
𝗛𝗔𝗦𝗦 𝗔𝗨𝗙 𝗗𝗘𝗡 𝗘𝗥𝗦𝗧𝗘𝗡 𝗕𝗟𝗜𝗖𝗞
» Und er hat mir einfach die Karten für das Konzert besorgt! Ich bin so froh, dass Yoonoh sie im Schlussverkauf noch auftreiben konnte «, freute Jungwoo sich neben ihm wie ein kleines Kind, den Umschlag fest zwischen seinen Fingern umfasst. » Teuer, aber das war es wert! «
» Wer weiß, wo der seine Geschäfte macht «, entgegnete Dongyoung nur verdächtigend und beobachtete den großen Jungen mit den dunklen Haaren, der gerade den Schulhof betreten hatte, dabei machte sich pure Abneigung in seinem Ton bemerkbar.
» Was hast du immer gegen Yoonoh? Er ist voll nett. «
» Stimmt nicht! «, zischte Dongyoung, er konnte ihn nämlich aus bestimmten Gründen nicht leiden! Yoonoh war sozusagen der Prinz des Westflügels und hatte im Prinzip alles: Den Ruf, das Aussehen, die Beliebtheit, er durchlief ein perfektes Schulleben, man könnte es nicht besser haben. Sein einziger Nachteil schien darin zu bestehen, dass er kein Musterschüler war ─ wenigstens schrieb Dongyoung bessere Noten als er, ha!
» Doch, ich kapiere es nicht. Was ist denn so schlimm an ihm? «
» Guck ihn dir doch mal an! Wie er da steht ... «, er sah herüber zu Yoonoh. Gerade nahm er Joowon in den Arm, die immer bunt gestreifte Pullis trug und die Rolling Stones mochte und jeden vierten Mittwoch pinke und blaue Cup Cakes für die Japanisch-AG mitbrachte. Okay, was war daran verwerflich, seiner Freundin etwas Zuneigung zu zeigen? » Wie er da steht und ... denkt, er wäre cool. « Dafür erstmal auf die eigene Schulter klopfen!
» Joowon schreibt heute eine vierstündige Matheklausur, zeig doch etwas mehr Mitgefühl «, merkte Jungwoo an, weshalb Dongyoung den Kopf schüttelte.
» Und er ... denkt, er wäre was Besseres, weil er ... eine Freundin hat. Ja, genau «, ergänzte Dongyoung noch, dabei bemühte er sich weiterhin, dem Oberstufenschüler feindselige Blicke zu schenken. Langsam löste sich Yoonoh von dem zierlichen Mädchen und strich ihr durch das offene Haar. Danach verformten sich seine Lippen zu einem liebevollen Lächeln, was schnell seine Grübchen zum Vorschein brachte. » Sieh ihn dir an ... so armselig! «, behauptete er, merkte aber gar nicht, wie es ihn irgendwie zum Dahinschmelzen brachte, als er die kleinen Einkerbungen in Yoonohs Wangen sah. ─ Verdammt! Man konnte ihn dafür doch nur hassen!
» Was ist denn heute für ein Tag? «, fragte Jungwoo und wechselte endlich das Thema, auch wenn Dongyoung sich den ganzen Tag über Yoonoh aufregen könnte! Grr!
» Mittwoch, wieso? «
» Warte, vielleicht hat Joowon ein paar Cup Cakes zu viel «, meinte er hoffnungsvoll und leckte sich über die Lippen, während er hastig aufstand, sich seinen Rucksack schnappte und eifrig zu besagtem Mädchen flitzte.
Und so saß Dongyoung wieder allein dort.
» Aufessen «, befahl Minjung und tippte mit ihren Stäbchen auf Dongyoungs Schüssel, da er nur zwei Löffel von der Suppe, die sie vorbereitet hatte, geschlürft hatte. » Du musst heute vier Stunden arbeiten, ich will nicht, dass du mir hier umkippst. «
» Eomma, ich habe keinen Appetit «, seufzte er, allerdings begegnete ihm die Frau nicht mit Verständnis, sondern mit finsterer Miene, weshalb Dongyoung seine Proteste aufgab und begann, die scharfe Suppe herunterzuwürgen. Uff, er hasste scharf! Minjung sagte immer: » Für später musst du auch scharf essen können. « Dabei wusste Dongyoung gar nicht, was später überhaupt war, dass man scharf essen musste. Ein Vorstellungsgespräch? Sicher nicht!
» Ich mache jeden Tag Essen und du? Bist so undankbar «, seufzte sie und sah zu seiner Schwester. » Sei doch mehr wie Hyebin. «
Ja, natürlich, alles drehte sich nur um Hyebin! Nur, weil Hyebin bald studieren und eine super Universität besuchen würde. Danke für den Ratschlag! Dongyoung wäre sonst nie darauf gekommen! Sein Vorbild war Hyebin und das würde sie auch immer bleiben, aber sah er so aus, als könnte er mit ihr konkurrieren? Für Minjung würde er so oder so immer die Nummer 2 bleiben.
» Es tut mir aufrichtig leid, es wird nicht mehr vorkommen «, erwiderte Dongyoung, obwohl er genau wusste, dass es spätestens nächste Woche nach der Englischklausur wieder passieren würde. Schule verdarb irgendwie den Appetit.
» Wie viele Termine hast du denn heute, Eomma? «, fragte Hyebin vorsichtig, um die Spannung aus der Luft zu ziehen.
» Zu viele, viel zu viele «, murmelte sie, dabei schüttelte sie gereizt den Kopf. Stimmt, Minjung hatte viel zu tun. Den ganzen Tag. Ihr gehörte ein kleines Nagelstudio im Erdgeschoss des gesamten Mehrfamilienhauses, und weil sie sich keine Angestellten leisten konnte, mussten Dongyoung und Hyebin aushelfen. Es war ein einziges Hin und Her und eine gestresste Minjung war viel schlimmer als eine normale Minjung. » Deswegen weniger reden, mehr essen. «
Und dann war es still. Sogar das Klirren des Porzellans, wenn die Löffeldecke kurz die Schüssel berührte, schien sich leiser zu verhalten.
