𝟏𝟐. 𝐕𝐞𝐫𝐟𝐥𝐮𝐜𝐡𝐭𝐞𝐫 𝐁𝐞𝐬𝐞𝐧
✧ 𝐋𝐈𝐋𝐘 𝐏𝐎𝐓𝐓𝐄𝐑 ✧
"𝐈𝐟 𝐲𝐨𝐮 𝐛𝐞𝐥𝐢𝐞𝐯𝐞 𝐢𝐧 𝐲𝐨𝐮𝐫𝐬𝐞𝐥𝐟, 𝐲𝐨𝐮 𝐰𝐢𝐥𝐥 𝐛𝐞 𝐚 𝐰𝐢𝐧𝐧𝐞𝐫."
Innerhalb von zwei Wochen wurde aus Oktober November, die bunten Blätter fielen von den Bäumen und das Thermometer zeigte zum ersten Mal Minusgrade an. Da die Schule St. Endor in den Alpen lag, fielen bald die ersten Schneeflocken, sodass die Landschaft nun unter einer dicken Schneedecke lag.
Im Gegensatz zum Wetter änderte sich in Lilys Leben nicht viel. Sie versuchte weiterhin, sich auf die Schule und die immer häufiger werdenden Quidditch-Trainings zu konzentrieren, um ihre Gedanken von den drei fremden Zauberern und Sirius Black abzulenken. Draco hatte es sich währenddessen zur Aufgabe gemacht, dafür zu sorgen, dass Lily nie allein gelassen wurde.
Inzwischen stand das erste Quidditch-Spiel für Animagus an. Obwohl Erik diesmal die Position des Suchers einnahm, war Lily trotzdem sehr aufgeregt. Deshalb hatte sie, wie schon am Tag der Auswahlspiele, keinen Appetit auf das Frühstück.
„Komm schon, Lily, iss etwas", versuchte Celina sie umzustimmen, „Was ist, wenn Erik sich den Arm bricht und du einspringen musst? Meinst du, das geht ohne was im Magen?"
„Ich weiß, aber ich habe keinen Hunger", blieb Lily stur. Außerdem wirbelte es vor Nervosität so sehr in ihrem Magen herum, dass jedes Essen garantiert wieder hochkommen würde. Sogar wenn sie ihr Brot anstarrte, konnte sie den Brechreiz fast schmecken.
„Lily, ich kenne dich, seit ich denken kann. Ich weiß, dass dir die Nervosität den Appetit verdirbt, aber ich weiß auch, dass du es schaffst. Wenn Erik sich verletzt und du einspringen musst, wirst du den Schnatz hundertprozentig fangen. Aber nur mit etwas im Magen", versuchte Draco sein Glück.
Augenrollend gab sich Lily geschlagen und biss in ihre Buttersemmel. Zugegeben, es schmeckte gut, der erwartete Brechreiz blieb aus und das mulmige Gefühl in ihrem Bauch ließ nach. Vielleicht war es eine Mischung aus Hunger und Nervosität gewesen und jetzt blieb nur noch die Nervosität.
„Hatte ich recht?", fragte Draco, woraufhin Lily ihm ein falsches Lächeln schenkte. Er schüttelte amüsiert den Kopf.
In dem Augenblick flogen Hunderte von Eulen in den Saal und suchten ihr Ziel. Eine von ihnen landete auf dem Tisch von Lily, Draco und Celina. Sie hielt Draco ihr Bein hin, an dem eine Zeitung befestigt war. Draco nahm die Zeitung und gab der Eule einen Knut, bevor sie wieder davonflog.
„Der Tagesprophet", teilte Draco Lily mit, „Auf der Titelseite steht, dass Sirius Black an Halloween in Hogwarts eingebrochen ist." Durch die Entfernung von England nach Österreich bekam Draco die Post immer etwas verspätet, weshalb er jetzt erst die Halloween-Ausgabe erhalten hatte.
„Was?", fragte Lily schockiert. Sirius Black war in Hogwarts eingebrochen? Hatte er Harry etwas angetan? Oder Ron? Oder Hermine, Ginny, Amber und Vicky?
„Ja, lies mal", forderte Draco sie auf, nachdem er auf die richtige Seite geblättert hatte.
Sirius Black in Hogwarts?
Am 31. Oktober gelingt es dem aus Askaban entflohenen Sirius Black, in Hogwarts einzudringen. Wie er es geschafft hat, an den vielen Dementoren vorbeizukommen, die das Schloss dieses Jahr bewachen, ist selbst den Auroren ein Rätsel.
