
𝔊𝔩ä𝔰𝔢𝔯𝔫𝔢 𝔉𝔩ü𝔤𝔢𝔩
{𝔓𝔯𝔢𝔫𝔢𝔷 𝔠𝔢𝔰 𝔞𝔦𝔩𝔢𝔰, 𝔪𝔬𝔫 𝔟𝔦𝔢𝔫-𝔞𝔦𝔪é}
Nimm jene Flügel an,
Wie damals, bevor das Leben erst begann,
Lerne zu fliegen, lerne zu leben,
Denn dieser Rat ist das Einzige, was ich dir kann geben.
Fliege zu dem höchsten Berge am Himmelszelt,
Und denke dran, was ich dir hab erzählt.
Versuche die Welt mit meinen Augen zu erblicken,
Verstehe, welche Dinge mein gebrochenes Herz wieder zusammenflicken.
Nehme mein Lied, jenes von dem Morgengrauen,
Schließe es in dein Herz und lasse es dich aufbauen.
Nimm mein Herz und meinen Kummer, was ich dir legte bei,
Und lasse es über dem weiten tiefen Meere endlich frei.
{𝔓𝔞𝔲𝔭𝔢𝔯𝔢𝔰 𝔠𝔬𝔪𝔪𝔦𝔩𝔦𝔱𝔬𝔫𝔢𝔰 ℭ𝔥𝔯𝔦𝔰𝔱𝔦 𝔱𝔢𝔪𝔭𝔩𝔦𝔮𝔲𝔢 𝔖𝔞𝔩𝔬𝔪𝔬𝔫𝔦𝔠𝔦 ℌ𝔦𝔢𝔯𝔬𝔰𝔬𝔩𝔶𝔪𝔦𝔱𝔞𝔫𝔦𝔰; 𝟚𝟚. 𝕄ä𝕣𝕫 𝟙𝟛𝟙𝟚}
~𝟘~
{20. Dezember 2021, 16: 34 Uhr}
[Irgendwo in Deutschland]
Kaum hörbar sprach er jene Niederschrift abermals herunter. Manche Worte verstummten gänzlich, waren nichts weiter als ein lautloses Bewegen der Lippen gewesen. Vertieft folgten seine müden Augen den uralten, mit Tinte verfassten Buchstaben, obwohl sich jener Text schon vor Jahrhunderten in sein Gedächtnis gebrannt hatte. Er hatte ihn gelesen, ihn gesprochen, ihn geflüstert und hunderte Male in seine Gedanken gerufen.
Vergessen würde er nie.
Vergessen wie er den Brief vor über 700 Jahren überreicht bekam.
Vergessen wie ihm sich der Magen umdrehte, wie sehr er zitterte, wie das Blut in seinen Ohren unaufhaltsam rauschte, bis sich jeder Sinn, der ihm noch übrigblieb, ausschaltete und ihn in einer endlosen Leere zurückließ.
Es war wie ein dumpfer, surrealer Schlag gewesen, der den damals noch jungen Ritter getroffen hatte. Ein Schlag, der sich mit dem zähen Begreifen jener Verkündung an ihn heranschlich und ihm den Sinn für Realität und Fantasie raubte, ihn betäubte und ihn seinem leisen Schmerz schutzlos überließ. Die Erinnerungen an jenen Tag im März gehörten bereits seinen verblassten Memoiren an, verschwammen im grauen, fahlen Nichts wie das letzte bisschen Sonnenlicht inmitten eines tristen Nebeltages. Und doch hätte er nichts weiter tun müssen, als durch seine schier endlose Sammlung an Tagebüchern zu blättern, ehe er alles wieder in lebendigen Bildern in seinem inneren Auge sah.
Gilbert keuchte, zerknitterte mit seiner inneren Unruhe beinahe das Papier in seinen Händen, das er doch schon seit über 700 Jahren bei sich trug. Die kühle, salzige Luft des Meeres stieß ihm als stärkere Brise ins Gesicht, trockneten seine Tränen, die er nicht mehr zurückhalten wollte. Es wäre ihm ordentlich peinlich gewesen, wären auch noch Leute anwesend, die seine Misere mit ansehen hätten müssen. Dass ihn die Auflösung Gabriels, die Personifikation des Tempelritterordens, nach 700 Jahren noch so unglaublich mitnahm, musste für viele unverständlich wirken und doch war es recht simpel, so glaubte jedenfalls Gilbert.
Es war wie ein roter Faden des Lebens gewesen, unsichtbar und dennoch deutlich spürbar. Verknotet mit den Leben anderer spannte sich jener Faden wie ein Spinnennetz um die Gesellschaft, ließ Menschen und Personifikationen aneinander vorbeistolpern und webte bei jeder noch so kleinen Begegnung einen dünnen Faden, der die Wahl hatte, fallen gelassen oder zu einem festen, fast untrennbaren Band gewoben zu werden. Von Weitem mochte diese Erscheinung geradezu idyllisch und perfekt erscheinen, nichtsdestotrotz läge auch hinter dem harmlosesten, schönsten Paradies ein Preis, ein Risiko, den ein jeder zu bezahlen wusste, egal ob groß, ob klein. Denn mit einem stählernen Band war doch auch das Leid verbunden, das in den Herzen derer bliebe, wenn alles zerbrach, wenn das Band entzwei geteilt wurde.
Die Auflösung, wenn nicht sogar Tod, Gabriels war einer dieser Leiden, die seine Seele erschwerten, zu Boden drückten und zerbröckeln ließen. Denn der Wert, den diese einfache Personifikation für ihn hatte...es stieg ins Unermessliche.
Gabriel war für ihn da gewesen, als er ihn brauchte.
Aber...wo war er, als Gabriel ihn brauchte?
Gilbert biss sich angespannt auf die Unterlippe, kämpfte sichtlich mit seinem erzwungenen Stolz und der aufkommenden Traurigkeit, die er, ohne sich jemals ausgiebig und schonend damit zu befassen, herunterschluckte und in sich sammelte. Er musste es hinter sich bringen. Er musste einen Weg finden, die Last auf seinen Schultern zu erleichtern, selbst wenn es nur durch einen symbolischen Akt geschähe.
Er wagte einen letzten Blick aufs weite, im Sonnenuntergang feurig wirkende Meer.
Ein letztes Mal überflog er die wertvollen Zeilen des Gedichts, das sein alter Freund für ihn am Tage des letzten Urteiles verfasst hatte, ihm als letztes Geschenk zugeschickt hatte...als letztes Werk, das er vollendete.
Sein Herz zog sich widerlich zusammen, es zerriss ihn innerlich.
Seine Hände zitterten, zerknüllten das Papier nach und nach. Schleppend wagte er es, Richtung Meer zu schreiten, bis das kühle Wasser in seine Schuhe schwappte. Mit einer angespannten Bewegung holte er aus und warf zeitgleich mit dem hilfreichen Windstoß die letzten Worte seines Freundes ins Meer.
Er ließ sie frei...
Frei wie er es sich letztendlich gewünscht hatte...
Das Requiem eines letzten Morgengrauens im Herzen tragend, Last und Kummer ins Meer schmeißend...
Und mit ihnen reiste auch die Herzeshälfte, die er einst an den Ritter verlor, bis an den tauben, dunklen Meeresgrund.
***
Er stand eine ganze Weile dort und sah verloren in die Ferne, darauf hoffend, dass irgendein Wunder geschähe. Erst als er den leichten Druck seines Vogels an seiner Schulter spürte und ihm schief zulächelte, riss es ihn aus seiner Starre. Die Sonne hatte bereits den Himmel verlassen, überließ nun Mond und Sterne ihren täglichen Aufgaben. War er tatsächlich so lange an diesem Ort geblieben?