» Das macht 40.000 Won «, sagte Dongyoung monoton, woraufhin die junge Frau ihm einen großen Schein reichte und geduldig auf ihr Wechselgeld wartete. » Vielen Dank für Ihren Besuch, wir hoffen, Sie waren zufrieden mit unserem Service «, spulte er weiterhin ermüdend seinen Text herunter, auch wenn er das vielleicht etwas enthusiastischer tun sollte.
» Vielen Dank! «, sagte sie trotzdem zufrieden und nickte ihm zu, bevor sie umkehrte und durch die Ladentür verschwand. Wie konnten Menschen so gut gelaunt sein, wenn das Leben eine einzige Qual war? Womöglich hatte Dongyoung einfach die falsche Einstellung.
» Wie läuft's? «, fragte Hyebin, die von der Seite auf ihn zukam und damit den Duft ihres süßlichen Parfums mit sich brachte. Man konnte schnell ihr Lächeln erkennen, sobald sie den Mundschutz von den Lippen schob. Im Gegensatz zu ihm durfte sie nämlich mehr als die Kasse und Aufräumungsarbeiten übernehmen, sie war nämlich dazu in der Lage, einfache Griffe in der Mani- und Pediküre zu handhaben, selbst wenn sie darin noch nicht so geübt wie Minjung war.
» Normal. Wie immer «, erwiderte er und zuckte mit den Schultern, es hatte sich doch nichts verändert. Immerhin sagte er noch seinen Text und gab Wechselgeld. » Bei dir? «
» Ich habe so eine Labertasche an der Backe «, erklärte sie angestrengt und neigte mit zusammengekniffenen Augen den Kopf. » An sich nett, aber nervig. «
Dongyoung lachte. » Augen zu und durch. «
» Ja, schon klar «, antwortete sie, dabei lehnte sie sich an den Tresen. » Da hat ein neues Café aufgemacht, wollen wir später hin? «
Sofort verspannten sich Dongyoungs Gesichtszüge. » Und woher willst du das Geld nehmen, Madame? «
Ein verschwörerisches Funkeln blitzte in Hyebins Augen auf, weswegen Dongyoung leicht stutzig wurde. Sie schaute sich ein paarmal um, kurz darauf schob sie zwei Finger in die noch offene Kasse und schnappte sich zwei Scheine, die sie sich schnell in ihren BH stopfte und grinste.
» Hast du 'nen Knall? Eomma killt uns! «, zischte er, doch Hyebin winkte lediglich ab.
» Wir trinken einen Kaffee und dann gehen wir. Und wenn sie es merkt, gebe ich es zu und sage, ich hätte es für Make-up ausgegeben. Dann kriege ich Hausarrest, aber ist egal. «
Verflucht, Dongyoung fand es fast unerträglich, wie selbstlos und gutherzig Hyebin war. Klar, indem sie das Geld klaute, verriet sie Minjung, aber das nur, weil sie Dongyoung eine Freude machen wollte. Wer wäre Hyebin, wenn ihr nicht als Erstes auffallen würde, dass etwas nicht mit ihm stimmte? Er war immer noch ihr jüngerer Bruder, da musste sie ihn natürlich aufmuntern. Uff! Sie war viel zu lieb.
» Das kannst du nicht machen! Weißt du, wie wütend sie dann auf dich wird? «
» Ist mir egal! «, stellte sie dem entgegen und zog ihr Oberteil wieder nach oben. » Komm, die letzten Tage war es so kalt, wir brauchen mal was Warmes. «
» Aber ─ «
» Hyebin! Kommst du bitte kurz? «, ertönte Minjungs Stimme aus der Abstellkammer und die Angesprochene wurde hellhörig.
» Warte «, bat sie und kehrte um, im Weitergehen sagte sie noch: » Vergiss es nicht! Direkt nach der Schicht! «
Dongyoung sah ihr seufzend hinterher und schüttelte den Kopf. Hyebin war blöd, wenn sie dachte, dass es Minjung nicht auffallen würde. Wenn ihre Mutter sich nicht verrechnete (und sie verrechnete sich nie), dann würde das Konsequenzen zur Folge haben. Dumme Hyebin!
Schnell wandte er den Blick erneut zu den großen Schaufenstern, an denen schon zwei weitere Menschen vorbeizogen. Es war ein zierliches Mädchen mit zwei hochgebunden Zöpfen und einem Streifenpulli ─ oh Gott, was machte Joowon hier? Und war das neben ihr etwa Yoonoh? Die zwei waren wirklich die letzten Personen, die er am Arbeitsplatz gebrauchen konnte! Verdammt, bestimmt würden sie es in der Schule herumerzählen und dann käme heraus, dass Dongyoungs Familie nichts außer dieses gescheiterte Nagelstudio besaß, es war ja nicht einmal ein Schönes! Es war weiß, überall weiß, wenn man von einigen Blumenvasen absah, es war schrecklich einengend und langweilig! Dann wüssten alle, dass er so einen armseligen Job machte und alle würden ihn für asozial und verwahrlost halten und ─ okay, Ruhe bewahren. Sie haben dich noch nicht entdeckt.
Vergeblich sah sich Dongyoung nach einem Mundschutz um, um sich zumindest ein wenig bedecken zu können, fand jedoch keinen, weswegen er schnurstracks umkehren und abhauen wollte. Allerdings hielt Yoonoh seiner Freundin bereits wie ein Gentleman die Tür auf und schien sich für ein Alphatier oder das stärkere Geschlecht zu halten, Frauen konnten ja keine Türen öffnen! Arschloch!
Aus der Panik heraus kniete er sich auf den Boden und versteckte sich hinter dem Tresen. Schnell zog er die Beine an und quetschte sich noch zwischen einen Rollcontainer und ein paar Ordner. Katastrophe gut abgewandt!
» Hey, Meister «, ertönte Yoonohs Stimme von oben. » Das sieht nicht ganz gesund aus. «
Verdammt! Dabei war sein Plan so gut durchdacht gewesen!
Gut eine Minute verging. Geht bitte, geht bitte, geht bitte.
» Lass mich mal «, bat Joowon leise und plötzlich waren Schritte zu vernehmen, die um den Tresen bogen, bis Dongyoung zwei Beine mit halblangen, rot gemusterten Socken und weißen Turnschuhen vor sich sah. Kurz darauf bückte sie sich und begab sich auf Dongyoungs Höhe, damit sie ihm in die Augen sehen konnte.
