𝟏𝟑. 𝐒𝐜𝐡𝐮𝐭𝐳𝐞𝐧𝐠𝐞𝐥
✧ 𝐋𝐈𝐋𝐘 𝐏𝐎𝐓𝐓𝐄𝐑 ✧
"𝐍𝐨𝐭 𝐞𝐯𝐞𝐫𝐲 𝐚𝐧𝐠𝐞𝐥 𝐡𝐚𝐬 𝐰𝐢𝐧𝐠𝐬."
„Guten Morgen, liebe Schülerinnen und Schüler", begrüßte Professor Kattner Lilys Klasse an einem Mittwochmorgen. Die Schüler grüßten brav im Chor zurück, bevor der Lehrer fortfuhr: „Ich habe gehört, dass ihr gestern in Zauberkunst den Zauberspruch Flipendo gelernt habt. Dieser Spruch kann in einem Duell sehr nützlich sein. Aber was ist, wenn ihr vorher entwaffnet werdet? Kein Problem, denn heute lernen wir, wie ihr den Spruch auch ohne Zauberstab anwenden könnt. Bitte schlagt eure Bücher auf Seite 254 auf. Wer will lesen?"
Wie einige andere Schüler auch, hob Lily die Hand und wurde tatsächlich drangenommen. Sie räusperte sich kurz, bevor sie begann, den ersten Absatz zu lesen: „Flipendo, auch Rückschlagzauber genannt, wird verwendet, um seinen Gegner oder einen Gegenstand zurückzuschleudern. Oft führt dies dazu, dass der Zauberer auf dem Boden aufschlägt. Hier zeigen wir dir, wie man den Zauber ohne Zauberstab anwendet."
„Danke, Lily. Wer will weiterlesen?", bedankte sich Kattner und wählte einen Jungen namens Adrian als Nächsten aus. Im nächsten Abschnitt wurde die Handbewegung erklärt. Um den Zauber richtig auszuführen, musste man zuerst die Hand in die Luft halten, dort einen Kreis machen und schließlich die Hand nach vorne ausstrecken. Das alles sollte so schnell wie möglich geschehen. Je schneller man die Bewegung ausführte, desto stärker war der Zauber.
„Danke, Adrian. Steht bitte alle auf und probiert die Bewegung aus", forderte der Lehrer die Schüler auf. Dankbar, nicht mehr sitzen zu müssen, stand Lily auf und tat wie ihr geheißen. Wie immer fühlte sie sich wie eine Pantomimin, die selbst nicht wusste, was sie darstellen sollte. Wie lustig das von außen aussehen musste.
„Das sieht doch schon ganz passabel aus. Versucht, noch etwas mehr Dynamik hineinzubringen, dann habt ihr es geschafft. Stellt euch den Zauberspruch bildlich vor. Ihr wollt euer Opfer sozusagen durch den Wind zurück wirbeln. Stellt euch einen starken Windstoß vor und nutzt diese Kraft für die Bewegung", erklärte Kattner und führte es den Schülern vor.
Wie gefordert, stellte sich Lily den Windstoß vor und versuchte die Bewegung noch einmal. Diesmal spürte sie die Magie fast in sich, wie einen aufbauenden Sturm. „Gut gemacht, Lily, zeigst du es den anderen?", fragte der Lehrer, als er Lilys Bewegung sah. Stolz verließ sie ihren Platz und leistete Kattner vorne an der Tafel Gesellschaft, wo sie die Figur vorführte.
„Perfekt! Willst du sie gleich an mir ausprobieren?"
„An Ihnen? Okay", antwortete sie etwas unsicher. Diese Unsicherheit verdrängte Lily jedoch, denn sonst würde sie Flipendo nicht schaffen. Mit dem Bild des Windstoßes vor Augen machte sie die Handbewegung und rief gleichzeitig "Flipendo!" Tatsächlich fiel Professor Kattner zu Boden. Er stand aber sofort wieder auf und bedankte sich bei Lily fürs Vorführen und sie setzte sich zufrieden zurück auf ihren Platz.
Zehn Minuten später beendete Professor Kattner die Unterrichtsstunde und verabschiedete sich von den Schülern. Da Lily auf die Toilette musste, gab sie Celina Bescheid, dass sie schon mal in den Festsaal gehen könne. Danach schlug sie den Weg zur Toilette ein.
Vor ein paar Tagen hatte Lily zum ersten Mal ihre Tage bekommen, was sie jetzt schon als den schlimmsten Fluch empfand. Warum musste eine Frau einmal im Monat ihre Periode bekommen? Dabei war das noch nicht einmal das Schlimmste, viel schlimmer waren die Bauch- und Rückenschmerzen, die Lily ertragen musste. Es war egal, ob sie saß, lief oder lag, es machte keinen Unterschied, was das Ausmaß der Krämpfe betraf.
In der Mädchentoilette angekommen, suchte sich Lily eine freie Kabine, um ihre Unterhose magisch zu reinigen und den Zauber zu erneuern, der verhinderte, dass das Blut ihr Gewand färbte. Zum Glück hatte Elena, die seit einiger Zeit ihre Periode hatte, ihr diese beiden nützlichen Zauber beigebracht. Lily fragte sich, was die Muggel wohl ohne sie machten.
Sich auf das Mittagessen freuend, verließ sie die Kabine und ging zum Waschbecken, um sich die Hände zu waschen. Plötzlich erschien auf dem Spiegel ein Buchstabe. Vor Schreck hätte Lily fast geschrien. Doch es blieb nicht bei dem einen Buchstaben. Ein zweiter gesellte sich dazu, ein dritter und ein vierter. Buchstaben wurden zu Wörtern und Wörter zu Sätzen. Es war, als hätte jemand das Glas angehaucht und derjenige schrieb nun mit dem Finger eine Nachricht.
Nehm' dich in Acht, Lily POTTER. Nicht jeder glaubt dir, dass du Severus Snapes Tochter bist. Wir kaufen es dir nicht ab. Du magst im Dorf St. Endor und auf dem Quidditch-Feld Glück gehabt haben, aber dein Schutzengel wird dich nicht noch einmal retten. Wir haben dich gefunden und werden nicht ruhen, bis wir dich vernichtet haben.
Ein heftiges Schwindelgefühl überkam Lily und zwang sie, sich auf die kalten Fliesen zu setzen und an die Wand zu lehnen. Ihre Hände begannen zu zittern und sie hatte das Gefühl, ihre Lungen würden zugeschnürt werden. Ihr Puls beschleunigte sich so sehr, dass sie sich wunderte, warum ihr Herz nicht aus der Brust sprang. Tränen liefen ihr über die Wangen, während sie verzweifelt nach Luft schnappte.
Der letzte Satz hallte wie ein lautes Echo in ihren Ohren. Wir haben dich gefunden und werden nicht ruhen, bis wir dich vernichtet haben. Es war eine Morddrohung gewesen. Aber keine, die ihr bester Freund im Scherz ausgesprochen hatte, sondern eine von fremden Zauberern, die ihre Worte ernst meinten. So ernst, wie dass die Sonne im Osten aufgeht.
Plötzlich wurde die Tür geöffnet und Lily hörte die vertraute Stimme ihrer Freundin: „Lily, da bist du ja! Du bist nicht zum Mittagessen gekomm-", Celina verstummte, als sie Lily weinend auf dem Boden liegen sah, „Draco, komm schnell!" Draco ignorierte das Mädchensymbol an der Tür, stürmte in den Raum und setzte sich neben seine beste Freundin.
„Tief einatmen", sagte er mit ruhiger Stimme, „tief ausatmen." Draco atmete selbst tief ein und aus und Lily versuchte es ihm nachzumachen. „Alles ist gut", beruhigte er sie.
„Ähm... Draco, sieh dir das mal an", sagte Celina zu ihm, Verwirrung in ihrer Stimme mitklingend. Sofort blickte Draco in den Spiegel und las die furchterregende Nachricht, während er nicht aufhörte, Lily das Atmen vorzumachen.
„Lily, ich werde nicht zulassen, dass dir irgendjemand wehtut. Ich bin dein Schutzengel, nur ohne Flügel", redete er beruhigend auf Lily ein, nachdem er die Nachricht gelesen hatte. Irgendwie wirkte dieser einzige Satz Wunder. Denn Lilys Atmung normalisierte sich, ihr Herzschlag verlangsamte sich und ihre Hände hörten auf zu zittern. Trotzdem hörte sie nicht auf zu weinen, weshalb Draco sie in eine schützende Umarmung zog. Verzweifelt vergrub Lily ihren Kopf an Dracos Brust, nicht wissend, was sie ohne ihn tun würde. Was sie getan hätte, wenn er nicht mit ihr nach Österreich gekommen wäre.
„Lily, stimmt das, was auf dem Spiegel steht? Bist du Lily Potter?", fragte Celina vorsichtig.