Zögernd drehte sich der Albino um, bereitete sich auf den Heimweg vor, als ihm plötzlich eine groß gebaute Gestalt gegenüberstand. Allein an dem übertrieben gestriegelten Aussehen konnte Gilbert feststellen, dass es niemand anderes als sein Bruder Ludwig sein konnte. Der Blonde hatte anscheinend echt Nerven, ihn überall zu finden und in den unpassendsten Momenten zu erscheinen. Gilbert schnaufte erschöpft. "Was machst du hier und wie lange stehst du schon dort?"
"Lange genug, um zu sehen, dass du Müll ins Meer schmeißt. Das ist Umweltverschmutzung, Gilbert, das macht man nicht." Ludwig verschränkte die Arme vor der Brust, erwartete eine anständige Antwort von seinem Bruder. Dass er, der Jüngere, andauernd ermahnen musste, war jedoch nichts Neues. Doch die Wortwahl verletzte Gilbert zutiefst, provozierte ihn gar. "Das war kein Müll! Du kapierst auch wieder mal gar nichts!" Gilbert merkte gar nicht, wie empfindlich ihn die ganze Situation machte und wie seine glasigen, bereits angeschwollenen Augen nur noch mehr auffällig wurden. So langsam bereitete es auch dem Deutschen sorgen.
"Gilbert? Weinst du etwa?", bemühte er sich, feinfühlig zu sein, aber dennoch wehrte der Preuße ab. Es ging immerhin um seine Ehre und um eine empfindliche Schwachstelle, die am besten erst gar nicht ans Tageslicht kam."Ich weine nicht, ich schwitze nur durch meine Augen!"
Das war leider nicht die Antwort, die sich die Personifikation Deutschlands erhoffte, dabei hatte er sich besonders in den letzten Jahrzehnten bemüht, sozialer und feinfühliger zu werden. "Gil. Du kannst und darfst weinen, nur so zur Information-"
"Ich schwitze durch meine Augen. Als ob ich weinen würde, pah! Ich bin doch keine Heulsuse."
Ludwig seufzte. Auch wenn Gilbert verstand und nachvollziehen konnte, war er dennoch mit einer Hemmung konfrontiert, die Ludwig nur zu gut kannte. Egal wie aufgeklärt und progressiv sie sich auch bemühten, die Einflüsse ihrer Kindheit, keine Schwäche oder Ähnliches zu zeigen, hafteten noch hartnäckig an ihnen.
"Na schön...", gab der Jüngere schließlich nach und öffnete seine verschränkten Arme, "Du solltest aber nach Hause kommen, dein Zug nach Berlin kommt morgen um sieben Uhr. Wenn du zu spät dran bist oder die Deutsche Bahn wieder mal...überpünktlich...ist, dann verpasst du deinen Flug nach Wien und dein Meeting mit-"
"Hochmeister Bayard, blah, blah, ich weiß. Warum musste mein Orden sich ausgerechnet wieder in Wien niederlassen? Warum nicht in Potsdam? Da wäre wenigstens Joan bei mir und sein Boss ist Nachkomme der Hohenzollern. Ich hätte mit dem auch voll das Insider-Wissen teilen können und über seine Urgroßväter raushauen können, aber nein." Es ging dem Preußen ziemlich auf den Geist, dass er seit der Auflösung seines Landes und der späteren östlichen Landeshälfte Deutschlands wieder auf den Rang eines Ordens degradiert wurde und andauernd zwischen seiner Heimat und Österreich herumpendeln musste. Allerdings musste er seinem indirekten Nachbarn dafür danken, dass wenigstens sein Orden noch bestehen blieb. Es war mehr oder weniger eine bessere Lebensversicherung, als sich einzig und allein auf kulturelle Kleinigkeiten verlassen zu müssen, die im Laufe der Jahre ohnehin verschwinden werden würden. Der Neid, dass sein alter Ordenskompan Joan, der den Johanniterorden verkörperte, auch ausgerechnet den "Prinz von Preußen" als Chef haben musste, war dezent bitter zu verkraften, vor allem, da dessen Titel nur erst wegen ihm entstanden war.
"Das Leben ist kein Wunschkonzert, außerdem kommst du dann mal endlich raus aus deinem Kellerzimmer und bist in der frischen Luft." Ludwig war leider ziemlich unbeholfen, wenn es um das Aufmuntern anderer ging, aber wenigstens gab es einen guten Willen. Gilbert dagegen verlor so langsam immer mehr das Interesse an dem Gespräch und wäre am liebsten allein nach Hause gegangen, ohne dass ihn sein kleiner Bruder bemutterte, damit er auch ja nichts vergaß. Ludwig hatte wohl vergessen, dass er all das erst von ihm gelernt hatte.
"Die frische Luft dort besteht aus Abgasen, Pferdemist und vielleicht noch 5000 Bäumen. Sehr aufheiternd ist das nicht gerade..." Der Albino ging bereits vor und ließ seinen Bruder einfach links liegen. Er wollte einfach nur nach Hause und seine Ruhe genießen. Gilbird, sein gelber Vogel, war inzwischen auf seinem Kopf eingenickt. "Aber du hast recht...lass uns nach Hause gehen..."
***
{21. Dezember 2021; 7:50}
[Niederösterreich]
Der nächste Morgen war angebrochen, das Licht der aufgehenden Sonne warf helle Muster auf die leerstehenden Sitze des Zuges. Die eisernen Räder ratterten, machten sich besonders bei den kurvig verlaufenen Schienen bemerkbar, während ein Blick aus dem, von Kinderhänden verschmierten, Fenster verriet, wie aus dem flachen, weiten Land immer mehr Hügel empor krochen, die schließlich am Horizont als im Sonnenlicht verschwindende Berge ihren Platz fanden. Das Klischee einer verschneiten Winterlandschaft des Alpenlandes konnte man nicht finden, es sei denn, ein leicht angezuckerter Boden und Raureif in den Bäumen machte etwas her. Selbst die Ränder des Gleiskörpers waren lediglich von grauem Gatsch bedeckt. Hin und wieder schlichen sich aber auch dichte Waldabschnitte dazwischen, die den sonst so einladend belichteten Zug mit einem Mal in ihrer Dunkelheit verschlangen.
Gilbird hatte sich inzwischen in der Brusttasche der Jacke seines Herrchens verkrochen, genoss die Wärme, die Gilbert ihm gab.
Für den Albino selbst war es kein allzu berauschender Anblick, er kannte die Gegend sowieso. Egal ob als Schlachtfeld in der Vergangenheit oder aufgrund von mehreren Reisestrecken, wenn man von Deutschland nach Italien in den Urlaub fahren würde. Er seufzte nur, wechselte geschwind mit einem Klick die Playlist auf seinem Handy und richtete sich die Kopfhörer, ehe er auf den digitalen Fahrplan sah, der an der Decke angebracht und bereits von einer grauen, staubigen Decke bedeckt war. Nur noch eine viertel Stunde, dachte er sich und freute sich schon, sich endlich die Beine vertreten zu können. Gilbert war früher dran als geplant, er hatte sich nämlich entschlossen, doch etwas früher als geplant aufzubrechen, da es abends die Meldung gab, dass aufgrund des plötzlich eingetroffenen Schneesturmes und einiger organisatorischer Schwierigkeiten keine Flugzeuge direkt nach Wien einfliegen konnten. Deswegen war die einzige Lösung, die Gilbert blieb, einen Umweg zu finden. Er war also mitten in der Nacht von Berlin aus in eine niederösterreichische Stadt gereist und fuhr nun mittels verspäteten Zugs die letzten Streckenteile nach Wien, um pünktlich beim Deutschordenshaus zu sein.
