
➺ 12.✍︎
𝓓𝚁. 𝙹𝙴𝙺𝚈𝙻𝙻 𝚄𝙽𝙳 𝓜𝚁. 𝙷𝚈𝙳𝙴
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🅆enn sich etwas im Nebel der regnerisch trüben Augen Atticus Hawtreys widerspiegeln würde, dann wäre es Müdigkeit. Kein ungewöhnlicher Anblick, den mein Partner mir bot, als er den schwach violetten Schimmer unter seinen Augen hinter den blaugetönten Gläsern seiner feingliedrigen Sonnenbrille verbarg.
„Schlecht geschlafen?", kommentierte ich beiläufig, während Evelle an dem Kleid herumfuhrwerkte, in das sie mich gesteckt hatte.
Atticus brummte nur unverständlich. Er saß abseits auf einem Stuhl und wartete darauf, dass er an der Reihe war. Ich schielte zu ihm rüber und fragte mich, ob der Schlaf ihn mied oder er den Schlaf. Nach meinem kleinen Malheur mit dem Fesselsiegel, aus dem es einen Bibliothekar plus einen Magister gebraucht hatte, mich zu befreien, hatte ich geschlafen wie ein Murmeltier. Dasselbe Glück war dem verbitterten Hüter wohl nicht zuteilgeworden.
Der blutrote, samtige Stoff mit den an Kartenzeichen erinnernden Applikationen und goldenen Linien, die meine Silhouette schmeichelhaft flankierten, schmiegte sich sanft an meinen Körper, fiel ab der Hüfte locker an mir herab. An den langen, auf Schulterhöhe gerafften Ärmeln lugten zu meinen Händen hin weiße Rüschen hervor, ebenso im Nacken des Ausschnitts. Im Rock fühlte ich mich noch immer nicht ganz wohl, trotz alledem hätte es weitaus schlimmer kommen können. In Form eines Korsetts, zum Beispiel. Der lockere, eher schwere Samt war wenigstens weich und recht angenehm zu tragen.
Das Haar steckte Eve mir hoch, verzierte es mit einer breiten, goldenen Klammer, an der zum Rot des Kleides passende Bänder meinen Nacken herabfielen.
Ihre Flügel flatterten geschäftig, als die Schneiderfee Abstand zwischen uns brachte, um ihre Kreation kritisch zu beäugen. Sie schien zufrieden.
„Sehr hübsch", kam es nämlich gleich darauf vergnügt über ihre in sattes Pink getauchten Lippen, ehe sie zu mir zurück huschte und mir zum Abschluss beherzt in die Wangen kniff.
„Aua!", beschwerte ich mich, den Kopf abwehrend ihren kleinen, unvermutet kräftigen Fingern entziehend.
„Nun zier dich nicht so. Etwas Wangenkneifen und schon leuchten sie in einem gesunden Rosarot. Ein alter Damentrick", eröffnete Eve mir zwinkernd, ohne Erfolg, mich dahingehend zu besänftigen. Es reichte, dass sie mich wie ein Püppchen in ein Kleid gesteckt hatte. Irgendwo war Schluss. Man musste es nicht gleich beim ersten Mal übertreiben.
„Gut, der nächste bitte", ignorierte sie mein trotziges Gesicht und schob mich glatt zur Seite. Sie schien es über die Maßen zu genießen, neben einem einzigen Hüter dieser winzigen Detektei jemand zweites einkleiden zu dürfen.
Wohl wissend, dass dies sein Stichwort gewesen war, stemmte Atticus seine hochgewachsene Gestalt mit misslaunigem Schnauben und steifen Gliedern aus dem Stuhl, in dem er bis eben seine Ruhe genossen hatte. Routiniert nahm er seine Sonnenbrille ab und drückte sie Evelle in die Hand, gab freie Sicht auf die Augenringe — die Zeugen seines offenkundigen Schlafmangels. Wie dunkle Gewitterwolken einen ungemütlichen Tag verhingen, verdüsterten sie seinen leeren Blick und untermalten die Energielosigkeit seiner schweren Muskeln, die seine Bewegungen hölzern und schleppend wie die eines schlecht geölten Roboters erscheinen ließen. Ob ich wohl gegen ihn in diesem Zustand unten auf den Matten einen Treffer landen könnte? Vermutlich nicht. So ungern ich das zugab. Die Erkenntnis verzog verdrossen meine Mundwinkel.
In meinen Überlegungen vertieft bekam ich kaum mit, wie der Hüter sich Hemd und Hose aufknöpfte. Erst, als er begann, sie schamlos auszuziehen, wurde es mir schlagartig klar und ich wirbelte erschrocken herum.
„Oh Gott...", stieß ich dabei unkontrolliert aus, die Hände vor dem Gesicht und den Rücken deutlich abgewandt. Das Kneifen vorhin war nun definitiv hinfällig, so heiß, wie meine Wangen glühten. Ich war sicher, machte Evelle das Licht aus, so sähe man sie bis hoch zu meinen Ohren im Dunkeln leuchten.
Ich versuchte mich daran zu erinnern, dass ich doch eigentlich nicht prüde war, doch irgendwie brannten mir bei ihm alle Sicherungen durch. So sehr ich ihn nicht ausstehen konnte, war ich leider relativ sicher, dass ich starren würde. Die schlanke, definierte Figur mit meinen Blicken durchlöchern würde, nachdem ich sie wie die Detektoren am Flughafen von oben bis unten durchgescannt hätte. Meine Aversionen beschränkten sich schließlich vornehmlich gegen das, was diese äußerst nette Verpackung umhüllte. Die Blöße konnte ich mir nicht geben. Leider war meine verklemmte Schulmädchen-Tour nicht unbedingt besser.
„Muss das sein?! Im Gegensatz zu dir funktionieren meine Augen recht gut!"
Hämisches Amüsement begleitete Atticus' raue Worte: „Ich hatte vergessen, wie verklemmt du bist."
„Ich bin nicht—...! Ach, fick dich doch!", haspelte ich mir zusammen, nicht gewillt, ihn mit mir spielen zu lassen. Was ihn — selbstredend — nicht davon abhielt.
„Angesichts dieser Ausdrucksweise scheinen sich Evelles Damentricks nicht länger auf Damen zu beschränken", schubste er nach und ich zischte böse: „Missy hier, Missy da: als wärest du besser!"
Wie gewöhnlich schreckte der Hüter nicht davor zurück, seiner Beute den Todesstoß zu versetzen: „Eine literarische Meisterleistung dein Vergleich des Ausdrucks 'Fick dich' mit dem Wörtchen 'Missy'. Deine Verbindung zu Büchern ist eindeutig nicht intellektueller Natur."
Ich verkniff es mir zwischen aufgeplusterten Wangen, ihn erneut anzufauchen, er solle sich ficken, um seinem Standpunkt keinen unnötigen Rückenwind zu geben. Leider fiel mir in dem Moment kein besserer Konter ein, weshalb ich die angestaute Luft durch einen wütenden Laut herausließ, die Tür aufriss und abdampfte.