Anscheinend hatte Black nur ein Ziel: in den Gemeinschaftsraum von Gryffindor zu gelangen, was ihm allerdings nicht gelungen ist. Denn die dicke Dame, ein Porträt, das den Gemeinschaftsraum bewacht, lässt ihn ohne das richtige Passwort nicht hinein. Wütend zerkratzt Black das Bild, woraufhin die Fette Dame die Flucht ergreift.
Sofort wird Hogwarts durchsucht, aber niemand kann den Massenmörder finden. Ob Sirius Black es noch einmal versuchen würde?
Erleichtert atmete Lily auf, als sie las, dass niemand verletzt worden war. Trotzdem war es beängstigend, dass Sirius Black einen Weg ins Schloss gefunden hatte. Hoffentlich würde er es nicht ein zweites Mal wagen.
Nach dem Frühstück ging Lily zurück in ihr Zimmer und holte ihren Feuerblitz. Weil er so teuer war, wollte sie ihn keinesfalls in ihrem Spind in der Umkleidekabine des Quidditchfeldes aufbewahren.
„Und, bereit?", neckte Draco Lily, als sie ihn von seinem Zimmer abholte, „Ich meine, nach dem Butterbrot kann man doch nur bereit sein."
„Natürlich", erwiderte Lily und warf ihm einen zuckersüßen Blick zu.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Feld, ohne viel zu reden. Offensichtlich war Lily nicht die Einzige, die nervös war. Seinem Schweigen und dem wiederholten Fummeln am Reißverschluss seiner Jacke nach zu urteilen, war auch er ziemlich aufgeregt wegen des bevorstehenden Spiels.
Nach etwa zwanzig Minuten erreichten sie die große Lichtung, auf der sich das Quidditch-Stadion befand. Sie wichen der großen Menschenmenge aus, die zu den Tribünen strömte, um zu den Umkleidekabinen zu gelangen. Dort trafen sie auf einige Patronus-Spieler, die ihnen herausfordernde Blicke zuwarfen. Sie ignorierten diese und erreichten wenig später die Umkleidekabine.
Wie erwartet, saß der Großteil des Teams bereits dort. Annie lief nervös auf und ab, während die anderen versuchten, ihre Kapitänin zu beruhigen. „Hoffentlich kommen die anderen bald", murmelte Annie, „Ah, Lily, Draco, danke, dass ihr hier seid! Habt ihr den Rest gesehen?"
„Nein, leider nicht, aber der Treffpunkt ist doch erst in fünf Minuten, oder?", fragte Lily, obwohl sie wegen Annies Nervosität etwas unsicher war.
„Ja, natürlich, aber du kennst ja unsere lieben Treiber, die kommen immer zu spät. Deshalb habe ich ihnen gesagt, sie sollen zehn Minuten früher kommen", erklärte Annie in unnatürlich schnellem Tempo.
„Dann sind sie sicher bald da", beruhigte Lily sie und ging in eine der geschlossenen Kabinen, um sich umzuziehen. Normalerweise tat sie das vor ihrem Team, aber bei einem Spiel mussten sich Jungen und Mädchen eine Umkleidekabine teilen, weil die Gegner die andere belegten.
Als Lily die Umkleidekabine wieder verließ, waren die Treiber bereits eingetroffen. Nachdem auch sie sich umgezogen hatten, begann Annie mit einer letzten Besprechung vor dem Spiel.
„Wir haben in den letzten Monaten hart trainiert und sind nicht mit dem Animagus-Team vom letzten Jahr zu vergleichen. Patronus hat sehr gute Spieler, deshalb haben sie auch ihr erstes Spiel gegen Metamorphmagus gewonnen, aber sie sind kein Team. Jeder Spieler spielt für sich und will die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ein Jäger passt selten zu seinem Mitspieler, die Treiber spielen selten den Klatscher hin und her, der Sucher ignoriert alles andere im Spiel und die Hüterin lässt sich nie von einem Mitspieler helfen. All das habe ich euch natürlich schon erklärt und ihr wisst, dass ihr diese Eigensinnigkeit sehr gut gegen Patronus einsetzen könnt. Wir können das Spiel gewinnen, wir werden es gewinnen! Und jetzt alle, die heute spielen, auf die Besen, alle Auswechselspieler auf die Ersatzbank!"
