𝟚𝟡. 𝕊𝕖𝕝𝕓𝕤𝕥𝕫𝕨𝕖𝕚𝕗𝕖𝕝
»Hallöchen.« Michi winkte, als er ins Lustig trat. Er hatte den Hintereingang benutzt, da wir schon geschlossen hatten. Dominik und ich hatten noch geredet und uns dann mit einer Umarmung verabschiedet. Ich hielt nach Toni Ausschau, doch der war nicht zu sehen.
»Toni ist in Leipzig. Ich habe mich entschieden, noch ein bisschen hierzubleiben.« Michi lächelte. »Ihr seid fertig, oder?«
»Du willst mich bestimmt nicht abholen, sondern nur zu ihm, oder?«, fragte Maike.
»So einen lieben Bruder kannst du dir nur wünschen.« Michi schenkte ihr sein breitestes, falsches Grinsen.
»Weihnachten ist leider vorbei«, erwiderte Maike.
Die beiden funkelten sich an, bis ich dazwischenfunkte.
»Wo wollen wir denn hin? Ich würde ja zur Brücke fahren, aber draußen ist es wahrscheinlich zu kalt.«
»Wir können zu mir«, bot Michi an.
Draußen empfing uns Kälte, doch wir kämpften uns den Weg zu Michis Haus. Maike schloss die Tür auf und wir sprangen schnell ins Innere. In Michis Zimmer angekommen setzte ich mich auf den Teppich. Michi ließ sich gegenüber von mir fallen.
»Wollen wir ein bisschen Musik hören?«, fragte er. Als ich nickte, machte er eine Playlist drauf. Das erste Lied erinnerte mich an July. Wir hatten es im Musikunterricht vorgesungen und darauf eine Note bekommen.
»Ich vermisse July«, sagte ich.
»Ihr wirkt so distanziert. Was ist denn zwischen euch passiert?«
Ich legte mich hin und Michi tat es mir gleich. »Na ja, ich bin nicht mehr in sie verliebt, doch sie hat mir gesagt, dass sie mich mag. Ich habe ihr gesagt, dass ich nichts mehr von ihr will.«
»Sie ist bestimmt verletzt.«
»Ja, ich weiß nur nicht, was ich machen kann.« Ich seufzte. »Ich hatte nie vor, ihr wehzutun.«
»Das wird schon wieder.«
»Hoffentlich. Ich hasse diesen Schmerz. Ich habe sie so sehr gemocht und das schon seit der zwölften Klasse. Seit diesem Kuss, um genau zu sein. Erinnerst du dich, wie durcheinander ich war?«
Michi nickte heftig. »Ihr habt beide nicht miteinander geredet und ich war der Wink für beide. Das war echt nervig.«
»Und sobald ich keine Gefühle mehr für sie habe, sagt sie mir, dass sie mich doch mochte. Wir hätten zusammen sein können, hätte sie mich nicht angelogen. Sie hat mir gesagt, dass sie sich nicht mehr an den Kuss auf Jennys Hochzeit erinnert. Hätte sie nicht gelogen und hätten wir uns wieder geküsst, wäre alles anders gekommen«, sagte ich.
»Ich glaube, es sollte so kommen, wie es gekommen ist. Das Universum hat andere Pläne für dich.«
»Hoffentlich.« Ich starrte an die Decke.
»Ich bin überzeugt, dass du die richtige Person findest. Und ich kann mir eine Zukunft mit dir und July nicht so gut vorstellen, wenn ich ehrlich sein soll.«
»Ich auch nicht, sie aber schon.«
»Ich hatte immer das Gefühl, sie könnte auf Frauen stehen«, murmelte Michi.
»Echt? Das dachte ich auch eine Zeit lang!«, rief ich aus. »Das wäre echt cool.«
»Ja, das wäre mega.«
Wir lauschten der Musik.
»Ich habe Angst«, sagte Michi plötzlich.
»Wovor?«, fragte ich.
