Kapitel 17
Sonnenuntergänge waren eines der schönsten und ruhigsten Ereignisse, die Leon sich vorstellen konnte. Vor allem am Meer. Nach einem anstrengenden Tag ganz besonders.
Er hatte den ganzen Tag an der heute viel besuchten Eisdiele gearbeitet und nebenbei pausenlos an Lucy gedacht.
So sehr, dass er eine Kundin versehentlich mit ihrem Namen angesprochen und die Arme damit wahrscheinlich ziemlich verwirrt hatte.
Jetzt saß er im weichen, warmen Sand, beobachtete den Himmel, der von der am Horizont versinkenden Sonne in ein warmes, orangenes Licht getaucht wurde und zerbrach sich zum wiederholten Male den Kopf.
Ob sie es zu schnell und voreilig angegangen waren, ob er sich falsch verhalten hatte und ob sie überhaupt eine Chance hatten, miteinander glücklich zu werden, so unterschiedlich wie sie bzw. ihre Leben waren.
Natürlich war sie toll und er war sich ziemlich sicher, dass dieses Empfinden auf Gegenseitigkeit beruhte, aber reichte das aus?
Leon seufzte. Er hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Wenn man jemanden wirklich mochte und kennenlernen wollte, sollte man sich nicht von Unterschieden oder Entfernungen beeinflussen lassen, oder?
Tja, leichter gesagt als getan. Eigentlich machte er sich nicht um alles so viele Gedanken, aber er kam diesmal seltsamerweise nicht drumherum. Er hatte Angst. Angst, es kaputt zu machen und Angst, sie zu verlieren weil sie besonders für ihn war.
Die Situation schien ihm irgendwie verfahren. Und er wusste nicht mal so richtig, wie sie an diesen Punkt gekommen waren. Es war eigentlich alles schön, bis zu einem blöden Kommentar von Lucy, der aus irgendwelchen Gründen alles komplizierter gemacht hatte.
Er stüzte den Kopf in die Hände und atmete schwer. Leon hatte niemals damit gerechnet, auf seinen Reisen jemanden kennenzulernen, mit dem er sich eine Beziehung vorstellen könnte.
Und jetzt hatte er tatsächlich jemanden gefunden und er war auf dem besten Weg, sie wieder zu verlieren. Es war zum Schreien. Vielleicht sollte er seine Gefühle einfach rausschreien? Die sanften Wellen, den Sonnenuntergang, die Möwen?
Doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, ertönte hinter ihm eine Stimme. Eine Stimme, die ihm in den letzten Tagen sehr vertraut geworden war.
"Hey", sagte Lucy leise und setzte sich zögerlich neben ihn in den Sand. Leon erwiderte nichts. Er sah sie nur kurz an und blickte dann wieder auf den Horizont, wo mittlerweile nur noch ein roter, glühender Punkt als Sonne zu erkennen war, die sich mittlerweile fast komplett an die Weiten des Meeres geschmiegt hatte. Sie seufzte hörbar neben ihm auf. "Redest du jetzt nicht mal mehr mit mir?" Er setzte sich auf und sah sie gereizt an. "Hatte ich schon vor. Ich weiß nur nicht so genau, was ich dir sagen soll, weil ich nicht weiß, was du hören willst."
Lucy schnaubte entrüstet. "Es geht nicht darum, was ich hören will oder nicht. Es geht darum, wie es weitergeht und dass du vielleicht nicht so übertreiben musst, nur weil ich was unüberlegtes gesagt habe".
Jetzt war Leon derjenige, der entrüstet war. "Übertreiben, ja? Du warst diejenige, die sich plötzlich über nichts mehr sicher war, und erwartest von mir, dass es mir egal ist, dass du meine Reisen und meine Lebensweise scheiße findest?!"
Lucy schüttelte den Kopf und vergrub ihre Hände im Sand.
"Ich finde sie nicht scheiße", erwiderte sie, jetzt mit ruhigerer Stimme. "Ich kann es nur nicht ganz nachvollziehen und habe mich gefragt, ob ich überhaupt Gefühle für dich zulassen sollte, wenn wir so unterschiedlich leben."
Leon raufte sich die Haare und sah sie an. Sah sie länger an. Solange, bis sie ihn auch ansah. "Das verstehe ich doch. Ich möchte nur nicht, dass wir es komplizierter machen, als es ist. Weil das Leben doch kompliziert genug ist. Ich finde dich toll, du bist humorvoll, klug, heiß, ich mein.." Er unterbrach sich selbst und griff nach ihrer Hand im Sand. "Lass uns die letzten Tage hier gemeinsam genießen, okay? Ich überlege mir auch schon mal mein nächstes Reiseziel. Und dann reden wir darüber. In Ruhe. Und wir finden eine Lösung, dass wir uns nicht aus den Augen verlieren, okay? Ich werde nicht mehr so lange um die Welt reisen, ich bin schon so viel gereist, habe viel erlebt. Und wenn du mich dann immer noch ganz ok findest, würde ich sehr gerne an deiner Seite bleiben. "
Leon hatte während er geredet hatte, nicht gemerkt, dass Lucy weinte. Sie lächelte ihn an und weinte gleichzeitig.
"Das machen wir so. Und danke, dass du so toll bist", schniefte sie und lachte in ihre Tränen hinein, als er sie auf seinen Schoß zog und in den Arm nahm. Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter und schlang die Arme um seinen Hals.
Nachdem sich Lucy halbwegs beruhigt hatte, löste sie sich von ihm und blickte ihn an. Mittlerweile war es dunkel geworden, in der Ferne blinkten wie gewohnt die Lichter der Bohrinseln und Schiffe.
Sie lehnte ihre Stirn an seine und fuhr mit den Händen unter sein T Shirt.
"Was machst du?", raunte Leon und schloss die Augen. Lucy lachte leise auf.
"Gefällts dir?", gab sie zurück, woraufhin Leon nur nickte. Und dann küssten sie sich, bis ihr Kuss immer intensiver und sandiger wurde.
Und als sie nach einiger Zeit und vielen weiteren Küssen, die Klamotten neben sich im Sand, Arm in Arm in die Sterne hinaufblickten, waren sie beide zuversichtlich, dass sie es schaffen würden, Steine und Felsen zu erklimmen. Und vielleicht sogar Berge.
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