» Dongyoung? «, kam es überrascht aus ihr, dabei zuckten ihre Pupillen hin und her, als wollte sie jeden Zentimeter von seinem Körper abscannen, um auch wirklich sicherzugehen, dass es Dongyoung war.
» H-Hi, kennt man sich? «, presste er schwach hervor und hob den rechten Arm zu einer trägen Begrüßung.
» Ja, ich bin Joowon. Wir sind seit zwei Jahren in einer Klasse, schon vergessen? «, fragte sie verwirrt, woraufhin Dongyoung nickte.
» Ja, stimmt, weiß ich doch. «
» Warum fragst du dann nach meinem Namen? «
» Weil ich dachte, du wärst ... äh ... J-Joowons Zwillingsschwester, aber ... dann ist mir e-eingefallen, dass du gar keine Zwillingsschwester hast u-und deshalb ... habe ich gefragt. «
» Wie kommst du auf den Gedanken, dass ich eine Zwillingsschwester habe? «
» Keine Ahnung! Sag mal, hast du einen Termin? «, lenkte er vom Thema ab und zog an den Bändeln seines Hoodies, als könnte ihn das beruhigen. Alles Yoonohs Schuld, Mann! Ohne ihn wäre es sicher nicht so weit gekommen!
Dongyoung schämte sich. Und zwar richtig.
Sein Kopf war die ganze Zeit nach unten gerichtet, während er Minjung assistierte, Joowons entschuldigende Miene machte es kein bisschen besser. Am schlimmsten aber waren die stechenden Blicke Yoonohs, die Dongyoung vom Wartebereich aus nur drei Meter von ihnen entfernt entgegenkamen. Der Jugendliche saß dort auf einem der Klappstühle und hatte ein komisches Magazin auf dem Schoß aufgeschlagen. (Für teure Modezeitschriften wie die Vogue oder Harper's Bazaar würden sie natürlich nicht das gute Geld verschwenden.) Statt seinen Fokus auf das Hochglanzpapier mit Berichten darüber, ob Katy Perry Teil einer Illuminatenverschwörung war oder so, zu richten, durchbohrte er Dongyoung mit seinem besorgten Blick.
Gnh! Sollte er sich doch um seinen eigenen Müll kümmern!
Sobald er den Blick abwandte, atmete Dongyoung erleichtert ein. Die junge Frau neben ihm hatte Yoonoh nämlich angesprochen. Ihre glatten, schwarzen Haare waren zu einem Pferdeschwanz hochgebunden, im Kontrast dazu trug sie rosafarbenen Lippenstift und große, silberne Armringe. Das Geschehen wurde mittlerweile auch misstrauisch von Joowon verfolgt, ihr schien wohl ebenfalls nicht zu gefallen, wie die Frau mit einer ihrer dicken Haarsträhnen spielte und ihm das strahlendste Lächeln der Welt schenkte. Eigentlich sollte Yoonoh sie zurückzuweisen, doch er hörte sich gerne an, was sie zu sagen hatte und ließ sich voll auf das Gespräch ein. Direkt vor Joowons Augen! Kapierte er nicht, dass die Frau offensichtlich mit ihm flirtete?
Puh! Dongyoung wollte nicht weiter darüber nachdenken! ─ Stopp, dieser Plan wurde schnell von Joowon vereitelt: » Dongyoung? «
Der Ältere wurde hellhörig. » Hm? «
» Wenn du eine Freundin hättest «, begann sie und schaute zu ihm auf, » fändest du es okay, dass sie ... dauernd mit anderen Jungs rumhängt? «
Zieh mich da nicht rein, flehte er innerlich. » Ah, ich weiß nicht. Kommt drauf an, wie die zu ihr stehen. «
» Und wenn sie gut aussehen? Und sie dauernd anflirten? Und einer davon sogar schon etwas mit ihr hatte? «
Dongyoung sog scharf etwas Luft ein. Indem ich ihre Meinung bestätige, könnte ich einen Streit zwischen den beiden provozieren. » Ich glaube, dass mich das schon stören würde. «
Dongyoung spürte, dass Minjung nun ebenfalls neugierig aufhorchte.
» Ganz genau «, murmelte sie und beobachtete weiterhin, wie Yoonoh darüber lachte, was auch immer die hübsche Diva sülzte. » Yoonoh versteht nie, dass er mich nicht genauso wie alle andere behandeln kann. Ich bin doch seine feste Freundin, nicht irgendwer. «
» Das klingt kompliziert. « Hier ein Tipp aus erster Hand: Trenn dich von ihm.
» Er ist immer viel zu nett zu allen «, seufzte sie und stützte ihr Gesicht auf ihrer freien Hand ab, wobei Minjung schnell ihre andere umfasste und bat: » Nicht so viel bewegen. «
» Entschuldigung, das wollen Sie beide sicher nicht hören «, gab sie verlegen zu und sah bedrückt zur Seite.
Dongyoung wollte nicht nachhaken, Minjung war zumindest noch freundlich genug, zu sagen: » Ist schon in Ordnung. Man will ja auch das ein oder andere über seine Kunden erfahren. «
Joowon nickte daraufhin nur still. Kaum schaute sie wieder zu Yoonoh, kam ihr schon die nächste unschöne Szene entgegen. Die Frau hatte ihm nun einen Zettel mit ein paar Nummern darauf gegeben, weswegen Yoonoh mit überraschter Miene nickte und das Papier nur perplex besah.
» Das glaube ich nicht! «, fauchte sie trotz ihres Vorsatzes, nicht mehr zu reden, und schürzte eingeschnappt die Lippen. » Wisst ihr, ich weiß, dass er mich nicht betrügen würde, aber er versteht einfach nicht, wenn Frauen ihm Zeichen geben oder was für falsche Zeichen er auch selbst aussendet! Es nervt. Er ist so blöd! «
» Ganz ruhig «, beschwichtigte Minjung das Ganze, auch wenn sie damit nicht sonderlich half. Aus Joowons wildem Zappeln wurde nun stiller Zorn, der sich lediglich in ihren verspannten Gesichtszügen widerspiegelte. Irgendwie jagte es Dongyoung Angst ein.
