𝟰𝟭 | Geheimnistuerei
umgangssprachlich abwertend
Substantiv, f.
geheimnisvolles Getue
「✿」
Die Sonne knallte auf sie nieder und ließ Taeil verzweifelt darauf hoffen, dass die Zeiger von Doyoungs schwarzer Armbanduhr sich schneller bewegten, damit dieser Schultag endlich vorüber war.
Die Mittagspause nutzte Taeil für die Hausaufgabe, die sie in Biologie aufbekommen hatten, statt zu essen, auch wenn er Hunger hatte. Gute Frage, falls man jetzt wissen wollte, warum er nicht wie jeder normale Mensch Nahrung zu sich nahm: Er hatte sein Geld fürs Mittagessen vergessen und verhungerte demnach in die Stille hinein, umgeben von dem köstlichen Duft von Sesamöl und Sojasauce, der gerade aus der kleinen Papiertüte in Yutas Hand strömte.
Verdammt, er wollte sich kein Geld leihen und schon gar nicht Yuta mit seinen Bedürfnissen belasten, konnte sich aber nicht davon abhalten, hin und wieder sehnsüchtig einen Blick zum Japaner zu werfen, nur um zu sehen, wie dieser an einem Reisbällchen knabberte, während er seine Eindrücke von der kuriosen Chemie-Refrendarin in der Vetretungsstunde schilderte.
Irgendwann schien er, Taeils offensichtliche Lust auf Essen zu bemerken, und fragte: » Willst du was? « Dabei deutete er mit dem Reisbällchen auf Taeils Mund.
» Nein, danke «, antwortete er, woraufhin Yuta die Augen verdrehte und es ihm direkt vor die Lippen hielt. » Yuta, lass gut ─ «
Der Angesprochene schien sich mal so ganz und gar nicht für Taeils Meinung zu interessieren, also drückte er ihm das Teil einfach in den Mund.
» Iss jetzt «, befahl er, was Taeil dazu brachte, nachzugeben und zu gehorchen, auch wenn er sich zunächst aus Prinzip geweigert hatte. Aber Yutas Wunsch war ihm Befehl. Nein warte, es war doch ein Befehl gewesen. Yutas Befehl war ihm ein Wunsch. So passte es besser. Nein, warte ─ » Du mampfst. Wie ein Kind. «
Taeil warf ihm einen finsteren Blick zu, ließ sich allerdings gerne weiter von Yuta füttern, was von Doyoung mit verwunderter Miene beobachtet wurde. (› Verwundert ‹ war übrigens eine Beschönigung, seine Miene war eindeutig irritiert, wenn nicht sogar angewidert.)
» Jetzt hast du alles verdrückt «, stellte er fest, kurz darauf formten seine Lippen eine enttäuschte, gerade Linie.
» Sorry «, erwiderte Taeil ─ beinahe reuevoll.
» Meine Mutter hat die selbst gemacht. «
» Dich hat sie auch selbst gemacht. Und das Ergebnis ... nah. «
» Aua «, machte Yuta und fasste sich ans Herz, als hätte jemand dort eine Schusspatrone versenkt. » Mein Herz «, ächzte er mit der Stimme einer schwächlichen, im Sterben liegenden Seniorin. » Du bist so böse. «
» Ich mache es wieder gut, versprochen «, behauptete er und wollte sich wieder zurücklehnen, doch Yuta hielt ihn mit einem eifrigen » Warte, Blödmann « auf. Schon kurz darauf lag sein Daumen an Taeils Mundwinkel und wischte ein übriggebliebenes Reiskorn beiseite, welches Yuta sich kommentarlos zwischen die eigenen Lippen schob.
Sofort wich Taeil beschämt zurück und schüttelte den Kopf. » Lass das ... « Idiot! Idiot! Yuta war ein Idiot! Und warum lächelte er jetzt? Idiot! Idiot!
Doyoung konnte die Szene nicht mehr mitansehen und fragte: » Alter, was ist los mit euch? «
Taeil wandte den Blick überrascht zu ihm. » Wie bitte? «
Angestrengt legte er beide Hände an seine Stirn und schloss die Augen. » Irgendwas stimmt mit euch doch nicht, meine Güte. «
Hastig stand Yuta auf und wuschelte Taeil durch die Haare. » Der Chef übernimmt das Erklären, ich habe jetzt NaWi «, log er und schnappte sich seinen Kram.
» Ich dachte, du hättest jetzt eine Freistunde ─ «
» Habe ich Freistunde gesagt? «, er sah auf die Uhr, die er offensichtlich nicht trug. » Ach, schon so spät? Ich muss los. «
» Nakamoto Yuta! «, rief Taeil, allerdings ließ der Idiot ihn liebend gerne mit einem schelmischen Grinsen zurück, das so etwas sagte wie › Sorry, das ist jetzt dein Problem, Chef ‹ oder › Ich hab's dir doch gesagt ‹ und jetzt wollte Taeil ihm hinterherrennen und eine Ohrfeige verpassen, aber waren wir mal ehrlich, Yuta würde ihn innerhalb von zwei Sekunden außer Gefecht setzen und damit wäre das Ganze auch beendet.
» War wirklich nichts an deinem Geburtstag los? «, stellte Doyoung infrage, wobei sich Mark nicht für das Gespräch zu interessieren schien. Sein Blick lag irgendwo am anderen Ende der Mensa, dabei zierte ein kleines Schmunzeln seine Lippen.
