─ neunzehn.
𝐄𝐕𝐄𝐑𝐘𝐓𝐇𝐈𝐍𝐆
kapitel neunzehn; intervention
❝ Ich find sie bezaubernd ❞
─── ❀ ───
Komplett in schwarz gekleidet, sitzt Sage neben Phil auf der Beerdigung von Sid Garner. Er hält ihre Hand, während sie ungläubig Alan dabei zuhört, wie er Ave Maria singt. Und es klingt himmlisch.
»Ich kann's nicht glauben, dass mein Daddy tot ist«, beginnt Alan seine Rede. »Mir würden so viele Menschen einfallen, die ich lieber vor ihm tot gesehen hätte. Meine Mutter, zum Beispiel. Wie viele von euch wissen, standen mein Vater uns ich uns unheimlich nah. Er war mein Lebenspartner. Er hat mir wahnsinnig häufig gesagt, schon beinahe täglich, dass ich sein Lieblingskind war. Ich werde seine letzten Worte zu mir niemals vergessen: "Ich bin stolz auf dich, Alan. Ändere dich nie." Ja, ich hab dich laut und deutlich verstanden, Daddy. Ich werd mich nie ändern. Auf gar keinen Fall.«
Zusammen mit Phil, Stu und Doug verlässt Sage die Beerdigung. »Wow, ein schwerer Tag«, seufzt Phil und greift nach der Hand von Sage. Er streichelt ihren Handrücken und Sage sieht zu ihm auf und schenkt ihm ein Lächeln.
»Ja. Wie geht es Tracy?«, fragt Stu seinen besten Freund. »Nicht so gut«, antwortet Doug. »Ihre Mutter ist fix und fertig. Und, als wäre das alles noch nicht genug, hat Alan offenbar vor sechs Monaten seine Medikamente abgesetzt.«
»Oh, Mann«, seufzt Stu fassungslos. »Ja, das ist nicht unbedingt schön«, sagt Doug nickend. »Und dann die Scheiße mit der Giraffe.«
»Ich fand das ziemlich lustig«, meint Phil, wofür er einen Schlag von Sage gegen den Oberarm bekommt. »Phil«, zischt sie.
»Komm schon, Babe. Er hat eine Giraffe gekillt.« Mit einem Lächeln sieht Phil seine Verlobte an. »Wen juckt das schon?«
Sage schüttelt fassungslos den Kopf. »Wisst ihr«, beginnt Stu, »ich wollte nichts sagen, aber Alan war in letzter Zeit oft bei mir in der Praxis.«
»Du verarscht mich. Wieso denn?«, fragt Doug nach. »Ich weiß es nicht«, sagt Stu und zuckt mit den Schultern. »Er sitzt einfach im Wartezimmer und blättert Kinderzeitschriften durch. Er löst ein paar Rätsel, soweit er es kann. Und dann geht er wieder.«
Dann deutet Phil auf etwas. »Seht euch das an.« Die vier sehen Alan, wie er im Grab seines Vaters steht und mit einer Schaufel die Erde wieder ins Loch hievt. »Herrgott, was soll nur aus ihm werden?«
»Ja, genau darüber wollte ich mit euch sprechen«, seufzt Doug und die drei sehen ihn fragend an. »Linda würde ihn gern zu einer Therapie überreden.«
»Zu einer Therapie?«, fragt Sage. »Wirklich? Ich glaube nicht, dass das, was bringt.«
»Ich finde, das ist eine Superidee«, meint Stu, der auf Sages Aussage hin den Kopf schüttelt. »Ja. Die Sache ist die: Sie ist absolut sicher, dass er sich niemals darauf einlässt, wenn wir alle nicht auch da sind«, meint Doug. »Ihr wisst ja, wie er ist.«
Phil schüttelt den Kopf. »Ach, ich weiß nicht. Das kommt mir ein bisschen extrem vor.«
»Oh, Gott. Seht ihn euch mal an«, seufzt Stu, als er zu dem Mann sieht, der mit einer Bierdose und Oberkörperfrei im Grab seines Vaters steht.
»Das Bild werde ich nie wieder vergessen können«, murrt Sage und verzieht angewidert das Gesicht. »Ok, Sage und ich machen mit. Wann geht es los?«, fragt Phil.