»Vor der Hochzeit. Ich habe Angst, dass irgendetwas schiefläuft und wir uns vorher trennen oder so.«
»Willst du dich denn von Toni trennen?«
»Hätte ich ihm sonst einen Antrag gemacht? Aber es kann eben immer etwas schiefgehen.«
»Macht dir keine Gedanken. Sogar Jacey ist da. Hast du eigentlich was von ihr und deiner Oma gehört?«
»Oh ja, sie wollen nicht gestört werden. Sie reden den ganzen Tag und erzählen sich, was sie gegenseitig verpasst haben. Ich glaube, die bleiben zusammen.« Michi grinste.
»Ich habe Angst, dass bei mir etwas schiefgeht. Oder schiefgegangen ist«, gab ich zu.
»Warum denn?«
»Weil ich die Liebe nicht finde. Ich habe jeden Tag so große Selbstzweifel.«
»Das kommt noch, keine Sorge. Und ich weiß, dass du geliebt werden kannst.«
»Wie?«
»Ich glaube, ich war selbst mal in dich verliebt«, gab Michi zu.
»Warst du? Davon hast du mir nie etwas erzählt.«
»Ja, ich habe es erst Jahre später verstanden, als ich einen Traum hatte. Der hat mir auch gezeigt, dass ich Toni mag.«
Wir verfielen wieder in Schweigen, doch es war kein unangenehmes, sondern ein friedvolles.
»Denkst du, es ist zu früh, wenn ich dieses Jahr heiraten möchte?«, fragte Michi.
»Oh, das kommt unerwartet, aber warum solltet ihr auch warten? Ihr habt den Antrag ja auch schon hinter euch.«
Michi setzte sich auf. »Willst du mein Trauzeuge sein?«
»Ich fasse es nicht, dass du mich das fragst. Natürlich!« Ich grinste Michi an.
»Wen hätte ich sonst fragen sollen?« Michi grinste.
»Ich freue mich schon. Wisst ihr, wo ihr heiraten wollt?«
»Ich könnte mir eine kleine Feier im Garten vorstellen. Und wir wollen kirchlich heiraten.«
»Ich erinnere mich zu gut an die Geburtstagsfeier damals in eurem Garten.« Wir beide lächelten bei der Erinnerung.
»Ja. Wir könnten natürlich auch unter dem Baum feiern, aber ich will nicht in meiner alten Schule heiraten.« Michi lachte.
»Ich finde die Gartenidee toll.«
Wir hörten noch zwei Lieder aus der Playlist und dann wurde Michi zum Abendessen gerufen.
»Ich werde gehen. Dad wartet bestimmt auf mich.«
Ich begleitete Michi nach unten in die Küche.
»Ach Levi, du bist da?« Lena lächelte mir zu. »Setz dich doch zu uns.«
»Ähm, ich wollte eigentlich nach Hause.«
»Ach komm schon«, meinte auch Lorenzo.
»Ja, bleib noch ein bisschen.« Maike klopfte auf den freien Platz neben sich.
»Na gut, ich sag meinem Vater nur kurz Bescheid.«
Nachdem ich Dad geschrieben hatte, setzte ich mich auf den freien Platz neben Maike und begann, mit der Familie Lustig zu essen, so wie früher manchmal. Es gab Brot mit veganem Aufstrich und Gemüse. Ich probierte den selbst gemachten Humus und aß ganz viele Tomaten.
Maikes und mein Arm kamen sich in den Weg, weshalb ich mit meinem Ellbogen kämpfte, doch schließlich gewann Maike und eroberte sich den Platz. Ihr Gesicht krönte ein siegessicheres Lächeln.
Ich gab auf und schüttelte ganz leicht den Kopf. Michi bemerkte dies und warf mir einen fragenden Blick zu. Ich deutete mit meinem Kopf zu Maike. Nun wurde Michis Blick misstrauisch. Dadurch konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ich schüttelte ganz leicht den Kopf, um zu zeigen, dass ich nichts getan hatte.
Maike klinkte sich ein, indem sie uns fragende Blicke zuwarf. Ich zuckte hilflos mit den Schultern. Nun lieferten Michi und sie sich ein Duell. Gut, dann war ich erst mal raus. Ich lehnte mich entspannt auf meinem Stuhl zurück und streckte meine Beine aus, doch da spürte ich einen Widerstand. Natürlich war ich in Maikes Bereich eingedrungen und berührte ihr Bein. Sie wandte den Blick von ihren Bruder ab und fixierte mich.