Dennoch war das Meeting mit dem Hochmeister auch nicht gerade seine liebste Freizeitbeschäftigung... wenigstens hatte dieser immer im Gästebereich Platz für ihn, damit er den Tag nicht nur mit Zugfahren, Herumfliegen und Besprechungen verbringen musste, sondern auch für einige Zeit ein Nickerchen halten konnte.
Normalerweise würde er jetzt daran denken, wie Gabriel ihn immer aus dem Schlaf gerissen hatte, wenn er während er Arbeit eingenickt war...
Wie er sich über ihn aufregte, dann aber doch lachte...
Und er letzten Endes am Abend selber todmüde mit der Laute in seinen Armen ins Gras fiel, bevor er zu seinem Hauptquartier zur Abendmesse und Agape zurückkehrte...
***
{21. Dezember 2021, 8:30}
[Wien]
Die Zähne fletschend schaute er auf die gigantische Uhr des Stephansdoms und begann angespannt mit seinem linken Fuß auf den Boden zu tappen. Gilbird dagegen flatterte abwechselnd von Gilberts Kopf auf seine Schulter und wieder zurück. In kurzer Zeit würde sein Meeting beginnen und er steckte immer noch mitten in der riesigen Stadt - wimmelnd von altmodischen Barockbauten im Theresianischen Stil und Gebäuden der Moderne - da seine Straßenbahn einfach nicht erscheinen wollte. Sogar die niedlich gestalteten Pferdekutschen, die insbesondere für Touristen eine Runde durch die Altstadt fuhren, kamen schneller an ihr Ziel nahe der Hofburg. Ein winterliches Gefühl kam trotz des leichten Schneefalls aber nicht auf, besonders nicht, wenn der Schnee auf den Straßen nur mehr als graue, gatschige Masse herumlag, anstatt alles in ein Winterwunderland zu verwandeln.
Der Preuße seufzte und starrte verloren in den bewölkten Himmel. Alles war grau und weiß. "Wenn das so weiter geht, geh ich halt zu Fuß, ist mir jetzt auch egal...", murrte er unter Atem und suchte sich den Weg per Google Maps auf seinem Handy heraus. Zu seiner Überraschung war der Weg gar nicht mal so weit, er müsste sich lediglich in den verzweigten Straßen zurechtfinden.
Den Blick immer wieder aufs Handy gerichtet ging er also voran, verließ die Postgasse, ging die Wollzeile entlang, bis er schließlich über die Riemergasse und der Schulerstraße, eine kleine Abkürzung entdeckte. Vorsichtig lotste er sich selbst durch die immer enger und eintöniger werdenden Gassen, folgte brav den alten, gepflasterten Wegen. Ein kleiner Schauer überkam ihn, ließ sein Herz für einen Moment aussetzen. Es fühlte sich an, als stupste ihn jemand von hinten an, auch wenn weit und breit weder Mensch noch Tier zu sehen war. Komisch, dachte sich Gilbert und schüttelte den Kopf. Der Stress der letzten Tage machte ihn bestimmt verrückt, aber trotz dieser abwertenden Haltung seiner Emotionen, blieb das mulmige Gefühl in seinem Magen erhalten.
Vielleicht überreagierte er nur.
Vielleicht war diese plötzliche Nervosität nur ein Produkt seiner Fantasie.
Vielleicht schläferte ihn der triste Tag an sich einfach nur ein.
Gilbert wusste es nicht genau. Ihm blieb nichts anderes übrig, als weiter zu gehen. Seine Schritte knirschten durch die seichte Schneedecke, malten mit den Schuhsohlen Muster in die weiße, kalte Himmelsgabe. Wieder einmal blickte er auf die Uhr; er hatte nicht mehr lange Zeit, es musste also zügig weitergehen. Seine Beine begannen automatisch zu laufen, führten ihre Bewegungen immerwährend weiter und für einen kurzen Augenblick spürte er sie nicht mehr, dachte schon, er schwebe über den kalten, rutschigen Boden.
Gilbert sah für den Bruchteil der Sekunde auf, bemerkte erst im Augenwinkel ein schmales Gässchen, das ihn direkt zu seinem Ziel bringen könnte. Plötzlich spürte er, wie er mit dem Fuß in einer Mulde hängen blieb, zu schwanken startete und trotz aller Mühe, stehen zu bleiben, endgültig auf den harten, vereisten Steinboden stürzte; sein Vögelchen blieb in der Luft und zwitscherte aufgeregt herum. Wahrscheinlich machte er sich Sorgen, um sein Herrchen. "Verdammt", zischte er leise und bemerkte erst Sekunden später den brennenden, stechenden Schmerz an seinen Knien und Handflächen. Es wurde kälter, zur selben Zeit aber auch wärmer...Vorsichtig richtete sich der Albino auf, erkannte die aufgeschürften Handflächen, deren frisches, helles Blut nicht nur seine bleiche Haut einfärbten, sondern auch als kleine Tropfen seine Hand runterliefen und schließlich im Schnee als rote Flecken versiegten. Das Blut zog sich in den weißen Schnee wie Tintenflecken ins Papier; es zog winzig kleine Adern, steckte andere Schneekristalle mit der menschlichen Farbe an.
Gilbert aber ließ sich davon nicht abhalten und bemühte sich, dass wenige Blut einfach abzuwischen, zugleich sah er umher, suchte nach einem Orientierungspunkt, um zu wissen, wie es weiterginge. Zu seiner Rechten befand sich der Eingang zur Mozartwohnung, einem Museum in der Domgasse, zu seiner Linken allerdings führte eine lange, von hohen, alten Häusern eingebettete Gasse zu seinem Ziel. Bögen verbanden die gegenüberliegenden Häuser mit dem elfenbeinfarbenen Putz; an ihnen hingen langsam dahinschmelzende Eiszapfen herunter.
Gilbert sah zuerst die alte, verschnörkelte Schrift am ersten Haus, ehe er das dunkelblaue Schild mit den weißen Buchstaben erblickte.
"Blutgasse."
Dieser Name war ihm bekannt, warf grobe Erinnerungen auf, dennoch hatte er keine Zeit für derartige Überlegungen, weswegen er, ohne sich noch einmal umzudrehen, in die Blutgasse einbog. Was er jedoch nicht bemerkte, war der kleine helle Schein, der knapp an ihm vorbeihuschte...
Still und mit zügigem Tempo schlenderte er Passanten entgegen, die entweder Fotos oder einen Abstecher ins Restaurant machten, aber anscheinend gab es auch eine Ansammlung von Geschichtestrebern, die beim Vorbeigehen ihren Klugscheißer raushängen ließen. Gilbert hätte es ignoriert, wäre da nicht ein Wort gefallen, das ihn augenblicklich hellhörig werden ließ und ihm Gänsehaut bescherte.
Es war die Rede von einer Sage über die Tempelritter, die scheinbar den Fähnrichhof besaßen, jedoch 1312 ermordet wurden, nur wenige schafften eine unterirdische Flucht zum Deutschordenshaus. Das Blut der Erschlagenen soll durch jene Gasse geströmt sein, weswegen auch dieses Fleckchen Erde den Namen trug, den es in diesem Moment hatte.
Ein mieses Stechen in der Brust überraschte den Preußen, füllte sein Herz mit reinster Wehmut und Trauer. Ihm war bewusst, dass es nichts weiter als eine erfundene Sage war, jedoch machte es ihm ein weiteres Mal klar, dass Gabriel niemals wieder zu ihm zurückkommen könnte.
Dass er ihn verloren hatte.
Dass er nicht mehr bei ihm sein konnte.
