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Eine neue Woche beginnt. Der Alltag nimmt seinen gewohnten Gang. Taehyung sitzt an seinem Schreibtisch und überarbeitet die Verträge.
Dieses verflixte Date hat alles durcheinander gebracht. Um das wieder in Ordnung zu bringen, wird Tage dauern. Zwei ganze Tage hat er nicht gearbeitet. Sein Zeitplan ist durcheinander.
Das Gespräch mit Jimin verlief nüchtern. Er hat zugegeben, dass er das alles eingefädelt hat. Das ärgert Taehyung nur noch mehr. Er weiß ja, dass der Blonde es ja nur gut meint. Aber das er so eine Lawine in ihm loslöst, damit hat keiner von ihnen gerechnet.
»Guten Morgen, mein Tiger. Hier, ich habe dir deinen Lieblingskaffee mitgebracht.«
»Raus!«
»Taehyung...«
»Nein!«
»Du kannst doch nicht ewig sauer sein!«
»Oh und wie ich das kann!«
»Was muss ich tun, damit du mich wieder liebst?«
»Deine Arbeit.«
»Urgh!«
Gerade möchte Jimin es sich wie immer auf dem Schreibtisch seines Partners bequem machen, als er plötzlich innehält. Noch nie in seinem Leben hat er diesen finsteren Blick beim besten Freund gesehen.
»Ich habe dich gewarnt! Denk nicht mal dran!«
»Taehyung, bitte. Kannst du mich denn gar nicht verstehen?«
»Doch kann ich.«
»Na siehst du!«
»Das ändert nichts daran, das du mich hintergangen hast.«
»Übertreib nicht. Es muss auch mal gut sein. Das Doppeldate war ne blöde Idee. Okay, seh ich ein. Aber deswegen brauchst du ja nicht so einen Aufriss machen.«
»Du verstehst es nicht.«
»Dann klär mich auf.«
»Das kann ich nicht.«
»Hör auf, das ständig zu sagen! Natürlich kannst du! Was verheimlichst du mir?«
Taehyung reißt der Geduldsfaden. Natürlich ist es nichts dramatisches dabei, wenn eine Verabredung nicht so läuft, wie gedacht. So was kommt nun mal vor. Keine große Sache. Doch was dieses Date in Taehyung ausgelöst hat, das ist die wahre Katastrophe. Jimin hat keine Ahnung, was er damit angerichtet hat.
Seit dem Date schweifen seine Gedanken immer wieder zu dem jungen braunhaarigen Schönling. Er ist sehr fasziniert von ihm. Natürlich gefällt er ihm. Gar keine Frage. Das gibt er auch zu. Und deswegen ist es so ein durcheinander in seinem Kopf.
Alles wäre perfekt. Er will Jungkook und Jungkook will ihn. Wäre da nicht das Problem mit der Jungfräulichkeit. Diese Grenze überschreitet er nicht. So viel Sympathie oder gar Gefühle kann er für ihn nicht aufbringen.
Man könnte jetzt sagen, Jungkook soll seine Jungfräulichkeit an einen anderen verlieren, dann wäre die Barriere beseitigt. Aber im Endeffekt käme es auf das Gleiche raus. Taehyung hätte schuld, dass sein erstes Mal ohne Liebe genommen wurde. Das möchte er nicht verantworten. Über so etwas sollte man gar nicht nachdenken.
»Das ist alles so kompliziert!«
»Dann erkläre es mir, vielleicht kann ich dir helfen!«
»Ich weiß nicht.«
»Taehyung, bitte. Wozu hat man denn einen besten Freund, wenn man sich ihm nicht anvertrauen kann?«
Jimin hat Recht, er hat verdammt nochmal Recht, denkt sich Taehyung. Er kämpft mit sich selbst. Wird er ihn verstehen? Wird er ihn auslachen? Oder schlimmer, wird er sich abwenden?
Das darf nicht passieren. Jimin ist sein Ein und Alles. Er ist sein Anker. Seine helfende Hand. Der Fels in der Brandung. Ist er es ihm dann nicht schuldig, seine Gedanken preiszugeben? Ist es nicht das Mindeste?
Also packt er all seinen Mut zusammen und erzählt Jimin seine Bedenken. Bedenken darüber, das Jungkook etwas in ihm geweckt hat. Er kann nicht beschreiben, was es ist. Doch er kann ihn nicht so verletzen. Er ist kein Monster. Taehyung kann ihm nicht die wertvollen Dinge nehmen. Es gibt sie nur ein Mal. Danach gibt es kein zurück. Taehyung will nicht, das Jungkook es irgendwann bereut.
»Ich verstehe dich irgendwie. Aber was ich nicht verstehe, ist, warum du dir solche Sorgen machst? So wie du sagst, möchte es Jungkook probieren. Er ist sich seiner Konzequenzen bewusst. Und ist es nicht seine Entscheidung, von wem er sich küssen lässt?«, fragt Jimin. Ohne darüber nachzudenken setzt er sich wie gewohnt auf den Schreibtisch. Es ist so alltäglich, dass es keinem der Beiden auffällt.
»Das hat er auch gesagt.«, seufzt Taehyung. Er nimmt einen Schluck vom Kaffee, den Jimin mitgebracht hat.
»Da hast du deine Antwort! Wieso zermarterst du dir deinen Kopf über die Handlungen anderer? Wenn du ihn treffen willst, triff dich mit ihm. Wenn du ihn küssen willst, dann tu es. Er wird dir schon sagen, ob er es möchte oder nicht. Und glaub mir, er möchte!«, fügt Jimin noch seiner Ansprache hinzu.
Mit einem Ohr zuhörend und doch mit den Gedanken wo anders, hält er die Visitenkarte von seinem Date in der Hand. Immer wieder streicht er mit dem Daumen über den Namen. Er atmet tief durch. Soll er es wagen? Soll er ihn anrufen? Auf ein Date einladen, nur er und Jungkook?
Er hasst Dates. Das kostet ihn Überwindung. Eindeutig. Und genau daran erkennt man, das Jungkook mehr ist, als nur eine Nacht. Doch der Workaholic ist sich dessen noch nicht bewusst.
»Lass dich einmal fallen Taehyung. Denk nicht über die Konsequenzen nach. Die kannst du nicht verhindern. Sie gehören zum Leben.«, spricht Jimin ihm Mut zu. Taehyung hadert mit sich.
Jetzt liegt es an ihm, was er tun möchte. An seiner Vergangenheit festhalten oder in die Zukunft blicken. Minuten des Schweigens füllen das Büro. Jimin weiß, dass er nicht noch mehr auf ihn einreden darf.
»In Ordnung. Ich werde mich bei ihm melden. Fragen, ob er ein Date möchte.«, beschließt der Schwarzhaarige. Jimin grinst über das ganze Gesicht. Er hat es geschafft.
Er ist dafür verantwortlich, das Taehyung endlich aus seiner Höhle kommt. Er soll verdammt noch mal über seinen Schatten springen. Seine Regeln über Bord werfen und endlich das Leben genießen.
Fröhlich klatscht Jimin in die Hände und hüpft vom Schreibtisch, so das er einen riesigen Stapel loser Papiere mitgerissen hat und nun durcheinander auf dem Boden liegen.
»Tschuldigung.«
»Jimin.«
»Ich weiß, ich weiß.«
»Ich fürchte nicht.«
»Doch, doch. Ich werde sie höchspersönlich wieder sortieren.«
»Und wann?«
»Ähm? Bis wann brauchst du sie?«
»Bis gestern?«
»Okay, du bekommst sie morgen.«
»Urgh.«
»Ich liebe dich auch, Tiger.«
»Jetzt geh raus und lass die Papiere liegen.«
»Okay.«
Jimin ist einfach unverbesserlich. Taehyungs Blick ist auf den unordentlichen Stapel gerichtet. In der Hoffnung, der Haufen würde sich von selbst sortieren, starrt er ihn regelrecht an. Leider passiert das nicht. Seufzend lehnt er sich in seinem Stuhl vor und macht sich an die Arbeit.
Die Stunden vergehen und das Chaos auf seinem Schreibtisch wird nicht weniger. Das heißt für den Geschäftsmann, Überstunden machen. Das Durcheinander in seinem Kopf wird auch nicht weniger. Es wird eine lange Woche. Wie soll er sich denn da mit Jungkook treffen? Die andere Frage ist, möchte Jungkook überhaupt noch? Oder ist er so enttäuscht, dass er ihn nicht mehr sehen will?
Taehyung wird noch verrückt. Immer wieder stellt er sich Fragen, auf die er keine Antworten hat. Und es kommen immer mehr. Diese Gedanken lassen den smarten und selbstsicheren Geschäftsmann plötzlich so klein und hilflos erscheinen.
Taehyung beschließt, Jungkook zu schreiben. Dann hat er es hinter sich. Sollte er nicht mehr wollen, wäre das Thema eh erledigt. Alle Fragen und Zweifel lösen sich in Luft auf. Genau, so macht er es. Vielleicht löst sich das Problem ja ganz von selbst und er kann sich wieder dem Leben widmen, das er vor vier Tagen noch unbeschwert genießen konnte.
Nun zeigen sich seine Fähigkeiten als CEO und verfasst einen Text, dem Jungkook einfach nur zustimmen kann. Nachdem er die Nachricht abgeschickt hat, wartet er. Minuten vergehen, in dem er den dunklen Bildschirm anstarrt. Nervös kaut Taehyung auf seiner Unterlippe rum. Tippt mit seinen Fingern auf seinem Schreibtisch. Den Kopf mit der anderen Hand stützend, wartet er.
Als er das Warten nicht mehr aushält, steht er auf und verlässt sein Büro. Seine Füße bringen ihn direkt in Jimins Büro. Verwundert über den seltenen Besuch, sieht sein Partner ihn fragend an.
»Jimin, kannst du mir eine Nachricht schicken?«
»Okay. Was soll denn drinstehen?«
»Nichts. Schick es nur ab.«
»Wozu?«
»Mach schon!«
»Ist ja gut.«
»Und? Hast du sie Abgeschickt?«
»Geeenauuuu jetzt.«
»Hmm.«
»Und?«
»Ist angekommen.«
»Ist das jetzt gut?«
»Keine Ahnung?«
»Taehyung!«
»Ich habe Jungkook eine Nachricht geschickt, aber er antwortet nicht.«
Jetzt geht dem Blonden ein Licht auf. Er muss schmunzeln. Jimin wusste gar nicht mehr, wie süß Taehyung eigentlich sein kann. Wie ein kleiner Junge steht Taehyung in seinem Büro und hat die Stirn in Falten gelegt. Mit seinen Zähnen verunstaltet er schon seine Unterlippe.
»Er wird sich schon melden. Vielleicht ist er beschäftigt.«
»Hmm.«
»Gib ihm Zeit.«
»Vielleicht hast du re-. Oh Mist, gerade kam eine Nachricht Jimin. Und jetzt?«
»Mach sie auf und lies sie.«
»Ich trau mich nicht.«
»Was ist mit meinem frechen und dominanten Tiger passiert? Du willst ein Top sein? Glaub ich langsam nicht mehr!«
»Klappe, Jimin! Lies du. Wenn sie gut ist, lies sie vor. Wenn nicht, lösche sie direkt.«
»Also schön. Gib her!«
Jimin nimmt sein Handy in die Hand und liest die Nachricht. Taehyung knabbert nervös an seinen Fingernägeln rum, während er auf der Stelle tapst. Dem Blonden gefällt der Anblick und zögert die Situation raus. Mit ernstem Blick legt er das Telefon auf den Tisch und sieht den Jüngeren an.
Taehyung ahnt nicht Gutes und lässt die Schultern fallen. Wortlos nimmt er das Handy in die Hand und möchte in sein Büro zurückkehren.
»Du sollst ihm sagen, wann und wo ihr euch treffen wollt.«, erlöst Jimin den verzweifelten CEO. Ruckartig dreht er sich zu seinem Freund um. Ein strahlendes Lächeln und ein Funkeln in den braunen Augen, reichen Jimin aus. Sein bester Freund hat Gefühle für den kleinen Jungen. Er wusste es. Taehyung kann es vor ihm nicht mehr leugnen.
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