Die aufreibende Mischung aus Wut und Scham pochte wie wild durch meinen Schädel, als ich durch den Flur fegte und mir dabei noch auf den Saum meines beschissenen Kleides trampelte. Genervt riss ich mir den Rock zur Seite, setzte meinen Weg ins Wohnzimmer fort, wo ich beinahe Maze Whitlock über den Haufen rannte, der seit dem mysteriösen Stein, der wie ein Meteorit vom fiktiven Bücherhimmel gefallen war, ungewöhnlich häufig seine Kammer verließ. Abrupt Halt gemacht manövrierte ich an ihm vorbei und schaffte es ohne weitere Zwischenfälle zur Couch, auf die ich mich wie ein wütender Troll breitbeinig hinpflanzte.
Warum zum Teufel war es unmöglich, mit diesem herablassenden Scheißkerl im selben Raum zu sein, ohne zu streiten? Gott, kotzte er mich an.
Maze stand noch immer wie versteinert an Ort und Stelle, hielt perplex seine Kaffeetasse in den schlanken Fingern und schielte vorsichtig zu mir herüber.
„Was?", blaffte ich unsensibel und brachte seine schmalen, fast schon hageren Schultern unliebsam zum Zucken.
„N-Nichts...", stammelte der Sohn des Magisters, der in seinem dunklen Print-Shirt regelrecht unterging.
Ich bereute sofort, dass ich so grob mit ihm umgesprungen war. Zum einen, weil er nichts für meine schlechte Laune konnte, zum anderen, weil ich vergessen hatte, dass sein Gemüt dem eines scheuen Rehs glich. Ich war ihm bisher nur bei wenigen Gelegenheiten begegnet und gesprochen hatten wir uns nur ein einziges Mal: in der Nacht, in der wir uns — mehr oder weniger — kennenlernten. Auch zu diesem Zeitpunkt hatte er keine meiner besten Seiten zu sehen bekommen. Er hätte allen Grund, mich für kratzbürstig und unsympathisch zu halten, trotz dessen sah er mich aus arglosen Augen an, ohne Spur jedweden Grolls. Ich war nicht sicher, ob ich diesen Umstand Tugend oder Teilnahmslosigkeit anrechnen sollte.
Der Blick des Jungen senkte sich auf seine Tasse, die er wie einen Wertgegenstand behutsam in den Händen hielt. Ein mehrfaches Blinzeln spiegelte seine umspringenden Gedanken wider.
„Möchtest du Lavendel-Tee?", fragte er plötzlich und übertrug sein perplexes Blinzeln auf mich.
„Lavendel-Tee?", wiederholte ich verwundert. Wie kam er darauf?
„Ich trinke immer Lavendel-Tee bei innerem Aufruhr. Lavendel beruhigt die Nerven."
Jetzt verstand ich. Niedlich, wie er dastand und sich um mich kümmerte, obwohl ich ihn eben noch angepfiffen hatte.
„Mir ist Kakao am liebsten", entgegnete ich.
„Möchtest du dann Kakao?"
Ich zögerte. Evelles Sticheleien hinsichtlich meines Kakao-Konsums, die implizierten, wenn ich weiter so viel Kakao tränke, sähe ich auch bald aus wie Kakao, schossen durch meinen Kopf und vermiesten mir mein süßes, flüssiges Glück.
„Ich glaube, ich probiere lieber mal deinen Tee."
„Das hier ist Kaffee. Ich bin momentan nicht in innerem Aufruhr", nahm er mich zu wörtlich und bezog meine Aussage auf die Tasse in seinen Händen. „Aber ich kann dir Lavendel-Tee aufsetzen."
„Nein, ich meinte—...egal", wollte ich das Missverständnis aufräumen, ließ es dann jedoch gut sein und nickte mit einem schwachen Lächeln: „Danke, das wäre nett."
Ich beobachtete, wie Maze in Richtung Küche verschwand und kurze Zeit später mit einer zweiten, dampfenden Tasse wieder auftauchte. Die dunklen Locken fielen ihm in die blasse, sonnenfremde Stirn und die durch seine Gravuren versilberten Strähnen glitzerten ein wenig im Licht, als er sich vorbeugte, um mir den angenehm nach Lavendel duftenden Tee auf den Beistelltisch zu stellen.
Er hatte sich bereits wieder aufgerichtet und einen Schritt in Richtung Tür gemacht, da hielt er inne. Sein Blick glitt zurück zum Sofa, dann erneut zu Tür. Die Iriden fortwährend in Unruhe wirkte es, als haderte er mit sich selbst. Schließlich entschied er, mich nicht allein zu lassen, ging langsam und etwas unbeholfen zur Couch und ließ sich ungelenk mir gegenüber nieder. Er saß da wie auf einem heißen Stück Kohle oder wie auf einem Ei, das, gäbe er zu viel Gewicht darauf, unter ihm brach.
Erhobener Brauen beäugte ich den komischen Vogel.
„Alles in Ordnung?", wollte ich wissen, da es weiß Gott nicht danach aussah.
„Mein Vater kritisiert ständig, dass ich meinen Mitmenschen zu wenig Aufmerksamkeit schenke. Er sagt, ich wäre unsozial und solle daran arbeiten."
Ich konnte mir gut vorstellen, was Silvius damit meinte. Bisher hatte der Junge auf mich gewirkt, als wandelte sein Bewusstsein in einem Paralleluniversum, das er nur für kurze, flüchtige Momente für die allgemeine Wirklichkeit verließ. Es schien, als hätte er nicht so viel Übung im Kontakt mit Mitmenschen und ebensowenig Interesse, etwas daran zu ändern. Ich persönlich hielt das nicht für schlimm. Seine Qualitäten lagen eben woanders. Ozias zufolge war er ein heller Kopf, regelrecht genial. Ein Genie, das er wiederum Atticus zufolge auf eine aussichtslose Hoffnung verschwendete. Mir war es egal. Wenn er lieber in seiner Kammer Forschung betrieb, brauchte er sich nicht zwingen, mir Gesellschaft zu leisten. Sobald Atticus angekleidet war, ging es für uns ohnehin ins Wunderland und ich war keine besonders sozialbedürftige Person. Sein beruhigender Lavendel Tee hatte meine Wut über meinen 'Partner' bereits beschwichtigt und mich abgelenkt.
„Der Tee war äußerst aufmerksam. Du brauchst mir keine gezwungene Gesellschaft zu leisten. Wirklich", stellte ich ihn frei von seinen sozialen Verpflichtungen, doch er nahm das Angebot nicht an.
„Ich habe meine Untersuchungen am Objekt unbekannten Ursprungs schon abgeschlossen und für Atticus eingepackt."
Ich hatte das Gefühl, dass er seine Gedankengänge zu gern mittendrin aussprach, ohne darauf zu achten, ob sein Gegenüber ihm folgen konnte. Ich nahm es erstmal einfach so hin, in der Vermutung, dass er mir damit sagen wollte, dass er momentan so oder so nichts Besseres zu tun hatte.
In überraschend angenehmer Stille tranken wir beide unsere Heißgetränke. Die Ruhe des leeren Wohnbereichs war läuternd, vor allem in Kombination mit meinem Tee, dessen Geruch mich nur leicht an Mottenkugeln erinnerte.
Irgendwann fand mein Blick zurück zu Maze, der immer noch versteift auf seinem Polster hockte.
„Maze, wie alt bist du?", fragte ich aus nebensächlich aufsteigendem Interesse.
Der Junge dachte kurz nach, dann erwiderte er: „Zweiundzwanzig."
