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➺ 29.✍︎


𝓢𝙲𝙷𝙰𝙲𝙷𝙼𝙰𝚃𝚃
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🄳ie Wärme, die ich im Nexus meiner Schulter verspürt hatte, strahlte mir flächig in den Rücken. Hinter mir knisterte ein Feuer im Kamin, mampfte friedlich an seinen Holzscheiten wie ein Hund an einem Knochen. Der einsame Nebenraum, den Caspian mit mir verknüpft hatte, war menschenleer und ich fragte mich, für wen das Feuer war.

Über der altgepolsterten Couch lag feinsäuberlich ein schlichtes, beiges Kleid mit rundem, weißem Kragen und geblümten Stickereien. Für einen Moment ruhte mein Blick auf dem zarten Stoff, dann entschied ich, dass ich keine Zeit für solche kleinen Aufmerksamkeiten hatte. Ich war nicht hier, um mich ihm schmackhaft zu machen, ich war hier, um einen Schlussstrich zu ziehen. Vorerst.

Zielbewusst steuerte ich an der Couch vorbei, griff nach der Tür und trat in den weitläufigen Thronsaal. Sonnendurchflutet hießen mich die hohen Säulen, die karierten Kacheln und der lange, rote Teppich willkommen, die dem verschnörkelten Raum ihren Charme verliehen. Gegenüber, unter einem der hohen Buntglasfenster, entdeckte ich das unverwechselbare, rote Haar des Mannes, nach dem ich suchte. Konzentriert saß er gegenüber seinem Butler, dem weißen Kaninchen, vor einem Schachbrett und war in eine hitzige Partie des königlichen Spiels vertieft.

„Ha! Nun sitzt Eure Dame in der Falle, Majestät!", frohlockte das in Weste gekleidete Fellknäuel just über seinen jüngsten Spielzug und sein Näschen zuckte aufgeregt. „Noch ein Zug meines Bauern und mein Pferd schubst den Läufer gegen sie und scheucht sie vom Brett!"

Nicht nur, dass er dem schelmischen Kreuzkönig schwadronierend seine nächsten Züge verriet, meine Stirn legte sich vor allem in Falten über ihre seltsamen Spielregeln, von denen ich noch nie gehört hatte. Vermutlich gab es gar keine in ihrer verquerten Version.

„Nicht, wenn ich euren König vorher schachmatt setze!", begegnete Caspian der Drohung seines Butlers mit Schadenfreude und entlockte ihm ein hämisches: „Und wie gedenkt Ihr das anzustellen, he?!"
„Ganz einfach: Ich nehme ihn und schmeiße ihn mit Schwung aus dem Fenster dort!"

Gesagt, getan. Die mit Krone gezierte Spielfigur seines Gegenübers landete in hohem Bogen im draußen gelegenen Schlossgarten und das Kaninchen zog ein langes Gesicht. Schockiert stellten sich seine langen Ohren auf und es fasste sich verzweifelt an den Kopf.
„Das gibt's doch nicht! Schon wieder verloren!", gestand es sich seine Niederlage protestlos ein und ich hätte mir am liebsten vor die Stirn geschlagen. Doch wenn ich eines über Wunderländler gelernt hatte, dann, dass man gegen ihre Logik besser nicht argumentierte. Es wäre verschwendete Mühe. Man verlor ohnehin und opferte mit Pech noch den Verstand.

Kopfschüttelnd setzte ich mich in Bewegung und näherte mich ihrem Tisch. Meine hallenden Schritte lockten Caspians bernsteingoldenen Blick von seiner gewonnenen Partie.
„Lorien!", begrüßte mich die altbekannte Lebenslust und als ich sah, wie freudig seine Augen funkelten, wenn er meinen Namen sprach, wurde mir das Herz ganz schwer. Ein schiefes Lächeln war alles, was ich zustande brachte, neben dem verhaltenen Heben meiner rechten Hand.

Der König des Wunderlandes stand auf und ein verschmitztes Grinsen wickelte sich um seine wohlgeformten Lippen. „Ich hatte schon Angst, du kommst nicht mehr."

Ich schluckte schuldbewusst und jammerte innerlich, dass er es mir vom ersten Augenblick an so schwer machte. Dabei war das abzusehen gewesen.
Komm schon, Lorien, sprach ich im Geiste mit mir selbst, Sei stark.

