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Schweigend sitzen Taehyung und Jungkook nun im Auto. Beim Wohnhaus des Jüngeren angekommen, löst dieser langsam seinen Gurt.
»Es war wirklich ein sehr schöner Abend. Vielen Dank, Taehyung.«, durchbricht Jungkook die Stille. Taehyung nickt nur. Was soll er denn sagen? Es war auch schön? Nein, das passt nicht. Für ihn war es kein schöner Abend, was ganz und gar nicht an Jungkook liegt.
Schließlich kann er ja nichts dafür, das Taehyung ganz andere Vorstellungen hat. Er macht ihm keine Vorwürfe. Aber dennoch möchte er ihn nicht anlügen. Daher beschließt er, es ist besser zu schweigen.
»Kann ich offen zu dir sein, Taehyung?«
»Ähm, natürlich.«
»Ich möchte dich gern wiedersehen.«
»Das ist keine gute Idee.«
»Warum nicht? Bin ich nicht dein Typ? Gefalle ich dir nicht? Mir ist durchaus bewusst, das du älter bist. Aber spielt das Alter so eine große Rolle für dich? Für mich jedenfalls nicht.«
»Das ist es nicht.«
»Was ist es dann? Ist es die Arbeit? Weil du keine Zeit hast?«
»Normalerweise würde ich sagen, ja, aber das ist es diesmal nicht.«
»Sondern?«
Das Gespräch wird komplizierter als gedacht. Taehyung ärgert es, dass er ihn noch nach Hause bringen musste. Es hätte alles vermieden werden können, wenn da nicht Jimin gewesen wäre.
Oh, wenn Taehyung seinen Freund in die Finger bekommt! Der kann was erleben. Dieser kleine hinterhältige Giftzwerg! So würde Taehyung ihn jetzt am liebsten beschimpfen. Schreibtischverbot für mindestens zwei Wochen!
Soll er doch selbst sehen, wo er sich ab sofort hinsetzt. Und er muss seine Aufgaben selbst erledigen. Das wird die perfekte Strafe für den Blonden. Arbeiten. Auf keine Dates, weil ihm dafür die Zeit fehlt. Ja genau, das wird ihm ab Montag blühen.
»Jungkook, sei mir bitte nicht böse. Aber ich lebe in einer anderen Welt als du. Mir ist egal, ob du 20 oder 30 Jahre alt bist. Und am Aussehen liegt es bei dir bestimmt nicht. Du bist wunderschön. Aber ich bin niemand, der Gefühle für jemanden entwickelt.«,fängt der Ältere an, sich zu erklären.
»Und du bist eine Person, die nur das Beste verdient. Der nur so von Gefühlen und Liebe überschüttet werden sollte. Verstehst du? Du bist noch so rein und unschuldig. Ich würde dich nur ruinieren. Und das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Du würdest daran kaputt gehen und ich wäre Schuld. Ich bin kein Arschloch, Jungkook. So gefühllos bin ich nun doch nicht.«
Noch nie hat er so offen über sich gesprochen. Niemals hat er mit fremden Menschen seine Gedanken geteilt. Das ist nicht gut. Überhaupt nicht gut. Er muss in seiner Komfortzone bleiben. Unbedingt. Taehyung darf sich keinen Fehler mehr erlauben.
»Also kurz gesagt, hätte ich schon mal mit jemanden geschlafen, hättest du kein Problem damit, dich mit mir zu treffen?«, fragt Jungkook traurig. Nie hätte er gedacht, dass er mal so einen Korb kriegen würde.
Nervös zupft er am Ärmel seines Hemdes. Er wirkt leicht überfordert. Sonst war es doch immer so, dass alle genau auf dieses Unschuldige und Reine stehen. Warum ist es bei Taehyung anders?
Für Jungkook ist es neu, jemanden so attraktiv zu finden wie Taehyung. Schon vom ersten Moment an, hat Taehyung ihn unabsichtlich in seinen Bann gezogen. Jungkook ist nicht so jemand, der sich gleich jeden an den Hals schmeißt. Schon des Öfteren hat er Anfragen bekommen, doch keine schien ihm interessant genug.
Jungkook ist sehr wählerisch, das gibt er zu. Und in Taehyung hat er seltsamerweise genau das gefunden, dass er sucht. Er mag zwar älter sein, aber das stört ihn überhaupt nicht. Der Schwarzhaarige mit den funkelnden braunen Augen, hat ihn neugierig gemacht.
Auch wenn er sonst nicht viel über den Älteren weiß, so weiß Jungkook, das er etwas in ihm ausgelöst hat. Etwas, das er nicht erklären kann, aber wild entschlossen ist, es rauszufinden.
Er hat all seinen Mut zusammengekratzt, um Taehyung zu fragen. Umso schlimmer ist für ihn die Absage, die er bekommen hat. Natürlich musste er damit rechnen. Doch es direkt zu hören, tut trotzdem weh.
»So einfach ist das nicht.«
»Es ist doch meine Entscheidung, mit wem ich mein Erstes Mal habe, oder?«
»Ja, schon. Aber es sollte doch jemand sein, den du liebst. Und der dich liebt.«
»Das ist Blödsinn. Das erste Mal sollte mit jemanden sein, mit dem man es auch möchte. Da muss nicht unbedingt Liebe im Spiel sein.«
»Du hast aber eine komische Einstellung.«
»Sagt der Richtige.«
»Wieso reden wir hier eigentlich über dein erstes Mal? Das ist komisch.«
»Keine Ahnung du hast damit angefangen.«
»Hab ich nicht!«
»Doch!«
»Nein!«
»Doch!«
»Oh man. Nicht noch so einer.«
Wie kommt Taehyung nur aus dieser verzwickten Situation raus? Der Junge macht es ihm so verdammt schwer, ihm zu widerstehen. Nichts lieber würde er im Moment gern tun. Eine wundervolle Nacht mit Jungkook verbringen.