»Bitte?«, gibt seine Verlobte fragend wieder. »Seit wann sprichst du für uns beide?« Sie schaut ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Seitdem du mich zu einem Doppel-Date mit Stu und Lauren zwingst.« Siegessicher sieht Phil zu Sage runter.
Seufzend nickt sie. »Touché.« Phil lehnt sich zu ihr runter und drückt ihr einen Kuss auf die Lippen. »Daran werde ich mich nie gewöhnen«, seufzt Doug und verzieht das Gesicht.
»Ich find sie bezaubernd«, schmunzelt Stu. »Immerhin sind sie glücklich.«
»Hey, Mann«, sagt Doug und klopft Phil auf die Schulter, als er sieht, wie der Kuss sich intensiviert. »Hör auf meiner Schwester deine Zunge in den Hals zu stecken.«
Sage und Phil lösen sich voneinander und Sage verdreht auf die Aussage ihres Bruders hin die Augen. »Er steckt mir nicht nur die Zunge in den Hals.«
Sie und Phil klatschen sich lachend ab, während Doug angewidert den Kopf schüttelt. »Kaum zu glauben, dass ich das zugelassen habe.«
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»Also, wir haben heute mit Tracy gesprochen«, beginnt Lauren. »Sie meint, das Therapiezentrum, das sie gefunden haben, wäre sehr schön.«
»Es ist wunderschön. Ich habe es mir online angesehen. Hervorragender Ruf«, sagt Stu zustimmend.
Phil stellt sein Glas Wein ab. »Ist doch scheißegal. Das ist in Arizona. Wir sollen eine 2-Tagestour auf uns nehmen für diese Kacke?
»Phil«, seufzt Sage und nimmt einen Schluck von ihrem Wasser. »Ich meine, die Kohle sollten sie lieber für irgend so ein Fat-Camp ausgeben. Er muss dringend abnehmen. Dann wird er auch eine Frau finden. Das braucht er. Der Kerl ist allein.«
»Na, wenn er so allein ist, dann unternehmt doch mal öfter was mit ihm«, schlägt Lauren vor. »Nein, glaub mir, dass willst du nicht«, sagt Sage und schüttelt den Kopf.
»Sage hat recht. Das willst du wirklich absolut nicht«, sagt auch Stu. »Ach, kommt schon. Ganz so übel ist er nicht«, lächelt Lauren aufmunternd. »Was war das Schlimmste, das passiert ist? Das Tattoo?«
Stu fasst sich über die Narbe, wo vor zwei Jahren noch sein Mike Tyson Tattoo war. »Ja, das Tattoo war das Schlimmste. Oder?«, fragt er seine zwei besten Freunde.
Sage nickt. »Auf jeden Fall«, sagt sie zustimmend. »Das Tattoo war das Schlimmste. Ein Albtraum«, sagt auch Phil nickend. »Apropos, hast du dich untersuchen lassen?«, fragt er Stu.
»Wie bitte?«, fragt er und kann nicht glauben, dass Phil das anspricht. Sage versteckt ihr Grinsen hinter ihrem Glas. »Du weißt, wegen der Tinte«, meint Phil. Die beiden kommunizieren stumm über ihre Augen. »Die in dir drin war.«
»Alles bestens«, sagt Stu schließlich.
Der Abend vergeht ab dahin ruhig weiter, bis sich Sage und Phil von Stu und Lauren verabschieden und ins Auto steigen, was vorgefahren wird und nach Hause fahren.
Die Nacht ist still, als Sage und Phil durch die Haustür treten. Das leise Klicken der Tür, als sie sie hinter sich schließen, verstärkt die plötzliche Stille, die sich über sie legt.
Phil wirft seinen Mantel über den Stuhl in der Ecke des Flurs, während Sage stumm neben ihm hergeht, die Tasche locker über der Schulter.
»Möchtest du noch etwas trinken?«, fragt Sage, ihre Stimme ist leise, müde, als sie in die Küche tritt.
Phil schüttelt leicht den Kopf. »Nein, danke«, murmelt er und folgt ihr. Seine Augen ruhen auf ihr, jeder Schritt, jede Bewegung von ihr wirkt vertraut und doch anders, intensiver als je zuvor.
Sage stellt ihre Tasche auf die Küchenzeile und dreht sich zu ihm um. Ihre Augen treffen sich, und für einen Moment scheint die Luft um sie herum dichter zu werden.