Ich atmete tief durch und wollte zu ernsten Worten ansetzen, da schlängelte sich der rothaarige Schalk plötzlich um mich herum und raunte mir ins Ohr: „Sich heimlich aus dem Bett zu stehlen ziemt sich nicht, kleine Hüterin."

Ein heißer Schauer lief meinen Rücken hinunter. Ich hatte schon ganz verdrängt, wie wir in meinem letzten Besuch auseinandergegangen waren. Beziehungsweise, wie ich auseinandergegangen war. Verstohlen, während er geschlafen hatte.
Der ganze Wein hatte meine Erinnerungen so wohlig scharf in den Wogen der Vergessenheit gebadet, dass die schemenhaften Bilder, was ich ihn mit mir hatte anstellen lassen, mir Schamesröte in die Wangen trieben. Sex war mir immer wie eine überbewertete Spielerei vorgekommen. Stellte sich heraus, der tindernde Idiot hatte es einfach nicht draufgehabt.

Die Schuldgefühle gegenüber Atticus begannen zu dominieren, rumorten dumpf in meinem Magen.
„Ich muss mit dir reden", räusperte ich meine trockene Kehle und war nun fast froh, dass ich vom Thema ablenken konnte.
Caspian rückte seine Krone zurecht und ließ die Brauen tanzen. „Das klingt unerfreulich. Was habe ich angestellt?"

„Nichts! Ich...", fuhr meine Hand zögerlich an meine Schläfe, rastlos und unwohl in meiner eigenen Haut.
„Habe ich dir etwa nicht gefallen?", verfiel seine Stimme zurück in die Tiefen seiner perfiden Neckerei, die mir jeden klaren Gedanken raubte. „Ich habe über die Jahre nicht nur mein Wissen über die Gründer vertieft. Ich dachte, wir fangen langsam an, aber wenn du mehr willst..."

„Pssht!", ächzte ich verschämt und presste ihm meine Hand auf den Mund, indes huschte mein hitziger Blick zu dem weißen Kaninchen, das uns kaum Beachtung schenkte. Aus unerfindlichen Gründen analysierte er immer wieder das verlorene Brett und glich es mit seiner Taschenuhr ab, als hätte die Zeit eine Rolle gespielt.

Ich spürte Caspian unter meiner Handfläche verstohlen Grinsen, ehe er mein Handgelenk umschloss und sie langsam von seinem Mund senkte.
„Tut mir leid, Liebes. Ich bin ganz Ohr. Was wolltest du mir sagen?"

Unter seinem erwartungsvollen Blick begann ich plötzlich wieder zu straucheln und zupfte unbehaglich an dem Pullover in meinem Arm. Selbst, wenn ich irgendwo ansetzen wollte, fand ich nicht den richtigen Anfang. Es war schwierig, schließlich konnte ich ihm nicht zu viel verraten. Wenn ich etwas nicht wollte, dann eine weitere Person, die mir nahestand, in mein Schlamassel mit reinziehen.

Caspian bemerkte, dass ich mich unwohl fühlte und bot mir verständnisvoll an: „Wie wäre es, wenn wir uns in Ruhe mit einer Tasse Tee in den Garten setzen und du mir einfach sagst, was dich bedrückt?"
Ein schwaches Lächeln kämpfte sich den beschwerlichen Weg auf meine Lippen.
„Mit einer Tasse heißer Schokolade?", machte ich ein Gegenangebot und der Kreuzkönig schmunzelte. „Natürlich."

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Die Detektei schien stillzustehen. Nur durch das geöffnete Fenster zog ein frischer Wind ins Zimmer am Ende des Gemäldeflurs und wehte hinter die Vorhänge mit einem leisen Heulen. Atticus hatte alles aufgerissen, das ihm Abkühlung versprach. Verzweifelt hing der Hüter über dem Waschbecken seines Bads und klammerte sich krampfhaft an die Keramik. Seine Haut brannte und die Sehnsucht nach ihren Lippen raubte ihm den Atem.
Hatten ihn alle guten Geister verlassen?
Seine Hand fuchtelte am Wasserhahn, riss ihn auf und machte sein Gesicht nass.

