𝟯𝟲 | Provokation
bildungssprachlich
Substantiv, f.
Herausforderung, durch die jemand zu [unbedachten] Handlungen veranlasst wird oder werden soll
「✿」
Taeil wusste nicht, ob er jemals so aufgeregt gewesen war. Ob es Yuta genauso ging? Das wusste er nicht. Aber er schien, mit Taeil Spaß zu haben, und das war am wichtigsten, nicht? Bestimmt hätte Taeil hier auch einziehen können; er hätte nichts dagegen gehabt, noch eine Weile Yutas Hand zu halten und mit ihm eine Attraktion nach der anderen zu besuchen ─ schrecklich, es war bereits kurz nach sechs. Warum hatte ein Tag nur 24 Stunden?
Bevor sie den Park also verlassen wollten, hatte Yuta sich eine große Portion Zuckerwatte geholt, doch natürlich bemerkte er Taeils hungrigen Blick schnell und fragte: » Warum sagst du, du möchtest nichts, starrst mich dann aber an, als würdest du mich gleich auffressen? «
Vielleicht lag es daran, dass Yuta nicht nur den Eintritt, sondern auch ihr Essen bezahlt hatte und es Taeil immer noch ein Rätsel war, wie er sich das ohne weiteres leisten konnte?
» Ich will nichts, danke «, log er und sah schnell wieder zu Boden, woraufhin der Größere entnervt die Augen verdrehte, ein Stück davon abriss und es Taeil in den Mund stopfte, der verwirrt zurückzuckte, es jedoch ergeben schluckte. Wann hatte er das letzte Mal Zuckerwatte gegessen? Das musste schon ewig her sein. Eigentlich ist es ja nur Zucker, dachte er, allerdings hätte er Yuta gerne noch etwas davon geklaut.
» Du bist ein beschissener Lügner, weißt du das? «, seufzte er und lachte, als Taeil sich verlegen am Kopf kratzte und ein kleinlautes » Ich weiß « murmelte.
» Warum ─ «, begann er seine Frage, doch der verdächtige Klingelton aus Taeils Rucksack ließ sie beide kurz verwirrt aufhorchen. Eomma, schoss es ihm sofort durch den Kopf, weshalb sein erster Gedanke war, schnell dranzugehen, die Situation zu erklären und Anschiss zu kriegen, jedoch hielt er dann kurz inne. Einmal gegen ein paar Regeln verstoßen. Kopflos schnappte er sich seine Tasche, in die er blind seine Hand schob, um das Gerät stumm zu schalten. Irgendwie ein beruhigendes Gefühl.
» Willst du nicht rangehen, Hyung? «
» War nichts Wichtiges. «
Yuta nickte wortlos und schob dem Älteren ein weiteres Stück Zuckerwatte zwischen die Lippen, womit er Taeil schnell wieder zum Lächeln brachte. » Wenn es deine Eomma war, dann kannst du ihr sagen, dass ich dich zumindest gut füttere. «
» Idiot «, nuschelte er, parallel dazu spürte er, wie ihm der Zucker schon nach zwei Sekunden auf der Zunge zerging. » Du behandelst mich wie ein Kind. «
» Du bist ja auch keine 1,30 groß. «
» Danke «, erwiderte Taeil, denn nach so vielen Witzen über seine nicht gerade beachtliche Größe hatte er sich fast daran gewöhnt, dass sich Yuta ständig darüber lustig machte.
Langsam ließ er sein Sichtfeld durch den Park schweifen und schwelgte verträumt in Erinnerungen. Nie hätte er erwartet, dass er seinen Tag so schön verbringen würde ─ und vor allem nicht mit Yuta. Nun sah er wieder zu Besagtem auf, dessen Blick gerade am großen Brunnen vor dem Hauptausgang hängengeblieben war. Taeil folgte ihm unwillkürlich und besah ebenfalls das antike Konstrukt. Das Wasser war vielleicht 30 Zentimeter tief und aus kleinen Fontänen spritzte in hoher Geschwindigkeit noch mehr hinein. Der Geruch von Chlor lag in der Luft, aber es störte nicht sonderlich.
