41 - völlig von der Rolle
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[Freitag nachmittags]
𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚
Ich laufe jetzt bestimmt schon eine gute halbe Stunde verloren durch den Laden, ohne eine Idee zu bekommen, was ich kochen könnte. Ich bin irgendwann so verzweifelt, dass ich Ten eine Nachricht schreibe.
"Hey, danke nochmal für das Gespräch gestern. Ich hab viel nachgedacht, aber grade hab ich ein anderes Problem. Jimin hat heute seine Prüfung und ich möchte für ihn was kochen, aber ich weiß nicht was. Es soll was besonderes sein, aber was? Hast du ne Idee?"
Ich schicke die Nachricht ab und kriege kurze Zeit später eine Antwort von ihm. Er teilt mir mit, dass er gleich zum Supermarkt kommt und mir hilft. Und tatsächlich ist er wenig später im Laden und hilft mir ein bisschen auf die Sprünge. Er fragt mich ein paar Dinge und hat danach sofort eine Idee. Im Endeffekt bin ich froh, dass ich ihn gefragt habe, denn wenig später haben wir zusammen ein Menü erstellt und alles dafür eingekauft. Ich hoffe nur, dass Jimin die Idee nicht blöd findet, denn mir gefällt sie ganz gut.
Ten bietet mir an, noch etwas zu helfen. Ich will erst ablehnen, aber da denke ich an die vielen Gespräche mit ihm und Jimin zurück. Es ist keine Schande, wenn man selbst nicht zurecht kommt und Hilfe annimmt. Und Ten scheint sich sogar irgendwie zu freuen, dass er mit zu mir kann, um mich in den Vorbereitungen zu unterstützen.
Wieder zu Hause angekommen räumen wir den Einkauf aus und fangen umgehend an, Gemüse klein zu schnibbeln, Fleisch anzubraten und setzen Reis auf. Er meint, dass ich schon alles soweit vorbereiten kann, damit ich dann später nur noch die Sachen aufwärmen muss, sobald Jimin zu Hause ist. Das ist mein Stichwort.
"Ich ... hab überlegt, dass ich hingehe. Also zu seiner Vorstellung. Er hat mich eingeladen."
Ich kann Tens Blicke auf mir spüren, traue mich aber nicht, ihn anzusehen. Dieses kribbelige Gefühl hat sich schon wieder in mir breit gemacht, und ich hab keine Lust, dass er mitbekommt, wie aufgeregt ich deswegen bin. Blöd nur, dass ihm natürlich genau das anscheinend nicht entgangen ist.
"Deswegen bist du so nervös. Kein Wunder", bemerkt er lachend, "Das wird schon. Jimin wird sich freuen, wenn du zu seiner Prüfungsvorstellung kommst. Und er wird sich freuen, dass du Essen gemacht hast. Wann musst du hier dann los?"
Es ist jedes mal erstaunlich, dass Ten mir zu keinem Zeitpunkt das Gefühl vermittelt, dass ich übertrieben reagiere oder mich zum Affen mache. Er ist ... wirklich ein Freund. Dass ich das erst jetzt bemerke, ist schon irgendwie traurig. Aber wenn ich Tens Worte richtig verstanden habe, freut er sich, dass ich jetzt soweit bin.
Ich lege das Messer beiseite, als ich alles Gemüse klein geschnippelt habe, und drehe mich zu ihm.
"Um 17 Uhr ist Jimins Vorstellung. Also gegen halb 5 hier los, wenn ich nicht auf den letzten Drücker da sein will. Ach und Ten? Danke. Danke, dass du mir hilfst, dass du mir die ganze Zeit schon geholfen hast. Und dass du so viel Geduld mit mir hast."
Ten lächelt mich freundlich an und legt seine Hand auf meine Schulter.
"Dann solltest du dich langsam fertig machen. Es ist schon halb 4. Und bitte, sehr gerne. Aber du solltest dir deine sentimentale Rede lieber für Jimin heute Abend aufheben."
Ich schnaufe beleidigt, als ich Tens Zwinkern sehe. Er teilt mir mit, dass er sich weiter ums Essen kümmert, damit ich in Ruhe duschen kann. Also lasse ich ihn in der Küche allein zurück und verschwinde im Bad. Und dann werde ich RICHTIG nervös!
ʝιɱιɳ
Ich wache auf, weil jemand mir vorsichtig über den Arm streicht. Nur mühsam kriege ich die Augen auf. Erstmal weiß ich nicht, wo ich bin, aber dann sehe ich, dass Seojun neben mir sitzt. Schlagartig wird mir klar, wo, wann und warum ich bin - Freitag Mittag, vor meiner Prüfung, in der Wohnung von Seojun und Jeongkwon. Und schon sitze ich kerzengrade im Bett.