Zweiundzwanzig... Natürlich war das immer noch jung, nichtsdestotrotz hätte ich ihn einige Jährchen jünger eingeschätzt. Neben seinem unschuldigen Gesicht mit den großen, runden Augen mangelte es ihm an Muskeln und allgemeinen Kriterien wie breiten Schultern, die die Gesellschaft gerne als männlich abstempelte. Vermutlich der Grund, der meine Einschätzung fehlgeleitet hatte. Hinzu kam sein gesamtes Auftreten, das einem das Gefühl vermittelte, man spielte mit einer Puppe aus Porzellan, die, ging man zu grob mit ihr um, Gefahr lief, zu zerbrechen.
„Deine Kette, ist das ein Relikt?", fragte ich weiter, da mir der irisierende Schimmer des Anhängers wieder aufgefallen war.
Maze holte ihn unter seinem Shirt hervor und nickte.
„In Form eines Amuletts. Ich habe es selbst hergestellt."
„Du hast dein Relikt selbst gemacht?", bewunderte ich, obwohl ich nicht wusste, ob es sich dabei überhaupt um etwas Besonderes handelte. Es hörte sich jedenfalls besonders an.
Ich bekam wieder ein Nicken.
„Es war Arbeit. Doch die Relikte, die mir der Orden zur Verfügung gestellt hat, haben nicht stark genug auf meine Gravuren reagiert. Ich habe kein Wappen. Und bin auch kein Fiktiver. Ich muss meine energetische Verbindung anders erzeugen. Ein individuelles Relikt erschien sinnvoll."
Richtig, Maze war kein Wappenerbe. Angesichts seiner Bemühungen, sich trotz dessen einen Weg in und aus der Fiktion zu schaffen, hatte ich mit einer emotionaleren Reaktion bei diesem Thema gerechnet, doch er blieb seelenruhig wie immer.
Ich überlegte noch, ob ich das Thema weiterverfolgen oder lieber fallen lassen sollte — Stille Wasser waren ja besaglich tief, wer wusste schon, was er alles in sich verbarg, ob es ihm innerlich wehtat —, da wurde unser Gespräch unterbrochen.
„Heh Lila, beweg deinen verklemmten Hintern zum Portal, wir müssen los. Ich will das schnell hinter mich bringen", knurrte es vom Flur zu uns hinein, triefend vor Atticus' Unlust, seinen nach Schlaf lechzenden Körper durch diesen Einsatz zu prügeln. Ohne auf eine Antwort zu warten, war der Hüter bereits vorangegangen und bekam so nicht mehr mit, wie ich scharf die Luft einsog und meine Tasse unsanft auf den Couchtisch knallte.
„Zeit zu gehen", versuchte ich meinen Ärger zurückzupfeifen, als ich mich auf die Beine drückte und mit Maze sprach. „Danke, dass du für eine Tasse geblieben bist. Ich werde Silvius von deiner sozialen Tat berichten."
Ich zwinkerte dem jungen Bibliothekar rückversichernd zu, dann machte ich mich, das Kleid unbeholfen gerafft, auf den Weg zum Portal. Vor der Tür zupfte ich die Ärmel und den Rock, den ich eben zerknüllt hatte, wieder zurecht. Damit fertig, trat ich ein und stellte mich neben Atticus, den Evelle in eine Uniformjacke aus schwerem, rauem Stoff gesteckt hatte. Die goldene, doppelreihige Knopfgarnitur erstreckte sich bis hoch an den Kragen, an dem mit einer Schließe ein einseitiger, hüftlanger Umhang befestigt worden war, der, über seine linke Schulter geworfen, seinen Rücken hinabfiel und dem Paludamentum eines Soldaten ähnelte. Der tiefrote Stoff floss wie der Samt meines Kleides und ließ unsere Garderobe unaufdringlich harmonieren.
Ozias hatte das Portal bereits für uns vorbereitet. Der Strudel, der wie ein im dunklen Seifengemisch aufgelöster Regenbogen glänzte, schraubte sich dort in die schwarze, tosende Schwerelosigkeit. So schön er auch aussah, ich wusste, welche Finsternis er in seinen Tiefen verbarg. Ich war fest entschlossen, heute eine elegantere Landung hinzulegen, obwohl mein kaltschnäuziger Partner eine gehörige Arschbombe in seine Magengrube verdient hätte.
„Hier ist der Fremdkörper. Maze hat alle Untersuchungen, bei denen er seine Materie benötigt, abgeschlossen und wird den Rest bis morgen fertig haben", reichte der Bär in Weste dem aschblonden Hüter den Stein, den er feinsäuberlich in ein Tuch aus weichem Wildleder gewickelt hatte. Atticus nahm ihn entgegen und verstaute ihn sicher in der Tasche des Innenfutters seiner Jacke. Als er dabei ihre linke Front aufzog, konnte ich einen Blick auf die Ausrüstung erhaschen, die er dort an schmalen Gurten befestigt versteckte. Ich erkannte den Spurleser, das Aufnahmegerät und sogar das Fesselsiegel, das unangenehme Erinnerungen an die vergangene Nacht hervorrief. Neu war hingegen der schlanke, handliche Dolch, der in einer extra eingenähten Scheide mit seinem goldenen Griff das Licht reflektierte. Von der verdeckten Schneide hinauf über Kreuzstück und Knebel zog sich eine Gravur, die ich im Rahmen der wenigen Sekunden, in denen ich Blick darauf erhaschte, nicht recht identifizieren konnte. Jedenfalls schmiegte er die Klinge dicht an seinen Körper, indem er seine Jacke schloss und die Waffe hinter dem dicken Stoff verbarg.
Wenn ich an das weit aufgerissene, mit speicheltropfenden Zahnreihen versehene Gebiss der obskuren Grinsekatze zurückdachte, war eine Waffe für den Fall der Fälle keine so üble Idee. Selbst, wenn ich damit nicht im Geringsten umgehen konnte. Ich sah mich damit zwar schon selbst verletzen, doch von meinem Mangel an Kampfkunst mussten die Bewohner des Wunderlandes ja nichts wissen. Sie brauchten nur die Klinge zu sehen und Abstand zu halten.
„Bekomme ich diesmal Ausrüstung?", beschloss ich, einfach dreist nachzufragen. „Evelle hat mir den Spurleser, das Aufnahmegerät und das Fesselsiegel erklärt. Die Fessel kann ich sogar benutzen."
Die letzte Aussage war womöglich etwas hochgegriffen, aber ich hielt es auf dieselbe Weise wie mit der Waffe und hoffte, die Illusion würde mich zum Ziel führen.
„Herzlichen Glückwunsch, du hast den Standart eines Zehnjährigen in der Hüterausbildung erreicht", erwiderte Atticus trocken, die Miene versteinert und alles andere als beeindruckt. „Nein, halt... Der Zehnjährige wäre besser auf den Matten gewesen."
Meine Schultern sackten eine Etage tiefer. Jetzt reichte es mir.
„Weißt du was, ich habe keine Lust mehr, mit dir zu reden, bevor du einmal ordentlich ausgeschlafen hast. Ich weiß nicht, was dein Problem mit Schlaf ist, aber wo du vorher schwer zu ertragen warst, macht es dich jetzt unausstehlich", konfrontierte ich ihn geradeheraus. „Ich gebe mir wirklich Mühe und ich finde, dafür, dass ich vor einigen Tagen nichts mit diesem ganzen Scheiß zu tun hatte, ist die Verbindung zur eigenen Energie etwas, das man anerkennen könnte."
In Selbstzustimmung nickend, wandte ich mich ab und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust.
Atticus fuhr sich neben mir mit der Hand durch das Gesicht, rieb sich die Augen und atmete einmal tief durch. Ich rechnete bereits mit einer lapidaren Antwort, die mich in irgendeiner Weise beleidigte, doch meine kleine Tirade schien Wirkung zu zeigen.
Er meinte: „Du bekommst deine Ausrüstung, sobald wir über Waffen gesprochen haben und ich sicher gehen kann, dass du damit weder für dich noch für andere eine ungewollte Gefahr darstellst. Den Rest wirst du heute ohnehin nicht brauchen, sonst erledige ich das."
Ich schürzte seitlich die Lippen, gab mich allerdings zufrieden. Das war die erste, halbwegs vernünftige Antwort, die er mir heute gegeben hatte. In dem Glauben, die Wogen zwischen uns wären fürs Erste geglättet, weil ich mich erfolgreich gegen den missgelaunten Hüter behauptet hatte, traten wir gemeinsam an das Portal heran und ich bereitete mich innerlich auf den Sprung vor.
„Was das Fesselsiegel angeht...", machte Atticus da plötzlich noch ein letztes Mal den Mund auf, ein schwaches, amüsiertes Grinsen auf den Lippen, „Silvius hat mir von deinen Fesselspielchen gestern Nacht erzählt. Du hast Recht, sich so fest einzuketten, dass es einen voll beladenen Porticus benötigt, dich zu befreien, ist durchaus würdigenswert."
Mit den Worten packte er meinen Oberarm und zog mich mit in den tiefen Schlund, sodass die einzige Reaktion, zu der ich noch fähig war, ein fluchender Gedanke war.
Verdammt. Silvius!
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Von der Kraft der wiedereinsetzenden Schwerkraft ins Wanken gebracht, landete ich auf meinen Füßen und ruderte mit den Armen. Beinahe wäre ich rückwärts ins Stolpern geraten, doch Atticus rettete mich zum zweiten Male vor dem Schicksal eines verschmutzten Kleides. Diesmal ohne selbst im Dreck zu landen. Die Hände zu beiden Seiten meiner Hüfte platziert, stabilisierte er mich an Ort und Stelle und war mir bei der Landung wider Erwarten behilflich.
Seine Berührung kribbelte ein wenig. Wie immer war sein Griff fest und bestimmt.
Was war in ihn gefahren? Sonst genoss er es doch, wenn ich mich blamierte?
Musste die Müdigkeit sein.
Überrascht von seiner Hilfe wollte ich mich zu ihm umdrehen, da ließ er bereits von mir ab und marschierte zwischen den Bäumen los in Richtung Schloss.
Blinzelnd setzte auch ich mich in Bewegung, hastig, aus Angst, seine Silhouette in den Schatten des Waldes zu verlieren. Im Dämmerlicht des einfallenden Abends verschmolzen sie noch dichter und dunkler als sonst.
„Nur zur Info", begann ich, nachdem ich zu ihm aufgeschlossen hatte, „Silvius war beeindruckt, wie stark ich beim ersten Versuch eine Fessel beladen konnte."
Das Dickicht hielt mich davon ab, neben Atticus zu laufen. Ständig hinderte mich die widerspenstige Vegetation des Wunderlandes am Vorankommen. Ich hatte mir gerade einen tiefhängenden Ast zur Seite geschoben, da klatschte mir ein Blatt in Größe eines Fußballs ins Gesicht. Irritiert fuchtelte ich es aus meiner Sicht und prustete mir die Überreste meines früheren Ponys aus dem Mund, die sich aus Eves Hochsteckfrisur gelöst und zwischen meine Lippen gemogelt hatten.
„Gib mir Bescheid, sobald du dich damit nicht mehr selbst einkettest", kam es von dem Hüter vor mir und ich verdrehte die Augen.
„Das war ein Versehen. Passiert mir nicht nochmal."
„Wir gehen auf ein Fest. Im Idealfall wird dort nichts und niemand gefesselt. Warum bist du also so erpicht auf diese Ausrüstung?"
„Ich dachte, ihr würdet mich zur Hüterin ausbilden. Doch so fühlt es sich nicht an, wenn ich dir ständig nur wie ein nutzloses Anhängsel hinterherdackele. Du traust mir nichts zu."
Atticus machte abrupt Halt und wandte sich zu mir um, seine Augen unverblümt an die meinen geheftet.
„Ein Hüter wird sein Leben lang vorbereitet. Und du willst von heut auf morgen einfach loslegen?"
Sein Blick bohrte diese rhetorische Frage tief in mich hinein und ich schluckte, wusste nicht, was ich sagen sollte.
„Du bekommst deine Ausrüstung, wenn du bereit dafür bist. Und jetzt will ich nichts mehr davon hören, Lila."
Mit diesen Worten schloss er das Thema ein für alle Mal und setzte den Weg zum Schloss, dessen Türme sich bereits über den Wipfeln der Bäume erstreckten, fort. Zerknirscht Gehorsam leistend stapfte ich ihm weiter durch den Wald nach, bis wir den prächtigen Rosengarten erreichten, wo die goldgesprenkelten Blüten die dunkelnde Szenerie zum Funkeln brachten. Die Gemäuer dahinter wirkten hell und belebt. Durch die gewundenen Fenster strahlte Licht nach draußen und auf dem Vorhof tummelten sich irrwitzige Gestalten.
Atticus nahm keine Notiz von ihnen, steuerte schnurstracks durch die Menge und die Tore ins Schloss. Ich tat es ihm gleich, bemüht, in meinem Kleid Haltung zu wahren. Innerlich dankte ich Evelle, dass sie von den hohen Schuhen abgesehen hatte. Sonst hätte ich mir im Wald wohl längst beide Knöchel gebrochen.
Drinnen spielte Musik. Eine hagere Gestalt, die mit seiner weißen Haut und den nachtschwarzen, wie nass herabhängenden Haaren an ein Mitglied der Adams-Family erinnerte, saß am Flügel und wurde zu beiden Seiten von zwei enantiomorphen Zwillingen an Geige und Bass begleitet. Sie spielten ein bizarres Stück für eine Dame, die in der Mitte des Saals einen nicht minder bizarren Tanz aufführte. Umringt von Bewunderern bewegte sie ihren Körper wie eine Marionette an Fäden. Ebenso wie der Pianist war sie bleich. Ihre hellen Augen waren dunkel geschminkt und eine Träne aus goldenen Farbpartikeln schien ihre Wange hinunterzulaufen. Ich erkannte sie. Es war die Hofdame mit dem Schleier, die bei meinem letzten Besuch neben dem Thron des Kreuzkönigs gesessen hatte. Heute ohne Schleier leuchteten ihre Lippen in einem blutigen Rot, das sich auch in dem breiten Band wiederfand, das ihr schwarz-weißes Haar zusammenhielt. Ihre grazile Figur umschmeichelte ein weißes Kleid, das an das Tutu einer Ballerina erinnerte. Der unordentliche Stoff des Rocks bauschte unter dem engen Korsett hervor und bildete hinten eine knielange Schleppe, die mit ihren Bewegungen zuckte und floss. Sie war ungemein gelenkig, warf ihre Beine, von denen ein Strumpf geringelt und der andere Kreuz-Herz gemustert war, mit Leichtigkeit.