Schon im Gatsby hatte er gemerkt, dass sich etwas verändert hatte. Nein, früher. Nach der Mission auf Nimmerland, in der er sie beinahe verloren hätte. Er konnte sich noch lebhaft an die Angst erinnern, die Lawine könne sie in den Tod gerissen haben, obgleich es nichts gewesen war, das er mit Leidenschaft verbunden hatte. Schön, inzwischen war sie ihm nicht mehr egal. Sie war ja auch seine Partnerin. Doch diese lauwarmen Gefühle hatte er bisher mühelos unterdrücken können. Ihr erster Kuss im Gatsby war schuld daran, dass sich feine Risse im Fundament seiner Mauern gebildet hatten, dabei war das nichts im Vergleich zu dem, was eben in der Bibliothek geschehen war.

Er war sich vorgekommen wie eine hilflose Motte in der Flut des Mondlichts. Und die Sorge, die in ihrer Energie geschimmert hatte, war so verdammt hell gewesen. Er hatte versucht, sie auf die übliche kühle Weise loszuwerden, doch sie hatte einfach nicht von ihm ablassen wollen, hatte ihn immer weiter gequält, bis er sich nicht mehr hatte zurückhalten können. Es hatte sich so verdammt gut angefühlt, ihrer Anziehung nachzugeben. Dieser unsäglichen Anziehung, die seit dem Weltensturm und der Ausbreitung ihres Wappens unerträglich geworden war.

Die Hitze ihrer Lippen brannte noch immer auf seinem Mund. Als er realisiert hatte, was er tat, hatte er es reflexartig unterbrochen, dabei hatte er sich längst in ihr verloren. Sich weiter zu wehren fühlte sich zwecklos an, doch die letzten Jahre steckten ihm so bitter in den Knochen, dass er Angst hatte, sie würde nur eine weitere Narbe auf ihnen hinterlassen.

Andererseits war es Lila, das kleine, nervige Gör, das der Fiktion vor kurzem noch völlig fremd gewesen war. Sie hatte nichts zu tun mit den Intrigen des Ordens, war harmlos, bemüht und manchmal ein wenig naiv. Sie war keine schamlose Hexe wie Akacia McKeen, sie war das komplette Gegenteil. Sie war anders. So herrlich anders und eigentlich nichts, was er verderben wollte.

Ein weiterer Schwall Wasser landete in Atticus' Gesicht, dann griff er sich ratlos ins Haar und atmete hörbar aus. Vielleicht sollte er zu ihr gehen, sich aussprechen. Es graute ihm vor seinem Mangel an Selbstbeherrschung, den er momentan in ihrer Gegenwart an den Tag legte, doch ihr auf ewig aus dem Weg zu gehen war nicht möglich. Sie waren Partner.

„Atticus?", eine dunkle, brummige Stimme hallte aus seinem Zimmer zu ihm herüber. Wann war Ozias reingekommen? Er hatte es gar nicht klopfen gehört.

„Du lieber Hering, hier drinnen herrscht ja regelrecht Eiszeit", stapfte der Bär irritiert zum weit geöffneten Fenster und schob es zurück in die Angeln.

„Alles in Ordnung?", erkundigte sich der Hüter nach dem Grund seines Besuchs — die Stimme mühselig vom Schwanken abgehalten — und rechnete bereits mit einer Kontrolle seiner Verletzung, als der Bibliothekar meinte: „Die Mikroschwankungen im Wunderland sind zurück."

Atticus' Stirn legte sich in Falten. Es war normal, dass es hin und wieder kleine Schwankungen gab, doch seit der Fremdkörper im Wunderland gelandet war, häuften sich die Vorfälle. Vermutlich war es nur die fremde Materie, die ihren Platz im Energiegefüge suchte, aber es wäre fahrlässig, sich darauf zu verlassen. Er sollte sich die Sache mal anschauen. Einfach, um sicherzugehen.

Der Hüter schnappte sich seine Ausrüstung, band sich die Scheide seines Messers unter sein Hemd und steuerte zielstrebig auf den Flur. Sein Aufzug war akzeptabel. Er hatte keine Lust, sich die Mühe zu machen, sich ankleiden zu lassen, zumal es sich eh nur um Caspian und seine Welt voll Irrer drehte. Denen war es egal, wie er aussah.
Den einzigen Zwischenstopp auf dem Weg zum Portal legte er daher vor Loriens Tür ein. Ein mulmiges Gefühl sträubte sich dagegen, sie so schnell wiederzusehen und tun zu müssen, als wäre nichts geschehen, doch er hatte keine Wahl.