"Wie spät ist es? Habt ihr schon gegessen? Ich darf nicht zu spät kommen!"
Seojun lächelt und hindert mich daran loszustürzen.
"Wir haben gekocht und gegessen und beschlossen, dich schlafen zu lassen. Wir machen uns ein bisschen Sorgen, weil du vorhin echt fertig ausgesehen hast. Es ist jetzt viertel vor vier, du hast Zeit zu essen, zu duschen, wenn du magst, und mit mir zur Uni zu laufen. Keine Hektik!"
"Wie lang hab ich denn geschlafen?!?"
"Weit über drei Stunden. Du warst sofort weg vorhin. Erst essen oder erst duschen?"
Mein Magen knurrt. Laut. Wie immer ...
"Essen. Viel. Und duschen ist nicht nötig. Geht so."
Jetzt darf ich aufstehen. Ich folge Seojun in die Küche und mache mich über das warm gehaltene, echt leckere Essen her.
Währenddessen lasse ich meinen Blick durch diese Küche schweifen. Man sieht sehr deutlich, dass hier zwei Menschen miteinander leben, die sich ihr Zuhause gemeinsam gemütlich gemacht haben. Und prompt fällt mir Yoongi wieder ein. Meine Einladung. Ob er kommen wird? Ich wünsche es mir so sehr! Ich weiß gar nicht, was ich machen soll, wenn er NICHT kommt. Wir haben so viel Kraft und Zeit und Können in unseren Song gesteckt. Ich will einfach, dass er miterlebt, was daraus geworden ist.
Ich will den Abend mit ihm verbringen. Und ich will herausfinden, ob sich mein Verdacht bestätigt, über mich, über uns. Aber erstmal muss ich meine Choreo vorführen, meine Prüfung ablegen und das Beste aus mir rausholen. Was auch immer das ist. So richtig energiegeladen und zuversichtlich fühle ich mich immer noch nicht. Die Schritte? Kein Problem. Das Umziehen? Geht im Schaf. Aber ob ich die nötige Ausstrahlung und Lässigkeit habe heute? Keine Ahnung. Ich muss darauf hoffen, dass die Konzentration rechtzeitig kommt.
"Ich bin soweit, lass uns gehen."
Die Uni ist schnell erreicht. Die anderen warten bereits mit unseren sämtlichen Requisiten vor dem Tanzsaal und begrüßen mich mit Scannerblicken. Ich sehe es förmlich hinter ihren Stirnen rattern. "Ist er jetzt fit genug?" Weiß ich auch nicht, wenn ich ehrlich bin.
Wir dürfen in den Backstagebereich, bereiten alles vor, wärmen uns gründlich auf. Aber meine Gedanken sind bei Yoongi. Ob er kommen wird. Was aus uns wird.
Bis mir Jeongkwon energisch auf die Schulter tippt, mich kopfschüttelnd anschaut und auf ein paar Stühle zeigt.
"So wird das nix, Jimin. Lass uns nochmal reden, damit du den Kopf frei bekommst."
Auch gut. Vielleicht hilfts ja. Taemin und Kai kommen dazu, und wir setzen uns gemeinsam auf die Stühle. Alle anderen wurschteln weiter - es ist nicht mehr viel Zeit.
Ratlos schaue ich in die Runde.
"Ich mach mir keine Sorgen um die Choreo oder um das Umziehen. Aber mein ganzer Kopf ist voll von Yoongi. Ob er kommt. Ob es ihm gefällt. Was aus uns wird. Was ich jetzt tun soll. Mein Hirn hat sich aufgehängt wie ein abgestürzter Computer. Da ist nur noch 'kommt er, oder kommt er nicht?' Als hinge mein Leben davon ab. Aber so komme ich nicht in den richtigen Groove!"
Meine Stimme wird immer verzweifelter, weil ich mir selbst so im Wege stehe und grade NICHTS dagegen tun kann.
Taemin nimmt mich in die Arme und drückt mich einmal.
"Kann es sein, dass du grade über den Gartenzaun kuckst, weil das jetzt einfach wichtiger für dich ist?"
Ich nicke. Das wirds wohl sein ...
"Ich ... hab mich eigentlich schnell daran gewöhnt, dass das eine Möglichkeit ist, das schreckt mich nicht. Ich mag Yoongi wirklich sehr, sehr gerne. Unsere WG ist unglaublich wichtig für mich. Und jetzt habe ich einfach Angst, dass er nicht kommt!"
