Prolog
Julian
10.09.2020, Leverkusen
Fest drückte ich den Körper meines besten Freundes an mich und wollte ihn eigentlich gar nicht mehr loslassen. Seinen großer Körper schmiegte sich an meinen, seinen Kopf vergrub er in meiner Halsbeuge und seine Hände spürte ich auch noch sehr deutlich über meinem dicken, fliederfarben Pullover, welcher wohlgemerkt von Kai stammte.
Das Kribbeln, welchen meinen Körper umrannte und mich leicht aus dem Konzept brachte, ignorierte ich, war nach beinahe einem Jahr des Versteckens schon fast ein Profi darin. Ich atmete ein letztes Mal den Geruch von Kai ein, zog so sehr die Luft ein, dass er es bestimmt mitbekam, aber das war mir egal. Ein letztes Mal, ließ ich meine Hände in seinen Nacken fahren, ließ mich in seine starken Arme fallen, die mir immer Unterschlupf gewährleistet hatten und spürte ein letztes Mal seinen warmen Atem an meinem Hals. Ein letztes Mal genoss ich unsere Zeit zusammen und genoss das schnelle Klopfen meines Herzens, welches Kai's Nähe in mir auslöste.
Dieser Moment sollte ewig gehen, niemals sollte er Enden. Ich wollte Kai nicht loslassen, wollte ihn nicht in diese blöde Maschine nach London steigen lassen. Ich wollte ihn einfach bei mir behalten, ich hätte ihn sogar mit mir ins Auto gezwungen und wäre dann ganz weit weg gefahren. An einen Ort, an dem alles so wie damals war und es kein Verfallsdatum für unsere Zeit gab.
„Jule?", hörte ich ihn. Ganz leise, hauchzart, aber so ausdrucksstark, dass mir eine Gänsehaut auf meinen Körper zauberte. Ich wusste was jetzt kam, was er sagen wollte, aber ich drückte ihn einfach nur noch näher an ihn heran. „Ich will dich nicht gehen lassen.", gestand ich ihm mit dünner Stimme und kämpfte angestrengt gegen die Tränen in meinen Augen. Ich hörte sein Seufzen und spürte, wie er mich noch näher an sich drückte. „Ich will dich auch nicht zurücklassen, Jule.", vernahm ich seine Stimme. Leise schluchzte ich auf, drückte mein Gesicht sofort noch näher in seine Halsbeuge. „Aber...", fing Kai wieder an, drückte meinen Körper von sich weg und sah mir in meine Augen. In seinen konnte ich ebenfalls Tränen schimmern sehen. Tränen, die nun aus seinen Augen herausliefen und über seine Wange kullerten. „...Das wird kein Abschied für immer sein, Jule. Ich melde mich, sobald ich in London bin. Und wir werden ganz oft telefonieren und wir besuchen uns, wenn wir Zeit haben.", plante er und seine Stimme triefte vor Überzeugung. Nickend atmete ich tief ein und aus, versuchte mich zu beruhigen und Lächelte ihn sanft an. „Es wird alles so bleiben wie jetzt.", schob Kai noch hinten ran und machte mich sicherer.
„Du wirst für immer mein bester Freund bleiben. Egal, ob ich in London oder in Leverkusen bin.", versprach Kai mir. Und obwohl dieser Satz mir Sicherheit und ein Gefühl von Geborgenheit geben sollte, so zerbrach es mein Herz in mehrere Teile. Es zersplitterte und hinterließ tiefe Narben in mir.
„Danke Kai.", hauchte ich, versuchte meine Trauer zu überspielen und lächelte ihn vorsichtig an.
„Und jetzt geh, und zeig denen in England was du drauf hast und was du alles kannst.", klopfte ich ihn auf seine Schulter und Kai nickte. Seine Hand fand den Griff seines Koffers, er blickte ein letztes Mal zu mir und ich bestaunte seine glitzernden Augen. „Ich werde dich vermissen.", hauchte er ein letztes Mal, ließ mich nicht einmal antworten, aber ich wusste, dass Kai klar war, dass ich ihn genauso vermissen würde. Ich beobachtete, wie er von mir weg schritt, mein Blick ruhte noch auf der Stelle, wo er gestanden hatte, als er schon längst weg war, aber ich wollte es nicht wahr haben. Ich wollte nicht, dass all die Gefühle in meinen Körper über mich trafen und mich unter ihnen Begruben.
Die ganze Trauer würde früher oder später auf mich eintreffen, doch mir war letzteres weitaus lieber.
Und auch wenn Kai sagte, dass alles so bleiben würde wie es war, so wusste ich, dass es nicht stimmte. Zwischen uns würde es sich verändern, dass wusste ich und dass wusste Kai tief in sich drinnen auch.
Es würde nicht das gleiche sein ohne Kai. Kein Tag würde mehr so sein wie die vorherigen, auch wenn Kai das Gegenteil behauptete. So sehr ich auch hoffte, dass es nicht so war und ich betete, dass Kai doch recht haben würde, so wusste ich schon auf meinem Weg zurück nach Dortmund, dass alles nun anders war. Ich hatte das Gefühl Kai jetzt schon verloren zu haben und dabei war er noch nichtmal in London.
[750 Wörter]
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