Auch wenn Jungkook es will, das Taehyung ihm sein erstes Mal schenkt. Er kann es ihm nicht geben. Der Braunhaarige ist sich dessen Konsequenzen nicht bewusst. Taehyung schläft mit ihm und dann sehen sie sich nie wieder.
Das würde dem kleinen Jungen das Herz brechen, da er sich insgeheim irgendwelche Hoffnungen macht. Und die wird er sich machen. Ob früher oder später. Jungkook mag es im ersten Moment nicht zugeben, doch Taehyung weiß es besser.
Er wird leiden, weinen, niemanden mehr so schnell an sich ran lassen. Er würde Taehyung dafür hassen, dass er so mit ihm umgegangen ist. Und er wäre für dieses kaputte Herz verantwortlich. Das kann Taehyung nicht. Die Schuld will er nicht auf sich nehmen.
Und das Taehyung Gefühle für den Schönling zulässt, kommt nicht in Frage. Er hat nicht die Zeit, sich um die Bedürfnisse des Jüngeren zu kümmern. Taehyung würde ihn nur unglücklich machen. Das will er ihm nicht antun. Er würde keine ruhige Minute mehr haben, ein so zartes Lämmchen verletzt zu haben.
Blöde verzwickte Situation! Und daran ist nur Jimin schuld. Taehyungs Gedanken kreisen immer wieder zu seinem besten Freund. Er kann ihm nicht weiß machen, dass er nicht wusste, wer der Cousin ist.
Dieses Schlitzohr. Von Anfang an hatte der Blonde das geplant. Sie hätten Jungkook genauso gut nach Hause fahren und dann weiter ziehen können. Dieser elende miese Hund. Sein Hintern soll ihm drei Tage weh tun. Mindestens.
»Bitte denk nochmal darüber nach. Hier hast du meine Nummer. Falls du es dir anders überlegst.«, sagt Jungkook und überreicht ihm seine Karte. Er möchte gerade die schwere Autotür öffnen, da hält ihn Taehyung auf. Sanft umfasst er das Handgelenk des Jüngeren.
»Jungkook, bitte. Es geht nicht. Worauf möchtest du denn überhaupt hinaus? Einen One-Night-Stand oder Freundschaft? Gar eine Beziehung? Was ist es, was du möchtest?«, fragt er vorsichtig nach. Diese Frage stellt er sich, seit dem Beginn des Gespräches.
»Ich weiß es nicht Taehyung. Und genau deswegen, möchte ich es herausfinden. Irgendwas ist da zwischen uns und ich will wissen, was es ist. Aber dazu müsstest du es zulassen.«, teilt der Braunhaarige seine Gedanken mit. Er versteht ja selbst nicht, wie das hier gerade so läuft.
Schweigen. Von beiden Seiten. Jeder wägt seine Möglichkeiten ab. Denkt über das Gesprochene nach. Schließlich ist es Taehyung, der mit einem Seufzen, die erneute Stille durchbricht.
»Ich kenne das so nicht. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.«, gesteht der Schwarzhaarige. Sein Blick wandert aus dem Fenster und sieht sich die Gegend an. Gleichzeitig spielt er mit seinen Fingern, um die Nervosität zu überspielen. Taehyung ist schlichtweg überfordert. Solche Gespräche musste er noch nicht führen und weiß nicht, wie er reagieren muss.
»Für mich ist es auch Neuland Taehyung. Aber irgendetwas tief in mir drin sagt, das wir es versuchen sollten. Rausfinden was wir wirklich wollen.«, versucht Jungkook ihm mit einem leichten Lächeln aufzumuntern. Ihm ist nicht entgangen, das Taehyung nicht weiter weiß. Ihm geht es genauso.
So verunsichert wie jetzt, kennt man Taehyung nicht. Er probiert viel Neues aus und lässt sich nicht so leicht unterkriegen, aber noch nie war er dabei, seine Mauer einzureißen. Die Mauer, die seine Gefühle in Schach hält. Was passiert, wenn sie bröckelt?
Er kennt die Antwort nicht. Er kann es nicht kontrollieren. Und das macht ihn wahnsinnig. Er kann doch nicht einfach so die Kontrolle verlieren.
»Warum ausgerechnet ich?«, fragt er leise. Doch Jungkook versteht.
»Lass es uns gemeinsam rausfinden.«, bittet Jungkook.
»Es tut mir leid, Jungkook. Ich kann nicht.«, beendet Taehyung das Gespräch. Jungkook nickt. Er weiß nicht, woher das kommt, aber ohne groß darüber nachzudenken, gibt er Taehyung einen sanften Kuss auf die Wange.
Anschließend verlässt er wortlos das Auto und verschwindet. Tränen laufen stumm über sein Gesicht. Es schmerzt ihn sehr, von Taehyung abgelehnt worden zu sein. Er kann es sich doch selbst nicht erklären. Von der ersten Sekunde an hatte der Schwarzhaarige ihn.
Hätte Jungkooks sich nur einmal kurz umgedreht, würde er sehen, das Taehyung sich über die Wange streicht. Genau an der Stelle, die er geküsst hat.
Vielleicht ist es der Anfang von etwas ganz Großem. Vielleicht aber auch, ist es schon zu Ende, bevor es richtig beginnen kann.
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