»Phil ...«, beginnt sie, doch ihre Stimme verebbt, als er einen Schritt auf sie zutritt. Sie sieht das Verlangen und die unzähligen unausgesprochenen Worte in seinen Augen, aber sie sagt nichts.
Stattdessen legt sie sanft eine Hand auf seine Brust, spürt, wie sein Herz unter ihrer Berührung schneller schlägt. »Sage«, flüstert er, seine Stimme ist rau vor Emotionen.
In diesem Moment zählt nur die Nähe, das unausgesprochene Verlangen, das in der Luft zwischen ihnen hängt.
Ohne weitere Worte zu verlieren, tritt Phil noch einen Schritt näher und hebt seine Hand, legt sie zärtlich an ihre Wange.
Sage spürt die Wärme seiner Haut, den sanften Druck seiner Finger, und ihre Augen schließen sich wie von selbst. Der vertraute Geruch von ihm umhüllt sie, und ihr Herz schlägt schneller.
Bevor sie weiß, was sie tut, lehnt sie sich in seine Berührung, ihre Stirn berührt seine Brust. Sie spürt, wie seine Hand sich durch ihr Haar bewegt, wie seine Finger sanft an ihrem Nacken ruhen.
Dann, ganz vorsichtig, neigt er seinen Kopf, seine Lippen suchen die ihren.
Sages Hände gleiten an Phils Brust entlang, finden ihren Weg zu seinem Nacken, ziehen ihn näher zu sich.
Phil zieht sie enger an sich, als könne er sie nie wieder loslassen. Die Wärme ihres Körpers gegen seinen, die Weichheit ihrer Lippen, all das fühlt sich so richtig an.
Ihre Küsse werden intensiver, leidenschaftlicher.
Sage spürt, wie Phils Hände sich an ihre Hüften legen, sie sanft gegen die Küchenzeile drängen, doch es ist kein Zwang – es ist ein Verlangen, das beide teilen.
Ihre Finger finden den Weg unter sein Hemd, spüren die Wärme seiner Haut, das Pochen seines Pulses unter ihrer Berührung.
»Phil ...«, flüstert sie zwischen den Küssen, kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Doch sie braucht keine Worte.
Alles, was sie sagen will, war bereits in ihren Bewegungen, in ihrem Atem, in den schnellen Schlägen ihres Herzens.
»Ich bin hier«, flüstert er zurück, seine Lippen finden ihren Weg zu ihrem Hals, wo er sanfte, verlangende Küsse hinterlässt.
Sage schließt die Augen, lässt sich fallen, verliert sich in ihm, immer wieder aufs Neue.
Sie weiß nicht, wie lange sie so dastehen, eng umschlungen, als gäbe es nichts außerhalb dieses Moments.
Als Phil sie schließlich sanft hochhebt und in Richtung ihres Schlafzimmers trägt, ist es, als ob alles andere verschwommen ist. Nichts zählt außer ihnen.
Am nächsten Tag holt Stu Sage und Phil um 11:00 Uhr ab und sie treffen sich im Haus der Garners, wo sie eine Lagebesprechung halten, bevor Alan wiederkommt.
»Vielen Dank noch mal, dass ihr gekommen seid«, bedankt sich Linda, die Phil, Stu und Sage ins Wohnzimmer bringt. »Das ist Nico. Nico ist ein guter Freund von Alan.«
»Was geht ab, Bro?«, begrüßt er die drei mit einem Lächeln. »Und das ist Blanca. Blanca war schon bei uns, da war Alan noch ein Baby«, stellt Linda die Hausfrau vor. »Und das ist Timothy. Timothy wohnt direkt gegenüber. Er und Alan gehen zusammen schwimmen.«
Unsicher schaut Sage ihren Verlobten an, der den Blick erwidert. »Setzt euch doch«, sagt Doug, der neben Sage tritt und sie in seine Arme zieht. »Es ist schön dich zu sehen«, begrüßt er sie.