So ließ sie Minjung nur ihre Arbeit machen und es kehrte quasi » Frieden « ein. Aus diesem Grund war er ziemlich froh, dass seine Mutter ihm endlich erlaubte, seinen Posten zu verlassen. Schnell wollte er sich in die Abstellkammer verziehen, sich auf den Boden setzen und wie ein kleines Kind weinen, weil ihm das alles so peinlich und unangenehm war! Erst hatte er sich komplett blamiert, jetzt hat er auch noch versucht, etwas Öl in Joowons Feuer zu gießen ─ er war ein furchtbarer Mensch. Oder? Nein, Yoonoh hatte das verdient! Nein, Yoonoh hatte nur Schlechtes verdient! Dieser Idiot!
Idiot, Idiot, Idiot!
Auf einmal eilte ihm mittendrin eine große Gestalt hinterher und tippte seine Schulter an.
» Dongyoung, hey, warte «, bat er, allerdings schlug der Betroffene nur Yoonohs Hand beseite und lief stur weiter. Das reichte ihm wohl nicht, also griff er nach Dongyoungs Handgelenk und brachte ihn so schließlich doch zum Stillstand. » Bitte, ich wollte nur was fragen! «
Dongyoung blieb genervt stöhnend stehen und drehte sich um. » Was denn? «
» Ich wollte nur wissen, warum du eben so ... reagiert hast «, fragte er mit diesen lieblich glänzenden Guter-Junge-Augen, die einem in die Seele schauten und vom Herzen alles Gute wünschten. ─ Er war der Teufel schlechthin!
» Weil ich weiß, dass ihr ... es nur weitererzählen werdet ... und alle sich über mich lustig machen werden «, behauptete er, denn ja, Yoonoh, der gute Junge mit dem perfekten Sozialverhalten, war ein hinterhältiger Verräter! Ganz sicher!
» Es gibt viele Jugendliche, die arbeiten gehen, um sich etwas dazuzuverdienen «, erklärte er und zuckte mit den Achseln. » Aber wenn es dich stört, werden ich und Joowon nichts verraten! «
» Ja, genau, das kann ja jeder sagen «, zischte Dongyoung und verdrehte die Augen. Yoonoh war nämlich nicht nur ein hinterhältiger Verräter, er war auch ein hinterhältiger Lügner! Ganz sicher!
» Ich verspreche es dir hoch und heilig! «, bestimmte er und legte eine Hand ans Herz. » Aber glaub bitte nicht, ich will dir irgendetwas Schlechtes. «
» Du willst einem ja nur Schlechtes, was soll ich denn denken? « Ja, Yoonoh war nicht nur ein hinterhältiger Verräter und ein hinterhältiger Lügner, er war auch ein hinterhältiger Eidbrecher! Ganz sicher!
» Ich will und wollte nie jemandem etwas Schlechtes «, protestierte er eingeschnappt. » Ich ... Ich wollte dir nur sagen, dass ich und Joowon nicht wussten, dass du hier arbeitest und dich keineswegs bloßstellen wollten oder so. Du musst dich für nichts schämen. «
» Wieso? Denkst du, ich würde mich schämen? Nur weil du, der große Jung Yoonoh, das gesehen hat? «
» Nein, oh mein Gott, es tut mir leid! «
Dongyoung führte seine Hände nervös zu den Bändeln seinen Pullis. » Lass mich in Ruhe. «
» Riechst du das, Dongyoungie? «, fragte Hyebin und atmete zufrieden die verführerischen Dämpfe ihres Kaffees ein. » Das ist der Traum. «
Ein Lachen entkam Dongyoung. » Der Traum? Du meinst der Traum? Wie der von Martin Luther King? «
» Ganz genau «, bestätigte sie, kurz darauf begann sie bereits, etwas über die kochende Flüssigkeit zu pusten, dabei verformten sich ihre rot gezierten Lippen zu einem kleinen › O ‹. Man merkte ihr schnell an, dass sie sich für dieses kleine Treffen ein wenig aufgebrezelt hatte. Ihr Kurzhaarschnitt sah geordneter aus als sonst und sie hatte einen schönen, beigefarbenen Rollkragenpullover herausgesucht, dazu trug sie noch kleine, goldene Kreolen.
» Wow. So ein Traum, also «, wiederholte er amüsiert und sah nun auf seinen eigenen Cappuccino herunter. Dongyoung hatte sich zumindest eine Jeans und einen Hoodie für diesen Anlass übergezogen. Yay!
» Erzähl was «, forderte Hyebin und hob bereits ihre Tasse an, um wenigstens ihre Hände daran wärmen zu können.
» Äh, hm «, machte er und überlegte eine Weile. Was war heute alles passiert? » Unsere Mathelehrerin ist heute ausgetickt. Ein paar Jungs haben dauernd Geodreiecke an die Decke geworfen. «
» Warum das denn? «
» Damit sie steckenbleiben «, gab er zurück, als verstünde sich das von selbst, » und wer die meisten hat, gewinnt. «
» Du machst so was aber nicht, oder, Dongyoungie? «
Dongyoung sah scheinheilig zur Seite. » Nein, niemals. «
» Nein, erzähl was über dich. «
Uff! Dongyoung mochte es nicht, über sich selbst zu reden. Außerdem fiel ihm auf die Schnelle auch nichts Interessantes ein.
» Zum Beispiel, was heute im Studio war, hm? «, kam sie nun endlich auf den Punkt und schlürfte einen Schluck von ihrem Kaffee Latte (mit Karamellsirup oder so).
» Du hast ... das mitbekommen? «, hakte er nach und zog verunsichert an den Schnüren seinen Hoodies.
» Ja, als die zwei reingekommen sind, bist du total durchgedreht. Ich dachte, jemand hätte eine Waffe auf dich gerichtet «, erzählte sie und sah kurz lachend in ihre Tasse, als würde sich dort die Erinnerung abspielen.
