③③
Taehyung kommt nach Hause. Er schließt die Tür auf und sieht sich um. Es ist niemand da. Er ist allein. Raum für Raum geht er durch das Haus.
Es sieht so aus, als wäre Jungkook nie hier gewesen. Alles steht und liegt an seinem Platz. Yuna ist auch nicht da. Tief in seinem Inneren hatte er gehofft, sein Häschen anzutreffen. Das er wie sonst auch, stur und beharrlich gewesen ist.
Taehyung hatte so sehr gehofft, das Jungkook ihn an der Haustür empfängt und er sich erstmal einen ordentlichen Ärger einhandelt. Doch es ist totenstill.
Erst jetzt wird Taehyung bewusst, dass er nicht mal angebrüllt wird und Jungkook ihn mit seinen kleinen Fäusten gegen die Brust haut, weil er ihn schon wieder so verletzt hat. Irgendwas, dass ihm zeigt, dass sein Häschen noch hier ist. Er hat doch sonst nie auf ihn gehört, warum diesmal?
Mit gesenktem Kopf geht er in sein Schlafzimmer. Am Türrahmen bleibt er verwundert stehen und sieht zum Bett. Auf dem Kopfkissen liegt das Fotoalbum, das Jungkook erstellt hat und direkt daneben sitzt ein Plüschhase. Flöckchen.
Langsam kommt er auf das Bett zu und nimmt vorsichtig Flöckchen in die Hand. Er lässt sich fallen und drückt das Kuscheltier ganz fest an sich. Tränen verliert er. Unaufhörlich kullern sie die Wangen runter.
Er vermisst sein Häschen. Warum nur musste das geschehen? Niemals wollte er ihn verletzen.
Niemals wollte er das Monster sein, das er jetzt ist.
Niemals hätte er ihn treffen dürfen.
Niemals hätte er ihn so nah an sich ran lassen dürfen.
Niemals hätte er Gefühle zu lassen dürfen.
Niemals hätte er sich verlieben dürfen.
Niemals hätte er die Mauer einstürzen lassen sollen.
NIEMALS!
Stunden vergehen in denen er einfach so auf dem Bett liegt. Flöckchen fest im Arm. Er hört Geräusche und schreckt auf.
Hoffnung keimt in ihm auf.
Hoffnung, das Jungkook doch nicht auf ihn gehört hat und ihn nicht verlassen hat. Das sie noch eine Chance haben, gemeinsam. Sie lieben sich doch. Immer wieder haben sie ihre Liebe bezeugt.
Mit Flöckchen in der Hand rennt er die Treppen runter. Yuna. Natürlich. Wer sonst? Er hat Jungkook ja raus geschmissen. Warum sollte er zurückkommen? Warum sollte er zu diesem Monster?
Er lässt seine Schultern fallen und legt sich auf die Couch und rollt sich ein. Das Kuscheltier fest umklammert. Er lässt es nicht mehr los.
Niemals.
Yuna versucht, mit ihm zu reden. Doch er hört nicht zu. Sie schreit ihn an, doch er versteht nichts. Er hört ihre Worte, doch sie kommen nicht bei ihm an. Kann sie nicht verarbeiten.
Yuna weiter ignorierend, trottet Taehyung wieder in sein Zimmer, schließt die Tür und sperrt ab. Er möchte niemanden sehen. Nur Jungkook.
Doch er wird nicht kommen. Die Hoffnung, an die er sich geklammert hat, schwindet immer mehr. In Selbstmitleid gebadet, macht er sich die schwersten Vorwürfe. Zu Recht.
Er hat seine Liebe so sehr verletzt. An Jungkooks Stelle würde er das Gleiche tun. Was will man denn auch mit diesem Monster, das nur andere verletzt.
Taehyung weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist. Immer wieder mal klopft es an der Tür. Hört dumpfe Geräusche.