„Lila?", klang seine Stimme ein wenig heiser, als er bei ihr anklopfte, aber es kam keine Reaktion. Entweder, sie schlief, oder sie wollte sich mit ihm nicht auseinandersetzen. So oder so, es kam ihm als gelegene Ausrede, sie für diesen Sprung zu meiden.

„Ein Hüter reist nie allein", erinnerte Ozias ihn kritisch, als Atticus seinen Weg unvermindert fortsetzte.
„Von Vorschriften sind wir inzwischen weit entfernt, Ozzy. Außerdem haben wir uns an genau diese nie besonders gut gehalten."

Der Bär brummte verstimmt.

„Ich bin gleich wieder zurück. Kein Grund, sie zu wecken."

Obwohl Ozias nicht begeistert war, ließ er den Hüter ziehen und aktivierte für ihn das Portal. Jeder vermeidbare Portalsturm kam Lorien zugute, wie ihre letzte, ungemütliche Reise gezeigt hatte. Eine unausgesprochene Meinung, die durch die Bibliothek waberte und der einzige Grund war, wieso der Bär ihn nicht aufhielt.
Atticus stabilisierte ein letztes Mal seine Ausrüstung und versuchte krampfhaft den Blick zum Schreibtisch zu meiden, dessen Anblick sein Blut zum Kochen brachte. Das war doch nicht normal. Was machte sie mit ihm?

„Sollte etwas passieren, irgendetwas—...", setzte Ozias an und Atticus beendete seinen Satz wissend für ihn: „...springe ich sofort zurück und hole Verstärkung."

Der Bibliothekar senkte warnend sein Monokel, um sich zu vergewissern, dass Atticus diese Worte nicht einfach herunterleierte. Der Hüter drehte sich am Portal zu ihm um und nickte ihm rückversichernd zu.
„Keine Sorge, Ozzy. Ich bin gleich zurück."

Dann ließ er sich rückwärts in den Sturmsog fallen, wie es bei den DEFs üblich war.
Vertraue dem Sprung, vertraue dem Team, vertraue den eigenen Fähigkeiten. Sei ein Jäger und erledige den Job.

Ein Gebet, wie es ihm nie mehr aus dem Kopf gehen würde.

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„Die Ritterspiele stehen an. Wir lassen das Einhorn und den Löwen gegeneinander antreten. Der Preis ist die Krone!", jaulte es euphorisch im Garten, als Caspian und ich uns an einen der weißen, gusseisernen Tische setzten.
„Welche Krone?", pfiff man skeptisch, worauf erwidert wurde: „Das ist doch ganz egal!"
„Genau! Wir wetten einfach darauf, wer wohl diesmal gewinnt!"
„Niemand gewinnt, mein Einhorn wird zu keinen Ritterspielen mehr antreten. Es tut sich nur wieder weh", mischte sich die zarte Stimme seiner Schwester, Vanita, ein, die sich abwandte und entschieden davonschritt.

Ich schmunzelte sacht und wusste, dass ich diese merkwürdig unterhaltsamen Gespräche vermissen würde. Das Wunderland und ich hatten einen holprigen Start gehabt, doch inzwischen war es ein Zufluchtsort für mich geworden. Ein Versteck, wenn in der Detektei alles über mir zusammenbrach.

Zwei Frösche in Livree servierten Tee und für mich eine Tasse heiße Schokolade, die ich mir sogleich pustend an die Lippen führte. Ich schlürfte einmal, dann ein zweites Mal daran und der süße, vollmundige Geschmack gab mir die nötige Kraft für das, was ich Caspian nun sagen musste.

„Ich kann dich nicht mehr besuchen kommen", platzte es aus mir heraus und schlug in Caspians überraschtes Gesicht. Für einen Moment herrschte erwartungsvolles Schweigen, dann wanderte die Braue mit seinen tätowierten Kartensymbolen in die Höhe.
„Du machst Schluss mit mir?"

Ich war erleichtert, dass er nicht böse klang, dennoch sprach ich nur ungern weiter.
„Ich kann das einfach nicht mehr. Diese Heimlichtuerei."