Auf der Suche nach einer Ausrede blickte Lily zu ihrer Freundin. Aber ihr fiel keine ein. Wie sollte sie das erklären? Eine Morddrohung an einem Spiegel, auf dem stand, dass sie eine Potter sei. Und dann noch ihre Panikattacke, die wahrscheinlich nicht passiert wäre, wenn das alles nicht wahr gewesen wäre. Nein, es gab keinen Ausweg. Die einzige Möglichkeit war, Celina die Wahrheit zu sagen.
Lily wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, doch Draco nahm ihr die Worte aus dem Mund: „Lily wurde als Neugeborene von Severus Snape adoptiert, nachdem Du-weißt-schon-wer ihre richtigen Eltern James und Lily Potter - also Lilys Mutter - umgebracht hat. Severus hat sie wie seine eigene Tochter aufgezogen und allen, auch ihr selbst, verheimlicht, wer Lily wirklich ist. Aber im letzten Schuljahr hat Lily es herausgefunden, sozusagen vom Geist von Lord Voldemorts jüngerer Version. Sie hat es nicht ausgehalten, Severus jeden Tag in die Augen zu sehen mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass er sie ihr ganzes Leben lang belogen hat. Also ist sie zu mir gekommen, hat mich eingeweiht und überredet, ihr zu helfen. Wir sind zusammen hierhergekommen. Aber wir haben nicht damit gerechnet, dass es hier viel gefährlicher ist als in Hogwarts. Denn hier gibt es niemanden außer mir, der Lily beschützen kann. Außer vielleicht ihrer Großtante Rosemary Evans, die zufällig hier in der Nähe wohnt. Als wir das Dorf St. Endor besucht haben, sind wir drei Zauberern begegnet, die Lily töten wollten. Einer von ihnen hat ihren Besen, während des Quidditch-Spiels verflucht, ist aber geflohen, als Lily ihn gesehen hat. Und jetzt das..."
Wie gebannt wartete Lily auf Celinas Antwort. Was, wenn sie es allen erzählte? Was, wenn sie die Information an die Zeitungen verkaufte? Was, wenn sie nicht mehr mit Lily und Draco befreundet sein wollte, weil sie sie angelogen hatten? „Oh, Lily", antwortete Celina jedoch wider Erwarten, „es tut mir so leid. Das hast du nicht verdient. Weder, dass dein sogenannter Vater dich immer belogen hat, noch, dass du von drei gefährlichen Zauberern verfolgt wirst. Glaub mir, ich lasse auch nicht zu, dass dir jemand wehtut."
„Danke, Celina", antwortete Lily erleichtert, dass Celina sie verstand. Dann fügte sie hinzu: „Und danke, Draco!"
Nachdem ihre Tränen nachgelassen hatten, stand Lily auf und verließ mit ihren Freunden die Mädchentoilette. Sie fragten sie, ob sie etwas essen wolle, aber Lily antwortete, dass sie lieber in ihr Zimmer gehen wolle, um über das, was passiert war, nachzudenken. Als Draco vorschlug, sie zu begleiten, schüttelte Lily den Kopf. „Ich muss jetzt allein sein."
„In Ordnung, ich verstehe", nickte er, bevor Lily ihr Zimmer betrat.
Der Lavendelton ihres Zimmers wirkte beruhigend auf sie, und so legte sie sich in ihr Bett und starrte gedankenversunken an die Decke. Doch sie blieb nicht lange in dieser Position, denn eine Idee schoss ihr durch den Kopf. Im letzten Schuljahr, als sie herausfinden hatte wollen, wer hinter den Versteinerungen in Hogwarts steckte, hatte sie alle Informationen aufgeschrieben. Das hatte ihr geholfen, die Puzzleteile zu ordnen und für viele den richtigen Platz zu finden. Also beschloss sie, das auch jetzt zu tun. Vielleicht würde es ihr wieder helfen.
Glücklich, etwas gefunden zu haben, was sie tun konnte, nahm Lily ein Stück Pergament und ihre Feder und ging in ihre private Bibliothek. Sie setzte sich an einen Tisch und begann zu schreiben. Eine Viertelstunde später wusste die Rothaarige nicht mehr weiter und betrachtete ihr Werk.
Es war wie ein Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel, das die Zauberer mit ihr spielten. Ein Spiel, bei dem Lily immer so würfelte, dass sie ihren Gegnern stets ein Feld voraus oder hinterher war. Aber würde ihr dieses Glück erhalten bleiben, oder würden die Zauberer es schaffen, auf dem gleichen Feld wie sie zu landen und ihre Spielfigur umzuwerfen?
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