Plötzlich blieb Yuta stehen, zerrte an Taeils Oberteil und bemerkte: » Wir haben gar keine Fotos gemacht. «
Etwas überrascht sah er zu Yuta auf. » Naja, ich bin auch nicht sonderlich fotogen. «
» Das hat nichts mit fotogen zu tun, Dummkopf «, behauptete er und zog sein Handy aus der Tasche. » Für dein Gesicht interessiert sich eh niemand. « (Das war übrigens aufmunternd gemeint.) » Es geht nur darum, die Erinnerung festzuhalten. «
» Ich will mich aber nicht an dich erinnern. «
» Blödmann «, murmelte er und stieß Taeil kichernd nach vorne. » Stell dich vor den Brunnen, ich mache ein paar Bilder. «
» Nein, Yuta! «, protestierte er und drehte sich mit einem recht bemitleidenswerten Blick um, den der Angesprochene sogleich mit einem Schnappschuss einfing. Ein kleines Lächeln zierte seine Lippen, während er das Kunstwerk betrachtete, danach meinte er » Guck, wie süß du aussiehst! « und präsentierte es Taeil freudig. » Als hätte ich dir dein Spielzeug weggenommen. «
Jetzt, wo Taeil es sah, musste er irgendwie auch schmunzeln. » Du bist so gemein. «
» Auf! «, befahl er und wedelte mit einer Hand in Richtung des Brunnens, damit ihm Taeil seinen bescheidenen Wunsch erfüllte. Etwas verschüchtert setzte er seinen Rucksack ab, danach trat er gut zwei Meter vor und stellte sich vor das Teil, bevor er sich etwas hilflos umwandte und sich um ein Lächeln zu bemühte. Das ist schwieriger als etwartet. Taeil mochte es nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Das hat er nie gemocht und jetzt gefiel es ihm auch nicht. » Du siehst aus, als würde man dich gleich exekutieren. «
» Ich sage doch, ich bin nicht fotogen! «, entgegnete er und vergrub das Gesicht gepeinigt in seinen Händen. » Lass uns gehen, Yuta. «
» Tae ... «, sagte er nun ganz sanft und ließ das Smartphone sinken. » Sei doch ein bisschen lockerer. Mit einem Lächeln ist jeder der schönste Mensch der Welt. « Seine Mundwinkel zuckten augenblicklich nach oben. Nein, nur Yuta war der schönste Mensch der Welt. Mit und ohne Lächeln. » Du kannst auch mal zeigen, wie toll du bist. Also komm, lächel ein bisschen für Yuta. «
» Red von dir nicht in der dritten Person! «, bat er und kaum ließ er die Finger von seinem Gesicht rutschen, hatte Yuta wieder die Kamera gezückt und versuchte sich an weiteren Fotografien.
» Ich glaube › beleidigt ‹ bleibt mein Lieblings-Gesichtsausdruck. «
Taeil kam nicht umhin, bei dieser Bemerkung doch zu lachen, tja, und da ergriff Yuta direkt seine Chance, noch weitere Bilder zu machen. » Warum bin ich überhaupt mit dir befreundet? «
» Naja, ich sehe gut aus und ─ «
» Wer's glaubt. «
» Nur, weil du neidisch bist «, entgegnete er und trat grinsend ein paar Schritte vor (dabei ließ er ihre Rucksäcke rücksichtslos liegen, wie nett), um Taeil die Aufnahmen zu zeigen. Klar, sie wirkten immer noch recht unbeholfen, aber irgendwie natürlicher. » Hast du dein Handy bei dir? «
» Was? In meiner Tasche, ja. «
» Okay, dann hass mich bitte nicht. «
» Wa- «, setzte er gerade an, als er plötzlich spürte, wie Yuta ihn zurückstieß und somit total aus dem Gleichgewicht brachte, weswegen er über die kleine Hebung des Brunnens hinter sich stolperte und mit seinem Hintern unschön im Wasser landete. Natürlich konnte das Wasser den Aufprall nicht abfedern, es war immerhin kaum tiefer als ein Planschbecken. Yuta lachte nur hämisch und amüsierte sich über den › Unfall ‹, allerdings rief Taeil schon kurz darauf: » Ich bringe dich um! «
» Das ist super für Insta, warte «, meinte er grinsend und machte sich wieder die Kamerafunktion zunutze, bevor Taeil ausholte und eine ganze Menge Wasser in Richtung seines Kontrahenten schleuderte. » Hey, hey, mein Handy! Das kostet mehr als dein Leben! «
» Komm, fick dich «, zischte er und sah zu, wie der Japaner das Teil an seine Brust presste, nur um es anschließend in seiner Hosentasche verschwinden lassen. Bereits jetzt spürte er die abwertenden Blicke der Umgebung und schämte sich insgeheim dafür, mit so jemandem seinen Geburtstag zu verbringen. (Dass er lächelte, weil der Gedanke ihn belustigte, dass dieser kleine Streich Yuta so glücklich machte, vergaß er in dem Moment.) » Hilf mir wenigstens raus «, bat er und setzte sich etwas auf. Schon jetzt machte er sich auf das unangenehme Gefühl gefasst, mit nasser Kleidung in der U-Bahn zu sitzen. Na toll. Warum sollte Yuta nicht auch auf den Geschmack kommen?