Ich versuchte, sie zu beruhigen, doch ich nahm mein Bein nicht zurück, also versuchte Maike, es wegzuschieben. Ich drückte dagegen, bis der Kampf unter dem Tisch ausartete.
Nun wusste Michi wieder nicht, was los war und wechselte Blicke zwischen mir und Maike hin und her. Doch wir starrten uns gegenseitig an, sodass wir Michi ignorierten, bis sich Lena räusperte. Schuldbewusst schauten Maike und ich auf.
»Was treibt ihr denn da?«, fragte sie.
»Das würde mich auch interessieren«, meinte Michi.
»Nichts Wichtiges«, sagte Maike. »Wir haben eben äh unsere kleinen Insider.«
»Ähm, ja genau«, pflichtete ich ihr bei. Mein Gesicht hatte bestimmt Feuer gefangen, so heiß fühlte es sich an.
Michi zog eine Augenbraue nach oben.
»Es ist wirklich nichts Schlimmes«, steuerte ich bei.
»Gut, ich denke, wir sind fertig. Levi, willst du noch mit nach oben kommen?«, fragte Michi.
Ich wusste, dass er mich nach Maike fragen würde und ich würde ihm nicht ewig ausweichen können, also konnte ich es gleich hinter mich bringen.
»Ja.«
Ich folgte ihm nach oben.
»Was war das zwischen dir und Maike?«, fragte Michi verwirrt.
»Maike und ich verbringen sehr viel Zeit miteinander. Da necken wir uns manchmal. Wir haben uns nur unter dem Tisch getreten, mehr nicht.«
»Und mit euren Ellbogen gekämpft«, fügte er hinzu.
»Ja, aber da ist doch nichts dabei. Ach übrigens«, ich durchforstete meinen Kopf nach etwas, womit ich vom Thema ablenken konnte. »Dominik und ich verstehen uns sehr gut und ich weiß nicht, ob das mit dem Entliebungsplan wirken wird. Wahrscheinlich mache ich ihn damit nur eifersüchtig.«
»Dann mache es doch umgekehrt.«
»Wie genau?«
»Na ja, zeig ihm doch einfach, dass du ihn magst und vielleicht könntet ihr ein Paar werden.«
»Aber er könnte mir mein Herz brechen.«
»Die Gefahr besteht immer. Aber wo wäre der Spaß ohne Risiko?« Michi legte eine Hand auf meine Schulter.
»Das lindert meine Angst nicht wirklich.«
»Dann geh es langsam an. Du könntest doch erst ein paar Mal mit ihm ausgehen und dann fragen, ob es ernster zwischen euch werden soll, verstehst du?«
»Das klingt gut. Ich hoffe, dass ich endlich einmal Glück in der Liebe habe.«
Mein Handy klingelte, bevor Michi noch etwas sagen konnte.
»Hi Dad.«
»Levi, soll ich dir etwas von Abendessen übriglassen? Tara kommt erst später und wollte eine Schüssel Reis haben.«
»Du kannst ruhig den Rest essen«, meinte ich. »Ist Tara nicht da?«
»Nein, sie musste noch mal weg. Sie hatte es so eilig, dass sie nicht mal erwähnt hat, wohin sie wollte oder wann sie wiederkommt. Nur, dass ich ihr etwas vom Abendessen aufbewahren soll.«
»Okay. Ich mache mich langsam auf den Weg, aber ich habe schon bei Michi gegessen.«
Ich legte auf und Michi begleitete mich zur Tür.
»Wir sehen uns nächste oder übernächste Woche«, meinte Michi.
»Ich freue mich schon.«
»Ich auch.«
»Viel Glück mit Dominik. Halte mich auf den Laufenden.«
»Mache ich.«
Wir umarmten uns und dann war ich draußen in der Kälte. Ich lief zum Lustig und stieg auf mein Moped, das ich dort abgestellt hatte. Wenn es draußen nicht zu kalt war, nahm ich das Moped zum Lustig.
Nachdem ich mein Moped im Schuppen abgestellt und meinen Helm abgesetzt hatte, hörte ich ein Geräusch. Jemand atmete. Verwirrt schaute ich mich um. Der Schuppen war vollgestellt, doch ich hatte irgendetwas gehört.