Ich war so fasziniert von ihrer Darbietung, dass ich gar nicht mitbekam, wie sich Atticus entfernte. Denn als die geheimnisvolle Hofdame fertig war und ihren wohlverdienten Applaus genoss, sah ich auf und bemerkte, dass ich allein dastand. Von meinem Partner keine Spur. Beunruhigt sah ich mich um, konnte ihn aber nirgends entdecken. Die Kerzen, die den Saal in schwummrig warmes Licht tauchten, waren mir keine Hilfe.
„Atticus?", entkam es etwas heiser und von Vorsicht gezeichnet meiner Kehle, während ich meinen Rock raffte und mich in Richtung Thron bewegte, in der Hoffnung ihn dort mit Caspian vorzufinden. Doch ich kam nicht weit, da schnitt mir einer der wirren, hiesigen Fiktiven den Weg ab. Gestelzt manierlich richtete er seine Positur und ruckelte an seinem Frack, der ebenso abgegriffen aussah wie der hohe Zylinder auf seinem Kopf. Die wilde Hecke über seinen Augen zuckte geschäftig, als er künstelte: „Nette Kledage, werte Dame. Ob ihr mir wohl höflichst diesen Tanz schenket?"
Mit ausschweifender Bewegung zog der Hutmacher dabei überkandidelt den Zylinder und ließ meine Muskeln unbequem versteifen.
„Ich... Ich kann leider nicht tanzen...", sprach ich die Wahrheit, doch das gefiel ihm ganz und gar nicht.
„Das würde ich auch sagen, wenn ich nicht mit mir tanzen wollen würde!"
„Aber nein, ich...!", setzte ich haspelnd zu einer Erklärung an, bevor er mich einfach unterbrach: „Welch Unhöflichkeit am Hofe des Königs! Höchste Höflichkeit sei heute hier geboten, so will es der König!"
Sein wirres Gerede knüpfte Knoten in die Windungen meines Gehirns und ich brauchte einen Moment, um mich zu fangen. Dann entschloss ich mich, auf seinen Irrsinn einfach einzugehen.
„Wenn das so ist, dann habe ich euch mit einer plausiblen Ausrede doch auf die höflichste Weise zurückgewiesen...", gab ich mein Bestes und machte den knollnasigen Fiktiven stutzig.
„Hm... wohl wahr... Die Zurückweisung zeugte von höchster Höflichkeit...", grübelte er und formte unterdessen seinen gespreizten Daumen und Zeigefinger zu einem Haken unter seinem Kinn, „Trotzdem hätte ich gerne einen Tanz!"
„Ich muss euch leider enttäuschen, werter Hutmacher", erklang da plötzlich eine melodische Stimme hinter mir und rettete mich vor dem hartnäckigen Gesellen. „Der nächste Tanz dieser reizenden Dame ist für mich reserviert."
Ich hielt den Atem an. Ohne mich umzudrehen, wusste ich, wer mich da gerade aus dieser brenzligen Lage befreite. Seine klangvolle Stimme, die stets nur wenige Tonfarben von Schalk und Schelm entfernt war, würde ich inzwischen im Schlaf erkennen.
„Eure Hoheit, natürlich! Natürlich, eure Hoheit! Ich entschuldige mich höflichst", forcierte der Hutmacher seine ungewollte Posse auf die Manier und entfernte sich rückwärts in demütiger Verbeugung.
Mein Atem entwich tief aus meinen Lungen, ehe ich mich langsam umwandte und in die goldenen Augen des Wunderlandkönigs starrte. Wie immer waren sie nicht zu entschlüsseln, blickten mir nur mysteriös entgegen, während sich auf seinen Lippen ein verspieltes Lächeln bildete.
Er sah gut aus in seiner Aufmachung. Die Hände locker ineinander verschränkt endeten die sachten Ballonärmel seines Hemdes in verlängerten Manschetten, die Knöpfe in Form von Kartenkreuzen verschlossen. Auch auf der linken Brust seines schwarz-roten Wamses fand sich das Kartenkreuz-Symbol, gleich unter der aufgestickten Krone, die direkt darüber thronte. Um seinen Hinterkopf wand sich ein feiner, goldener Kranz, der über seinen Ohren auslief und sich mit dem über Ketten verbundenen Ohrschmuck vereinte, mit seinen Augen um die Wette glänzte. Das Haar leuchtete im Licht der Kerzen wie süßer, roter Wein, benebelte mich schon ohne einen Schluck.
„Darf ich bitten?", machte er seine Worte wahr und forderte mich mit ausgestreckter Hand zum Tanz auf. Im Hintergrund stimmte die dreiköpfige Musikgruppe ein neues Lied an, als ich meine Hand zaghaft in seine legte.
„Ich muss dich warnen: dass ich nicht tanzen kann, war ernst gemeint", schmunzelte ich verlegen, ließ mich allerdings protestlos zur Tanzfläche geleiten.
„Lass dich einfach von mir führen, kleine Hüterin", tat Caspian meine Warnung unbeeindruckt ab und legte seine rechte Hand um meine Hüfte.
Huh.
Na er wusste definitiv, was er tat.
Die ersten Schritte waren hölzern und versteift, doch mit jeder Bewegung wurde es besser und ich begann, es tatsächlich zu genießen. Ich lachte leichtherzig, als er mich drehte und scheute nicht länger seine Berührungen. Sein Griff war so viel weicher als der von Atticus. Es steckte nicht diese rohe Schroffheit darin, die mich immer wieder leicht abschreckte.
Zur Mitte des Liedes hin drehte Caspian mich geschickt ein, sodass ich mit dem Rücken seine Brust berührte, seinen Arm um meinen Körper gelegt. Ich spürte seinen Herzschlag, als seine Stimme in mein Ohr wisperte: „Und? Hast du über mein Angebot nachgedacht?"
Richtig, er wusste, ich war eine Hazy. Zudem behauptete er, er kenne Geheimnisse, die man mir vorenthielt und er mir beibringen könne. Wollte, dass ich ihn besuchte. Heimlich.
„N-Nein... Ich meine, wie soll das überhaupt funktionieren? Die Siegel erkennen, wenn ich ins Wunderland reise...", stammelte ich mit gesenkter Stimme, nun doch wieder nervös. Natürlich reizte es mich, sein Versteckspiel mitzuspielen. Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, dass Intention dahintersteckte. Irgendetwas warnte mich vor seinen unberechenbaren Augen und seinem spitzbübischen Charme. Was zog ihn so an mir an? Ich war keine reizende Schönheit, nur ein gewöhnliches Mädchen. Es musste die Tatsache sein, dass ich eine Hazy war, die ihn lockte. Oder?
Er befreite mich drehend aus seiner Verwicklung, zog mich anschließend aber wieder zu sich heran. Diesmal von Angesicht zu Angesicht.
„Armes Ding, man enthält dir wirklich alles vor", kommentierte er meine Worte, ehe er spezifizierte: „Die Siegel sind keine Hürde für eine Hazy. Deine Verbindung zur Energie ist stark, besonders. Die Energieschwankung vor den Siegeln zu verschleiern ist eine leichte Übung für dich."
