acht
Milan:
Im Laufe des Tages begannen wir unsere Route nun detailreicher zu planen, aber meine Gedanken waren nicht bei der Sache.
Natürlich musste ich unseren Auftrag erfüllen und vielleicht ging ich viel zu naiv an diese Sache ran, aber irgendwie stellte ich mir das schon machbar vor.
Mich beschäftigte vielmehr, wie ich es jemals schaffen sollte, meinen Vater aus der Burg zu befreien.
Wie sollte ich zu den Gefängnissen überhaupt vordringen? Die Burg war randvoll besetzt mit den besten Wachen und Kämpfern.
Ich verdrängte den Gedanken, denn Pessimismus half mir auch absolut nicht weiter.
Gegen Abend dann suchten wir uns einen relativ geschützten Platz, um dort unser Zelt aufzubauen.
Wir entschieden uns für einen Platz unter dem Blätterdach einer großen Linde und schon nach kurzer Zeit war unser Zelt fertig aufgeschlagen.
Als Persephone und ich das Zelt betraten, wurde es schlagartig ruhiger, die Geräusche von draußen nahm man hier drinnen nur noch gedämpft wahr. "Wir müssen planen, wie es weitergeht!" sagte Persephone entschlossen, doch ich schaffte es gerade noch mein Gähnen zu unterdrücken. Nachdem ich heute morgen so früh aufgestanden war und wir den ganzen Tag unterwegs gewesen waren, war ich jetzt einfach nur hundemüde. Trotzdem hatte Persephone recht, wir mussten anfangen das Ganze genauer zu planen. Aber... "Können wir das nicht morgen machen, wenn wir wieder unterwegs sind? Da haben wir doch eh nichts zu tun."
Persephone verdrehte gekonnt die Augen, seufzte dann aber und nickte "Meinetwegen, Schlafmütze. Dann aber wirklich!"
Ich nickte brav und verzog mich in eine der beiden kleinen Schlafkammern, wo ich den Schlafsack aus meiner Tasche zog und nur Augenblicke später schlief wie ein Baby.
In der Nacht schlief ich unruhig.
Mehr als einmal wachte ich schweißgebadet auf, weil ich in meinen verdammten Träumen jedes Mal versagte. Entweder landete ich in einer dreckigen Zellen der Engel oder ich kehrte nach Eagle's Wing zurück - aber immer ohne Persophone oder ohne Dad.
War diese Mission denn wirklich so eindeutig zum Scheitern verurteilt?
War es so unmöglich in das Wespennest einzudringen ohne Stiche davonzutragen?
Ja, verflucht. Du bist ein 17-Jähriger gegen die besten Kämpfer Mirums. Wie um Himmels Willen stellst du dir das vor?
So sehr ich gegen die Stimme in meinen Kopf ankämpfe, wusste ich doch, dass sie im Grunde Recht hatte. Ich besaß nicht mal einen vorzeigbaren Plan.
Und plötzlich wurde mir bewusst, wie naiv und gutgläubig ich an die Sache rangegangen war und wie unvorbereitet ich jetzt dastand.
Unruhig drehte ich mich auf die Seite und versuchte wieder einzuschlafen, aber meinen Gedanken konnte ich so natürlich trotzdem nicht entfliehen und auch nicht dem Fazit, das mein Gehirn aus dem ganzen Chaos zog;
Meine Situation war -ob ich es mir nun eingestand oder nicht- verdammt hoffnungslos.
Irgendwann wurde mir dann klar, dass ich heute wohl nicht nochmal einschlafen würde. Da ich Persephone jedoch nicht wecken wollte zog ich vorsichtig den Reißverschluss unseres Zeltes auf und lief nach draußen, wo auch unsere Pferde, angebunden an einen Baum standen und gemütlich grasten.
Ich setzte mich und lehnte mich an den Stamm der alten Linde. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so hoffnungslos gefühlt. Ich hatte mir fest vorgenommen, meinen Vater aus der Burg zu befreien, wenn ich einen Auftrag für außerhalb bekommen würde. Doch jetzt, wo es tatsächlich passiert war, war ich kurz davor aufzugeben.
Seit mir und Helena vor zwei Jahren mitgeteilt worden war, dass die Engel unseren Vater hatten, hatte ich es mir zur Aufgabe gemacht, alles in meiner Macht stehende zu tun um ihn zu befreien.
Doch was, wenn alles in meiner Macht stehende viel weniger war, als ich anfangs gedacht oder zumindest gehofft hatte?
Ich zog meine Knie enger an meinen Körper, es war so früh, dass es noch ziemlich kalt hier draußen war.
Die Sonne war noch nicht aufgegangen.
Ich stand also wieder auf und lief ein paar Schritte, um ein bisschen warm zu werden.
Ich war noch nicht weit gekommen, das Zelt war noch in Sichtweite, da hörte ich plötzlich etwas, ganz in der Nähe. Es war ein deutliches Knacken, als ob jemand einen Ast zerbrochen hätte, weil er unsanft darauf getreten war.
Ich blieb abrupt stehen und lauschte angestrengt in die Stille hinein. Mein Herz begann schneller zu schlagen, und ich spürte, wie sich ein leichter Schauer über meinen Rücken zog. War da jemand? Und wenn ja, wer? Diese Gedanken schossen mir durch den Kopf, und ich schüttelte ihn, um die aufkommende Panik zu vertreiben. Vielleicht war es nur ein Tier, das sich durch das Unterholz bewegte – ein Reh oder ein Hase, der auf der Suche nach Futter war.
Ich versuchte, mich zu beruhigen, atmete tief ein und aus, während ich mich auf die Geräusche der Natur konzentrierte: das sanfte Rascheln der Blätter im Wind, das Zwitschern der Vögel, die langsam erwachten. Doch dann hörte ich es wieder – Schritte, leise und vorsichtig, als ob jemand versuchte, nicht aufzufallen. Mein Magen zog sich zusammen, und ich konnte nicht anders, als mich umzudrehen.
Mit einem schnellen Blick über die Schulter suchte ich nach der Quelle des Geräuschs. Die Dämmerung hatte die Umgebung in ein sanftes, graues Licht getaucht, und die Schatten der Bäume schienen sich zu bewegen. Ich hielt den Atem an, während ich darauf wartete, dass sich das Gebüsch teilte und mir offenbarte, wer oder was sich dort versteckte. In diesem Moment war ich mir nicht sicher, ob ich neugierig oder ängstlich sein sollte. Vermutlich war es irgendeine Mischung aus beidem. Die Stille um mich herum schien sich zu verdichten, und ich fühlte, wie die Spannung in der Luft wuchs.
Verdammt Milan, du hättest wenigstens ein Messer mitnehmen sollen... schoss es mir durch den Kopf.
Falls es ein Engel war, war ich völlig wehrlos. Wenn es ein Bär oder Wolf war, natürlich auch.
Plötzlich trat ein Mädchen aus dem Schatten der Bäume. Sie hatte lange, strähnige blonde Haare, die im schwachen Licht der Dämmerung schimmerten, und trug einen dicken, bunten Pullover, der ihr bis zu den Oberschenkeln reichte. Ihre blassblauen Augen waren geweitet, sie schien genauso überrascht zu sein wie ich.
Doch dann schien irgendetwas bei ihr Klick zu machen, denn auf einmal lächelte sie.
„Hey, du musst Milan sein." sie zögerte kurz, anscheinend wusste sie nicht, ob sie das, was sie vorgehabt hatte zu sagen, wirklich schon sagen wollte, entschied sich dann aber doch dafür, denn sie fuhr fort: „Ich bin Jael. Persephones Schwester."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro