Kapitel 3.1
Mein Kopf durchbrach die Wasseroberfläche und ich spürte wie sich meine Kiemen zurückbildeten.
Ich holte einmal tief Luft und sah mich um.
Um mich herum war fast nichts weiter als das ewige blau, das an den hellen Himmel angrenzte. Nur in der Ferne sah ich die Silhuette von Kenzie.
Eigentlich wollte ich nie wieder dort hin zurück. Sobald ich einen Fehler machte, würde es sofort vorbei sein.
Man würde mich genau wie Rylie in einen Käfig sperren und vor der Öffentlichkeit bloß stellen.
Aber ich muss! All meine Sachen lagen noch in einer Wohnung. Ohne meine Wertsachen würde ich nicht weggehen.
Mein Entschluss stand fest: Ich würde zurück nach Kenzie gehen und meine Sachen holen. Wenn ich das geschafft hatte, würde ich gucken, wo ich hingehe.
Ich tauchte wieder unter, nahm Kurs auf Kenzie und verbannte alle Zweifel aus meinem Kopf. Die Gedanken durften mich auf keinen von meinem Vorhaben abbringen.
Ich beschleunigte ein wenig und Konzentrierte mich nun völlig auf meinen Weg. Meine Beine schlugen wie wild und ich schoss wie ein Pfeil durchs Wasser. Die Fische nahmen sofort reiß aus, als sie mich sahen. Doch ich beachtete sie kaum.
Mein Blick haftete nun an zwei dicken Stelzen, die durch die Oberfläche stießen.
Es waren die Stelzen der Kenzie Brücke. Sie war die größte Brücke in der Stadt, die, wie alle anderen auch, beide Flussseiten miteinander Verband.
Ich verlangsamte mein Tempo, bis ich genau vor der Brücke zum Stillstand kam.
Ich wollte gerade weiter in den Fluss hinein schwimmen, als plötzlich ein lautes Rotorengeräusch ertönte.
Mein Kopf durchbrach die Wasseroberfläche erneut und ich sah, dass ich mich nun direkt unter der Brücke befand.
Aber meine Aufmerksamkeit galt gerade weder der Brücke, noch den ganzen Menschen. Sie lag einzig und allein beim dem Verursacher des Geräusches. Es waren Hubschrauber. Und zwar sehr viele, so an die zwanzig Stück kreisten über der Stadt.
Es waren die Hubschrauber des Präsidenten Palastes. Man erkannte es an ihrer glänzend schwarzen Lackierung und dem großen weißen Stern, in dessen Mitte sich zwei ineinander verschlungene Hörner befanden.
Der Stern stand für den Präsidenten und die Hörner für uns, die Mutanten.
Eigentlich hätte man alles mögliche in den Stern setzen können, denn immerhin waren wir alle unterschiedlich- Jedes Symbol hätte somit zu uns gepasst.
Aber wie wir in der Schule gelernt hatten, standen die beiden Hörner für einen ganz besonderen Mutanten.
TP98ST
Niemand wusste genau, wofür diese Kombination aus Nummer stand, aber ich vermutete, dass die Nummer genau das aussagte, wie bei uns anderen.
TP ist der Name,
98 die Nummer
Und die letzten beiden Buchstaben ST standen für die Mutation.
Das ST stand wahrscheinlich für Stier, denn dieser Mutant war ein Stier ähnliches Geschöpf.
Aber Fakt ist, dass TP98ST der erste Mutant war, den der Präsident eingefangen und hingerichtet hatte.
Daher hatte er entschieden, diese Hörner in das Logo für seine Organisation einzuarbeiten. Diese Organisation wurde Jeager getauft.
Und diese Organisation kreiste nur ein paar Meter über mir und hielt Ausschau nach Mutationen.
Ich tauchte wieder unter und überlegte, wie ich nun vorgehen sollte.
Aufgeben und einfach wieder gehen, kam nicht in Frage. Somit blieben nur noch zwei Möglichkeiten übrig:
Entweder, ich schwamm weiter durch den Fluss und versuchte mich kurz vor meiner Wohnung inmitten einer Menschenmasse unbemerkt zurückzuverwandeln oder ich verwandelte mich hier an der Brücke zurück und lief wie jeder andere zu meiner Wohnung.
Beide Möglichkeiten hatten ihre Vor- und Nachteile:
Bei Möglichkeit eins ist der Vorteil, dass ich nur ein kurzes Stück unbemerkt über Land laufen musste. Allerdings ist hier der Nachteil, dass man mich beim Zurückverwandeln entdecken würde.
Bei Möglichkeit zwei wäre der Vorteil, dass ich mich unbemerkt Zurückverwandeln könnte, aber dafür könnte ich an Land leichter entdeckt werden können.
Ich entschied mich für die zweite Möglichkeit.
Mein Blick glitt wieder in Richtung Himmel und als ich keinen Hubschrauber mehr sah, tauchte ich wieder unter und verließ mein Versteck.
Ich nahm Kurs auf den Hinterhof eines Hochhauses, der an das Wasser genzte und blickte einmal nach rechts und links, bevor ich mich an dem kalten Stein hochzog.
Meine Kiemen bildeten sich langsam zurück und als ich komplett aus dem Wasser gestiegen war, drangen auch meine Schuppen wieder zurück.
Nun sah ich wieder normal aus, so wie jeder andere auch.
Doch ein kleines Problem gab es noch: Ich trug immernoch nur einen Bikini.
Mein Blick wanderte umher und blieb an einer Wäscheleine hängen, die über mir von einem Fenster zum anderen gespannt war.
Es war fast zu schön um wahr zu sein.
Ich kletterte ein wenig an der Mauer hinauf, schnappte mir ein schwarzes T-Shirt sowie eine kurze Jeans und zog mir diese über meinen feuchten Bikini.
Der Jeansstoff war zum Glück dick genug, sodass kein Wasser hindurch drang und da mein T-Shirt schwarz ist, sieht man auch hier die Nässe nicht, die sich ihren Weg durch den Stoff bahnte.
Ich wrang noch einmal meine Haare aus und ging dann langsam los.
Meine nun wieder schwarzen Haare ließ ich etwas übers Gesicht fallen, um zumindest etwas von mir zu verbergen.
Die warme Sommerluft fühlte sich erdrückend an und das Sonnenlicht blendete mich.
Ich lief durch ein paar engere Gassen.
Zwar würde der Weg so länger dauern, aber es war immernoch besser als die belebte Hauptstraße entlang zu laufen.
Immerhin war ich gestern erst als Mutantin identifiziert worden.
Ob der Präsident wohl schon von mir erfahren hatte? Ich hoffte einfach mal, dass es nicht so war, bezeifelte es aber stark. Ich lebte immerhin schon länger in Kenzie und immer wenn ein Mutant gesichtet wurde, wusste der Präsident kurz darauf Bescheid.
Ein lautes Knacken ließ mich aufhorchen und mein Blick schnellte wieder nach vorne.
Eine große Gruppe Jugendlicher kam mir entgegen. Sie schienen angeregt über etwas zu diskutieren.
Plötzlich blieb einer von ihnen stehen und blickte an die gelbe Hauswand neben ihm. Ich stellte mich etwas auf die Zehenspitzen, um zu sehen, was ihn dazu veranlasst hatte stehen zu bleiben.
Mein Atem stockte, es war ein Foto.
Und auf diesem Foto war eine Person abgebildet. Sie hatte schwarze Haare und stechend blaue Augen. Dazu trug sie ein schwarzes Top und trug ihre Haare offen, die ihr bis zu den Schultern gingen.
Meine Atmung beschleunigte sich. Das konnte nicht sein! Das auf dem Foto konnte nicht ich sein.
Und doch war es so. Das Mädchen auf dem Foto war ich.
Meine Augen weiteten sich vor Panik, als mich die Erkenntnis mit einem Schlag traf. Der Präsident wusste von mir- und er ließ nach mir suchen.
Wahrscheinlich suchte schon die halbe Stadt nach mir.
Ich lief schnell einige Schritte zurück und bog in einen anderen Weg ein, um den Jugendlichen zu entkommen, bevor sie mich entdecken würden.
Zu meiner rechten und meiner linken erstreckten sich immer mehr Häuser in den verschiedensten Farben.
Rechts neben mir befand sich ein blaues Haus mit grünen Fensterramen, links von mir ein knall rotes mit gelben Dachziegeln und weiter vorne ein rosafarbenes Haus.
Für meinen Geschmack etwas zu bunt, aber so war unsere Stadt nunmal: Bunt, laut und belebt.
Hinter einem orangenen Hochhaus bog ich rechts ein und trat auf eine belebtere Straße hinaus. Ich hielt mich immer dicht an den Hauswänden und mein Haar verdeckte mittlerweile fast mein ganzes Gesicht.
Mein Verstand sagte mir, dass ich schleunigst umkehren und das weite suchen sollte, aber das tat ich nicht.
Ich setzte meinen Weg einfach fort, immer weiter durch die belebte Straße in Richtung meiner Wohnung.
Plötzlich knallte ich gegen jemanden. Ich schreckte auf und mein Blick schnellte nach oben.
Meine Atmung beschleunigte sich erneut als ich sah, wer da vor mir stand.
Es war ein Mann. Er hatte kurze braune Haare, braune Augen und ein schmales Gesicht. Aber das war es nicht, was mich schockierte.
Es war seine Kleidung: Er trug eine schwarze Uniform mit gelben Verzierungen, dazu trug er eine gelbe Kravatte, die auf einem weiße Hemd lag.
Aber mein Blick haftete einzig und allein an der Brosche, die an seinem Anzug befestigt war.
Es war ein Stern- und in seinem Inneren befanden sich zwei ineinander verschlungene Hörner.
Dieser Mann war ein Jeager, ein Diener des Präsidenten und Mitglied der Organisationen, die alle Mutanten fangen soll.
,,Entschuldigung Miss, kann ich Ihnen helfen?" Fragte er mich und lächelte mich an.
Doch ich war in einer Art Schock Starre gefangen und brachte keinen Ton heraus.
,,Geht es Ihnen gut?" Fragte er weiter und ich betete einfach, dass er damit aufhören und einfach weitergehen würde.
Ich konnte meinen Blick nicht von dieser Brosche lösen. Meine Augen hafteten an diesen Hörnern, die TP98ST verkörperten.
Der Mann fasste mich am Arm, mein Blick schnellte nach oben und ich blickte geradewegs in seine Augen.
Er ließ mich vor Schreck los und griff hektisch nach seinem Funkgerät. Seine Worte drangen wie durch Watte an meine Ohren. Ich war zu verängstigt, als das ich hätte handeln können.
Seine Große Hand schloss sich wieder um mein Handgelenk, während er weiter sprach.
,,Ich habe sie... Gallionenstraße... Mutantin..."
Plötzlich regte sich etwas in mir und mein Verstand wurde wieder klar. Ich realisierte die Situation in der ich mich befand. Wenn ich nicht sofort handeln würde, wäre ich innerhalb der nächsten Momente in einem Käfig auf dem Weg zum Palast.
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, schlug mein Knie zwischen seine Beine und kurz darauf landete auch schon meine Hand mit einem lauten Klatschen in seinem Gesicht.
Der Mann schrie schmerzerfüllt quf und einige umstehende Menschen wandten ihren Kopf zu uns.
Ohne mich nocheinmal nach dem auf dem am Boden liegenden Mann umzudrehen, rannte ich so schnell es ging wieder in Richtung der Brücke.
Ich hörte, wie der Mann mir etwas hinterherbrüllte und wie die Menschen aufschrien. Vermutlich hatte er das Wort Mutant erwähnt und damit die Masse aufgeschreckt.
Laute Schreie und Fußgetrampel drangen durch meine Ohren und veranlassten mich dazu schneller zu laufen.
Meine Beine trugen mich über den Asphalt und meine Haare wehten im Wind.
Ich wusste nicht, woher diese Kraft kam, aber kurz darauf sah ich die Brücke bereits in der Ferne.
Meine Hand griff nach dem Geländer der Brücke und ich rannte über sie auf die andere Seite des Flusses.
Ich hatte gerade das Ende der Brücke erreicht, als mir plötzlich ein Auto die Sicht versperrte. Die Tür des Autos sprang auf und eine Frau kam zum Vorschein. Irgendetwas an ihr wirkte merkwürdig, aber darüber konnte ich jetzt nicht nachdenken.
Auf einen weiteren Wink der Frau, sprang ich durch die offene Tür ins Auto und zog sie zu.
Daraufhin bretterte das Auto mit atemberaubender Geschwindigkeit los und ließ die Menschenmasse schon bald hinter sich.
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