Die Mannschaft applaudierte, bevor die einzelnen Spieler Annies Anweisungen folgten. Lily wünschte Draco noch viel Glück, da er heute als Jäger spielte, ehe auch sie die Umkleidekabine verließ und sich auf die Ersatzbank setzte. Eine Minute später raste das Patronus-Team aufs Spielfeld, während der Stadionsprecher die einzelnen Spieler vorstellte. Nachdem sie ihren Platz in der Mitte des Spielfeldes eingenommen hatten, drehten Lilys Mannschaftskameraden ebenfalls eine Runde um das Spielfeld, um danach schließlich ihre Positionen einzunehmen.
„Beide Teams scheinen sich gut vorbereitet zu haben. Wird Patronus wie im Spiel gegen Metamorphmagus gewinnen, oder holt sich diesmal Animagus den Sieg? Verdient hätten es auf jeden Fall beide Teams", brüllte der Stadionsprecher ins Mikrofon. Im Gegensatz zu Lee Jordan war er offensichtlich neutral, wie es sich für einen Moderator - Lilys Meinung nach - gehörte. „Unsere Fluglehrerin, Frau Professor Meyer, ist heute unsere Schiedsrichterin", stellte er die Lehrerin vor, die zur Mitte des Spielfeldes marschierte und den Koffer mit den Quidditchbällen öffnete. Zuerst ließ Professor Meyer den Schnatz los, dann die Klatscher. Lily schaute kurz auf den kleinen goldenen Ball, bevor er aus ihrem Blickfeld verschwand. Dann pfiff sie das Spiel an und warf gleichzeitig den Quaffel in die Luft.
„Und das Spiel beginnt! Draco Malfoy vom Team Animagus schnappt sich den Quaffel und wirft ihn seiner Mitspielerin Emma Taller zu. Taller fängt den Ball und spielt ihn weiter zu Thomas Eichinger. Die Jäger wiederholen die Taktik, bis sie nahe genug am Tor sind. Eichinger wirft den Ball auf das linke Tor - oh nein, das war ein Scheinwurf, stattdessen passt er zu Malfoy, der den Ball in den rechten Torring wirft und, keine Hüterin in Sicht, trifft! 10-0 für Animagus!"
Die Auswechselspieler jubelten von der Ersatzbank aus so laut, dass sie mit dem Buhen der vielen Patronus-Fans mithielten. Leider hielt Lilys Euphorie nicht lange an, denn eine gegnerische Jägerin griff an, zog an allen Animagus-Spielern vorbei und schoss ein Tor.
„10:10, Gleichstand! Jetzt ist wieder Animagus am Ball. Ein Klatscher trifft Emma Taller, sodass ihr der Quaffel aus der Hand fällt und in die Hände von Patronus rutscht. Doch was sehe ich? Die drei Jäger von Animagus positionieren sich nach einer Taktik, die ich kenne. Malfoy und Eichinger fliegen auf die Patronus-Spielerin Weichser zu und nehmen sie in die Zange - auch Pinzette genannt. Emma Taller kommt von oben und schnappt Annika Weichser den Quaffel weg! Na, erkennt ihr die Taktik? Es ist die Parkins-Pinzette", erklärt der Stadionsprecher, „Eins muss ich sagen, die Animagus-Spieler können als Team spielen. Denn jetzt machen sich die Jäger wieder auf den Weg zum gegnerischen Torring und Eichinger trifft endlich! 20:10!"
Wieder explodierte die Ersatzbank bei diesem Treffer. Aber Lily war mit einer anderen Sache beschäftigt. Sie hatte gerade etwas kleines Goldenes gesehen und als sie genauer hinsah, erkannte sie den Schnatz. Offensichtlich hatte Erik ihn auch gerade gesehen, denn er änderte seine Flugrichtung.
„Leute, Erik hat den Schnatz gesehen!", teilte Lily ihren Teamkollegen mit, kurz bevor der Stadionsprecher es für alle wiederholte. Gespannt beobachtete Lily Eriks Flug, als plötzlich der gegnerische Treiber in ihrem Blickfeld auftauchte. Dieser zielte mit einem Klatscher direkt auf Erik und traf ihn am linken Arm, so dass er vom Besen fiel, denn er hatte bereits den rechten Arm ausgestreckt, um den Klatscher zu fangen. Vor Schreck hielt sich Lily die Hände vor den Mund. Am liebsten wäre sie losgerannt, um Erik aufzufangen, aber sie wusste, dass sie es weder rechtzeitig schaffen noch stark genug sein würde, um nicht unter seinem Gewicht zusammenzubrechen.