Und vor allem nicht die just begonnene Affäre.
Den zweiten Punkt ließ ich geflissentlich aus, lenkte er mich doch nur in Gedanken zurück zu Atticus, der mir eine explosive Mischung aus heißer Leidenschaft und Schuldgefühl in die Adern pumpte.

„Ich verstehe..."

„Es tut mir so leid, Cas. Aber ich verspreche, ich komme irgendwann wieder."

Sein Blick senkte sich auf seine Tasse, schweifte über den Kuchen, den man uns, ohne zu fragen, hinstellte und fand schließlich seinen Weg zurück zu mir. Ich deutete das Feuer in seinen Augen zu spät und ehe ich mich versah, drückte er seine Lippen auf meine und gab mir einen innigen Kuss. Es war nicht für lange. Gerade kurz genug, um meine Gegenwehr nicht aufflammen zu lassen und als er sich löste, um mich schwermütig anzusehen, flüsterte er: „Ich musste das noch einmal tun."

Die wohlige Wärme meiner Wangen entsprang allein bedrückter Sentimentalität und ich schmunzelte sacht, als ich den leichten, schokoladigen Abdruck sah, den meine Lippen, die kurz davor noch im Kakao gesteckt hatten, um seinen Mund hinterließen.

„Ich wünschte, unsere Welten würden keine stürmischen Mauern trennen", raunte er weiter und ich seufzte leise.
„Ich weiß..."

„Ich wünschte, die Fiktion wäre frei. Ich wünschte, wir alle wären frei. Dann gäbe es keinen Grund zur Heimlichkeit mehr."
Caspians Stimme tränkte sich langsam in eine merkwürdige Intensität und wo ich erst wie selbstverständlich nicken wollte, wurde ich plötzlich stutzig, als ich seinen Wortlaut Revue passieren ließ. Blinzelnd wurde mir bewusst, dass er mir unangenehm bekannt vorkam.
„Was?"

„Stell es dir vor, Lorien", raunte er und es war fast ein Hauch Besessenheit, der sich beimischte, „Freiheit, keine Grenzen. Ein Leben, in dem alles möglich ist, mit ein wenig Fantasie. Findest du das nicht verlockend?"

Der Nexus an meiner Schulter begann sich zu erwärmen und ich hatte Mühe, mir die Übelkeit nicht anmerken zu lassen. In den undurchschaubaren Tiefen seiner verführerischen Iriden glimmte eine merkwürdige Dunkelheit, die mir einen Schauer über den Rücken jagte. Warum hatte ich sie noch nie zuvor gesehen? Oder hatte ich sie einfach ignoriert?

Zu meinem Glück rettete mich das ungeölte Klappern der rot-schwarz bemalten Rüstungen, als die Wachen vom Rand des Gartens sich bewegten.

„Wo ist der König?", hörte ich eine Stimme näherkommen, die ich immer und überall erkennen würde. Seine Worte aus der Bibliothek hallten noch immer in mir nach, wenn ich daran dachte, wie sich das Holz des Schreibtischs an meine Beine presste und sein Mund meinen Atem wehrlos verschlang.

Erschrocken sprang ich auf.
Was machte er hier?!
Oh Gott, nein, er durfte mich nicht sehen!
Alles, nur das nicht!

Hastig stürzte ich mich hinter die nächstgelegene Rosenhecke, ignorierte die Dornen, die mir in die Haut stachen und versuchte krampfhaft, keinen Mucks von mir zu geben. Die Blüten waren prächtig und die Blätter waren dicht. Meine Chancen standen gut, dass er mich nicht entdeckte, doch dann fiel mir mein entscheidender Fehler wie Schatten von den Augen:

Ich hatte meinen Pullover vergessen.

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Zielstrebig bahnte Atticus sich seinen Weg aus dem nahegelegenen Wald und steuerte geradewegs in den pompösen Rosengarten.
„Wo ist der König?", wollte er von zwei zu Wachen verdonnerten Klappergestellen wissen, und als sie ihn quietschend in Richtung Gartenmöbel verwiesen, folgte er dem verwundenen Steinweg bis zu den gusseisernen Tischen, die nur vom teuflischen Rotschopf höchstpersönlich besetzt waren.

Da der Hüter die Sache schnell hinter sich bringen wollte, öffnete er bereits den Mund, um nach dem Fremdkörper zu fragen, da fiel sein Blick auf den leeren Stuhl neben ihm und jeder Muskel seines Körpers versteinerte sich. Versteinerte sich so fest, dass seine Sehnen klagten.