» Echt jetzt? «
» Du bist seit Kurzem so komisch drauf ... Hm, kann es sein, dass du verliebt bist oder so? «
» Verliebt? Ich? In diesen Typen? Hast du sie noch alle? «, stieß er wütend aus und drückte den schwarzen Stoff in seinen Händen fester. » Hast du den mal gesehen? Arrogant ist er auch noch und ─ «
» Dongyoung? «
» ─ nur weil er groß ist und womöglich ein bisschen gut aussieht und Grübchen hat, heißt das doch nicht, dass ich direkt in ihn verliebt bin! Sei doch nicht so oberflächlich! «
» Dongyoung, ich meinte das Mädchen «, fiel ihm Hyebin ins Wort und hob eine Augenbraue. » Wie kommst du auf den Jungen? «
Seine Augen weiteten sich. Genauso schien auch Dongyoungs Herz gerade keine Lust zu haben, seinen Job ordentlich zu machen. » Ah, sage ich doch. «
» Du hast aber ziemlich viele maskuline Pronomen benutzt. «
» Junge, Mädchen, d-das kann man doch auch mal zusammenwerfen «, haspelte er aufgeregt.
» Du hast ihn ausführlich beschrieben. «
» Was willst du damit sagen? Dass ich auf ihn stehe? Ha, wie ... wie kommst du darauf? Ich stehe nicht auf ihn! «
» Oh mein Gott, stehst du etwa auf ihn? «, fragte Hyebin und zeigte Dongyoung die am meisten verwunderte Miene, die er je gesehen hatte.
» Was? Ich habe doch gesagt, dass ich das definitiv nicht tue! Was ist so schwer daran zu verstehen?! «
» Oh Gott, warte kurz «, sie stellte die Tasse wieder auf den Holztisch zwischen ihnen ab und lehnte sich in dem Ledersessel zurück, danach legte sie beide Hände an ihre Schläfen. » Das ... Warte mal ... «
» Was redest du da? «
» Bist du schwul, Dongyoung? Ist es das? «
» N-Nein! «
» Sicher? «
» Natürlich nicht! Das wäre doch ... komisch! «
» Was bedrückt dich dann so in letzter Zeit? «, fragte sie nun hoffnungslos genervt, immerhin dachte sie bis eben noch, sie hätte das Geheimnis gelüftet.
» Nichts! «
» Du bist also eindeutig nicht schwul? «
» Keine Ahnung, ich weiß nicht! ... Vielleicht? «
» Oh Gott, dann hör auf damit! «
» Damit kann man nicht einfach so aufhören! «
» Aber du musst! Weißt du, wie Menschen dich dann ansehen? «
» Weiß ich doch, weiß ich doch! «, zischte er und zog den Kragen seines Pullis bis über seine Lippen. » Aber ... Aber ... «
Hyebin sah mitleidig zu ihm auf. » Hey, vielleicht ist das auch nur eine Phase. «
» I-Ich glaube nicht «, entgegnete er und spürte, wie langsam Tränen in sein Sichtfeld rückten.
» Okay, ähm, Dongyoung, versteh das nicht falsch, ich ... Schau, mir ist das egal «, erwiderte sie nun sanfter und streckte ihre Hand aus, um nach der Dongyoungs zu greifen. » Ich ... Keine Ahnung, für mich ist das gerade auch ... äh ... Überforderung pur, aber ... ich habe dich wirklich lieb und wenn du jemanden magst, ist mir das Geschlecht und alles ... eigentlich ... recht egal. Aber ich will nicht, dass dir jemand wehtut. «
Dongyoung nahm die fürsorgliche Wärme ihrer Hand auf und spürte, wie diese die Tränen langsam wieder in ihre Schranken wies. » Danke. «
» Außerdem hat der Junge eine Freundin, Dongyoung. Zumindest sah es sehr danach aus «, fügte sie nachdenklich hinzu und drückte Dongyoungs Hand. » Mach dir nicht zu viele Hoffnungen, Brüderchen. «
Dongyoung nickte. Dafür war es doch schon längst zu spät.
Dongyoung zog die Bänder seines Kapuzenpullis zu, bis sein Gesicht lediglich durch einen kleinen Kreis sichtbar war, und stellte seine Musik etwas lauter. Wenn er seine Lieblingsplaylist hörte, wollte er die Geräusche der Außenwelt am besten komplett ausradieren. Noch lieber wäre es ihm, wenn er auch seine Gedanken übertönen könnte, doch leider spulte sein Gehirn die ganze Zeit sein Gespräch mit Yoonoh rauf und runter. Scheinbar war es wichtig genug gewesen, um sich fest in Dongyoungs Gedächtnis zu brennen.
Abwesend sah er weiter aus dem Fenster und folgte den Gebäuden, die an ihm vorbeizogen, während sich der Zug fortbewegte. Aber man musste sagen, dass es lieb von Yoonoh war, sich nochmal zu erkundigen. Und es nicht herumzuerzählen. Und sich zu entschuldigen. ─ Als wäre er direkt der Hölle entsprungen! Sah Dongyoung etwa aus, als bräuchte er sein niederes Mitleid? War Dongyoung bemitleidenswert? Hm?! Und mit diesem Verhalten wollte Yoonoh ein guter Mensch sein? Unmöglich! So arrogant!
Genau, arrogant, wiederholte er innerlich, während er zu dem Jungen herüberschaute. Schon seit zwei Jahren fuhr er mit dieser Linie und schon seit zwei Jahren beobachtete Dongyoung ihn. Yoonoh saß immer in dem Vierer im zweiten Zugabteil, neben ihm Joowon, um die er manchmal auch einen Arm legte, vor ihm Johnny und daneben ein immerzu leer verbleibender Platz. Dongyoung saß immer einige Reihen hinter ihnen und betrachtete den großen Jungen mit den Grübchen und den mandelförmigen Augen aus der Ferne. Am meisten gefiel es ihm, wenn Johnny irgendetwas Lustiges oder Dämliches sagte, weil das Yoonohs Mundwinkel zum Zucken brachte. Plötzlich waren seine Augen dann ganz strahlend und warm, während sich kleine Lachfalten auf seinen Wangen bildeten; es war wirklich das Schönste, was ein Mensch zustande bringen konnte. Ein einfaches Lachen. Leider galt es nie Dongyoung.