» Natürlich nicht! «
» Ihr seid so vertraut in letzter Zeit «, betonte Doyoung nachdenklich, doch seine wissende Miene drückte aus, dass er bereits eine Ahnung hatte.
» Ach, das e-eben «, murmelte er etwas panisch und kratzte sich ein wenig bedeppert am Hinterkopf, als ihm klar wurde, dass sie beide eventuell etwas schlecht darin waren, zu verbergen, dass sie einander sehr mochten. » Wir sind halt ... gut befreundet. «
» Sicher? «
» J-Ja, sicher! Hey, wenn wir gerade beim Thema zwischenmenschliche Beziehungen sind: Mark, wie läuft's eigentlich mit Seungwan? «, lenkte er schnell ab.
» S-Seungwan? «, stammelte er überfordert, als hätte man ihn gerade mitten aus seiner eigenen Welt gerissen. » Ähm ... also ... Wir sind diesen Freitag ─ äh, Samstag im Kino verabredet. « Immer noch etwas abwesend malte er mit seinen Fingerspitzen imaginäre Bilder auf die Tischplatte. » Ich glaube, sie mag mich ... ein bisschen ... Ich weiß nicht ... «
» Red ruhig weiter «, bat er, sobald Mark innehielt, weil er irgendwie spürte, dass Doyoung wahrscheinlich wieder nachhaken würde, wenn es zu einer weiteren Stille käme. » So lange, wie du willst. «
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» Wir fliegen auf, Yuta «, stellte Taeil panisch fest und rüttelte vehement am Arm des Angesprochenen, der nur (völlig gewöhnt an seine Ängste) die Augen verdrehte.
» Dann sei nicht so auffällig. «
» Kann ich nicht «, beteuerte Taeil und klammerte sich noch verzweifelter an Yutas Shirt.
» Lüg doch einfach. «
» Ich kann nicht lügen! Ich bin schlecht im Lügen! «, erklärte er weiter seine Krise, dabei versuchte Yuta vergeblich, sich aus seinem festen Griff zu lösen.
» Dann lern es. «
» Wie lernt man denn bitte lügen? «
» Jahrelange Übung «, antwortete Yuta Schultern zuckend, während er die schwere Glastür, gegen die sich Taeil immer mit dem ganzen Körper lehnen musste, mit gerade mal einer Hand aufdrückte, bevor er sich mit dem Kleineren auf den Campus begab.
» Also du kannst einfach so lügen? Jederzeit? «, entgegnete er verwirrt und dachte nun an bestimmte Momente ihrer Freundschaft, die plötzlich etwas intransparent wurden.
» Ich lüge ständig. Jeden Tag bestimmt einmal. Oder zwei-, dreimal? Keine Ahnung. Aber ich lüge sehr viel. « Er überlegte einen Moment. » Übers Aussehen. Über Gefühle. Ob ich jemanden mag. «
Taeil sah nun etwas entsetzt zu ihm auf. » Hast du in dieser Debatte eine Milliarde Won gegen dich gesetzt? Jetzt mal ernsthaft. «
» Oh, jetzt kommt das doch etwas missverständlich rüber «, meinte er betroffen, steuerte allerdings noch immer unbekümmert den Busbahnhof an. Schon kurz darauf umfasste er die Stange einer Straßenlaterne und verlagerte sein Gewicht nach außen, sodass er eine 180-Grad-Drehung vollführen konnte und plötzlich vor Taeil stand. » Aber dich lüge ich nicht an. « Das freche Grinsen auf seinen Lippen ließ ihn nicht sonderlich ernst erscheinen. » Wirklich nicht. «
» Woher weiß ich, dass das keine Lüge ist? «
Jetzt lehnte Yuta sich weiter vor, weshalb Taeil schnell etwas zurücktrat. » Das weißt du nicht. «
» Wenn du mich provozieren willst ─ «
» Genau das will ich, Moon Taeil «, fiel er ihm ins Wort und hob eine Augenbraue. » Provozieren ist es nur dann, wenn du dich provozieren lässt. Cool, nicht wahr? «, rezitierte er Taeils Worte zu dem Thema. » Willst du nicht mal was Schlaues tun? «
Taeil schüttelte den Kopf (wie diese Opas, wenn sie so was sagten wie » Die Jugend von heute « oder so etwas in der Art). » Und mit so was gebe ich mich ab? «
» Abgeben wäre gut «, meinte Yuta und bewegte sich von dem Laternenpfahl weg, sodass er sich Taeil wieder annähern konnte. » Du fährst voll auf mich ab. «
» Träum weiter. «
Mit kompletten Selbstvertrauen beugte er sich zu ihm herunter und flüsterte: » Verdammt, ich würde dich jetzt so gern küssen. Vor all diesen Leuten. «
Wie automatisch zuckte der Ältere zurück und umfasste angestrengt die Riemen seines Rucksacks. » Idiot. «
» Damit sie wissen, dass du mir gehörst. «
» Niemandem gehört irgendwas. «
» Bist du Kommunist oder was? «
» Verzieh dich. «
Yuta verzichtete auf den Kuss und beließ es bei einem simplen Zwinkern, danach ließ er den verlegenen Jungen rücksichtslos stehen.
Flugzeuge tobten in Taeils Bauch. (Hoffentlich keine kommunistischen.)
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