Also packte er zu, als Yuta nach seiner Hand griff, und riss den Jüngeren ebenfalls herunter. Sofort purzelte er ins Wasser und sorgte dafür, dass es kleine Wellen schlug. Hastig versuchte er, sich irgendwie aufzurichten, dabei fluchte er: » Fuck, das hätte ich dir nicht zugetraut. «
» Du darfst mich nicht unterschätzen, Nakamoto «, behauptete er und sah dem Größeren dabei zu, wie er sich leicht überrascht aufsetzte. Perfekt, jetzt fanden zwei Vollidioten in einem Brunnen Platz; es war nur eine Frage der Zeit, bis irgendjemand deswegen Beschwerde einreichen würde. Warum Taeil jetzt keine Panik bekam? Das war wohl die andere Sache.
» Wir kriegen gleich bestimmt Ärger, alles nur wegen dir «, behauptete Yuta, woraufhin der Ältere ihn mit einer weiteren Ladung bespritzte.
» Du hast doch angefangen, Missgeburt! «
» Ja, aber da sah es noch wie ein Unfall aus. «
» Lügner! «, gab er zurück. » Du bist ein scheiß Lügner! «
» Aber hey, ich habe heute so viel für dich getan, war das nicht irgendwie meine Belohnung? «
» Wenn mich leiden zu sehen eine Belohnung ist, weiß ich auch nicht weiter. «
» Naja, du könntest mich natürlich auch anders belohnen «, erwiderte er und lehnte sich etwas zu Taeil vor, sodass sie einander in die Augen sehen konnten. » Wenn dir da was einfällt, meine ich. «
Eine Belohnung?
Was wäre denn eine gute Belohnung?
Nachdenklich biss er sich auf die Unterlippe. Verdammt, warum musste Yuta ihn immer so provozieren? Schlagt Taeil ruhig, aber das war doch eine eindeutige Aufforderung zu einem Kuss, nicht? Oder bildete er sich das ein, weil er es so gerne probieren würde? Vielleicht war das seine Chance!
Seine Lippen waren ja gar nicht so weit entfernt. Höchstens 18 Zentimeter. Ob ein Kuss eine Belohnung wäre? Nein, ein Kuss von Taeil war doch eher Folter, oder nicht? Er hatte ja auch noch nie jemanden geküsst, wie ging das überhaupt? Hielt man dabei die Luft an? Mund auf oder Mund zu? Man musste den Kopf zur Seite neigen, oder? Wann genau setzte man die Zunge ein? Oder brauchte das einen besonderen Anlass? Und warte, vor all den Leuten? Er hatte doch schon die leicht angewiderten Blicke bemerkt, als Yuta ihn in den Brunnen geschubst hatte (was aber irgendwo verständlich war). Was würden sie wohl denken, wenn sie sich küssen würden? Und noch was; wann merkte er, dass Yuta den Kuss überhaupt erwiderte? Vermutlich, wenn er ihm nicht in die Fresse schlug, oder? Oh Gott, was, wenn Yuta ihn hassen würde?
» Tae? «
Und das war der Moment, in dem Taeil sich einfach vorlehnte und Yuta küsste. (Oder es zumindest versuchte.)
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