Aber wieso sollte er sich das auch wünschen? Dongyoung wollte nicht mit so einem überheblichen Arschloch befreundet sein! Yoonoh hatte ihn sogar zwei- oder dreimal angeboten (es waren dreimal, allerdings war es nur Zufall, dass Dongyoung sich an so was erinnerte), neben ihnen zu sitzen, doch wer wäre er, ja zu sagen? Nein! Nicht neben jemanden, der nur lachte, weil er wusste, wie attraktiv ihn das machte und wie sehr das Dongyoung ärgerte! Das war ja mal das Allerletzte! Grr! Idiot!
Jetzt lachte er ja tatsächlich! Bestimmt lachte er innerlich über Dongyoung, dachte an sein erbärmliches Untergehen und lachte, lachte, lachte! Ha ha ha! Ha ha! Ha ha!
Sein Blick traf kurz darauf Dongyoungs, weshalb er langsam verstummte. Erst ein Lachen, ein Kichern, und dann waren seine Mundwinkel wieder unten. Plötzlich aus der Bahn geworfen, so sah er gerade aus.
Hastig zog Dongyoung die Schnüre seines Hoodies fester zu und starrte auf den Boden. Ha ha ha! Da war es wieder. Bestimmt lachte er. Lachte darüber, wie peinlich es Dongyoung war, sich in diesen unerreichbaren Menschen verliebt zu haben.
» Du ziehst seit Tagen so ein Gesicht «, seufzte er und legte beide Zeigefinger an Dongyoungs Mundwinkel, um sie nach oben drücken zu können. » Lächel doch mal, Hyung. Die Sonne scheint. «
» Jungwoo, es regnet «, entgegnete Dongyoung ziemlich genervt und sah bedauernswert aus den nassen Fenstern des Klassenraums. Das veranlasste Dongyoung dazu, zu seufzen. Ja, er zog so ein Gesicht, weil die letzten Tage anstrengend und seltsam gewesen waren. Immerzu hatte Yoonoh ihn mit diesem prüfenden, dennoch besorgten Blick angesehen, und es machte ihn wirklich irre. Wie konnte ein Mensch nur so aufdringlich sein? Spanner! Dabei wollte er nur seine Ruhe haben.
» Du bist so was von gemein zu mir! «, jammerte Jungwoo nun und drehte sich schmollend weg.
» Jungwoo ... «
» Halt's Maul! «
Wow, also fassten wir mal die Woche zusammen: Er hatte sich vor Yoonoh und Joowon blamiert, einen mit geklautem Geld finanzierten Kaffee getrunken und jetzt auch noch Jungwoo beleidigt, obwohl er ganz genau wusste, wie verletzlich der Junge war. Super, Dongyoung, große Klasse!
Letzten Endes war er nur froh, dass darauf die Schulklingel ertönte und er nach Hause fahren konnte. Für alles andere hätte er heute nämlich keinen Nerv mehr gehabt.
Zu früh gefreut.
Eine Hand an seiner Schulter hielt ihn zurück. » Hey, Dongyoung «, tauchte wieder Yoonohs Stimme im Gewusel der Schüler, die aus ihren Klassenräumen stürmten, hinter ihm auf.
» Was willst du denn schon wieder? «, zischte er und begann, schneller zu laufen.
» Ich wollte mit dir reden. Nur ganz kurz. «
» Ich muss zur Bahn. «
» Wir fahren mit demselben Zug, der fährt erst in 20 Minuten, also ... «
Ach, stimmt. Verdammt.
» Okay, aber ich will nicht mit dir reden «, wurde er nun ehrlich und hastete weiter zum Haupteingang.
» Jetzt warte doch mal! Nur drei Minuten! Ich wollte dich nur was fragen! «
» Fick dich. «
» Bist du immer so? «
» Für gewöhnlich, ja. «
» Jetzt bleib doch stehen! Sei nicht so kindisch. «
» Fick dich. «
» Es ist nur eine Frage! «, wiederholte er, Dongyoung reagierte nicht. » Warum hasst du mich? «
Plötzlich blieb Dongyoung mitten auf dem Gang stehen. Schon kurz darauf rannte Yoonoh volles Rohr in ihn und riss Dongyoung damit fast zu Boden. Indem er schnell nach dem Oberarm des Betroffenen griff und zurückwich, schaffte er es aber noch, einen Unfall zu vermeiden.
» Erstmal habe ich es selbst nicht geglaubt, aber alle sagen es auch immer. Du hasst mich «, stellte er fest, was Dongyoung irgendwie nicht erwartet hatte. Als würde es Yoonoh interessieren, wer ihn mochte! » Aber warum? Habe ich dir irgendetwas getan? Was falsch gemacht? Haben unsere Familien eine Vergangenheit, von der ich nicht weiß? «
Überfordert, wie er war, konnte er nichts antworten. Ihm kam der Gedanke so absurd vor, dass es Yoonoh etwas bedeutete, dass Dongyoung ihn ... nicht ausstehen konnte. Also starrte er weiterhin auf den Boden, wandte ihm immer noch den Rücken zu.
» Weißt du? Als wir im Salon waren, eigentlich bist du doch nur runtergegangen, weil du mich nicht sehen wolltest, oder? «, erinnerte er an das Fiasko letztens. » Und das ... das macht mir auch irgendwie zu schaffen, weil ich mich die ganze Zeit frage: Was habe ich diesem Jungen angetan, dass er mich so sehr hasst, dass er nicht einmal meinen Anblick ertragen kann? «
» Ich ... Wer ... Wer hat dir das gesagt? «
» Es tut mir leid, dass ich dich so überfalle, aber ... es beschäftigt mich einfach und ich will es aus der Welt schaffen, wenn es ein Problem zwischen uns gibt. Also warum hasst du mich? «
Dongyoung knirschte mit den Zähnen. Eine solche Wut überkam ihn in diesem Moment, unpassender hätte sie nicht sein können.
» Weil du scheiße bist! «, stieß er aus und drehte sich mit vor Zorn bebenden Fäusten zu ihm um. » Ich hasse dich, merk dir diese Wörter gefälligst, bis du stirbst! «
Heulend knabberte Dongyoung an einem der Schokoriegel, die Yeonwoo heute mitgebracht hatte. Netterweise hatte irgendwer ihm unbemerkt einen zweiten auf den Tisch gelegt (und es konnte nur einer der anderen Schüler gewesen sein, weil Yeonwoo jedem nur einen ausgeteilt und den Rest für sich und ihre Freundinnen behalten hatte). Der Gedanke, dass er vielleicht von Yoonoh sein könnte, ließ sein Herz schneller schlagen.