Es war nicht die Tasse Kakao, die ihm verriet, wer Caspians Gast war, doch sie sagte ihm, dass er richtig lag.

In Atticus' Brust begann es zu brodeln. Er ballte die Hände zu Fäusten und versuchte, die Kontrolle zu bewahren. Er hatte nicht damit gerechnet, auf dieser so kleinen, spontanen Mission mit etwas konfrontiert zu werden, dass ihn wütender machte als alles andere der letzten Zeit. Wütender als der Orden, wütender als Raymond Asher und wütender als das unerfreuliche Wiedersehen mit Akacia McKeen. All das war nichts gegen diesen einen Moment. Der Moment, in dem er sich dem Gartentisch näherte und diesen tristen, grauen Pullover sah.

Caspians Begrüßung, sein unschuldiges Lächeln und der Versuch, ihn willkommen zu heißen, zogen wie Nebelschwaden an ihm vorbei. Atticus' Blick hatte sich darin verfinstert, finsterer noch als die Schatten des Waldes.

„Das ist jetzt nicht war", grollte es über seine Kehle.

Und dann sah er ihn.
Den Abdruck auf Caspians Lippen.

Eine Spur Kakaopulver zog die Form eines weiblichen Mundes nach und als Caspian bemerkte, wo er hinstarrte, wischte er ihn sich theatralisch langsam mit dem Handrücken weg. Ein perfides Funkeln trat dabei in seine goldverdorbenen Augen und es war, als hätte er das Kuchenmesser genommen und es ihm tief zwischen die Rippen gerammt. Verzweifelt suchte Atticus nach seiner Beherrschung, versuchte Herr der Lage zu bleiben, doch die tobende Wut wirbelte in ihm wie ein Weltensturm. Bittere Wut. Wut, die aus der Wunde heraussickerte, die das Messer in sein Herz gerissen hatte. Sie raubte ihm den Atem.

Caspian schien das Schauspiel zu genießen. Ein feines, schadenfreudiges Lächeln tanzte um seine Mundwinkel, als er den Kopf schief legte und säuselte: „Oh oh, erwischt."

Atticus widerstand mit aller Kraft dem Drang, ihm eine reinzuhauen und das auch nur, weil er wusste, dass Lorien freiwillig hier war. Was auch immer diese widerliche Teufelsbrut mit ihr gemacht hatte, sie hatte es gewollt. Sie hatte ihre Sprünge absichtlich getarnt, sonst wäre längst der Alarm losgegangen. Die Mikroschwankungen waren alles, was ihre Energie hinterlassen hatte und die Frage, wie sie das anstellte, wurde von der schmerzhaften Wut in seiner Brust düster verschluckt.

Atticus' in Dunkelheit getränkte Augen wanderten über seine Umgebung, scharf wie ein Visier. Sobald es im nahen Gebüsch raschelte, hatte er sein Ziel erfasst und Gnade ihr Gott, denn es drohte ein Donnerwetter.

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Der Pullover.

Mit blankgefegtem Verstand starrte ich auf das graue Stück Stoff, das ich immer geliebt und noch nie so sehr gehasst hatte, wie in diesem Moment.

Ich konnte nichts mehr tun. Atticus' hochgewachsene Silhouette tauchte bereits vor den Tischen auf und Caspian dachte nicht daran, meine Anwesenheit zu verstecken. Im Gegenteil. Schmerzerfüllt musste ich mit ansehen, wie er sie ihm schadenfreudig unter die Nase rieb und mir bitter eingestehen, dass ich den Kreuzkönig nicht wiedererkannte.

Ich konnte Atticus' Gesicht nicht sehen, doch seine Energie glühte vor Wut. Sie glühte so heftig, dass ich sie bis hier hin spüren konnte und ich wusste, was auch immer in der Bibliothek zwischen uns geschehen war, ich hatte es soeben zerstört.

Ein Dorn verfing sich in meinem Haar und bei dem Versuch, mich zu befreien, fiel ich auf den Hintern und brachte die Blätter um mich herum zum Rascheln.

Sofort knisterten erbitterte Schritte über den fein getrimmten Rasen, dann wurde ich unsanft aus dem Rosenstrauch gezogen. Meine Augen prallten in Atticus' lodernden Blick und der von jedweder Leidenschaft befreite Zorn, der darin wütete, erschlug mich nahezu.

