zehn
Milan:
Perplex starrte ich sie an, die Verwirrung offenbar ins Gesicht geschrieben. „Warte was?" Persephone hatte eine Schwester? Seid wann das denn? Und warum trug besagte Schwester eine Uniform des Engelinternats?
Was zum Teufel ging hier vor sich?
„Du hast richtig gehört." wiederholte Jael, diesmal langsamer. Es gefiel mir nicht, wie sie mit mir sprach. Also ob sie mit einem kleinem Kind reden würde, dem sie die Regeln erklären müsste.
Ich zog fragend eine Braue nach oben, darauf wartend, dass sie weiterreden würde, aber sie schien überhaupt keine Eile zu haben. Stattdessen beäugte sie mich neugierig und ich fühlte mich prompt unwohl in meiner Haut.
Als ich gerade ansetzen wollte, um das Schweigen zu brechen, war sie anscheinend auch zu dem Entschluss gekommen, dass es an der Zeit war, wieder etwas zu sagen.
„Du bist ein Fohlen, oder?" Ich ersparte mir eine Antwort darauf, aber sie redete sowieso schon weiter: „Ich möchte zu den Fohlen wechseln... beziehungsweise habe es eigentlich schon halb. Wo ist Persophone? Ich würde ganz gerne mit ihr reden."
Sie wollte zu den Fohlen wechseln? Na was für ein Zufall. Oder auch nicht. „Persephone ist im Zelt." murmelte ich knapp und bedeutete ihr mit einem nicken, mir zu folgen, was sie schließlich auch tat.
Persephone war mittlerweile aufgewacht, denn sie saß vor unserem Zelt und aß einen Apfel - welchen sie aber sofort fallen ließ, als sie uns sah.
Sie sprang sofort auf und rannte kreischend zu dem Mädchen, welches sich gerade als ihre Schwester vorgestellt hatte. Im vorbeigehen warf ich ihr noch einen Das-musst-du-mir-erklären-Blick zu (zumindest hoffte ich, dass sie meinen Blick so interpretieren würde, geübt hatte ich ihn nie)
Dann fiel sie ihrer Schwester in die Arme.
Eine halbe Ewigkeit verharrten die beiden so und ich kam mir allmählich zunehmend überflüssig vor.
Ich wollte mich gerade aus dem Staub machen, da lösten sie sich von einander.
Jetzt, wo sie so dicht nebeneinander standen, war die Ähnlichkeit nicht zu übersehen. Beide hatten das gleiche helle blonde Haar und die graublauen Augen.
Zwar war Persephone wenige Zentimeter größer und hatte die Haare zu einem lockereren Pferdeschwanz nach hinten gebunden, aber ihr Strahlen war mindestens genauso kindlich und überglücklich wie das ihrer Schwester.
„Ähm..." meldete ich mich dann doch zögernd zu Wort und schaute die beiden fragend an.
Persephone lächelte immer noch, wandte sich dann aber mir zu und sagte: „Ich denke ich bin dir eine Erklärung schuldig, Milan..."
Ja. Das dachte ich auch. Sie zögerte kurz, fuhr dann aber fort: „Unser Dad lebte in Mirum, unsere Mom in Donum. Auf der Durchreise lernte unsere Mom dann unseren Dad kennen und die beiden verliebten sich ineinander - aus dieser Liebe" sie räusperte sich kurz verlegen „entstanden dann wir. Zuerst blieb unsere Mom bei unserem Vater in Mirum, doch bald schon wollte sie zurück nach Donum, wo sie ihre alten Freunde, ihr altes Leben vermisste.
Doch Dad wollte sein Land nicht verlassen, also trennten die beiden sich. Damals waren Jael und ich etwa vier Jahre alt. Doch da unsere Eltern sich nicht einigen konnten, wer uns Kinder „bekommt" so bekam jeder eins... Dies erklärt warum ich in Donum gelandet bin und sie in Mirum. Nur, dass wir dann nach ein paar Jahren wieder Kontakt aufnahmen und Jael sich entschied zu den Fohlen zu wechseln." sie lächelte ihre Schwester liebevoll an und sprach dann weiter: „Damit wir endlich wieder vereint sein können. Da kam mir unser Auftrag, Milan, sehr passend und ich schrieb Jael sie solle sich auf den Weg nach Donum machen, wo wir jetzt sind."
Sie atmete durch, anscheinend hatte sie fertig geredet. „Noch Fragen?"
„Ähm...", stammelte ich, immer noch deutlich überrumpelt von der Situation, „also... begleitest Jael uns jetzt?" Die Frage war zwar an Persophone gerichtet, ich drehte mich trotzdem fragend zu Jael.
Diese wechselte einen kurzen Blick mit ihrer Schwester, bevor sie das Kinn reckte und den Kopf schief legte: „Ja. Was dagegen?"
Ich schüttelte verlegen den Kopf. Immerhin schien sie in Ordnung zu sein und außerdem war genau das unser Auftrag, also war diese Geschichte wohl auch vorteilhaft für mich.
Trotzdem fühlte ich mich irgendwie hintergangen.
Klar, ich wusste selbst, dass ich Persophone kaum kannte und wahrscheinlich hätte ich die Sache an ihrer Stelle auch geheim gehalten, schließlich war Kontakt zu Engeln zwar bei uns nicht strikt verboten, wurde aber meistens missbilligend beäugt und nicht gerne gesehen.
Außerdem hatte ich überhaupt kein Anrecht etwas davon zu wissen, schließlich war das eine private Angelegenheit von ihr.
Es gab also absolut kein Grund sauer zu sein und doch war da das Gefühl, dass ich von nun an das dritte Rad am Wagen sein würde.
Wenn die beiden sich echt seit dreizehn Jahren nicht mehr ausgiebig gesehen hatten, würden sie erstmal wohl kaum Raum für alles andere haben.
„Milan... alles in Ordnung? Ich weiß, das kam jetzt alles sehr plötzlich, eigentlich wollte ich dich schon früher einweihen, aber ich hatte Angst, du wärst dagegen", erklärte Persophone vorsichtig. Ich unterbrach sie: „Nein, nein, alles gut." Ein betretenes Schweigen entstand.
„Seid ihr eigentlich Zwillinge?", brach ich es irgendwann und diesmal war Jael es, die antwortete. „Nein, ich bin ein knappes Jahr jünger-", sie brach ab, sprach dann aber doch weiter, „Ich werde euch nicht aufhalten, versprochen. Vielleicht kann ich sogar ein bisschen helfen, wenn ich die Engel kenne, die ihr überzeugen wollt...Sorry, dass ich so plötzlich aufgetaucht bin." Ich wollte sie unterbrechen, um ihr zu sagen, dass es keinen Grund für sie gab, sich zu entschuldigen, denn den gab es eigentlich wirklich nicht, aber sie redete schon weiter: „zumindest kenne ich mich ein bisschen in Mirum aus, obwohl ich sagen muss, dass wir nur selten aus unserem Internat rausdürfen. Also ja - ich bin illegal hier.", fügte sie auf meinen fragenden Blick noch schnell hinzu.
Ich dachte an Dad und dass ich auch noch kein Wort darüber zu Persophone verloren hatte.
„Leute, könnt ihr aufhören, euch zu rechtfertigen, ihr habt nichts falsch gemacht."
Die beiden wechselten einen fröhlichen Blick und strahlten mich dann an.
Beinahe zeitgleich sagte Jael: „Danke Milan" und Persophone: „Was haltet ihr von einem Frühstück?"
Jetzt musste auch ich grinsen, dagegen war definitiv nichts einzuwenden.
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