„Wirklich?"
„Oh ja."
„I-Ich weiß aber doch nicht wie."
Langsam bekam ich das Gefühl, dass ich bisher nicht annähernd wusste, wozu mein Familienerbe fähig war. Es hinterließ ein unwohles Gefühl in meiner Magengegend, gepaart mit Neugierde, die mir mein eigenes Gewissen schalt. Silvius enthielt mir diese Dinge sicherlich aus einem Grund vor. Bestimmt wollte er sicher gehen, dass ich bereit dafür war, genau wie Atticus. Caspian hingegen kam mir vor wie die Schlange in meinem Garten, die versuchte, mich zur verbotenen Frucht des Wissens zu verführen.
Der König des Wunderlandes sah sich verstohlen um, als müsse er sich vergewissern, dass wir unbeobachtet waren, dann zog er mich plötzlich mit sich. Wir stahlen uns vorbei an den tanzenden, trinkenden und lachenden Gästen, hinaus aus dem Thronsaal und hinüber in ein Nebenzimmer, das verlassen dalag. In einem Kamin prasselte leise ein Feuer. Die wuselnden Geräusche des Thronsaals verblassten, geblockt durch die schwere, von eisernen Scharnieren getragene Holztür, die Caspian hinter uns anlehnte.
„Was hast du vor?", fragte ich überrascht, doch der rothaarige König kam wortlos auf mich zu, nahm meine Hände in seine und drehte die Innenflächen nach oben.
„Schließ deine Augen."
Ich blinzelte verwirrt. Der Blick meines Gegenübers war intensiv, wollte, dass ich ihm vertraute. Meine Stirn zuckte und meine Unterlippe zog sich seitlich durch meine Zähne, aber ich tat, wie mir geheißen.
„Spürst du bereits die Verbindung, den Fluss der Energie in dir?", hallte Caspians Stimme durch den Raum, klang so voll und nah, wo wir in diesem kleinen Zimmer allein waren.
„Ja."
„Spürst du, wie er durch deine Beine, hinauf zu deinen Armen strömt, dein Herz und deinen Verstand durchquert?", redete er weiter, versetzte mich zurück in mein Innerstes, wo ich im Fluss meiner Energie stand, ihn fließen und rauschen hörte.
Ich nickte.
„Spürst du ihn auch Leuchten?"
Oh ja, und wie er leuchtete. Hell und klar.
„Es ist dasselbe Leuchten, das durch deine Gravuren tritt, wenn du die Energie dort konzentrierst."
Wieder nickte ich. Mit geschlossenen Augen konnte ich es zwar nicht sehen, aber in meinem meditativen Zustand spürte ich ganz deutlich, wie die Energie in die Rinnen meiner Gravuren sickerte und sie zum Leuchten brachte.
„Genau so", raunte Caspian. Langsam ging er um mich herum, ließ seine Hände dabei meine Arme entlangfahren.
„Um deine Energie vor den Siegeln zu verstecken, brauchst du jetzt nichts weiter tun, als dieses Leuchten abzustellen."
„Wie stelle ich es ab?", murmelte ich und der König leitete mich an: „Stelle dir vor, die Adern, in denen deine Energie fließt, wären ein System aus Höhlen. Tief vergraben, tief im Dunkeln. Stelle dir vor, deine Energie fließt verborgen in diesen Höhlen. Sage ihr, sie solle sich verstecken, damit auch du dich verstecken kannst."
Mit tiefen Atemzügen folgte ich seinem Bild und lenkte den Strom in meinem Inneren in die Dunkelheit, ließ ihn verschwinden, tief verborgen fließen, von nichts und niemandem mehr zu sehen.
Tief in meiner Trance sah ich das zufriedene Grinsen nicht, das sich auf Caspians Gesicht ausbreitete, als das Leuchten meiner Gravuren nach und nach versagte, bis es nur noch der schwache Feuerschein des Kamins war, der das Zimmer erleuchtete.
„Du bist ein Naturtalent, weißt du das?", flüsterte er in mein Ohr und ich begann zu lächeln. So etwas bekäme ich von Atticus nie zu hören.
„Solange deine Energie verborgen fließt, kann dich kein Siegel erkennen. So kannst du mich besuchen, wann auch immer du willst. Lediglich ein beliebiges Buch brauchst du noch, um dir Zutritt zur Fiktion zu verschaffen, den Rest erledigt dein Sprunggedächtnis."
Sanft öffnete ich meine Augen.
„Mein Sprunggedächtnis?"
„Ganz genau. Als Hazy brauchst du kein Portal. Es hilft zwar, um am richtigen Ort zu landen, doch wenn du eine Welt bereits besucht hast, brauchst du dir die Stelle, an der du landen möchtest, nur gut genug vorzustellen und schon bist du da."
Ich war beeindruckt. Beeindruckt davon, was in mir schlummerte.
„Ich hatte ja keine Ahnung", sprudelte der Eifer in mir, elektrisierte mich beinahe, während ich meine Handflächen betrachtete.
Caspian schmunzelte.
„Ich kann dir mehr beibringen. Komme mich besuchen und ich zeige dir, was es heißt, eine Hazy zu sein."
Unsere Blicke kreuzten sich. Und auf einmal war die Neugierde der alleinige Herrscher der Entscheidung, ob ich ihn besuchen sollte, angetrieben von einem noch tieferen Gefühl, das ich nicht recht deuten konnte. Es gab mir Kraft, machte mich stark. Ich fühlte mich nicht mehr so klein und schwach angesichts des gefährlichen Erbes, das ich antrat. Dabei war dies erst der Anfang.
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Es war voll im Thronsaal. Ein Irrgarten aus skurrilen Gestalten und wahnwitzigen Gesprächen. Atticus ließ sich nicht beirren. Er steuerte nach seinem Eintreten zielbewusst auf die Erhöhung des Throns zu, der leer am Ende des roten Teppichs stand, sein Inhaber untergetaucht in der verrückten Menge. Von dort hatte er einen soliden Überblick, konnte beobachten, wie der Hutmacher seine Spielchen mit Lorien trieb, die es verpasst hatte, ihm zu folgen. Für einen kurzen Moment beobachtete er das hilflose Mädchen, wie es überfordert die Avancen des Zaushaars abzuwehren versuchte, da tauchte die blasse Tänzerin vor ihm auf, die der Menge zuletzt eine beeindruckende Darbietung geschenkt hatte.
„Guten Abend, Vanita", grüßte er sie höflich und die Dame senkte freundlich den Kopf.
„Guten Abend, Atticus", sprach sie in ihrer hauchenden Stimme, die das Flair eines eleganten Geistes besaß. „Bringst du uns den Himmelsstein zurück?"
Der Hüter zog den in Leder eingewickelten Fremdkörper aus seiner Innentasche und übergab ihn der Dame behutsam. Vanita nahm ihn mit sachten Händen entgegen.
„Hat er euch genützt? Konntet ihr etwas in Erfahrung bringen?", hakte sie nach, gleich etwas Besorgnis im Unterton.
„Seine Spur stimmt nicht vollends überein. Für jedes Siegel und jeden Spurleser unsichtbar, doch unseren Forscher konnte er nicht täuschen", eröffnete er ihr. „Seine Spur wurde verändert, an die eure angepasst. Vermutlich sogar gegen etwas energetisch Gleichwertiges aus dem Wunderland ausgetauscht, daher die fehlende Schwankung."
