22. nicht riskieren sie zu verlieren
DIE LICHTUNG ⸺ Es hatten sich mittlerweile dunkle Wolken am Himmel über dem Labyrinth gebildet und als Allison nach oben schaute, wurde der Wind augenblicklich stärker, sodass ihr einige Haarsträhnen ins Gesicht fielen, trotz ihrem Dutt, der jetzt mehr oder weniger unordentlich aussah. Auf dem Weg zu ihrem Bruder waren die Wolken immer dichter geworden und verschlangen jeden hellen Strahl der Sonne, die sonst die Lichtung so farbenfroh wirken ließ.
Es war dunkel und kalt. Eine Gänsehaut breitete sich auf ihrem Körper aus, als sie den Wind an ihren nackten Körperstellen spürte. Ein mumliges Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit, als sie nun bei Thomas, Newt, Chuck und Zart angekommen war. »Ist alles okay? Machst du dir immernoch Sorgen um Em?«, wollte der Brünette wissen und blickte sie besorgt an, hatte offenbar nichts von dem mitbekommen, was vorhin bei den Baumeistern passiert war. Und die ehemalige angehende Ärztin wusste auch nicht, ob sie mit ihm darüber reden konnte.
Er war zwar ihr Bruder, aber Emma hatte eben eine andere Sicht auf die Dinge. Sie winkte daher mit einem »Alles bestens« ab, um ein Gespräch mit ihm zu vermeiden. Ehrlich gesagt hatte sie auch keinen Nerv dafür alles nocheinmal auf zu wühlen. Trotz allem schien er zu merken, dass bei ihr irgendwas war, was ausgesprochen werden musste, nickte daher verstehend auf ihre gesagten Worte.
Letztendlich fing es auch an zu regnen und bewässerte die Gärten, sowie die grün bewachsene Grasfläche. Die Lichter müssten widerwillig ihre Arbeit niederlegen und sich irgendwo unterstellen. Die meisten zogen sich im Gehöft zurück und hofften, das der Regen bald aufhörte. So auch die Brünette und die vier Jungs.
Doch das komplette Gegenteil geschah. Die Regentropfen wurden nicht weniger. Allison hatte ihren Blick fest auf den Eingang des Labyrinths fixiert, hatte immernoch das druckende Gefühl in ihrem Magen. In der Zwischenzeit machte sie sich nun auch langsam Sorgen. Der Asiate, Alby und ihre Schwester hätten schon längst wieder zurück auf der Lichtung sein müssen.
Ich will sie nicht verlieren, dachte sie sich und atmete zittrig aus, ehe sie zwei große Hände auf ihren Schultern spürte. Thomas hatte sich hinter seine Schwester gestellt, worauf die Brünette ihren Oberkörper gegen seinen lehnte und er anschließend seine Arme schützend vor ihrer Brust miteinander verschränkte. »Sie hätten schon längst wieder hier sein müssen«, sprach er die Gedanken aller Lichter aus, während die Sani zärtlich mit ihren Fingern über seinen rechten Arm strich.
»Sie werden es schaffen«, antwortete Newt mit einem ruhigen Ton, schien an solche Situationen gewohnt zu sein oder versuchte sich sein Inneres Chaos nicht anmerken zu lassen, dass in ihm wie ein Tornado wütete und schaute ebenfalls aufmerksam zu dem geöffneten Tor. »Aber was passiert wenn nicht?«, kam es von dem Frischling leise, jedoch laut genug, dass Allison es hören konnte. Sie wollte nicht daran denken, was passieren würde, wenn ... Sie mussten es einfach schaffen. Alle.
Ihr Blick gleitet hinüber zu Gally, der abseits von seinen Baumeisterkollegen stand und schaute wie die anderen Lichter auch zum Eingang hinüber. Thalia schien auch besorgt zu sein, da sie nervös auf und ab ging. Den Blick stur auf das Tor gerichtet. Jeder hier war angespannt und versuchten positiv zu denken, obwohl die momentane Situation komplett anders aussah. Ihre Frisur war inzwischen so durcheinander, dass sie sich dazu entschieden hatte ihren Dutt auf zumachen.