Stimmen dringen immer wieder durch die Tür, aber er versteht sie nicht. Will sie nicht verstehen. Sein Handy klingelt immer wieder, bis der Akku leer wird. Taehyung macht nichts.
Er liegt nur da, weint und hält das Häschen in seinen Armen. Ohne Jungkook ist sein Leben nicht lebenswert. Was hatte er denn außer die Arbeit? Und nicht mal das, möchte er mehr tun. Immer wieder driftet der Schwarzhaarige in einen unruhigen Schlaf.
Es scheppert plötzlich laut und ein Knallen signalisiert ihm, das jemand seine Zimmertür aufgebrochen hat.
Er sieht zu Tür und erkennt im Licht eine Silhouette. Taehyung blinzelt ein paar Mal und erkennt seinen besten Freund. Dieser stapft wütend auf ihn zu.
»Jetzt reicht es mir mit dir, du elendiger Idiot. Sieh sofort zu, das du aus diesem Zimmer kommst!«
»Wie hast du die Tür aufgebrochen? Das wird Yuna gar nicht gefallen.«
»Das ist deine einzige Sorge?«
»Nein. Aber es interessiert mich.«
»Der Herr zeigt endlich interesse.«
»Also?«
»Ich erzähle es dir, wenn du aus dem Bett kommst, duschen gehst und mit mir mitkommst.«
»Nein.«
»Doch.«
»Nein.«
»Taehyung!«
»Ja?«
»Hör auf damit.«
»Ist nervig, nicht wahr.«
»Urgh.«
Ohne den Dialog weiter am laufen zu halten, packt der Blonde den Jüngeren am Kragen und zerrt ihn ins Bad. Er kann das Theater nicht mehr länger mit ansehen.
Mit bösem Blick überzeugt er Taehyung, sich zu duschen. Derweil richtet er ihm frische Klamotten hin und lüftet das Zimmer. Die leeren Wasserflaschen sammelt er auf und räumt sie weg.
Immerhin hat er was getrunken. Und kein Alkohol. Das ist ein gutes Zeichen. Taehyung ist noch nicht bewusst das, seit dem er zurückkam, drei Tage vergangen sind.
Frisch geduscht und angezogen, will Taehyung sich wieder ins Bett legen. Doch Jimin hält ihn auf.
»Oh nein, mein Freundchen. Du hast erstmal Schlafzimmerverbot.«
»Lass mich in Ruhe.«
»Nein. Du kommst jetzt mit mir mit. Wir haben eine Mission.«
»Geh allein arbeiten. Ich hab in meinem Leben genug geschafft. Du bist dran.«
»Hör mir zu Taehyung. Wenn du jetzt nicht sofort mit kommst. Rennt deine große Liebe davon!«
Taehyung wird hellhörig. Seine große Liebe. Ja, das ist Jungkook. Noch nie zuvor hat er jemand so geliebt, wie sein Häschen.
Panisch sucht er nach Flöckchen. Erleichtert atmet er auf, als er ihn unter der Decke findet. Das Kuscheltier fest umklammert, setzt er sich hin.
Er wollte ihn niemals loslassen. Selbst das hat er verbockt. Nicht mal auf ein Kuscheltier kann er Acht geben. Er kommt sich so unnütz vor. Was hat er auf der Welt noch zu suchen?
»Taehyung bitte. In einer Stunde geht sein Zug. Wir kommen sonst zu spät.«
»Er will mich doch nicht. Ich bin ein Monster.«
»Das ist ein Missverständnis. Das versuchen wir dir seit drei Tagen zu erklären.«
»Drei Tage? Wow.«
»Ja wow. Jetzt schwing deinen abgemagerten Arsch hier raus, verdammt nochmal.«
Taehyung steht langsam auf. Sein Kreislauf ist noch immer nicht der Beste. Das hat er beim Duschen schon gemerkt.