„Wir gehen", hatte sich seine Stimme noch nie so rau und kalt angefühlt, wie in diesem Moment und ich realisierte erschrocken, dass sie einen Hauch der Leere angenommen hatte, die einst Akacia McKeen gewidmet gewesen war.

Er schleuderte mir meinen grauen Pullover vor die Brust, packte mich am Arm und sprang, ohne sich um Augenzeugen zu kümmern, zurück zum Portal.

Völlig schockiert empfing uns der Blick unseres Bibliothekars, als Atticus nicht allein, sondern mit mir im Schlepptau wieder auftauchte.

„Was zum..."
Ozias blinzelte perplex, als Atticus mich unwirsch am Arm vorzerrte, ihm entgegenstieß und wütend auffuhr: „Hier hast du den Grund für deine Mikroschwankungen."

„I-Ich verstehe nicht...", stammelte der Bär überfordert, doch ich ignorierte ihn, fuhr zu Atticus herum und flehte: „Es tut mir leid! Atticus, es tut mir leid!"

Es tut dir leid?", triefte seine Stimme vor Verächtlichkeit. „Wir tun alles, um dich zu schützen, wir postieren uns nachts vor deinem Zimmer und du hüpfst hinter unser aller Rücken in der Fiktion herum und es tut dir leid?"

Das Ausmaß meiner unerlaubten Ausflüge traf mich mit solcher Wucht, dass ich kaum Luft bekam.

Nicht heulen, verdammt... Wehe du heulst jetzt!, schrie ich mich innerlich selbst an und presste das feuchte Brennen zurück hinter meine Lider.

„Wie hast du das überhaupt angestellt, hm?! Gibt es eine Tarnweste, von der wir wissen sollten?!", fuhr Atticus gnadenlos fort und ich ballte die Hände zu Fäusten.
„Caspian hat mir gezeigt, wie ich meine Energie verschleiern kann. Er sagte, als Gründerin wäre das kein Problem..."

Ein abschätziges Schnauben entfuhr seiner Kehle. Auf einmal sah ich, wie er sich an die Kampfstunde erinnerte, in der ich meine Energie vor ihm versteckt hatte und als ihm klar wurde, dass ich Caspians Tricks gegen ihn angewandt hatte, stieg ihm die rote Wut bis in den Hals.
„Ich sagte, halte dich von ihm fern! Aber offenbar ist das heutzutage für Frauen eine Aufforderung, sich Männern in den Schoß zu schmeißen!"

Fassungslos starrte ich ihn an und musste schlucken, weil er offenbar wusste, dass es keine rein platonischen Besuche gewesen waren. Er konnte nicht wissen, wie weit Caspian und ich gegangen waren, vielleicht war es einfach so eine Ahnung, doch als ich es nicht verneinte, meinte ich die Flammen seiner Augen für einen Moment verletzt flackern zu sehen.

Ich hatte nicht die Kraft, zu lügen. Ich wollte ihn auch nicht länger anlügen. Obwohl die Wahrheit mehr wehtat als tausend Messerstiche.

Ich beging den Fehler, noch weiter ins Wespennest zu stechen, als ich sagte: „Es hat nichts bedeutet! Er hat mir nur geholfen, mit meinem Wappen klarzukommen...!"

Im Bett?!", brannte Atticus nun lichterloh und ich konnte die Hitze regelrecht auf meiner Haut spüren, als sie mir fast die feinen Härchen versenkte. „Er ist gefährlich, Lorien! Er ist unberechenbar! Schlimmer noch, als die rote Königin es war! Bist du so bedürftig?! Denkst du, ich warne dich aus Spaß?!"

Am Anfang hatte ich tatsächlich geglaubt, er könne Caspian nicht leiden und hatte die Warnung abgetan, doch jetzt wurde mir mulmig bewusst, dass er Recht gehabt hatte. Mehr noch, als er glaubte.

Atticus—...!", setzte ich an, um mich erneut zu entschuldigen und ihm zu sagen, welche Schatten ich in Caspian gehört und gespürt hatte, doch er ließ mich nicht zu Wort kommen.
„Ich sage dir eines, Lorien...", machte er drohend einen Schritt auf mich zu und schnürte mir mit seinem Blick die Kehle zu, „wage es ja nie wieder, mir vorzuwerfen, ich wäre gemein. Denn du, Lorien, du bist schlimmer."