Die hohen Betontore würden sich bald schließen und dann war die Chance für die drei zu überleben noch einiges geringer. Glücklicherweise hatte es doch irgendwann aufgehört zu regnen und die Wolken verflogen langsam, sodass die Gruppe von Lichtern sich vor dem Labyrinth nun versammeln konnten und eine bessere Sicht hatten. Es war jedoch niemand zu sehen. Kein Alby. Kein Minho. Und keine Emma.
»Komm schon, Leute. Kann nicht einer reingehen und sie suchen«, brach Thomas die Stille, welcher weiter vorne neben dem stellvertretenden Anführer und seiner Schwester stand, die ihre Hand mit Thalia fest verschränkt hatte. »Das ist gegen die Regel«, ertönte die Stimme von Gally, welcher neben Thalia hockte und neutral ins Labyrinth schaute. »Entweder schaffen sie es. Oder nicht«, fügte er noch hinzu. Und egal, wie sehr seine Zimmernachbarin ihn auch dafür hätte ins Gesicht schlagen können. Er hatte Recht.
Die Chance bestand, dass sie es rechtzeitig schaffen würden, bevor die Tore sich schließen oder nicht und verbrachten die Nacht im Inneren des Labyrinths. Zu allem Überfluss begann sich bereits die Tore in Bewegung zu setzen und der Magen von der Brünetten drehte sich einmal komplett um. Ich konnte es nicht riskieren sie zu verlieren. Nicht meine kleine Rose, dachte sie sich und drückte die Hand ihrer Freundin etwas stärker.
»Da!«, meinte plötzlich das rothaarige Mädchen und deutete auf drei kleine Gestalten im Labyrinth, die immer größer wurden. Es waren der Anführer, Minho und Emma. »Irgendwas stimmt nicht«, murmelte Newt und jetzt wo er es angesprochen hatte, fiel es auch der Sani auf. Der Asiate war für sein Tempo zu langsam und auch das Braunhaarige Mädchen war nicht besonders schnell, sondern waren eher darauf konzentriert Alby zu stützen. Die ersten fingen bereits am ihre Namen zu rufen, als Ansporn und Motivation sich zu beeilen. Immer und immer wieder.
Doch Allison hörte nichts von dem, hatte jedes Geräusch ausgeblendet und fühlte sich wie betäubt. »Sie schaffen es nicht«, flüsterte Thalia den Tränen nahe und hatte die Hoffnung aufgegeben, dass sie noch bevor die Tore sich schließen die Lichtung erreichten. Und dann war es als würde für die ehemalige angehende Ärztin die Zeit still stehen, als sie im Augenwinkel erkannte, dass Thomas an ihr vorbei direkt ins Labyrinth lief und sich an den Betonmauern vorbei quetschte.
Der stellvertretendene Anführer versuchten ihn noch festzuhalten an seinem Ärmel, doch er schaffte es nicht ihn rechtzeitig zu greifen. Seine Schwester stand einfach nur da und sah dabei zu, wie die Tore mit einem lauten Knall nun geschlossen waren, welcher sie zurück in die Realität holte. Sie versuchte zu realisieren, was sich eben vor ihren Augen abgespielt hatte. Doch sie konnte es nicht. Ihre Hand löste sich automatisch von der ihrer Freundin, die sofort aufmerksam auf das Mädchen neben sich wurde. »Alli?«, fragte sie und konnte gar nicht richtig reagieren.
Die Tränen liefen unkontrolliert über die Wangen der Brünetten, als sie zu Boden sank und ein schmerzhafter Schrei ihren Lippen verließ. Sie kniff ihre Augen zusammen und senkte den Kopf zum Sandboden, schlug mit einer Hand kräftig gegen diesen. Die Köchin kniete sich neben ihr hin und nahm sie in den Arm, während sie stillschweigend zu den Betontoren starrte. Sie teilten den gleichen tiefgehenden Schmerz.
⸺❀⸺
Allison wusste nicht, wie lange sie nun vor dem Eingang des Labyrinths saß und einfach weinte. Während die meisten schon gegangen waren, war Thalia die ganze Zeit über an ihrer Seite geblieben und hielt sie stumm fest umschlungen mit ihren Armen. Auch Pfanne war zurückgegangen, um den Lichter trotz allem noch ein Abendessen zu zaubern. Nur noch Newt, Gally, Noah und selbst Jackson standen vor den hohen Betonmauern, hatten ihren Blick auf die beiden Mädchen gerichtet, welche am ganzen Körper zitterten.
