⓪②
So sehr Taehyung auch versucht sich auf die Arbeit zu konzentrieren, es hilft nichts. Ihm ist eindeutig zu warm.
Seufzend fährt er seinen Computer runter und legt die Papiere in die dafür vorgesehene Ablage. Den Bürostuhl ordentlich an den Tisch gerückt, schnappt sich der Schwarzhaarige seinen Aktenkoffer und verlässt, mit einem letzten prüfenden Blick, das Büro.
»Warum, mussten es die obersten zehn Etagen sein, Jimin?«, flucht Taehyung vor sich her. Darauf wartend, dass der Fahrstuhl endlich im achtzigsten Stockwerk ankommt.
Nach gefühlten Stunden hört er den erlösenden Ton, dass der Aufzug endlich seinen Weg zu seiner Etage gefunden hat. Kaum sind die Türen geöffnet, quetscht er sich auch schon rein und drückt mehrmals den Knopf für die Tiefgarage. Wissend, dass es wenig bringt, macht er es trotzdem.
Das Gefühl, nichts tun zu können, treibt ihn in den Wahnsinn. Stets braucht er in allem die Kontrolle. Er entscheidet, wie etwas, wann läuft. Einfach nur rumstehen und Däumchen drehen, kann er nicht.
So war er schon immer und so wird es wohl auch bleiben. Die Schule war für ihn der blanke Horror. Stundenlanges rumsitzen und den monotonen Klängen der Lehrer lauschen, war für ihn die reinste Folter.
Doch er war sich bewusst, dass er einen guten Abschluss braucht. Deswegen biss er die Zähne zusammen und kämpfte sich Tag für Tag durch den langweiligen Unterricht.
Taehyung war noch nie eine Person, dem Freizeit wichtig war. Er ging lieber in die Bibliothek, um seine Nase in die Bücher zu stecken, oder machte verschiedene Praktika bei den unterschiedlichsten Firmen. Von Werbung und Design, über Produktion, bis hin zur Verwaltung, war alles dabei. Hauptsache er kann etwas tun. Dieses Spektrum an Wissen, erweist sich heute als goldwert.
Wäre er stattdessen lieber auf Studentenpartys oder Discos feiern gewesen, würde er heute vermutlich nicht einer der erfolgreichsten Firmen Koreas leiten. Mit seinem besten Freund. Auch wenn Jimin nicht dieses Knowhow wie Taehyung hat, so ist er doch ein wichtiger Teil der Firma. Durch die freundliche und aufgeschlossene Art des Älteren funktioniert das Geschäft wie sie soll.
Während der Eine darauf bedacht ist, alles am Laufen zu halten, Partnerverträge zu erfüllen und den lästigen Papierkram zu erledigen, ist der Andere darauf fokussiert, die Stimmung in dem Laden aufrecht zu halten.
Der Streber und der Klassenclown, wenn man es so beschreiben möchte. Die Mitarbeiter schätzen beide Geschäftsführer zu gleichen Teilen. Die Mischung aus den Parteien schaffen einen ausgewogenen Ausgleich. Alles ist in Waage und das beruhigt Taehyung ungemein. Hätte er Jimin nicht an seiner Seite, wäre der Jüngere verloren.
Als der Aufzug es endlich geschafft hat, Taehyung zur Tiefgarage zu befördern, atmet dieser erleichtert aus. Ohne Umwege macht er sich auf den Weg zu seinem Auto, um endlich nach Hause zu fahren.
Länger als gewöhnlich braucht der junge Geschäftsmann, um nach Hause zu kommen. Auf den Straßen tummeln sich die Leute, um noch einen Schattenplatz bei den Eisdielen zu ergattern. Die Freibäder sind überfüllt und bei den Einkaufsstraßen sieht es nicht besser aus.
Als das Auto endlich in der Garage steht, atmet Taehyung erleichtert aus. Ruhe, einfach nur Ruhe. Er genießt die stillen Momente zu Hause.
Kein ununterbrochenes Telefonklingeln, keine Assistentin, die ihn immer wieder an den nächsten Termin erinnert und kein Jimin, der sich ständig auf seinen Schreibtisch setzt, nur um alle Unterlagen wieder durcheinanderzubringen und Eselsohren darauf zu verewigen.
Er liebt diesen aschblonden Jungen über alles. Wie einen Bruder. Doch seine Arbeitsmoral lässt oft zu Wünschen übrig. Aber das ist für Taehyung mehr als in Ordnung.
Durch Jimins Leichtsinn, vergisst der Jüngere nicht, das auch er nur ein Mensch ist und Pausen braucht. Jedoch immer darauf bedacht, nicht zu viel Zeit verstreichen zu lassen.
Die schwere Haustür aufgemacht, streift er sich auch schon seine schwarzen Lackschuhe von den Füßen. Erleichtert, endlich die Enge der Schuhe los zu sein, lässt er wohlig seufzend seine Zehen tanzen. Den Aktenkoffer stellt er neben die Kommode und ein Lächeln zaubert sich auf sein Gesicht, als der Duft von frisch gekochtem Essen in seine Nase wandert.
»Yuna.«, flüstert er.
»Taehyung, mein Liebling. Mit dir habe ich heute nicht mehr gerechnet. Ich wollte gerade das Essen in den Kühlschrank stellen, da ich gleich los muss.«, begrüßt eine Frau den Herrn des Hauses.