Gabriels Orden hatte Fehler gemacht, so hatte es auch seiner. Jede Art von Land oder Orden, sogar jeder Mensch war nicht fehlerlos und ohne Makel auf dieser Welt. Die Kreuzzüge, die weiteren Kriege, sie alle trugen nichts weiter als Leid und Zerstörung mit sich, das hatte Gilbert nicht nur lernen müssen, sondern auch miterleben. Er selbst war als Kind sehr starrköpfig gewesen, vielleicht sogar mit dem ungestümen Temperament belohnt, dass er sogar noch heute mit sich führte, dennoch wusste er sich von seiner Existenz als Personifikation und dem Orden allgemein zu unterscheiden. Denn nicht alles, was Vorgesetzte verlangten oder auch lenkten, traf auch auf ihn zu. Er war eine eigene, denkende Person mit individuellen Werten, Meinungen und Denkweisen. Es war der menschliche Part seines Daseins; es war seine eigene Person, die leider auch mit einem repräsentativen Zusammenhang mit einer zusammengewürfelten Gruppe verbunden war. Es war nicht immer eins zu eins eine Harmonie mit den stärksten einer Gesellschaft, die man repräsentierte, denn so wie es auch unter ihnen Unterschiede gab, gab es auch in der Mentalität der Personifikation Unterschiede. Auch Gabriel unterschied sich charakteristisch von seinem Orden, hatte vom Kämpfen immer wieder abgesehen und sah den Sinn seiner Ordensarbeit eher im Gebet, der Liebe und in der Musik. Gerade deswegen...war er vielleicht auch so angesehen bei jedem Menschen, der ihm begegnete...weil sein menschlicher Part das Idyllische, Unschuldige anstrebte, anstatt die Gewalt. Gabriel wandte sich primär an den Grund und Sinn seiner Existenz: Pilger bei der Reise ins Gelobte Land zu beschützen. Nichtsdestotrotz blieben explizit die Anschuldigungen für die Auflösung Gabriels für Gilbert unbegründet, gar unfair.
Ketzerei, sagten sie.
Sodomie, meinten sie.
In Wahrheit waren die Verantwortlichen nur scharf auf das Geld gewesen, fanden sich mit ihrem Berg an Schulden nicht zurecht und eliminierten mittels Folter, Hinrichtungen und Justizmorden einen Faktor ihrer Schulden. Aber auch diese Akzeptanz und das friedlicher gewordene Zusammenleben mit anderen Religionen im Heiligen Land war der Engstirnigkeit der damaligen Machthaber und der Kirche im Weg gestanden.
"Aber das ist nun auch egal...", raunte der Albino fast gleichgültig, aber sichtlich bedrückt, als er endlich durch das imitierte Tor mit den vielen Bögen schritt, wieder zu einer belebteren Straße kam und bereits sein Deutschordenshaus von Weitem entdeckte. Es fiel inmitten der cremefarbenen Bauten Wiens kaum auf, passte sich entsprechend an, doch die Spitzbogenfenster waren ein offensichtlicheres Detail.
"Na, dann mal los." Man konnte die Begeisterung in Gilberts Gesicht förmlich erkennen, doch gerade als er der Blutgasse den Rücken kehren wollte, stockte er.
Er spürte, wie Blicke an ihm hingen.
Wie sie ihn wortlos verfolgten.
Verunsichert drehte er seinen Kopf zur Seite, erblickte auf einmal eine schwarz gekleidete Gestalt an der Tür zur Schatzkammer; blattgrüne Augen funkelten ihn an. Kinnlange braune Haare hingen im Gesicht, waren vom Wind etwas zerzaust worden. In der linken Hand wurden dicke Bücher getragen, anscheinend wartete diese Person auf jemanden.
"Bisschen spät dran bist du, hm?"
Gilbert kannte die Stimme.
"Hoffen wir mal, Bayard ist nicht zu ungeduldig mit dir... ich kenn' ihn ja nicht so gut, weißt du?"
Gilbert erkannte die Gestalt. Es war Joan - früher Johannes - der Johanniterorden, sein Ordenskollege aus Kindertagen.
"Übrigens, ich soll dir die Bücher mitgeben, hast du vergessen."
Völlig überrumpelt nahm Gilbert die schweren Bücher an, war über die plötzliche Schwere überrascht, weswegen er beinahe drohte, nach vorne zu kippen. Allerdings warf die Anwesenheit Joans noch mehr Fragen auf. "Danke. Aber was machst du denn hier? Solltest du nicht in Potsdam bei deinen Ordensbrüdern sein?", Gilbert setzte ein schiefes Lächeln auf, "Du weißt ja, Christmetten vorbereiten und so."
Aber so desinteressiert Joan auch an der Konversation teilnahm, schien er trotzdem etwas Wichtiges verbergen zu wollen. "Nö." Geschwind blätterte er durch seinen Terminkalender, um es noch zusätzlich zu unterstreichen. "Ich habe die nächsten beiden Tage frei, darum hol ich mir ein paar Bücher hier ab und schau, was es sonst noch so gibt. Beim letzten Urlaub war ich kurz bei Estland und hab mir von da einiges geholt. Hauptsache ich bekomme wieder mehr Lesestoff zusammen. Man muss ja gebildet bleiben, deswegen nehme ich mir kein Beispiel an dir."
Gilbert atmete daraufhin tief ein, konnte den aufbrodelnden Ärger schon in seinem Magen spüren, und atmete wieder tief aus. Joans Kommentare waren schon immer ein Fall für sich gewesen und Zeit für ein passendes Comeback hatte er ohnehin nicht.
Gabriel wäre womöglich sofort eingeschnappt gewesen.
Er und Joan waren nicht unbedingt die friedlichsten Kumpanen.
"Aja, vielen Dank...", raunte er mit rollenden Augen, "Ich muss jetzt aber los..."
Und mit diesen Worten, verließ er den weiteren Ordensknaben, huschte über die verschneite Straße, bereits Schneeflocken in den Haaren habend, und flitzte durch das riesige Tor in den alten Hof des Deutschordenshauses; Gilbird begleitete ihn treu. An seine aufgeschürften Hände dachte er gar nicht mehr...
Und genau so wenig an den hellen Schein, den er in der Blutgasse hatte zurückgelassen.
***
{21. Dezember 2021, 16:02}
[Wien]
Weißer Rauch stieg aus seinem Mund, die Kälte färbte seine Wangen und die Nasenspitze in ein frisches Rot. Seine Ohren wurden zunehmends taub, besaßen kein Gefühl von Wärme mehr, als hätte man sie eine Ewigkeit in Eis und Schnee ausgesetzt. Die Hände ruhten allerdings in den Taschen des dunklen Mantels, mussten nicht der stechend scharfen Winterluft trotzen. Gilbird hatte sich deswegen so nah wie möglich an Gilberts Schal gekuschelt. Seine Federn sollten nicht frieren.
Aus dem einst so grauen, trostlosen Himmelszelt begrüßte nun endlich die Wintersonne den Abend mit ihrem distanzierten und doch magischen goldenen Schein, der den Schnee wie Wolken aussehen ließ. Wie Wasserfarben zogen sich Violett- und Orangetöne über das Grau, schöpften sich auch nur einen Funken Licht aus der untergehenden Sonne heraus und teilten sie mit der ganzen Welt. Bald würde jenes Farbenspiel jedoch zu Ende gehen, von einem tiefen Schwarz überdeckt werden, ohne sich dagegen wehren zu können.