Nein, nach der Ansage letztens hatte er gar nichts zu hoffen. Warum sollte er sich überhaupt darüber freuen? Genau, egal, von wem er war, Schoki war super. Er hasste Yoonoh, Schluss, Aus, Ende.
Oh Gott, aber warum tat sein Herz dann so weh?
Sicher nicht wegen so eines Idioten!
Aber er war schon süß ... Mit dieser einen Strähne, die ihm immer so über die Stirn fiel, dass er sie ständig beiseiteschieben musste. Manchmal machte das auch Joowon für ihn. Ach, Joowon war so lieb. Sie ergänzte Yoonoh einfach perfekt mit ihrer Niedlichkeit. Alle waren bestimmt neidisch, dass sie nicht wie dieses Traumpaar sein konnten.
Dongyoung übrigens auch.
... Scheiße.
So vergingen einige Wochen Funkstille, in denen Dongyoung produktiv lernte, schrieb und arbeitete (und weinte), sich komplett abkapseln vom Dreamteam konnte er jedoch nicht. Heute war nämlich wieder ein Tag, an dem sich Joowon scheinbar wieder die Nägel hier machen lassen musste.
» Mein alter Salon hat leider wegen Renovierungen dichtgemacht, deswegen musste ich mir einen neuen suchen «, war ihre Entschuldigung gewesen, was sollte sie machen? Trotzdem war sie doch nicht verpflichtet, schon wieder diesen Idioten, Yoonoh, mitzubringen. Klar, es konnte gut sein, dass sie nichts von Dongyoungs Hass auf ihn wusste, da er einfach nicht wichtig genug für so was war, nichtsdestoweniger könnte sie versuchen, seine Gedanken zu lesen oder so.
Wie immer hatte sie einen bunt gestreiften Pulli an, diesmal in Regenbogenfarben, Yoonoh war recht dezent mit seinem dunklen Sweatshirt und dem schwarzen Beanie, der seine gesamten Haare verdeckte, weshalb er ein bisschen wie ein Vollidiot aussah und Dongyoung zum Schmunzeln brachte. Dennoch wollte er diesen Look ungern infrage stellen.
Während Joowon sich also die Nägel (diesmal ein bisschen länger und in rosaroter Farbe) machen ließ, ruhte sich Dongyoung weiter im Abstellraum (der einzige ruhige Ort in diesem Laden) aus und beschäftigte sich mit seinem Handy, auch wenn das Netz hier furchtbar war. Der WLAN-Empfang war ebenfalls recht schwach, aber damit gab er sich zufrieden und blieb dort auf dem Boden zwischen Waren und Handtüchern sitzen.
» Kim Dongyoung «, sprach Yoonoh herausfordernd. » Hör mir zu. «
Erschrocken von seiner plötzlichen Präsenz zuckte der Betroffene zusammen. » Was zum ... ? « Schnell griff er nach dem erstbesten Gegenstand (es war eine Rolle Küchenpapier) und warf ihn nach Yoonoh. » Du hast hier keinen Zutritt, Schwachkopf. «
» Weiß ich, aber ─ «
» Dann verpiss dich. «
» Aber «, führte er seinen Satz fort, » ich muss dir was zeigen. «
» Oh mein Gott, ich habe genug Filme gesehen. Wenn du mir jetzt deinen Schwanz zeigst, fange ich an zu schreien und ─ «
» Nein, hör doch auf «, seufzte er und setzte sich vor Dongyoung (in diesem zwei Quadratmeter großen Raum, von dem die Hälfte komplett mit Regalen eingedeckt war, super, Yoonoh). » Es ist ein bisschen peinlich. «
» Oh Gott, du willst mir wirklich deinen Schwanz zeigen! Eomma! «
» Nein, Dongyoung! «, protestierte er. » Ich wollte nur, dass du auch etwas über mich weißt, das mir peinlich ist, damit wir einen Ausgleich haben. «
» Ich will keinen Ausgleich. «
Statt darauf einzugehen, zog sich Yoonoh die alberne Mütze vom Kopf, woraufhin eine ganze Lawine an rosafarbenen Haaren herausfiel. Wie frische Pfirsichblüten strahlten sie Dongyoung entgegen und glänzten im fahlen Licht des kleinen Raumes. Man musste sagen, dass sie Yoonoh verflucht gut standen, aber so blöd, wie er gerade schaute, war es irgendwie ...
» Ich dachte, dann hasst du mich vielleicht nicht mehr so sehr. «
... lustig.
Sofort brach Dongyoung in schallendes Gelächter aus. Bestimmt eine Minute lang lachte und lachte er nur, hielt zehn Sekunden inne, nur um dann weiterzulachen. Zunächst starrte Yoonoh ihn perplex an, allerdings konnte er sich nach kurzer Zeit auch nicht mehr halten und lachte mit. Oh Gott, Dongyoung hatte so lange nicht mehr so laut lachen müssen.
» Du bist so was von durchgeknallt! «, brachte er atemlos hervor und deutete auf Yoonohs Haarschopf, lachte, lachte, lachte, vergaß alles, seine Prinzipien, seine Mutter, die das alles hören könnte, die Tatsache, dass er ihn hassen sollte, lachte einfach, weil ihm alles egal war. Yoonoh sah so schön aus und es war das Lustigste der Welt. » Wie kommst du auf Rosa? «
Yoonoh fuhr sich unsicher durch das wirre Blumenfeld auf seinem Kopf. » Ich wollte sie blondieren und habe mir Hilfe von Johnny geholt, aber das Arschloch hat auch Rot untergemischt, deswegen sieht es jetzt ... pink aus. «
Jetzt musste Dongyoung nur noch mehr lachen. » Du bist ja so was von blöd! Blond wäre ja noch schlimmer! «
» Und als es dann so weit war, dachte ich, ich muss es dir als Erstes zeigen. Wie gesagt, so als Ausgleich. Ich hätte nicht gedacht, dass es dich so amüsiert «, gab er zurück. » Und eigentlich wollte ich sie nächste Woche zurückfärben, aber dass es dich so glücklich macht, ist schon süß. «
Schnell verstummte Dongyoung. » Es macht mich nicht glücklich. Und süß ist es auch nicht. «
» Ach, wirklich? «, provozierte er und wackelte mit den Kopf, sodass die rosigen Strähnen Wellen schlugen, was Dongyoung wieder zum Glucksen brachte.
