bereits eine gute Stunde. Ein ruhige Stunde, in der ihn keine dieser heimtückischen Gedanken plagten. Sein Kopf war wie leergefegt und alles, was er vernahm, waren die hunderte von Stimmen, die sich gegenseitig überschlugen, bis sie sich irgendwann wie weises Rauschen anhörten.
Als wäre es Schicksal, spürte er wenige Minuten später die ersten Regentropfen auf seiner Haut. Sie waren angenehm kalt, doch fühlten sich so klebrig an, als würden sie die Wärme um sich herum speichern. Kaum hatte er realisiert, dass es regnete, steigerte sich das Tröpfeln in starkes Schütten. Und als wäre es ein Zeichen, eine Warnung, verschwanden die Menschen auf den Straßen unter die nächsten Dächer einer Bushaltestelle oder packten aus dem Nichts einen Regenschirm aus.
Die Haltestellen waren überfüllte, also rettete sich Hoseok ohne nachzudenken in das nächst öffentlich zugängliche Gebäude. Er strich sich die Haare zurück, quetschte das Wasser raus. Dann sah er sich um. Es war eine Bar. Eigentlich trank er keinen Alkohol, solange es keinen Grund zum Feiern oder dergleichen gab. Dennoch setzte er sich an den Tresen, hinter der ein großgewachsener Mann stand. Er war nicht von hier und das merkte er auch an seinem amerikanischen Akzent, als er sich einen Kurzen bestellte.
Hinter ihm lachten die Leute, oder schrien, wenn sie beim Karten Spielen gewannen. Er hingegen fühlte sich trotz des guten Besuchs so einsam, dass er sich beinahe in ein Gespräch mit dem Barkeeper vertieft hätte, hätte nicht die Geräuschkulisse auf der Bühne am Ende der Bar seine Aufmerksamkeit für sich beansprucht. Eine junge Frau sang in ein Mikrophon, dessen Hilfe bei dem Lärmpegel der Kunden kaum etwas zu nutzen schien. Trotzdem sang sie mit einen Lächeln auf den Lippen und wippte im Takt, obwohl ihr niemand wirklich Beachtung schenkte.
Es gab einmal eine Zeit, da hatte er mit dem selben Elan und Leidenschaft Musik produziert, hatte Choreographien dazu erfunden und seinen Freunden vorgeführt — meist allerdings nur, wenn er ein wenig beschwipst war, ansonsten hätte er sich nicht getraut. Er erinnerte sich gerne an ihren Applaus und die Komplimente zurück und er würde diese Euphorie gerne noch einmal spüren. Doch irgendwie fehlte ihm die Flamme, die ihn dazu anheizte, nach seiner E-Gitarre zu greifen und wild drauf los zu spielen, bis er irgendwann eine brauchbare Melodie gefunden hatte.
Er lehnte sich zurück und ließ es zu, dass Jack in seinem Kopf wieder eine visuelle Form annahm. Er lächelte nicht wie sonst auch. Auch nicht wütend, weil er so lange ignoriert wurde. Viel mehr sah er aus, als hätte er um seine Existenz gefürchtet, als hätte er Angst gehabt, er würde zurück hinter die Türen von Hoseok's Geist gesperrt werden. Doch so gerne er sich auch wünschte, er könnte ihn einfach wieder wegsperren, das konnte er nicht tun, eher Jack ihm nicht seine Freude und Leidenschaft wiedergegeben hatte.
»Gib sie zurück«, forderte seine innere Stimme. Jack beäugte ihn mit schiefen Blick, von seinem abstoßenden Lächeln keine Spur zu sehen. »Zurückgeben? Was denn?« Die letzte Frage klang drohend, doch davon ließ er sich nicht beirren.
»Meine Motivation, meine Freude an den einfachen Dingen, meine Leidenschaft. Mein Wille, morgens aufzustehen und mich mit Freunden zu treffen oder mit meinem Hund Gassi zu gehen.« Jack schien von seiner Entschlossenheit erneut zurückgedrängt zu werden, doch er sollte da bleiben. Er hielt ihn fest und das Monstrum schien verwirrt. »Und vor allem mein Sauerstoff — Meine Musik.«
Als Jack realisierte, er würde ihn nicht loslassen, bevor er ihm nicht geben würde, was er wollte, wurde er wieder hochmütig. Sein widerliches Lächeln und sein abscheuliches Kichern kehrten zurück.
»Zurück? Mein armer, dummer Jay. Ich hab dir absolut nichts weggenommen.« Seine Augen verengten sich zu zwei höhnischen Schlitzen.
»Du bist egoistisch und gierig. Du willst einfach nur mehr.«
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