
Kartbahn
„Aber ich will nicht Marlon!" Ich zapple wie ein Fisch und lasse mich auf den Boden fallen. „Wenn du willst das ich mitkomme, musst du mich tragen!"
„Wie du willst." Marlon sieht mich mit einem breiten Grinsen an, nimmt mich an Beinen und legt seinen Arm um meinen Rücken und trägt mich aus meinem Zimmer.
„Marlon! Lass. Mich. Runter."
„Was ist denn hier los?" Mein Vater taucht aus der Küche auf und sieht uns fragend an.
„Ich entführe Ihre Tochter zur Kartbahn. Ich hoffe, das ist in Ordnung?", fragt Marlon ihn.
„Nimm sie ruhig mit. Ich hoffe, du kannst mit dem Trauerfall was anfangen."
„Aber zum Abendessen bitte wieder da sein. Wir wollen doch heute essen gehen", sagt Lisa die sich zu uns gesellt. „Hallo Marlon. Schön dich wiederzusehen."
Ja, Lisa und mein Vater sind jetzt zusammen. Schon knapp ein halbes Jahr. Die beiden haben sich sehr viel Zeit gelassen, was ich persönlich nicht schlimm finde. Lisa ist sehr viel bei uns, was ich auch nicht schlimm finde. Die beiden passen zusammen.
„Ja, versprochen. Ich bin pünktlich zurück." Marlon lässt mich wieder runter und ich ziehe mir meine Schuhe an.
Marlon kann es wohl kaum erwarten, da er mich, nachdem ich mir die Schuhe angezogen habe, nach meiner Hand greift und mich nach draußen zieht. Wir steigen auf unsere Räder und ich folge Marlon zur Kartbahn. Angekommen, stellen wir unsere Räder zur Seite und gehen auf die Bahn.
„Und hier bist du seit ein paar Wochen?", frage ich interessiert und sehe mich ein wenig um.
„Ja, wir haben sie gefunden und uns direkt einer Herausforderung gestellt", lacht er.
„Wir?", frage ich nach und sehe ihn verwundert an.
„Ja, Markus und ich." Er geht an mir vorbei und zieht sich einen schwarzen Overall über.
„Markus?" Fragend sehe ich Marlon an und erkenne von weiten einen blonden Jungen auf einem Fahrrad.
„Ja. Nachdem sich die Kerle aufgelöst haben, brauchten wir was Neues. Und in den Osterferien haben wir die hier gefunden. Wir haben uns von da an immer mal wieder neue Sachen angeschaut und ein bisschen herumgeschraubt."
„Marlon! Hätte ich gewusst das du heute das Blondchen mitbringst, wäre ich zu Hause geblieben", schreit Markus schon von weitem.
Ich muss mir ein Grinsen verkneifen und drehe mich wieder zu Marlon.
„Blondchen?", frage ich belustigt nach.
„Sein Spitzname für dich", erklärt er mir lachend und begrüßt Markus mit einem Handschlag.
„Wie süß. Ich wusste gar nicht das du einen Spitznamen für mich hast", sage ich und seh Markus belustigt an.
Der angesprochene verdreht die Augen und geht an mir vorbei und zieht sich ebenfalls einen schwarzen Overall über.
„Den hat der schon seit Vanessas Geburtstag", verrät er mir.
„Musst du das erzählen?", fragt Markus ihn und nimmt sich eine Cola aus dem Kühlschrank.
„Ist dir das etwa peinlich?", frage ich ihn und schmunzle.
„Ph, peinlich? Mir doch nicht! Ich bin der coolste von uns, schon vergessen?"
„Und eingebildet auch", füge ich lächelnd hinzu. „Aber sag mal Marlon, wieso hast du mich jetzt mitgenommen?"
„Hast du deinen Vater nicht gehört? Ein Wunder, das du noch nicht mit deinem Bett verschmolzen bist."
„Ich liebe mein Bett eben." Dabei hebe ich entschuldigend die Arme und setzte mich auf die Steinmauer an der Kartbahn.
Marlon schüttelt den Kopf und geht zu Markus um sich auch etwas zu trinken zu holen. Er hält mir eine entgegen, doch ich schüttle nur den Kopf. Dann drehen die beiden sich um und gehen zu ihren Karts. Ich sehe den beiden nur zu und unterhalte mich gelegentlich mit den beiden. Mit Marlon mehr als mit Markus.