Dann nahm ich etwas wahr, was wie ein ersticktes Kichern klang. Plötzlich sah ich eine Bewegung hinter etwas, das ich im Dunkeln nicht erkennen konnte.
Ich trat näher.
»Ups, ich glaube, er hat uns entdeckt«, meinte Tara. Schliefen sie und Dad etwa im Schuppen miteinander? Ich trat auf etwas Weiches und erkannte, dass es ein Shirt war. Sollte ich einfach zurückgehen? Das war viel zu peinlich. Allein die Vorstellung...
Aber meine Füße waren wie festgewachsen. Außerdem war etwas an dieser ganzen Sache komisch. Tara hatte etwas gesagt, Dad aber nicht. Er hätte sich zu erklären versucht. Zudem hatte Dad mich vor nur wenigen Minuten angerufen und gesagt, dass Tara noch nicht da war.
Konnte es sein, dass Tara mit einer anderen Person rummachte wie damals, als ich mit July nach Hause gekommen war? Nein, das durfte nicht sein. Sie konnte doch nicht einfach meinen Dad hintergehen. Genau das passierte in der Liebe und genau deshalb war es gefährlich, sich zu verlieben.
»Hey!«, rief ich. Tara schreckte zusammen und schubste den Mann weg. Dann war das wohl nicht mein Dad. Ich drehte um und rannte zur Tür. »Levi, was machst du hier?«, rief sie mir hinterher.
»Mich würde eher interessieren, was du da machst. Ich fasse es nicht.« Ich ballte meine linke Hand zur Faust, während ich mit der anderen meinen Schlüssel herauskramte. Sie zitterte so sehr, dass ich Probleme beim Aufschließen hatte, doch schließlich stolperte ich in die Wohnung.
»Dad!«, rief ich. Mein Vater hatte mich gehört und kam aus der Küche. »Weißt du, dass Tara dich betrügt?«
»Was? Du machst Scherze.« Dad lachte, doch als er bemerkte, dass meine Miene ernst geblieben war, zog er seine Augenbrauen nach oben. »Das glaube ich dir nicht. Tara ist eine treue Seele. Sie würde mich nie betrügen.«
»Sie tut es aber. Überzeuge dich selbst.« Ich deutete zur Tür, in der Tara stand.
»Wollen wir uns nicht auf das Sofa setzen und in Ruhe reden?«, fragte sie.
»Na gut. Ich bin gespannt, wie du dich erklären möchtest«, fauchte ich und folgte ihr in das Wohnzimmer. Dad setzte sich neben sie auf das Sofa. Ich nahm lieber auf dem Boden Platz.
»Also, Levi, was denkst du, habe ich so Schlimmes getan?«, wollte Tara wissen.
»Du hast mindestens zwei andere Männer als Dad geküsst.«
»Das bildest du dir nur ein.«
»Nein, tue ich nicht. Das habe ich zweimal gesehen. Du betrügst Dad.«
Tara wandte sich an Dad.
»Glaubst du unserem Sohn, Schatz? Er hat so wenig Vertrauen in mich und nennt mich immer noch Tara statt Mutter.«
»Meine Mom ist tot. Du wirst nie meine Mutter sein«, behauptete ich.
»Ich glaube, Levi will einfach nur mehr Aufmerksamkeit und deshalb will er mich aus dieser Familie herausdrängen.«
»Das klingt logisch«, sagte Dad.
»Dad, das stimmt nicht!«
Aber mein Vater hörte mir gar nicht mehr zu. Er säuselte Tara irgendwelche Liebeleien ins Ohr.
Wutentbrannt sprang ich auf. »Ich werde euch noch beweisen, dass ich richtig liege!«
»Du hast recht, Schatz«, meinte Dad. »Er braucht definitiv Aufmerksamkeit.«
Mit geballten Fäusten lief ich nach oben. Ich schaffte es nicht einmal, Michi zu schreiben. Ich drückte mein Gesicht in ein Kissen und schrie. Warum glaubte Dad Tara und nicht mir?
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Michi ist der Beste ^^
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