Gilbert lehnte sich an die Kirchenmauer, sah erschöpft zum Himmel hinauf; lustlos und ohne jegliche Begeisterung. Das Meeting endete gegen dreizehn Uhr, anschließend lud man Gilbert zum Mittagessen ein. Es verlief sehr schweigsam, so wie es in Klöstern normalerweise auch üblich war, weswegen ein lockeres Gespräch zwischen den Ordensbrüdern erst nach der Mahlzeit möglich war. Selbst das Essen war sehr einfach gehalten, immerhin war die adventliche Fastenzeit noch nicht vorbei. Schon öfters hatte er mitbekommen, wie Ordensleute sich heutzutage in völliger Ruhe eine Pizza bestellten, die sie dann mit ihren Kollegen verspeisten, doch momentan schien darauf verzichtet zu werden. Kaum war der verspätete Mittag vorbei, ließ man ihn im Gästezimmer für einige Zeit ruhen. Gilbert hatte das Angebot gerne genutzt; die Müdigkeit hatte ihn bereits den ganzen Tag versucht einzuholen. Überraschend war jedoch, dass sie ihn nicht einmal zur täglichen Arbeit im Orden eingeplant hatten, weswegen ihm nun einige Stunden Freizeit vor der Abendmesse zustanden.
Die Wahl, auf einen der Christkindlmärkte zu gehen, war verlockend, immerhin gab es dort bestimmt viele niedliche Kleinigkeiten mitzunehmen, die Gilbert seinem Bruder zu Weihnachten schenken könnte oder er würde sich selbst und seinem Vogel ein bisschen Süßkram und Punsch für Zwischendurch erlauben. Aber nichts dergleichen sprach ihn genug an; es war beinahe so, als riefe ihm etwas Anderes zu, das all diese konsumlastigen Güter beiseite in den Schatten schob...sich regelrecht vordrängte, als handelte es sich um eine Chance, die ergriffen werden musste.
Gilbert fasste sich mit den kalten Händen an die Wangen, tätschelte sich, um wieder wach zu werden und nicht den Hirngespinsten zum Opfer zu fallen. Dieser innere Ruf existierte nur in seinem Kopf. Es lag bestimmt nur daran, dass er immer noch verschlafen war und die penetrante Lautstärke neben einer Einkaufsstraße wirkte sich dementsprechend darauf aus. Genau so musste es sein, dachte Gilbert, etwas Anderes wäre bloß Einbildung.
Willkürlich stapfte er von der Deutschordenskirche davon, nicht wissend, wohin er wollte, aber sein Ziel war simpel: Er wollte spazieren gehen und dem Unwissen seines Instinktes die Stirn bieten. Geschwind überquerte er die Straße, musste mitansehen wie unruhig und gestresst die Menschen in der Vorweihnachtszeit durch die Straßen schlenderten. - Sie trugen nicht einmal das kleinste Lächeln im Gesicht, eine Begrüßung untereinander konnte man ebenso vergessen.
Augen verdrehend verkroch er sich wieder planlos in eine der vielen Gassen, hoffte insgeheim auf Ruhe und ein rasches Vergehen seiner Zeit, als er auf einmal bemerkte, dass er im Kreis gelaufen war und sein Weg ihn ein weiteres Mal ungewollt in die Blutgasse führte.
Vielleicht war es das Schweigen gewesen, das zwischen den eng aneinander gereihten, alten Häusern herrschte, das ihn anzog.
Vielleicht war es auch der Geruch von frischen Gerichten gewesen, der aus dem Eingang eines kleinen Restaurants strömte...
Aber nur vielleicht hatte ihn auch etwas Anderes hergeführt.
Dann blieb er plötzlich stehen...
...konnte nur mehr seinen eigenen Atem hören...
...weitete seine Augen mit der stufenweise vorankommenden Realisierung.
Es war, als bliebe mit einem Mal die Zeit gänzlich stehen, als stünde die gesamte Welt auf Stillstand und lediglich er und das vorbeihuschende Wesen am anderen Ende der Gasse würden den Gesetzen der gefrorenen Welt wiedersagen können.
Gilbert war wie betäubt, war weder fähig einen Ton von sich zu geben noch einen Finger zu rühren. Am anderen Ende zeichnete sich ein familiäres Gesicht ab, ein bekanntes Merkmal, das er doch vor über 700 Jahren zuletzt gesehen hatte. Doch der Moment währte nicht lange, zersprang so schnell wie ein Regentropfen, der den Asphalt berührte. Denn kaum hatte Gilbert auch nur einen flüchtigen Blick gewonnen, verschwand die Erscheinung wieder hinter der nächsten Hauswand, als hätte sie nie existiert.
Der Albino schluckte, richtete sich auf und warf einen Blick auf sein Haustier, darauf wartend, dass dieses ohne Worte seine Frage verstand und ihm zustimmend zuzuwitscherte. Sollte er seiner Neugierde nachgehen? Gilbird zuckte nur mit dem Kopf, hopste auf der Schulter seines Herrchens herum. "Was denkst du, sollen wir nachsehen?", flüsterte Gilbert ihm schließlich zu. Der gelbe Singvogel antwortete mit einem aufgeregten Piepen, hob sofort ab und flog die ersten paar Meter voraus, ehe er sich zu Gilbert umdrehte und sich bemühte, ihn zu sich zu locken.
Der Preuße gehorchte seinem Vogel, nahm die Geste, dass dieser ihn führen würde, an und folgte ihm durch die verschneite, im Sonnenuntergang versinkende Stadt. Vorbei an den vielen weihnachtlichen Dekorationen, deren Lichter wie tausende Sterne am Erdboden erleuchteten, vorbei an den Passanten, die es nicht einmal wagten, sich um ihn zu kümmern...
Der Wind pfiff scharf an seinen Ohren vorbei und blockierte Nebengeräusche. Schneeflocken verfingen sich in seinen hellen Wimpern, wurden binnen Sekunden wieder zu Wasser, das sein Gesicht minimal herabtropfte. Der klackende Klang seiner Lederstiefel auf der alten gepflasterten Straße verstummte in seinen Ohren und nur das auffällig gelbe Federkleid Gilbirds gewährte ihm Orientierung.
Er passierte Geschäfte.
Er passierte Häuser.
Er passierte unzählige miteinander verworrene Gässchen.
Und letzten Endes...
Letzten Endes führten sie ihn alle an einen Ort, den Stephansplatz.
Obwohl es bereits später Nachmittag war, schlängelten sich weiterhin Schaulustige durch die kleinen Ständchen voller weihnachtlicher Kinkerlitzchen, kauften sich Süßes oder Kleinkram. Es kam einem so vor wie bei einem Kirtag, doch eigentlich waren es nur die letzten Tage vorm Heilig Abend. Das eigentliche Wahrzeichen dieses Ortes war aber der gigantische Dom, der mit seinen zierlichen Details an den Fenstern und Türmen sowie den farbigen Kacheln inmitten der monochromen Erscheinung der Stadt immer mehr auffiel.
Gilbert schaute in den Himmel, suchte nach seinem Vögelchen, konnte ihn aber auf dem ersten Blick nicht mehr entdecken. Planlos fuhr er umher, drehte seinen Kopf herum und sah zunächst nichts weiter als vereinzelte Menschengruppen, als ihm ein klitzekleines Detail nahe dem breiten Tor des gotischen Domes ins Auge fiel. Sein Herz stand für den Augenblick still; er hätte schwören können, ein paar blauer Augen mit goldenem Kreuzesschein gesehen zu haben, zusammen mit blondem, wuscheligen Haar.
Er sah fast so aus wie...
Doch so schnell ihm die Gestalt wieder erschienen war, verschwand sie auch wieder. Mittlerweile war auch sein Vogel zurückgekehrt, der ihn quasi dazu drängte, den Dom zu betreten.
Gilbert gab dieser Bitte nach, betrat andächtig das geöffnete prachtvolle Gotteshaus. Er sprach kein Wort mehr, ließ seinen suchenden Blick durch das weite Hauptschiff schweifen, in der Hoffnung jemanden zu finden, der seiner Vermutung gerecht wurde.
Nichts...
Es war totenstill.