Jeongkwon schaltet sich ein.
"Wir können ihn nicht beizaubern. Aber ich mache Dir einen Vorschlag. Selbst, wenn du ihn nicht kommen siehst, kann es sein, dass er heimlich reinkommt. Ist halt'ne Kellerassel. Stell dir bitte vor, dass er da ist. Weil du ihm auch wichtig bist. Vielleicht will er nicht gesehen werden, wird aber trotzdem da sein.
Du konzentrierst dich jetzt auf das Stück, und ich gehe raus und halte Ausschau. Sollte er da sein, werde ich ihn an den Haaren in den Saal schleifen. Versprochen!"
Mir bleibt wohl nichts anderes übrig. Wenn er heimlich da ist, darf ich das auf keinen Fall verkacken. Also los, Park Jimin, gib alles. Für Yoongi!
Ich atme tief durch.
"Gut. Ich zieh das jetzt durch. Für Yoongi. Ich danke euch."
Während Jeongkwon raus auf den Flur eilt, lege ich mit zitterndem Herzen den inneren Schalter um, singe mich ein, verkabele mich und warte darauf, dass ich aufgerufen werde.
𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚
Die Dusche macht mich noch nervöser, als ich ohnehin schon bin. Ich halte es keine zehn Minuten darunter aus, ehe ich hastig wieder aussteige und mich hektisch im Bad umsehe. Ich trockne mich schnell ab, rubbel meine Haare trocken, binde mir im Rausgehen noch ein Handtuch um die Hüften und flitze dann sofort in mein Zimmer. Dort angekommen wühle ich in meinem Kleiderschrank nach frischen Klamotten, die ich auch direkt anziehe, ohne weiter darüber nachzudenken. Schwarze Jogginghose und blauer Oversizedpulli müssen reichen, Jimin kennt mich immerhin schon in ganz anderen Zuständen. Und das ist das, was ich in der Uni anziehen würde, würde ich ganz normal hingehen. Es ist auf jeden Fall nicht zu auffällig.
Ich gehe nochmal zurück ins Bad und föhne meine Haare notdürftig. Zufrieden bin ich noch nicht, aber ich will Ten auch nicht so lange alleine werkeln lassen.
"Bist du schon fertig?", fragt Ten direkt, als ich die Küche erreiche und mich danach erkundige, was ich noch helfen kann.
"Ähhh. Ja?", antworte ich, während Tens skeptische Blicke mein Outfit mustern. "Stimmt was nicht?"
"Yoongi, eine Frage. Du machst dir riesig viel Gedanken, was Jimin zum Essen sagt und so weiter. Aber siehst aus, als wärst du grade aus dem Bett gefallen. So können wir dich da nicht hingehen lassen."
Autsch!
"Kann sein, aber das ist kein Date und ich bin keines dieser aufgetakelten Mädels, die stundenlang überlegen, was sie anziehen sollen. Außerdem ... weiß ich gar nicht, ob ich Jimin dann auch sehe, oder ob er mit seinen Freunden feiert od..." Ten unterbricht mich, indem er so laut seufzt, dass ich mich nicht traue weiter zu reden.
"Mitkommen", ist das einzige, was ich noch höre, ehe er mich aus der Küche schleift und fragt, wo mein Zimmer ist. Ich versuche mich gar nicht dagegen zu wehren, denn eigentlich bin ich ja ganz froh, dass er auch in dem Punkt eine ganz genaue Vorstellung hat, was man zu solchen Anlässen anzieht.
Ten steckt mich in verschiedene Outfits, was ich nur mit viel Gezeter über mich ergehen lasse. Am Ende entscheidet er sich für eine eng anliegende schwarze Hose, einem Ledergürtel mit auffälliger Schnalle, einem schwarzen Hemd, dass wir in die Hose stopfen und ein paar kleinen Accessoires wie Armbanduhr, Ohrringen und Kette. Auch meine Haare müssen dran glauben. Er stylt sie, bis sie nicht mehr platt anliegen, sondern frech in sämtliche Richtungen abstehen. Der Witz ist, dass er anscheinend ein Händchen dafür hat, denn das Ergebnis kann sich tatsächlich sehen lassen.
"Das sieht gut aus, okay. Aber es sieht trotzdem so aus, als wolle ich zu nem Date und nicht einfach zur Abschlussprüfung meines Mitbewohners."