Sage nickt und setzt sich zusammen mit Phil auf die Couch. »Tracy ist mit Alan schon auf dem Heimweg«, informiert Doug die anderen. »Er hat natürlich keine Ahnung, was ihn erwartet. Ist gut möglich, dass er etwas lauter wird. Aber vollkommen egal, was passiert, vergesst nicht, es geht einzig und allein darum, dass Alan wieder gesund wird.«
Da öffnet sich die Haustür und die Garner-Geschwister betreten das Haus. »Mutter, Schoko-Eiscreme! Sofort!«, ruft der Ältere, als er das Haus betritt. Dann bleibt er aber stehen als er seine Freunde und Familie im Wohnzimmer sitzen sieht. »Whoa. Hallo, zusammen.«
»Hey!«, begrüßt Phil den Mann. »Hey, Timothy. Ein bisschen kalt zum Schwimmen, oder?«, fragt Alan den Jungen.
»Oh, wow!«, sagt Sage und spielt getäuschtes Interesse vor. »Du bist heute zum Pier rausgefahren. Wie war's denn?«
»Es war echt toll«, antwortet Tracy ihr und lächelt ihren Bruder an. »Ja«, sagt Alan verdattert. »Ich habe 45 Minuten Büchsenwerfen gemacht. Ein ziemlich krasses Workout. Was ist denn los?«
Doug räuspert sich und deutet auf den freien Platz zwischen Phil und Stu. »Äh, setz dich erst mal hin, Kumpel. Wir wollen uns kurz mit dir unterhalten.«
Alan nickt und als er Sage sieht, wird er rot im Gesicht. »Hey, Sage«, begrüßt er sie schüchtern. »Alan«, nickt sie kurz angebunden.
Sie rutscht etwas weiter auf der Couch herum, macht für Phil Platz, damit Alan sich zwischen Stu und ihn setzen kann.
»Also, Alan«, beginnt Doug, als er sich ebenfalls hinsetzt, »wir sind alle hier, weil wir dir was über einen super tollen Ort erzählen wollen, das New Horizons.«
»Das klingt wirklich super«, sagt Alan. »Alan«, mischt sich Tracy ein und sieht ihren Bruder traurig an, »das ist eine Intervention.«
»Eine was?«, fragt er verwundert nach. Tracy sieht zu ihrer Mutter. »Mom.«
Linda greift nach einem Brief, den sie verfasst hat. »Alan. "Ich liebe dich unheimlich. Das tun wir alle. Aber wir sollten endlich aufhören, uns anzulügen. Seit du ein kleines Baby warst, wollte ich immer nur ..."
»Oh, mein Gott«, unterbricht Alan seine Mutter. »Schläft außer mir hier sonst noch jemand ein?«
»Alan, hör zu«, beginnt Doug. »Nichts für ungut, Mom, aber du bist langweilig«, übergeht Alan seinen Schwager.
»Mr. Alan«, beginnt Blanca. "Ich räume seit über 30 Jahren hinter Ihnen auf. Ich putze Ihr Zimmer, ich sehe Dinge, die kein Mensch jemals sehen sollte. Aber ich bete für Sie, Mr. Alan. Jeder der ..."
Alan wirft sein Getränk um. »Hey«, sagt Sage und schüttelt den Kopf. »Das sollte jemand aufwischen«, erwidert Alan bloß. »Alan!«, sagt seine Mutter fassungslos.
»Alan! Dir geht geht es nicht gut«, sagt Stu. »Du nimmst deine Medikamente nicht und du beunruhigst offensichtlich deine Familie.«
»Das ist Blödsinn!«, winkt Alan ab. »Alan«, meint Doug, »wenn du Ja dazu sagst, fahren wir dich heute noch da hin, und ich verspreche dir, du kommst verändert zurück.«
»Wer ist "wir"? Was meinst du mit "wir"? Wer ist "wir"?«, fragt Alan verwirrt. »Wir«, sagt Doug und deutet nacheinander auf das Wolfsrudel. »Das ... Wir alle. Stu, Phil, Sage ich und du.«
Abwechselnd sieht Alan seine Freunde an, die zustimmend nicken. Sein Blick bleibt bei Phil heften, ehe er zu Sage wandert. »Du auch, Sage?«
Sage nickt und legt ihm eine Hand auf den Arm. »Natürlich, Alan. Wir sind eine Familie. Du bist mein Bruder.«
Dann gibt Alan plötzlich einen langanhaltenden schluchz Ton von sich und Sage zieht ihre Hand zurück. Stu tätschelt seinen Rücken und auch die anderen scheinen ein wenig unbeholfen zu sein.
Na, das kann ja was werden.
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