Nur die gähnende Leere und Einsamkeit herrschten in diesem leblosen Gemäuer, als wäre man gänzlich von der Zivilisation abgeschottet worden.
Gilbert atmete aus, seine betrübte Stimmung zeichnete sich an seiner gekrümmten Haltung ab und er ließ schlaff die Schultern hängen, als er in der Mitte eines gedämmten Lichtmusters der naheliegenden Fensterrosette zum Stehen kam. Fast unsichtbare Staubkörnchen wirbelten in der, vom Licht erhellten, Luft herum, wirkten wie matter Glitzer. Die Buntglasfenster malten ein kunterbuntes Farbenspiel auf den matten, eintönigen Stein, schafften mithilfe der untergehenden Sonne eine friedliche, schöne Atmosphäre in das fahle Gemäuer. Doch der Albino konnte sich nicht darüber freuen. Sein Kopf war nach unten geneigt und sein Vogel zuckte besorgt mit dem Kopf.
"Ich werde also doch verrückt." Der Preuße lachte schief, beinahe verzweifelt und gequält; die einst so stolze Ausstrahlung war lange verblasst, gehörte ohnehin nur einer Fassade an. "Ich bin einfach nur müde. Ich sollte zurückgehen...Was sagst du, Gilbird?"
Doch anstatt einer Antwort seitens des Vogels, ergab sich nur ein menschlich aussehender Schatten neben ihm. Er war fast so groß wie sein eigener, schien die Hand in seine Richtung auszustrecken, wich aber unsicher zurück. Gilbert blinzelte zunächst verwirrt, hob den Kopf ein Stück und drehte sich zur Seite.
Stille.
Für den Moment lang war alles ruhig. Die Welt war auf Stillstand, nichts rührte sich. Die stehengebliebene Zeit schien sich auf die Ewigkeit zu erstrecken, obwohl es nichts weiter als ein paar Sekunden waren. Die von draußen hereinziehende Kälte existierte nicht mehr, auch der penetrante Geruch des Weihrauchs schwand. Gilbert spürte seine Anspannung; seine schwerer werdenden Beine, das krampfhafte zusammenziehen seiner Brust und allen voran sein blank gewordener Kopf, der auf einmal alles vergaß, was er jemals gewusst hatte. Seine Augen waren geweitet, starrten ungläubig geradeaus.
Blau.
Blaue Iriden glänzten ihm im dämmrigen Abendlicht entgegen.
Gold.
Goldene Locken umrahmten das rundliche Gesicht, fielen sanft herab.
Rot.
Rote Wangen wurden eine Nuance dunkler, ein schüchternes Lächeln wurde ihm geschenkt. Das Licht der Buntglasfenster malte rote und blaue, grüne sowie goldgelbe Lichtfragmente auf ihre Haut; die orange-goldene Abendsonne, die durch die Fensterrosette und das spaltweise geöffnete Tor lugte, schien hinter dem Rücken der Gestalt hervor, umarmte sie in ihren himmlischen Schein.
Und mit einem Mal stand Gilberts Welt auf dem Kopf; war gezwungen sich neu zu ordnen. Sprachlos musterte er den scheuen jungen Mann vor sich, dachte schon, er wäre im Jenseits gelandet. "Hallo", brachte der Blonde mit den wuscheligen Haaren leise hervor und wirkte jeden Moment unbeholfener. "Tut mir leid, falls ich störe, aber...wir kennen uns, oder nicht? Gilbert?"
Der junge Mann wirkte unbeholfen, gar ängstlich etwas Falsches zu sagen. - Die blonden Haare hingen schlampig über seinem rechten Auge.
Gilbert guckte perplex, benötigte kurze Zeit, um zu verarbeiten.
War es wirklich der, an dem er so lange hing? Den, den er seit über 700 Jahren vermisst hatte?
"Gabriel? Bist das wirklich du?", brachte Gilbert knapp und zittrig hervor, gierig nach Luft schnappend.
Da zeichnete sich ein erleichtertes, ehrliches Lächeln im Gesicht des anderen ab. Er wurde um seine Nasenspitze herum rot, nickte aber.
Gilbert stolperte ungeschickt zurück, wusste auf einmal nicht mehr, wie er sich fühlen sollte...Es kam ihm immer noch so surreal vor. "Aber ich...ich dachte du wärst-"
"Tot?", Gabriels Lachen verfinsterte sich, spiegelte seine Qual wider. Er kam Gilbert näher, hasste diese Distanz zwischen ihnen immer mehr. "Ich dachte es auch...für lange Zeit."
Gabriel stand ihm nun gegenüber, bemerkte, dass er seit ihrer Kindheit gewachsen war, da sie nur mehr wenige Zentimeter voneinander trennte und kein halber Kopf mehr dazwischen lag. "Du hast bestimmt davon gehört...Die Auflösung, die Prozesse...Folter und die Scheiterhaufengeschichten. Es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis es auch mich gänzlich auslöschen würde und ich meine übrige Lebenszeit als Personifikation verbrauchte."
Er sah Gilbert nur für ein Wimpernzucken lang in die Augen, ehe er seinen Blick auf die blutroten Kerzen richtete.
"Aber wie...wie hast du überlebt? Ich checke es nicht. Es ist ein Wunder, dass ich das sogar zugebe."
"Viele meiner Leute sind zu den Johannitern gegangen, sind dann auch schließlich übergetreten und der Papst vermachte ihnen mein ganzes Vermögen. Sie hatten mich mitgeschleppt, obwohl ich bereits am bitteren Ende war. Ich hatte kaum etwas mitbekommen, es blieben mir lediglich einzelne Bilder im Kopf. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals Johannes'- ähh...ich meine, Joans Zuhause verlassen zu haben. Es hat mich gewundert, dass er mich nicht einfach links liegen ließ, immerhin hatten wir lange Zeit kein gutes Verhältnis..."
"Also...hast du hunderte Jahre bei Joan verbracht?" Gilbert folgte der Erzählung aufmerksam.
Gabriel nickte. "Man könnte meinen, ich war in einer Art komatösen Zustand gefangen...Danach musste ich jedoch einiges Aufholen, natürlich auch das Gehen, denn ich war schwächer denn je..." Gilbert nickte verständnisvoll, musterte den blassen, körperlich zerbrechlich gewordenen Gabriel. "Das sieht man dir noch an...Du bist so dünn geworden." Er knuffte dem Blonden, ohne die Miene zu verändern, in den Arm. Gabriel blieb still, suchte vergeblich Augenkontakt. "Und du? Du scheinst doch auch-", der Tempelritter wurde unterbrochen. "Ja. Ich habe auch..einiges verloren. Sagen wir's so. Ich bin halt berühmt geworden, ob's jetzt wegen was Gutem war oder nicht, ist egal. Vergessen wird mich hier keiner so schnell." "Da hast du allerdings recht..." Gabriels Haare fielen ihm ins Gesicht, einzelne Strähnen glänzten golden im Licht. Er legte seine Hand auf sein rechtes, verdecktes Auge, achtete geradezu darauf, dass niemand es sehen konnte. Gilbert bemerkte dies allerdings sofort.
"Gabriel?"
"Hm?", er zuckte zurück und ließ davon ab, in seinem Gesicht herumzupfuschen.
"Warum verdeckst du dein Auge?"
"Mache ich doch gar nicht, was meinst du?", wehrte Gabriel auffällig ab und legte beide Hände auf sein rechtes Auge, "Es ist nichts!"
Gilbert erkannte die Notlüge. Gabriel war ein grauenvoller Lügner.
Behutsam legte er seine Hände auf Gabriels Schulter, sah ihm in ins Auge.
Es war genauso blau wie früher, sogar der goldene Kreuzesschein schien purer denn eh und je.