Hastig schlug er eine Hand auf den Mund. » Hör auf «, kicherte er, dabei verspürte er den Drang, seine Hand darin zu vergraben. Scheiße, sie sahen so verdammt flauschig aus. » Darf ich sie mal anfassen? « Oh Gott! Wie peinlich!
» Klar «, antwortete er und lehnte sich etwas vor, sodass Yoonohs Gesicht direkt vor seinem war. Zögerlich hob er die Hand und ließ sie sanft durch seine Haare fahren. Wie warmes Wasser zerflossen sie zwischen seinen Fingern, so seidig und widerstandslos waren seine Strähnen.
Zwei bernsteinfarbene, neugierige Kristalle folgten Dongyoungs Bewegungen, betrachteten sie mit hochgradigem Interesse, das sich in der Wärme seiner Iriden wiederfand. Ein kleines, peinlich berührtes Lächeln legte sich über seine schmalen Lippen, wobei wieder seine Grübchen zum Vorschein kamen. Am liebsten würde Dongyoung sie küssen.
» Ich hoffe, du ... kannst mich jetzt wenigstens etwas leiden «, warf er verlegen ein und strich sich einen der pfirsichfarbenen Wasserfälle hinters Ohr.
» Leiden? «, wiederholte er und presste die Lippen aufeinander.
» Ich hoffe, ich kann es wiedergutmachen. «
» Was denn? «
» Ich weiß nicht. Aber es wird einen Grund geben, warum du mich nicht magst, oder? «
Schweigen.
» Oder? «
» Eigentlich nicht «, murmelte er mit abwesendem Blick, verlor sich in dem glitzernden, pinken Meer Yoonohs, während er die Hände wieder in den Schoß legte. » Ich hasse dich nicht, habe dich auch nie gehasst. « Langsam beugte er sich vor und musterte die wohlwollend funkelnden Edelsteine. » Ich dachte, ich könnte mir einreden, dass ich dich hasse. «
» Warum solltest du das wollen? «
» Weil ich ... «, er sah kurz zu Seite, dann wieder in sein Gesicht, » mich irgendwie in dich ... «
Yoonohs Augen waren nun ganz groß vor Spannung. Er wartete sehnsüchtig auf eine Antwort, auf diese eine Antwort, auf die er echt lange gewartet hatte.
» In dir getäuscht habe, wollte ich sagen «, änderte er den Satz ab und atmete hörbar aus. Jetzt hast du es doch nicht gestanden. Warum auch? Yoonoh würde ihn abstoßend finden und hätte eine weitere Sache gegen ihn in der Hand. Mal abgesehen davon hatte er doch sowieso eine hübsche, niedliche Freundin, für ihn würde er diese Frau doch nicht gehen lassen. Wieso also die Wahrheit ans Licht bringen? » Ja, das ist es. Ich habe mich in dir getäuscht. Tut mir leid. «
Zufrieden mit dieser Antwort nickte er. » Okay, dann begraben wir jetzt das Kriegsbeil? Ich will nur ... Ich will nur nicht, dass du denkst, ich hätte was gegen dich. Schon als du das erste Mal in unseren Zug eingestiegen bist, dachte ich, wir könnten vielleicht sogar Freunde werden. Ich habe es echt nur gut gemeint. «
» Ja, ja, ich weiß. « Das wusste Dongyoung am allerbesten.
» Also ... kein Streit mehr? «
Dongyoung lächelte traurig. » Alles gut ... Komm, deine Freundin wartet. «
Yoonoh schüttelte den Kopf . » Joowon und ich ... Wir haben uns eigentlich schon etwas länger getrennt. Vor einem Monat, ungefähr. «
Ein kleiner Funke Hoffnung leuchtete in Dongyoung auf. Total dumm, wenn man bedachte, dass es genug andere Gründe gab, warum er keine Chance bei Yoonoh hatte, und dennoch folgten aus diesen kleinen Sätzchen Hoffnung. Dummer, dummer Dongyoung! » Im Ernst? Und ihr hängt immer noch rum? «
» Ja, also ... Irgendwie hat es nicht so richtig zwischen uns gefunkt. Meinte sie. Also sie sagt, irgendwie sei ich zu nett zu allen. Und mache anderen damit Hoffnungen. Sie möchte aber, dass ich nicht zu allen Mädchen so nett bin. Ich verstehe nicht, was sie meint, das ist dumm ... « Er hob mit bedrücktem Gesichtsausdruck den Kopf. » Ich wollte dann dich als Außenstehenden fragen: Bin ich ... wirklich zu nett? Kann man zu nett sein? «
» Ich glaube, ich verstehe, was sie meint «, gab er zu, dachte allein an die Tatsache, dass Yoonoh jetzt vor ihm saß und versuchte, etwas wiedergutzumachen, für das er nichts konnte. Yoonoh war zu nett. Viel zu nett. Und machte anderen Hoffnungen mit dieser Eigenart. Unendliche Hoffnungen.
» Echt? «, bohrte er nochmal nach und zog beide Beine an seine Brust, danach legte er die Arme auf seinen Knien ab. » Wenn sogar mein Hater Nummer 1 das denkt ... Scheiße. Ich bin ein schlechter Freund, oder? Ich dachte eigentlich nie, dass man nett genug sein kann. «
» Du machst das gerade mit Absicht, oder? «, brachte Dongyoung hervor und biss sich auf die Unterlippe, in der Hoffnung, dass Yoonoh das leichte Zittern in seiner Stimme nicht vernommen hatte.
» Was denn? «, fragte er aufrichtig verwirrt und hob beide Augenbrauen. Dieser Junge kapiert es wirklich nicht.
» Alles gut. Vergiss es. «
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