So blieb ihr nichts Anderes übrig, als Erik beim Fallen zuzusehen und zu beten, dass er überlebte. Lily zuckte zusammen, als er auf dem harten Boden aufprallte und sich nicht mehr rührte. Außer sich vor Sorge sprintete sie mit den anderen Spielern ihres Teams zu ihm und kniete sich neben ihn. Zitternd griff sie nach Eriks Handgelenk, um seinen Puls zu fühlen. Er war da.
„Er lebt!", rief Lily den anderen zu. Die Schulärztin war schon unterwegs, eine Trage schiebend. Als sie die Unfallstelle erreicht hatte, halfen Annie und Lily ihr, Erik auf die Trage zu heben.
„Lily, es sieht so aus, als müsstest du einspringen", sagte Annie, woraufhin Lily sie schockiert ansah.
„Spielen wir trotzdem weiter?", fragte sie.
„Das sind leider die Regeln. Das Spiel ist erst zu Ende, wenn der Schnatz gefangen wurde", sagte die Kapitänin und fügte dann zur zweiten Hüterin hinzu: „Ich werde Erik begleiten, das heißt, du, Steffi, musst mich ersetzen".
„Aber... bist du dir sicher?", in der Stimme der jungen Hüterin schwang Unsicherheit mit. Steffi, so hatte Lily herausgefunden, war eine sehr schüchterne Person, der es an Selbstvertrauen mangelte. Die Arme zweifelte immer an ihren Fähigkeiten, vor allem, wenn es um Quidditch ging.
„Steffi, du spielst hundertmal besser, als du denkst! Du schaffst das! Du musst nur an dich glauben", machte Annie ihr Mut und zauberte ein unsicheres Lächeln auf Steffis Gesicht.
Zehn Minuten später schwang sich Lily auf ihren Feuerblitz und als Professor Meyer das Spiel wieder anpfiff, begann sie, das Spielfeld zu umrunden. In der Pause hätte der Schnatz weit weg kommen können. Oder hatte er ein Versteck gefunden?
Plötzlich schoss der Feuerblitz von selbst los, ohne dass Lily etwas getan hatte. Er machte einen Looping, bevor er anfing, sich zu schütteln, als wollte er Lily herunterwerfen. Während sie sich bemühte, auf dem Besen zu bleiben, sah sie am Eingang des Stadions eine ganz in schwarz gekleidete Person. Diese Person sah aus wie die drei fremden Zauberer, denen Lily im Dorf begegnet war. Sobald der Fremde bemerkte, dass Lily ihn gesehen hatte, verschwand er plötzlich aus ihren Augen und der Besen bewegte sich nicht mehr selbstständig.
Hatte der Zauberer Lilys Feuerblitz mit einem Fluch belegt? Hatte er sie umbringen wollen? Leider konnte die Sucherin nicht lange darüber grübeln, denn sie sah etwas Kleines, Goldenes aufblitzen. Der Schnatz! Ohne einen Blick auf die andere Sucherin zu werfen, raste sie los, so schnell der Besen sie tragen konnte. Der Wind heulte ihr um die Ohren, während sie sich so fest wie möglich an den Besenstiel klammerte. Als sie nicht mehr weit vom Schnatz entfernt war, streckte sie die Hand nach ihm aus. Nur noch zehn Zentimeter ...
Die Animagus-Fans jubelten lauter, als Lily es je gehört hatte, als sie den Schnatz gefangen hatte. Strahlend glitt sie zu Boden und hielt den Ball stolz in die Höhe.
„Und Animagus hat das Spiel 170 zu 20 gewonnen! Herzlichen Glückwunsch!", rief der Stadionsprecher begeistert, „Ich habe selten ein so ereignisreiches Spiel gesehen!".
„Gut gemacht, Lily!", gratulierten ihr die anderen Animagus-Spieler, als sie Lily erreichten.
„Ja, nicht schlecht, Kleine", scherzte Draco, obwohl ihm der Stolz ins Gesicht geschrieben stand, „Aber warum ist dein Besen kurz durchgedreht?"
„Die Zauberer aus dem Dorf St. Endor", flüsterte Lily ihm zu, „Ich glaube, ich habe einen von ihnen gesehen."
„Bist du dir sicher?", sofort nickte Lily auf Dracos Frage, "Oh nein, das ist nicht gut. Aber jetzt feiern wir mal ein bisschen!"
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