„Hast du eigentlich noch Kontakt mit Maxi?", höre ich Marlon fragen.
„Ja. Wir unternehmen manchmal was zusammen. Wenn er nicht gerade in der Bank sein muss." Ich zucke mit den Schultern und gehe auf die beiden zu. „Wisst ihr was mit den anderen ist? Seit es die Kerle nicht mehr gibt, redet keiner mehr mit den jeweils anderen. Du ignorierst deinen Bruder ja auch."
„Juli und Joschka helfen wohl in einem Gewächshaus aus. Und mein Bruder singt seit kurzem in einer Country Band. Die tragen sogar Pailletten Anzüge", erklärt mir Marlon.
„Vanessa ist wohl zum Boxen gewechselt", sagt jetzt Markus.
Bei Vanessas Namen zieht sich mein Magen zusammen und ich senke den Kopf. Mit Vanessa hatte ich seit einem Jahr nicht mehr gesprochen. Nachdem verlorenen Spiel gegen die Nationalmannschaft hatte ich mich von ihr abgewandt.
„Hey, Sloane. Wo bist du mit deinen Gedanken?", fragt mich Marlon und wedelt mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum.
„Überall und nirgends. Hey, ich geh noch ein wenig spazieren. Wenn ich jetzt schonmal draußen bin, dann nutze ich das", sage ich und stehe auf.
„Kommst du morgen wieder?" Marlon sieht mich fragend an, wohin gegen Markus nur die Augenbrauen zusammenzieht und sich von uns abwendet.
„Mal schauen. Markus scheint meine Anwesenheit nicht so sehr zu schätzen wie du."
„Bitte. Das wird lustig. Ich kann mir vorstellen, dass du und Markus noch freunde werdet." Marlon sieht mich wissend an und ich ziehe fragend eine Augenbraue in die Höhe.
„Ich bitte dich, Marlon. Markus und ich werden keine Freunde. Selbst dann nicht, wenn ich entführt werde und er die einzige Person wäre, die mich retten könnte", meine ich. „Auf Wiedersehen, Markus!" Ich winke ihm zu, ernte einen desinteressierten Blick und drehe mich dann wieder zu Marlon. „Also dann. Passt auf euch auf", sage ich, umarme den Rotschopf und gehe zu meinem Fahrrad.
„Ich erwarte dich morgen!", schreit mir Marlon nur nach und ich schmunzle.
„Wenn ich nicht komme, entführst du mich dann wieder?"
„Genau! Und Markus rettet dich dann", witzelt er und zieht die Aufmerksamkeit des Blonden auf sich.
„Wen rette ich?", höre ich Markus noch fragen, ehe ich die Kartbahn verlasse und noch ein wenig durch die Stadt fahre.
Pünktlich zum Abendessen bin ich wieder zu Hause. Nachdem ich mich schnell geduscht und mir was etwas Feineres angezogen habe, sitze ich hinten im Auto meines Vaters und sehe mir die Häuser an, an denen wir vorbeifahren.
„Und Sloane? Wie war es heute auf der Kartbahn mit Marlon?", höre ich Lisa fragen.
„Gut. Ich war allerdings nicht lange da", erkläre ich.
„Oh, wie kommts?", fragt jetzt mein Vater.
„Markus war auch da und war nicht so begeistert mit meiner Anwesenheit", murmle ich.
„Ach, lass dir doch den Tag nicht wegen Markus ruinieren", muntert mich mein Vater auf.
„Mein Tag war ruiniert, als mich Marlon aus meinem Zimmer getragen hat!", meine ich jetzt empört.
„Du siehst das viel zu dramatisch, Schatz", tadelt mein Vater.
„Können wir für den Rest des Abends nicht mehr über Markus oder die Wilden Kerle reden?", bitte ich und sehe den verzweifelten Blick meines Vaters durch den Rückspiegel.
„Natürlich. Das sollte das leichteste sein. Das Restaurant wird dir mit Sicherheit gefallen, Sloane. Dort gibt es die beste Pizza, die ich je gegessen habe", schwärmt Lisa. „Und ich weiß ja, wie sehr du Pizza liebst."
„Nicht so sehr wie ihr Bett", witzelt mein Vater und erntet einen Schlag auf den Oberarm von mir.
„Das ist nicht wahr! Am liebsten esse ich Pizza auf meinem Bett", erwidere ich und wir alle drei fangen an zu Lachen.
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