"Gabriel. Du musst es mir nicht zeigen, wenn du es nicht willst. Ich mache mir nur Sorgen um dich und vielleicht bin ich auch neugierig, aber das soll dich nicht dazu zwingen."
Gabriel wurde still, sah lieber auf seine Fußspitzen, als in das Gesicht seines alten Freundes zu blicken. Gilbert aufzuklären wäre sinnvoll, wenn nicht sogar das Beste.
Aber...
Was, wenn Gilbert ihn daraufhin abstoßend fand.
Was, wenn er sich nur noch mehr von ihm entfernte?
Dennoch ging er das Risiko ein. Er wollte vor Gilbert nichts geheim halten.
"Sie es dir selbst an. Ich kann mich kaum selbst damit ansehen."
"Okay...", raunte der Albino kaum hörbar zurück, strich mit der linken Hand die blonden Haare zur Seite, während seine Rechte nie ihren Platz auf Gabriels Schulter verließ. Allein während dieser Tätigkeit bemerkte er, dass Gabriels Haut uneben und rau wurde. Es wirkte wie eine Verletzung auf ihn. Erst als die Sicht auf sein gesamtes Gesicht frei wurde, bemerkte er die lange Narbe, die sich von der Stirn bis hin zur Wange erstreckte. Sein rechtes Auge öffnete sich zögerlich, hatte aber einen fahlen, eisgrauen Schleier anstatt der tiefen blauen Farbe mit dem goldenen Kreuz, das immer noch im linken Auge zu sehen war.
Die Furcht und Unsicherheit Gabriels, konnte er nur schwer nachvollziehen.
"Tut mir leid, falls ich dich damit ekle. Es muss wohl eine bleibende Narbe sein...von damals, als ich...."
Betrübt zog der beschämte Tempelritter die Augenbrauen zusammen und machte sich darauf bereit, ein angewidertes Gesicht zu sehen.
Es kam nie.
"Du bist wunderschön, Gabriel."
Er wurde hellhörig, riss die Augen ungläubig auf. Das Kreuz blitzte hoffnungsvoll auf.
"Egal wie viele Narben du vielleicht hast, ich liebe dich mit all diesen Macken."
Gabriel bemerkte nicht, wie seine Augen wässrig wurden; leise Tränen herunterrollen ließen.
"Weil sie zu dir gehören; eine Geschichte erzählen. Deine Stärken und Schwächen zeigen doch nur...", er fuhr behutsam über die zäh verheilende Narbe, "dass du menschlich bist."
Gabriels Herz klopfte, als sie sich zuletzt sahen, passierte es doch genau andersherum.
"Und du bist mehr als dieses eine Detail." Flüsterte er nur mehr und hauchte nur einen schnellen Kuss auf Gabriels geschlossenes Auge, gerade so, dass seine Lippen nur knapp seine Haut streiften. Gilbert schien sich selbst eine Toleranzgrenze zu setzen, um Gabriel nicht zu bedrängen. Der Tempelritter selbst zeigte nicht das geringste Zeichen von Ablehnung, genoss die plötzliche Zuneigung, ohne sich fürchten zu müssen. Früher hätte ihm wohl das Feuer entgegen gelacht, ihn von den Zehenspitzen bis hin zu den flügelartigen Locken eingeschlossen und ihn in eine lebende Hölle geschickt. Aber nun hatte Gabriel nur wenig zu befürchten...
Er zog also den Jüngeren zu sich und legte den Kopf in seine Halsbeuge. Die Tränen waren getrocknet, das Klopfen in seiner Brust wurde stiller. Tief atmete der junge Erwachsene ein, vernahm den vertrauten Körpergeruch seines alten Freundes und hörte das stetige, kräftige Herzklopfen des anderen.
Ob Gilbert auch aufgeregt gewesen war, ihn wiederzusehen, so wie er es war?
Der Albino schaute peinlich berührt weg, stellte erleichtert fest, dass die Kirche von niemandem mehr besucht war und erwiderte die Umarmung Gabriels. Auch wenn er es vielleicht nie selbst bestätigen wollte, schenkte ihm allein die einfache Zuneigung so viel Trost wie schon lange nicht mehr. Vielleicht lag es daran, dass er sich als erwachsener Mann wenig Körperkontakt erhoffen konnte, vielleicht aber auch, weil er gerade diese Zuneigung eines bestimmten Menschen brauchte, die ein anderer nicht geben konnte. Doch Gilbert freute sich, und es war eine ehrliche Freude, die ohne jegliches Verstellen seiner Selbst entfacht war. Einen Grinser wollte er sich aber verkneifen, es wäre ihm sonst zu peinlich gewesen.
Stille.
Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden, nur die elektrischen Kerzen und die dämmrige Helligkeit des Himmels spendete ihnen das übrige Licht.
Der Albino war der erste, der die angenehme Ruhe unterbrach. "Wie bist du überhaupt hierhergekommen?" Gabriel schlug die Augen auf und entfernte sich wieder ein bisschen. "Naja...", er wurde etwas rot, "vor ein paar Tagen meinte Joan, ich dürfte mittlerweile genug Kraft haben, wieder ein wenig in Gesellschaft zu kommen. Meine 'neuen' Orden kennen mich auch noch nicht, da sie entweder noch nicht anerkannt genug sind oder erst vor Kurzem zustande kamen. Dann meinte Joan, dass du eine Ordenssitzung in Wien abhalten musst und Joan zufälligerweise seinen monatlichen internationalen Büchertrip auch hierher verlagert hatte...und-"
Gabriel machte eine Pause und seine Lippen zeichneten ein heimliches Lächeln ab.
"Und dann habe ich gefragt, ob ich mit ihm mitkommen kann...weil ich dich am ersten Tag in meiner neuen Freiheit sehen wollte..."
Sprachlos und unsicher, welche Reaktion der Preuße nun von sich geben soll, sah er umher. Sollte er mit einem "Natürlich willst du mich sofort sehen, ich bin halt so cool und awesome!" oder mit einem "Aww!" antworten? Im Endeffekt, war jedoch die Zeit zu knapp und die lange Sprechpause hätte mit einer spontanen Rückmeldung nur zu einer komisch wirkenden Situation geführt, weswegen Gilbert schwieg.
"Ich habe dich in der Blutgasse aus dem Augenwinkel gesehen, aber dann warst du schon wieder weg. Als ich bei Joan wieder vorbeikam, meinte er, dass du fast das Meeting verpasst hast und ich habe ihm derweil geholfen, seine neuen Bücher zum Auto zu tragen und wir sind Essen gegangen. Schließlich habe ich mich in der Gegend rund um den Stephansplatz umgesehen...und dann habe ich dich endlich getroffen." Wieder lächelte er breit. Diese Angewohnheit hatte er sich wohl von früher behalten.
Gilbert grummelte verlegen. "Bei letzterem habe ich dich, glaub ich, gesehen. Und weil ich dich verdächtigt habe, bin ich mit Gilbird nachgelaufen."
"Gilbird?", fragte der Blonde neugierig nach, als sich der kleine Vogel von selbst meldete, vom Weihwasserspender wegflog und sich direkt in Gabriels fluffigen Haaren einnistete. Die Locken, die fast aussahen wie ein Flügel, benutzte er als Decke und tat so, als wären seine Flügel damit viel größer als sie in der Realität eigentlich waren.
Lachend sah Gabriel hoch, kniff ein Auge zu, weil der Vogel ihn aus Versehen an den Haaren zog. "Wie das Herrchen, so das Tier, nicht wahr?"
"Hey!", schmollte Gilbert, "Ich brauche wenigstens keine Hilfsmittel, um cool zu sein. Ich bin schon so geboren." Gabriel lächelte verschmitzt und verdrehte die Augen. "Sicher doch, deshalb haben sie dich ja immer angezündet, damit du ein wenig auftaust."