Atticus wusste aus erster Hand, dass so etwas wie Spurentausch möglich war. Er hatte es schon oft bei seinem zwischenweltlichen Freund beobachtet.
„Äußerst beunruhigend", erwiderte die grazile Dame. Ihre Brauen drückten seichte Falten auf ihre weiße Stirn. „Ein Weltensturm womöglich?"
„Das vermag kein Weltensturm."
Sie beide tauschten ernste, schwerwiegende Blicke. Sie hatten keine Lösung, doch sie wussten, das verhieß nichts Gutes.
Die Augen des Hüters schweiften ab, erhaschten Sicht auf seine kleine Partnerin, wie sie vergnügt mit dem Wunderlandkönig tanzte. Sie wirkte unbeholfen in ihren Schritten, generell in ihrer gesamten Aufmachung, dem Kleid, der Frisur...
Trotzdem stand ihr dieses täppische, unverdorbene Ungeschick auf unerklärliche Weise. Lorien war so anders. So naiv. So normal. Fern von der Perfektion, die er von klein auf gewohnt war. Es war fast schon anziehend...
Sich selbst in diesem Gedanken ertappt, blinzelte er ungläubig und befreite sich von diesem Irrwitz. Das musste die verrückte Luft des Wunderlandes sein, die seinen Verstand benebelte. Bemüht, sich vor Vanita nichts anmerken zu lassen, nahm er den Faden ihres Gesprächs wieder auf.
„Halte die Augen offen und sei vorsichtig. Bei der kleinsten Anomalie: lös den Alarm aus", riet er dem Medium und sie nickte zustimmend, bedeutete ihm, dass sie verstand.
„Ich bleibe wachsam", versicherte sie ihm, ehe sie ihn aufmerksam betrachtete. Diesmal galt die Sorge nicht dem Fremdkörper, sondern dem Hüter selbst. Vanita war eine alte Freundin. Er kannte sie fast seit seinem ersten Tag in Silvius' Detektei.
„Du solltest zurück und dich ausschlafen, Atticus. Du siehst unglaublich müde aus."
Der Hüter schnaubte leise.
Leichter gesagt als getan.
„Plagen dich die Alpträume?"
Atticus schwieg. Natürlich taten sie das. Er erinnerte sich an keine Nacht, in der sie ihn in Ruhe gelassen hätten. Bisher war er trotz dessen durch die Tage gekommen. Hier und da ein unbedeutender Einsatz, das hatte ihn nicht viel Kraft gekostet. Seit allerdings die kleine Hazy aufgetaucht war, hielt Unruhe Einzug und er spürte, wie er mehr Energie verbrauchte, als er in der Nacht tankte. Und so wurden seine Muskeln steifer, seine Knochen schwerer und seine Augen müder. Er benötigte immer mehr Lunfloss, um seine Sicht in der Realität aufrechtzuerhalten. Atticus wusste, dass es so nicht ewig weitergehen konnte.
Vielleicht war es an der Zeit, sich wenigstens für ein, zwei Nächte wieder mit Schlaftabletten auszuknocken. Zuletzt hatte er sie gebraucht, kurz nachdem sein bester Freund und Partner verstorben, sein Augenlicht genommen und er in die Ödnis versetzt worden war. Eigentlich hasste er diese Pillen, sie brachten keinen Schlaf, sondern regelrechtes Koma, aus dem Erwachen schwierig war, ohne Hilfe oder das Nachlassen des Rauschs. Vor allem, wenn in der Nacht mal etwas passierte, würde er kaum reagieren können und das gefiel ihm nicht. Er dachte da unter anderem an die ungewollten Ausflüge der Hazy. Aber seit Silvius jeden Abend einen Wachdienst für sie abrichtete, brauchte er sich deswegen eigentlich nicht mehr zu sorgen.
„Ich komme klar", beruhigte er Vanita. „Ich verspreche, sobald ich zurück in der Detektei bin, lege ich mich schlafen."
„Dann will ich dich nicht weiter aufhalten", sagte die ruhige Seele vor ihm mit einem zarten Lächeln und Atticus nickte, ehe er seinen Blick über die Menge gleiten ließ. Er suchte nach Lorien. Schließlich musste er sie wieder einsammeln, bevor er abreiste. Nur konnte er weder seine Partnerin noch Caspian unter den Tanzenden entdecken.
Mit geschlossenen Augen rief er seinen energetischen Spürsinn auf, den er sich seit seiner Blindheit angeeignet hatte. In der Regel war Loriens Energie eine, die er immer und überall erkannte. Bereits im Café bei ihrem ersten Treffen hatte sie sich von allen anderen abgehoben wie ein Frosch unter Goldfischen, vermutlich, weil sie eben eine Hazy war. Doch selbst sein Spürsinn vermochte sie nirgends auszumachen.
Zum Teufel, wo steckte dieses verdammte Gör schon wieder?
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„Du solltest deine Energie zurück an die Oberfläche bringen. Hinterher merkt dein Bibliothekar etwas", grinste Caspian mir entgegen und ich stimmte ihm widerwillig zu. Das Gefühl, die eigene Energie zu verschleiern, war, als machte man einen Teil von sich unsichtbar. Es war cool. Wenn ich Caspian tatsächlich besuchen wollte, war es aber besser, es erfuhr erstmal niemand davon. Ich sah Silvius schon Nachtwachen direkt neben meinem Bett aufstellen, sollte er davon Wind kriegen.
Ich konzentrierte mich und holte meinen Inneren Strom aus seinen Höhlen, zurück in das hellleuchtende Flussbett unter meiner Haut, hoch an die Luft, wo er frei atmen konnte. Zur Demonstration ließ ich sein Leuchten für einen Moment durch meine Gravuren fahren und funkelte Cas dabei unbefangen an.
Der König des Wunderlandes trat näher an mich heran, fuhr mir sacht eine Strähne aus dem Gesicht und wanderte anschließend mit seiner Hand hinunter zu meinem linken Unterarm. Den Ärmel meines Kleides hochgeschoben betrachtete er fasziniert die zwei verschlungenen Drachenkörper, die in ihrem dunklen, ominösen Schuppenkleid die Empfangsdame Sankt Paulis zum Herzinfarkt getrieben hätten. Schade, dass ich sie zu der Zeit nicht damit hatte ärgern können.
Caspian hingegen wirkte regelrecht gebannt von dem Zeichen meines Erbes.
„Beide Drachen sind dunkel...", murmelte er und ich erlebte ihn das erste Mal ein wenig verwirrt. Er sagte das so, als wäre das ungewöhnlich.
„Ja natürlich, all meine Gravuren sind dunkel", erwiderte ich konfus, wusste nicht, worauf er hinauswollte.
„In meiner Erinnerung...", setzte er an, schüttelte dann allerdings den Kopf und holte das Lächeln zurück auf sein Gesicht. „Nicht wichtig."
Ich bekam nicht die Gelegenheit, weiter nachzufragen, denn hinter uns ging unsanft die Tür auf. Als ich sah, dass Atticus im Rahmen stand, entzog ich Cas hastig meinen Arm und schob den Ärmel nach unten. Obwohl der Hüter nichts Unschickliches gesehen hatte, rumorte es peinlich berührt in mir, nur verstärkt durch den argwöhnischen Blick, mit dem er uns bedachte.
„Lila, wir gehen", befahl er barsch nach erster Irritation.
Ich hob die gesenkten Augen zum Abschied leicht in Caspians Richtung, hielt den Ball flach, doch der Wunderlandkönig ließ sich nicht einschüchtern. Nonchalant mimte er den Gentleman und gab mir einen zarten Kuss auf den Handrücken.
„Auf bald, kleine Hüterin."
Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Eine Tatsache, die meinem Partner nicht zu gefallen schien. Ungeduldig ergriff er meinen Arm und zog mich an sich vorbei aus der Tür, während er Caspian einen eisernen Blick zuwarf.
„Herrje, ist ja gut", grummelte ich und verdrehte die Augen, setzte mich dann langsam in Bewegung, Atticus dicht auf meinen Versen.
Den ganzen Weg aus dem Schloss und in den Wald herrschte kaltes Schweigen zwischen uns. Erst, als die hohen Türme in unseren Rücken verschwanden, brach Atticus die Stille, kühl und irgendwie streng: „Du solltest dich von Caspian fernhalten."
Jeden anderen Typen hätte ich in dieser Situation gefragt, ob er eifersüchtig wäre, doch da es sich um Atticus handelte, schloss ich das automatisch aus. Er schien den hiesigen König generell nicht leiden zu können. Angeblich, weil er ihm in der Vergangenheit gehörig auf die Nerven gegangen war. Aber in den Tiefen seiner Stimme versteckte sich noch irgendetwas anderes. Das spürte ich.
„Wieso? Er ist sehr nett."
„Er ist nicht nett. Er ist gefährlich."
„Pfft. Du bist nur genervt von ihm."
„Wunderländler sind gespalten wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Ihre Psyche funktioniert nicht so wie unsere. Erst schütteln sie dir freundlich die Hand und im nächsten Moment halten sie dir ein Messer an die Kehle."
„Entspann dich, ich habe nur mit ihm getanzt. Da war kein Messer."
„Du solltest das ernst nehmen. Du willst eine Hüterin sein? Dann benimm dich wie eine."
Ich zischte und verzog den Mund.
„Ach ja? Du willst ein Partner sein? Dann solltest du dich wie einer benehmen", gab ich die Kritik zurück, provozierte dabei jedoch nur einen bitterbösen Blick, während er kompromisslos entgegnete: „Das tue ich, indem ich dir sage, halte dich von ihm fern."
Tch.
Mit ihm zu diskutieren hatte ja doch keinen Sinn. Er hatte immer Recht. Dabei hatte mir Caspian heute mehr beigebracht als Atticus in der gesamten bisherigen Zeit. Mein Blick schaltete auf Trotz-Modus.
„Wenigstens sieht er mehr in mir als ein nerviges, naives Gör."
„Du willst mehr sein als das? Du willst, dass ich dir mehr zutraue?", forderte er mich heraus und mir gefiel nicht, wie seine Stimme das betonte. Es erinnerte mich an die Nacht, in der er mich in die Fiktion zur Grinsekatze geworfen hatte, um mir auf die harte Tour den Glauben an Hüter und die Buchwelten einzuflößen: Er verlor die Geduld. Ich ahnte Böses.
„Jetzt, wo du deinen Portkey beladen kannst, wieso reist du nicht allein zurück? Ist doch eine tolle Idee. Und so lehrreich."
Der Hüter drehte sich um und stapfte jähzornig voraus. An dem beginnenden Leuchten, das durch den Stoff seines Unterarms drang, erkannte ich, dass er sich selbst zur Rückreise bereit machte. Ich schaffte es nicht, die aufsteigende Panik in mir zu unterdrücken.
„Was?! Nein, warte! Wie stelle ich das an?!", hastete ich ihm nach, doch ich hatte Atticus' schlechte Laune einmal zu oft herausgefordert.
„Belade ihn, stell eine Verbindung zum Portal her und lass dich zurückziehen. Ein Kinderspiel für eine erfahrene Fesselkünstlerin wie dich", warf er knurrend über seine Schulter und riss sich unterdessen den zierenden Umhang von seiner Jacke.
„W-Warte, wie — eine Verbindung herstellen?!", ächzte ich, bekam darauf aber nur eine gemeine Warnung: „Lass dir nicht zu viel Zeit, die Grinsekatze lauert auf ihr Abendmahl."
Das Letzte, was ich von ihm hörte, war, wie er leise über den Umhang fluchte, wie Evelle es wagen könne, ihm so ein Ding anzuheften, dann ließ ihn ein heller, irisierender Schimmer spurlos verschwinden. Mich zurückgelassen im Nebel des düsteren Waldes des Wunderlandes, wo der lüsterne Wahnsinn in Form eines schwebenden Grinsens lauerte.
Schweren Atems stand ich da und konnte nicht fassen, was gerade geschehen war. Ein fahler Windhauch trieb mir eine tiefwabernde Nebelwolke entgegen und ich blinzelte. Dann setzte langsam der Realitätsschock ein und die Panik sprudelte in mein pochendes Herz. Ich wusste, dass Atticus in seiner Lehre ein Hardliner war und gerne auf Methoden wie Learning-by-doing zurückgriff. Warum nur hatte ich ihn so provozieren müssen?
Ich bin so blöd.
Der bärbeißige Hüter wollte mir eins auswischen, das verstand ich schnell. Allerdings fand ich das echt nicht mehr witzig.
Krampfhaft lockte ich Energie in den Porticus auf meiner Handfläche und suchte nach irgendeiner Verbindung zum Portal, erreichte jedoch nichts weiter als das übliche Leuchten, das mir nicht das Geringste brachte. Ich probierte es ein zweites, dann ein drittes Mal — Nichts. Ich fühlte mich hundeelend und mir war zum Heulen zumute. Ich hasste diese Wälder wie die Pest, vor allem das kätzische Ungeheuer, das in ihnen sein Unwesen trieb.
Ich begann bereits, mir einzubilden, es würde mich beobachten, da fand ich plötzlich eine Verbindung mit der Energie meines Portkeys. Ich spürte regelrecht, wie sich ein Band knüpfte, weit hinaus aus dieser Welt. Dass die Steuerung von Energie am besten in bildlicher Vorstellung erfolgte, hatte ich inzwischen verstanden. Ohne zu zögern, schloss ich also die Augen und stellte mir vor, ich wäre ein Fisch an der Angelroute, den man an Land zog. Und ehe ich ich mich versah, schwebte ich in der tosenden schwarzen Leere und wurde kurz darauf vom Portal in unserer Bibliothek ausgespuckt.
Der Atem noch immer ein einziges schweres Rasseln, strömte pure Erleichterung durch meine Glieder und die Freude, den altbekannten Holzboden unter mir zu spüren, war unbeschreiblich. Ich sackte auf die Knie und ließ mich auf den Rücken fallen, die Arme wie ein Seestern von mir gestreckt.
Im Türrahmen lehnte der blonde Teufel und schaute mir genüsslich dabei zu.
„Glückwunsch, dein erster eigener Portalsprung", spottete er und ich kratzte die letzte mir gebliebene Luft aus meinen Lungen, um ihm entgegenzufauchen: „Du kannst mich mal."
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