»Lia, Alli. Ihr solltet auch langsam etwas essen«. Newt war der erste, welcher seine Stimme erhob und die unangenehme Stille durchbrach, bekam ein nicken von dem rothaarigen Mädchen. Doch von ihrer Freundin kam keine Reaktion. Sie saß einfach nur auf dem Boden und schaute die Mauern an, während stumm die Tränen weiter über ihre nassen Wangen liefen. Mit gesenktem Kopf stand Thalia auf und schaute nochmal zu Allison hinunter, konnte sie verstehen und würde sie auch keineswegs dazu zwingen etwas zu essen.
Die Köchin bückte sich kurz zu ihr, um ihr einen leichten Kuss auf den Haaransatz zu geben und ließ sie alleine, ehe sie zusammen mit dem Blondschopf und Jackson zur Küche hinüber gingen. Das Mädchen musste Gally am Arm mit sich ziehen, weil er sein Mädchen nicht alleine lassen wollte. Aber nach dem Klonk, den er verbockt hatte, sollte er sie lieber erstmal in Ruhe lassen.
Noah war immerhin noch bei ihr zur Sicherheit, da er keinen Hunger hatte. Er nahm neben ihr im Schneidersitz auf dem Sandboden platz und legte vorsichtig einen Arm um sie, zog sie ein kleines bisschen näher an seinen Körper heran, damit sie nicht erfror. Allison legte ihren Kopf auf seine Schulter und hielt angestrengt ihre Augen auf, die mittlerweile ziemlich vom weinen weh taten.
»Wenn du schon nichts essen magst, dann solltest du wenigstens schlafen gehen«, murmelte er und schaute zu ihr, musste schmunzeln bei dem Anblick. »Ich kann nicht, Noah. Meine Geschwister sind im Labyrinth gefangen und rennen um ihr verdammtes Leben«, erwiderte sie mit schwacher Stimme und blickte zu ihm hoch, erkannte ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen. Seine freie Hand legte zärtlich an ihre Wange, während die andere über ihren Oberarm streichelte. »Du bist aber nicht alleine. Du hast Thalia, Newt ... und mich«, hauchte er und bevor sein Blick zu ihrem Mund glitt.
»Was machst du?«, fragte sie, als er sich langsam zu ihr beugte, letztendlich den letzten Abstand über brückte und sie küsste. Überfordert hielt sie den Atem an und entfernte sich zügig von dem Baumeister, der kurz darauf von jemandem auf die Beine gezogen wurde. »Lass verdammt nochmal deine Hände von ihr, du Strunk. Sie ist meine Freundin«, knurrte eine ganz bestimmte Stimme, welche die Brünette sofort identifizieren konnte.
Sie stand zögernd auf, nachdem der Hüter der Baumeister seinen Arbeitskollegen gegen die Betonmauer drückte. »Gally, nicht«, sagte sie und schloss ihre Hand um seine eigene, die um einiges größer war. Sie hatte keine Kraft für weitere Aufregungen. Davon hatte sie heute definitiv schon genug. Sie wollte nur noch ins gemütlich Bett und versuchen zu schlafen.
Widerwillig ließ der Dunkelblonde Junge von Noah ab und bemerkte, wie schwach die Brünette eigentlich vom vielen weinen war. Kurzerhand nahm er sie im Brautstyle hoch und trug sie zu ihrer gemeinsamen Hütte. Müde kuschelte sie sich an seine breite Brust und schaute hinauf in den wunderschönen Sternenhimmel. Emma hätte ihr jetzt einiges über die verschiedenen Sternenbilder erzählt und mit einem schwachen Lächeln auf ihren Lippen, war sie auch schon in seinen Armen eingeschlafen.
Amüsiert darüber, legte er sie auf die weiche Matratze und murmelte sie noch in die dünne Stoffdecke ein, bevor er neben ihr platz nahm und unter seinem Gewicht knarrte das Holzbett ein bisschen. Sanft fuhr er mit seinen Fingern durch ihr offenes Haar und sah sie so verträumt an, wie es nur ein Verliebter machte. Er würde wach bleiben und auf sie achtgeben ...
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