Empört schnappte der Albino nach Luft. "Du hast eindeutig zu viel Zeit mit Joan verbracht. Der hat schlechten Einfluss auf dich!" "Klar doch", meinte sein Gegenüber schnippisch und drückte ihm einen raschen Kuss auf den Mundwinkel, woraufhin der Albino sekundenlang verstummte.
In seinem Bauch kribbelte es, sein Herz hatte kurz ausgesetzt, ehe es in Höchsttempo weiterpochte. Wie gerne hätte er dem zerbrechlich gewordenen jungen Mann eine ähnliche Geste zurückgegeben. Gabriel schien nicht einmal abgeneigt zu sein. Vielleicht erlaubte er ihm ein bisschen Nähe, er schenkte sie ihm doch ebenfalls.
Vorsichtig legte er seine Hände an Gabriels Wangen, stützte seine Stirn an der des anderen ab. Er wartete ab, ob Gabriel ihn unerwarteter Weise wegstoßen würde, aber stattdessen legte dieser nur seine Arme an seinen Schultern ab. Sachte streiften seine Lippen über Gabriels, blieben letztlich mit einem leichten Druck darauf liegen, ehe überraschenderweise Gabriel kurz darauf den spontanen Kuss erwiderte, ihn verstärkte. In ihrer Brust wurde es stiller, ihr Kopf wurde leer, ihre Sinne verschärften sich und alles um sie herum schien sich aus der Realität, ihrer Realität, zu entfernen. Mit einem Mal verwandelte sich ihre Welt in ein weißes, unbeschriebenes Blatt, weit weg von den Orten, an denen sie einst waren. Es gab nur mehr sie zwei und die Gefühle zwischen ihnen, die sie in eine sichere Blase einschlossen, bis einer von ihnen sie zu zerplatzen vermochte.
Es dauerte nur wenige Sekunden, angefühlt hatte es sich aber nach Stunden, wenn nicht sogar Ewigkeiten, als Gilbert sich mit einem roten Schleier auf dem Gesicht von ihm löste. Ihre Pupillen waren geweitet, ein gschamiges Lächeln trat beiden neben der Röte ans Abendlicht.
"Ich erteile euch hiermit zu Ehemann und Ehemann. Sie dürfen den Bräutigam nun küssen, aber nicht schmusen, das gehört sich nun wirklich nicht in einer Kirche. Keine Ausnahmen", platzte urplötzlich eine bekannte Stimme in ihren gemeinsamen Moment. Es war Joan, der mit verschränkten Armen beim Kirchentor angelehnt dastand.
Gilbert und Gabriel sowie der kleine Gilbird zuckten erschrocken zusammen, eine Hitzewelle traf sie mit einem Schlag. Hatte man sie gesehen?
"Joan?"
"Ja, wer denn sonst?", er verdrehte die Augen und ließ das Tor hinter sich, "Hört zu, es ist zwar niedlich, euch zuzusehen, so nach zigjahren, aber bitte hebt euch noch was für später auf. Gilbert, die Abendmesse bei dir ist um achtzehn Uhr, ich würde dir raten, dass du schleunigst aufbrichst. Gabriel, du musst mal wieder was essen, du musst deinen Zeitplan einhalten!"
Die drei ehemaligen Ritter sahen einander perplex an, ehe sie zum ersten Mal seit Jahren alle gemeinsam in Gelächter ausbrachen. So wie es früher einmal war...
Früher, als sie noch Kinder waren.
Früher, wo sie sich nur wenig um die Zukunft scherten.
Früher, als sie sich zum ersten Mal trafen.
~0~
Der One-Shot wurde tatsächlich länger als erwartet. Ich dachte anfangs, das werden vielleicht nur so 3000 bis 4000 Wörter und jetzt ist es gefühlt doppelt so viel.
Ein großes Danke geht wieder einmal an APH_Prussia__ , der mir bei einigen Plot betreffenden Fragen ausgeholfen hat.
Ich übergebe dir somit diesen One-Shot von mir als Geburtstagsgeschenk.
Happy Birthday! Ich hoffe, dir hat es gefallen :3
Ansonsten gibt es hier beim Nachwort nur ein paar Extra-Fakten, die ich bei Recherchen herausgefunden habe oder einige Headcanons, die es nicht soo explizit in den Text geschafft haben:
- Zu Joan|Johanniterorden:
Joan hat in meiner letzten Geschichte, die im 13. Jahrhundert spielt, Johannes geheißen, weil er ja der Johanniterorden ist (womöglich hat er ein Geschwisterchen, da aus dem Ursprünglichen Orden einige Zweige heraustraten, nämlich der protestantische Zweig des Johanniterordens und der Malteserorden. Dennoch wurden die Mitglieder des "Ursprungsorden" als Johanniter bzw. Hospitaliter bezeichnet, weswegen Joan womöglich dann des Namens wegen zum protestantischen Zweig wechselte und das Geschwisterchen den Malteserorden übernahm). Hier heißt der Name aber Joan, da Joan sich in meinem Headcanon mittlerweile als männlich/non-binär identifiziert und einen neutraleren Namen benutzt. Somit nutzt man er/sein und they/them (die hießen was mit "sier/siers" auf Deutsch, oder?) Pronomen. Zudem sind seine Spezialinteresse alte Bücher, die er sich gern von überall auf der Welt holen will, um seine Sammlung zu erweitern und am Ende sieht man, dass er sehr organisiert ist, wenn es um Termine geht und für Gabriel einen Zeitplan erstellt hat, wann er essen soll, da dieser von seinem langen, komatösen Zustand natürlich auch regelmäßig aufpassen muss. Es kann sein, dass er im Dialog dezent unfreundlich wirkt, aber eigentlich meint er es selten so. Ich habe mich bemüht, dass es ein bisschen positive autistische Repräsentation gibt. Verbesserungsvorschläge fürs nächste Mal sind gerne gesehen! Ich will da besser und sensibler dafür werden!
- Zu Gabriel:
Gabriel war nach 1312 in einer Art komatösen Zustand, da sein Orden (Templerorden) zwar rein theoretisch aufgelöst wurde, aber eigentlich nur in Frankreich verfolgt wurde. Einige seiner Leute und Besitztümer sind zu anderen Orden, unter anderem dem Johanniterorden übergegangen und es gab in der Geschichte immer wieder Neubildungen, bis es schließlich heutzutage wieder ein paar Orden bzw NGOs gibt. Deshalb hat Gabriel einen auf Polen gemacht und hat sich bei jeder erfolgreicheren Neubildung erholen können. Momentan wird ohnehin spekuliert, inwieweit der Orden damals tatsächlich aufgelöst wurde und letztendlich hätte Napoleon den Orden anscheinend im 19. Jahrhundert neu gegründet. Er dürfte physisch ca. ein Jahr älter als Gilbert sein, da nur eine knappe Zeitspanne zwischen ihnen liegt.
-zu Gilbert
Außer, dass ich ihn mit mehr Geschichte konfrontiert habe und seine zweite Seite in den Vordergrund gestellt habe, dürfte ich halbwegs wenige Headcanons für ihn übrig haben, bis auf den einen, dass er seit der Wiedervereinigung Deutschlands, wieder mehr den Deutschen Orden repräsentiert und dafür zuständig ist, weil er ja nicht wie sein Bruder auf solche World-Meetings muss.
Echte Personen, die hier erwähnt wurden:
-Herrenmeister, Otto Prinz von Preußen (Joans Boss)
-Hochmeister Frank Bayard (Gilberts Boss, hinsichtlich des Ordens)
Ich hoffe, euch hat der OS wenigstens ein bisschen gefallen und ich würde mich über Feedback freuen!
~7750 Wörter
Over and out
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