"Na dann ist es doch gut! Komm schon, das ist nicht irgendeine Abschlussprüfung und dein Mitbewohner ist auch nicht einfach irgendein Mitbewohner. Jimin ist dir wichtig, und du weißt ja noch gar nicht, wie der Abend endet. Also sei lieber darauf vorbereitet. Außerdem steht dir das."
Ich kann nichts mehr auf Tens Argumente erwidern, aber da die Zeit gerade wegrennt, hab ich dazu eh keine Möglichkeit mehr. Es ist jetzt 15:23 Uhr, genau zehn Stunden später als heute morgen. Aber die Zeit ist dank Ten tatsächlich verflogen. Das Essen ist komplett vorbereitet, und er hat sogar den Tisch schon hübsch gedeckt. Mein Styling steht. Es kann also losgehen. Scheiße ... wann war ich das letzte Mal so aufgeregt? Jetzt gerade fühlt es sich, so albern es auch klingt, wirklich eher an wie ein Date. So ein Schwachsinn. Es ist Jimins Prüfung. Und wir wissen gar nicht, wie es nach dieser turbulenten Woche überhaupt mit uns weiter geht.
Ich muss einige Minuten verloren im Flur gestanden haben, denn Ten fuchtelt mit seiner Hand vor meinen Augen herum.
"Meinst du, du findest den Weg zur Uni alleine?"
"Ich ... war nur in Gedanken. Natürlich", kontere ich scharf, obwohl ich ja weiß, dass Ten nur besorgt ist. Ich bin nur so schrecklich aufgeregt. Noch mehr als vor meiner eigenen Prüfung! Das ist zum verrückt werden! Klar, Jimin ist mir wichtig, das will ich ja gar nicht leugnen. Aber SO?
Wieder eine Hand, die vor meinen Augen rumfuchtelt. "Also, das reicht. Ich begleite dich zur Uni. Sonst wirst du noch von nem Auto angefahren, so wie du grade drauf bist. Du stehst ja VÖLLIG neben der Spur."
Was soll ich dazu sagen? Irgendwie hat er ja Recht. Also nicke ich nur, wir werfen uns in unsere Mäntel und machen uns um kurz nach halb fünf auf den Weg.
Als wir an der Uni ankommen, bin ich ganz froh, dass Ten mich begleitet hat. Ich habe mittlerweile vor Nervosität nur noch Wackelpudding in den Beinen und wäre wahrscheinlich schon längst wieder nach Hause geflüchtet, wenn Ten mich nicht aufgehalten hätte.
Er begleitet mich noch bis in den Neubau, und insgeheim hoffe ich, dass er bleibt. Es ist gar nicht so schlecht, einen Freund an seiner Seite zu haben.
"So, ab hier musst du es alleine schaffen", sagt Ten mit seinem gewohnt zugewandten Lächeln, "Du schaffst das. Denk dran. Jimin mag dich so, wie du bist. Du musst dich nicht verstellen. Aber hör darauf, was dein Gefühl dir sagt, hm? Kriegst du das hin?"
Ich nicke und kann gerade gar nicht in Worte fassen, wie froh und dankbar ich über einen Freund wie Ten bin. Es ist mir nie klar gewesen, dass er es nicht nur als Verantwortung sieht, mir zu helfen, weil er in einem höheren Semester ist. Ten mag mich. Es macht ihm Freude, mir helfen zu können. Und dank ihm habe ich es wirklich zu Jimins Vorstellung geschafft. Durch ihn fühle ich mich nicht ganz so hilflos ausgeliefert.
Ten klopft mir aufmunternd auf die Schulter, will sich aber im nächsten Moment von mir wegdrehen. Es fühlt sich falsch an, ihn jetzt einfach gehen zu lassen. Ich gebe mir einen letzten Ruck, ehe ich ihn zu mir zurückziehe und ihn umarme.
"Danke, Ten. Danke für alles."
Er erwidert die Umarmung, und irgendwie fühlt es sich gut an. Nicht so wie bei Jimin, anders halt, aber auch gut. Er entlässt mich aber schnell und gibt mir breit lächelnd einen Schubs in die richtige Richtung.
"Jetzt aber huschhusch. Sonst kommst du doch noch zu spät! Jimin wartet!"
Es ist tatsächlich kurz vor 5 Uhr, als ich vor der Tür zum Theatersaal stehe. Ein letztes Mal hole ich tief Luft, ehe ich mich wieder in Bewegung setze. Aber ich erreiche den Saal nicht, denn vorher werde ich aufgehalten.
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30.7.2021
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