Er trottet zum Spiegel und sieht sich an. Dreht sich so, dass er seinen Hintern betrachten kann. Hmm. Scheint jetzt nicht so viel weniger. Verwirrt sieht Jimin ihn an.
»Was tust du da?«
»Du hast gesagt, mein Arsch ist abgemagert. Find ich jetzt nicht.«
»TAEHYUNG!«
»Was denn? Man wird ja wohl noch gucken dürfen.«
»Wenn du jetzt nicht sofort wieder normal bist, lass ich dich von Jin höchstpersönlich einweisen. Dann kommst du nicht mehr raus!«
»Ist ja gut. Also wohin wolltest du gehen?«
»Urgh.«
Taehyung hat den Verstand verloren. Da ist sich Jimin sicher. Er schleift den schwachen Taehyung durch das Haus. Yuna wartet mittlerweile auch am Auto. Sie kommt mit. Da gab es nichts zu diskutieren.
»Was braucht ihr denn so lange?«
»Bring du mal einen Verrückten zur Vernunft.«
»Na los, einsteigen. Der Zug wartet nicht.«
Taehyung will einsteigen, bleibt aber sofort stehen und knallt die Tür wieder zu.
»Aua, verdammte scheiße.«
»Ich fahr nicht mit dieser miesen Katze mit!«
»Taehyung. Hör mir zu. Es tut mir leid.«
»Miau, miau.«
»Was?«
»Verstehst du deine eigene Sprache nicht? Das heißt ›leck mich‹.«
»Dreht der jetzt völlig ab?«
»Ich sag ja, er ist verrückt geworden.«
»Ich geh wieder rein. Macht euren Ausflug ohne mich.«
»Hier geblieben. Es tut mir leid, Taehyung, wirklich. Ich hab nicht nachgedacht. Er ist mein Cousin und ich liebe ihn genauso sehr. Mir sind die verdammten Sicherungen durchgebrannt. Ich hab das alles völlig falsch interpretiert. Ich verlange nicht von dir, das du mir verzeihst. Aber hol Jungkook wieder zurück. Bitte.«
Jungkook immer wieder Jungkook. Er wollte ihn doch vergessen. Fest den Hasen in der Hand, zögert er. Yoongi redet weiter auf ihn ein. Erklärt warum es dazu kam und warum er ihn verprügelt hat. Jimin zerrt Taehyung ins Auto und setzt ihn nach vorne.
»Klärt das wann anders. Der Zug fährt gleich. Hört mir denn eigentlich kein Mensch zu?«, flucht Jimin vor sich her.
Als endlich alle im Wagen sitzen fährt Jimin mit Vollgas los. Das wird eng. Sehr eng. 35 Minuten noch, dann ist Jungkook weg. Die Diskussion hatte sie wertvolle Zeit gekostet. Keiner weiß, wohin Jungkook möchte.
Geht er zurück nach Busan oder doch ganz wo anders hin? Jimin hat sich auf die Suche nach dem Kleinen gemacht. Alles hat er abgeklappert. Jedes Hotel jedes Motel. Freunde. Alles, was er an Infos in die Finger bekam, hat er abgesucht.
Heute wurde er endlich fündig. Eine schäbige Unterkunft. Der Besitzer sagte ihm, dass er ausgecheckt hat und mit dem Taxi zum Bahnhof fährt. Sein Zug würde um 14.00 Uhr fahren, das wusste er, weil er ihm dieses Taxi bestellt hat.
Als Jimin sich dankend verabschiedet hat, war er sich nicht sicher, ob er eben eine Ratte in dem Flur laufen hat sehen. Gott sei Dank wurde Jungkook zu keinem Mordopfer. Wie konnte er nur in dieses schäbige Motel?
Während sich die Insassen im Auto zanken und raufen, steuert Jimin den Wagen wie in einem Actionfilm durch die Straßen von Seoul. Der Verkehr ist fürchterlich. Wenn das so weiter geht, kommen sie nie rechtzeitig an.
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