Mein Herz schmerzte so sehr in meiner Brust, dass ich glaubte, ich würde hier und jetzt mein Ende finden. In diesem Moment in seine flackernden, blinden Augen zu sehen, war das Schlimmste, das mir je widerfahren war und die zurückgedrängten Tränen schossen unkontrolliert hinter meinen Lidern hervor.

Atticus blieb nicht, um meinen Zusammenbruch mitzuerleben. Wie noch einige Stunden zuvor stürmte er aus der Bibliothek, nur war da keine Spur der wundervollen Hitze mehr, sondern einzig und allein tiefste Kälte.

Es wurde gespenstisch still in der Bibliothek.

Dann sackte ich in die Knie und begann zu weinen.

„Atticus!", jaulte Ozias dem Hüter wütend nach, trotz allem, was passiert war, voller Mitgefühl für mich, doch es war vergebene Mühe. Ich hatte das beschwerlichst aufgebaute Vertrauen zwischen Atticus und mir mit einem Mal zerschlagen und mein Schluchzen ließ meine Sicht erzittern.

Evelle oder Maze, ich erkannte sie in meiner verschwommenen Welt nicht, versuchten tröstend ihren Arm um mich zu legen, doch ich schob alle Hilfe weg. Wie ferngesteuert kämpften meine Beine sich hoch, trugen mich in mein Zimmer und ließen mich dort wieder auf den Boden sacken. Das Blut rauschte in meinen Ohren und ich schaffte es kaum, mich zu beruhigen. Da waren so viele angestaute Emotionen in mir, dass ich keine davon länger in mir behalten konnte.

Ich ließ alles raus, alles, bis keine Träne mehr übrig war. Die getrocknete, salzige Flüssigkeit spannte über meine Wangen und der Film riss auf, als meine Schulter zu glimmen begann und meinen Blick boshaft herumfahren ließ.

Es war mein Nexus. Wieder war es mein Nexus und ich hätte ihn mir am liebsten aus der Haut geschnitten wie Atticus sein DEF-Cor.

Wie konnte er es wagen, mich nach allem noch zu sich zu rufen?

Ich war fassungslos und mir wurde schlagartig klar, dass, wenn Caspian tatsächlich Teil der Schatten sein sollte, ich dieses verfluchte Ding loswerden musste. Es mir wahrhaftig aus der Haut zu schneiden, traute ich mich nicht. Also musste ich einen anderen Weg finden.

Völlig im Wahn meines Hasses jagte ich zurück zur Bibliothek und erkannte mit geklärter Sicht, dass es Maze gewesen war, der zaghaft versucht hatte, mir Trost zu spenden. Er kam mir gerade recht.

„Wie zerstöre ich einen Nexus?", schoss ich unverblümt mit meiner Frage heraus und meine Intensität trieb ihm den Schrecken ins Gesicht.
„W-Was...?"

„Einen Nexus, Maze, wie wird man ihn los?!"
Die laute Ungeduld in meiner Stimme brachte ihn ins Straucheln und er stammelte eine Weile hilflos herum, ehe er zustande brachte: „M-Man braucht nur zum verknüpften Ort zu reisen und die V-Verbindung zu trennen..."

Das war alles, was ich wissen musste. Ohne einen Dank ließ ich den Jungen stehen, eilte auf den Flur und belud meinen Nexus mit Energie.
Caspian war gefährlich. Das sah ich nun ein und dass er mich jederzeit über die Gravur erreichen konnte, machte mich verrückt.

Ich wusste, Atticus würde mir gerade nicht zuhören. Wenn ich ihm sagte, dass ich mich von Caspian hatte gravieren lassen, zudem mit einem Nexus, der seine Welt mit mir verband, konnte ich auch nicht mehr für seine Wut garantieren.

Ich würde mein Schlamassel selbst aufräumen. Bevor jemand merkte, dass ich weg war, wäre ich wieder zurück. Ich musste nur zum verknüpften Ort springen und die Verbindung kappen. Kein Problem. Das bekam ich schon hin.

Und sollte ich diesem hinterhältigen Mistkerl eines Königs über den Weg laufen, kribbelte meine Hand schon in der freudigen Erwartung, ihm eine zu scheuern.

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