Yuna, eine jung gebliebene Frau mittleren Alters, die sich um den Haushalt Taehyungs kümmert. Schließlich hat er keine Zeit, aufzuräumen, einzukaufen oder Wäsche zu waschen.
Die gute Seele des Hauses übernimmt die täglichen Aufgaben des jungen Mannes, damit er sich voll und ganz auf seine Arbeit konzentrieren kann. Gäbe es Yuna nicht, wäre Taehyung schon längst verhungert. So viel steht fest.
Als Taehyung bei seinen Eltern ausgezogen ist, ging Yuna mit ihm. Sie war erst als Haushälterin der Familie tätig und kümmerte sich um deren Haus so wie um Ihren Schützling.
Sie hatte immer einen sehr guten Draht zu dem schwarzhaarigen Schönling und es wurde einstimmig beschlossen, dass sie zusammen bleiben und Yuna sich um den Workaholic kümmert. Taehyungs Mutter ist beruhigt zu wissen, dass ihr einziger Sohn gut versorgt ist.
Seine Eltern leben in Daegu und es ist nur selten möglich, ihren Sohn zu Gesicht zu bekommen. Dazu muss man sagen, dass das Verhältnis der Familie eher mäßig ist. Es liegt nicht an der Mutter. Nein.
Sie liebt ihren Sohn und ist Stolz auf ihn, was er in jungen Jahren erreicht hat. Anders als beim Vater. Auch er liebt sein Kind über alles, keine Frage. Nur kommt er nicht damit zurecht, das Taehyung ein so eigenständiges Leben führt.
Seiner Meinung nach hätte er das Familiengeschäft in Daegu übernehmen sollen und nicht in die Hauptstadt Seoul ziehen müssen. Er wollte stets seinen einzigen Sohn in der Nähe haben.
Die Entfernung geht nicht spurlos an ihm vorbei. Er vermisst ihn. Sehr. Natürlich möchte jeder Vater, dass sein Sohn eigenständig ist und mit beiden Beinen im Leben steht. Aber er will ihn doch nur öfter in seinen Armen halten.
Hinzu kommt noch, dass es ihm schwerfällt, niemals eigene Enkelkinder zu haben. Er akzeptiert das Taehyung sich zu Männern hingezogen fühlt, aber es fällt ihm, wie gesagt, schwer. Immer wieder versucht er, seinen Sohn zu überzeugen, dass Frauen doch auch nicht so schlecht sind.
Taehyung ist dieses ewige Thema leid. Er weiß, dass sein Vater es nicht böse meint. Er weiß auch, dass er ihn liebt. Doch es ändert nichts an seiner Sexualität. Und er ist müde, dies seinem Vater immer wieder zu erklären. Daher ist der Kontakt auf ein Äußerstes beschränkt.
»Es riecht wundervoll, Yuna. Du hast dich wieder selbst übertroffen.«, lobt er seine Haushälterin und gute Freundin. Taehyung setzt sich auf einen der vier Hocker, die an der Küchentheke stehen.
Mit seinen großen dunkelbraunen Augen betrachtet er freudig das Festmahl, das Yuna ihm mal wieder gezaubert hat. Er liebt ihr Essen. Sobald er den ersten Bissen verschlingt, versetzt es ihn in seine Kindheit.
Das sorglose Leben, wo sein größtes Problem der Nachbarsjunge war, als er dem kleinen Tae die Schaufel aus dem Sandkasten geklaut hat.
Wenn er weinend zu seiner Oma gelaufen ist und sie ihm mit ihrem selbstgemachten wohlschmeckenden Essen aufgemuntert hat. Danach waren alle Probleme wie weggefegt und er spielte lachend mit dem Jungen von nebenan.
»Für dich doch nur das Beste, mein Junge. Und jetzt beeil dich, bevor es kalt wird.«, lächelt sie ihn an.
»Als ob das bei der Hitze überhaupt möglich wäre.«, schmunzelt der junge Mann. Yuna hat die Angewohnheit, ihren Schützling zu verwöhnen. Er ist der einzige Sohn der Familie Kim und er genießt die volle Aufmerksamkeit.
Die Haushälterin war für Taehyung nicht nur Wirtschafterin und Babysitter. Sie ist auch Freundin und Mutter. Das ist sie auch heute noch. Wenn Yuna da ist, wird der seriöse Geschäftsmann zum kleinen Teenager. Er liebt es, wie sie ihm durch seine Haare wuschelt, während er sich über das leckere Essen her macht.
Als Dank erhält die junggebliebene Frau sein schönstes Lächeln das er hat. Dieses Kastenlächeln hat nur er so drauf. Wenn er das tut, scheint er gleich um zehn Jahre jünger und man könnte nicht meinen, dass er in der Geschäftswelt so ein starkes Durchsetzungsvermögen hat.
Taehyung hat viele Facetten, in denen er problemlos hin- und herswitchen kann. Von seriös und ernst, bis kindlich und verspielt, ist alles dabei. Auch er hat eine weiche Seite. Er muss nicht immer stark und dominant sein. Öfter mal die Seele baumeln lassen.
Das Verhältnis zwischen Yuna und ihm ist keineswegs komisch. Sie ist die Mutter, die ihm so sehr fehlt. Denn, wenn es um wahre Mutterliebe geht, ist man nie zu alt.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro