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Blut. Überall ist nur Blut.
An meinen Händen. Auf dem Fußboden der Wohnung des Opfers. Auf dem Messer des Killers, dass ich in der Hand halte. Das Blut, das mir nun an meinem blutverschmierten weißen Sommerkleid mit den Rüschen unten am Saum hinunter tropft.
Ich schließe meine Augen. Es wird schwarz. In mir eine Stimme, die sich nach dem Morden sehnt. So glasklar und doch so scharf wie ein Messer an meiner eigenen Kehle.
TÖTE SIE! TÖTE SIE!
Schreit sie immer wieder. Eindringend und so fesselnd, dass man ihr nicht widerstehen kann. Unmittelbar öffne ich meine Augen. Ich fange an, heftig zu grinsen. Halte mein Lächeln weiter auf meinen Lippen. Genieße diesen Moment, der sich wie Sekunden für mich anfühlt.
Einen Fuß setze ich nach dem anderen auf den triefend blutroten Holzboden, der bereits das warme Blut meines Opfers aufgenommen hat. Ein Knarzen ertönt. Ein Schrei. Ein Lachen. Ein Weinen.
Ich spüre die Wärme unter meinen nackten Füßen. Spüre das kalte Metall des Messergriffs an meiner rechten Hand.
Meine Umgebung nehme ich wahr. Ich möchte wissen, wann ich wo war. Ich nehme die Holzmaserung des Bodens in der dritten Wohnung des linken Gebäudes der Stadt ohne Name unter meinen Füßen wahr. Ich nehme meinen Puls im Körper wahr, der mich bei jedem Schritt mehr dieses unbeschreibliche Gefühl fühlen lässt.
Ich nehme all das Adrenalin in mir wahr, das mich immer weiter pusht. Doch auch die Gegenstände im Raum nehme ich wahr. Ein Bett gerade frisch überzogen worden. Der leichte Duft nach Veilchen verriet es mir. Ein unordentlicher Schreibtisch, ein Stift war hinuntergefallen, als sie versucht hat, sich die Schere zu krallen. Ein Teppich, eigentlich reinweiß, doch jetzt blutrot. Ein alter Schrank, die Türen quietschen. Eine Lampe, die als einzige Lampe in der Wohnung nicht funktioniert.
Ich möchte wissen, wann ich welchen Menschen ermordet habe. Der Tag meines Mordes war der Tag meines Geburtstags im Jahre 1968. Es war eher eine spontane Entscheidung, sie umzubringen. Kein lang geplanter Mord, den ich hier mache. Es hat mir einfach nicht gefallen, wie sie mit mir sprach. Es reichte nur ein winziger Schimmer von der verlorenen Kontrolle in mir.
Ich möchte wissen, wann ich dieses Gefühl spüre. Dieses eine bestimmte Gefühl, das sich anfühlt wie Glück. Glück, das ich nie spüren durfte, doch jetzt war es da. Jetzt war ich bereit, dieses Gefühl in mir aufzusaugen. Die Schreie, die sich wie das Adrenalin in meinem Körper festnageln. Das Flehen, dass den Opfern eh nichts bringt. Die Hilferufe, um vergebene Hilfe im Jenseits zu suchen.
"Bit-te ...", fleht das Mädchen mit der blutenden Wange mich an. Doch all das Flehen bringt ihr nichts. "Bit-te ... Ich ... Ich habe dir doch nichts getan!", weint sie. Hat Angst, gar Panik. Man hört, wie ihre Zähne hart aufeinanderschlagen. Ihre Schultern beben, ihr ganzer Körper zittert vor Angst. Ihr rosa Kleidchen hatte ich in Stücke gerissen, es zum Strangulieren des Mädchens genutzt. Ihre Schreie sind wie Musik in meinen Ohren. Ihr Versuch nach Luft zu schnappen so herrlich anzusehen, dass ich immer mehr von diesem Anblick haben will. Bis die Stelle blutig ist, habe ich den Vorgang wiederholt. Immer und immer wieder.
Ich habe sie nicht, diese Angst. Ich genieße dieses Gefühl der Überhand. Ich liebe dieses Gefühl. Ich bin besessen von ihm. Besessen von all dem, was für andere unvorstellbar ist. Besessen nach dem Morden.
"Nein, du hast mir nichts getan!" Ein Lachen entweicht meiner Kehle. Der Raum ist dunkel, nur der Mond scheint durch das kleine Zimmer der Wohnung. Er ist so schön. Der Vollmond. Das warme weiße Licht, das an der kleinen Schneekugel auf dem Fensterbrett seinen Schatten ins Zimmer wirft. "Weißt du, wieso ich dir das alles antue?" Meine Stimme ist leicht. Schwebt nur so in dem kleinen Raum. Ein Wimmern kommt aus der Ecke.
"Ach versteck dich doch nicht, Liebes! Du machst es mir und dir nur schwerer ..." Ein Lachen kommt wieder in mir hoch. "Versteck dich doch nicht!", schreie ich und fühle, wie leicht mir das alles nun fällt. Wie viel Spaß es mir macht, das Leben von anderen durch meine Hand ihnen zu nehmen.
Ich laufe langsam aber sicher in die Richtung des Mädchens. Leise höre ich sie schwer atmen. Unregelmäßig geht dieser auf und ab, während sich ab und an ein leichtes Wimmern hineinschleicht. "Ich tue es aus Spaß! Aus reiner Lust und Laune!" Damit packe ich ihren nackten, vom Blut nassen Fuß und ziehe das jetzt schreiende weinende Mädchen zu mir. Meine Hand geht zu ihrer Wange. "Ach wein doch nicht ..." Die nasse Träne wische ich ihr von dieser.
"Du ... Du bist ... Verrückt!", schwafelt sie vor sich hin. Ich lache. Herzhaft, so voller Lust.
TÖTE SIE! TÖTE SIE!
Das Messer greife ich indessen fester. Spüre die plötzliche Euphorie in mir aufkommen.
Ich höre nur noch den erlösenden Schrei, der sich wie Musik in meinen Ohren anhört. Das Blut tropft mir nun das Gesicht hinunter. Ich spüre, wie es mir von meinem Haaransatz langsam hinunterläuft. Langsam schließt das blutüberströmte Mädchen ihre Augen.
~ ~ ~
„Heilige Scheiße, was war das schon wieder?" Schweißgebadet wache ich auf. Sofort schießt mein Blick auf die Uhr. 03:46 Uhr. Mitten in der Nacht. Mitten in einem von Vollmond getränkten Zimmer. Ich schaue an mir herunter. Langsam, so als hätte ich Angst zu sehen, ob es nicht nur ein Traum war. Traue mich nicht weiter an mir hinunter zu gucken, als wüsste ich, was mich erwarten würde.
DU HAST GETÖTET!
Da ist sie wieder. Diese Stimme. Rau und leicht. Laut und doch leise flüstert sie mich schreiend an. Vielleicht war das alles nur Einbildung. Aber sie hat sich so echt angefühlt. So eindringend. So grausam. Ich schließe meine Augen, drehe meinen Kopf in Richtung meiner Hände. Ein Schauer läuft mir eiskalt über den Rücken. Die Angst quält mich. Die Panik steigt mit jeder einzelnen Sekunden in meinem Körper. Ich reiße meine Augen auf und erblicke meine Hände.
DU HAST GETÖTET!
Ein Schrei entgleitet abermals meiner Kehle. Blut. Überall nur Blut. Ein Flackern vor meinen Augen. Zitternd sitze ich hier. Angst kommt in mir auf, so wie sie noch nie in mir zu spüren war. Verwirrt schaue ich nochmals meine Hände an. Nichts. Kein Blut. Kein Nichts. Als wäre das Blut abgewaschen worden. Was ist das für ein Spiel? Eine reine und so düstere Halluzination? Spielt hier jemand mit mir?
DU HAST GETÖTET!
"Nein! Das habe ich nicht!", schreie ich durch meine Wohnung und höre das leichte Hallen meiner eigenen Stimme. "Ich habe nicht getötet!", schreie ich abermals. "Warum sollte ich?", flüstere ich weinerlich.
Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Eiskalt und so, als würde ich daran erfrieren. Als wäre es vorprogrammiert, dass ich daran erfrieren werde. Meine Sünden dadurch selbst erleiden zu müssen.
Meine nackten Beine erreichen die frische, kalte Luft meines Zimmers, als ich aufstehe. Der Spiegel vor mir ist zerbrochen. Warum?
Ich schaue in den zerbrochenen Spiegel, der mich wiedergibt. Ich schaue mich an. Wieder ein Schauer, der mir über den Rücken läuft.
Blut. An meinen Händen, an meiner Kleidung, an meinem Gesicht. Überall. Ein Blitz. Ein Donner. Das Licht, das vom Spiegel reflektiert wird. Es hat mich so geblendet, dass ich meine Hände vor meinen Augen gehalten habe. Kaum habe ich sie wieder geöffnet, ist all das Blut wieder weg. Was war das nur? Ich werde verrückt!
DU HAST GETÖTET!
"NEIN!" Meine Schreie werden lauter. Ich greife zur Türklinke, drücke sie herunter. Der Atem bleibt mir in der Kehle stecken. Die Tränen rennen mir abermals die Wangen hinunter.
SCHAU SIE DIR AN! ALL DIESE LEUTE HAST DU UMGEBRACHT! NUR DU!
"Hör auf ...", alles fühlt sich an wie ein Traum. Grausam und so voller Panik. "Hör auf! Ich habe diese Menschen noch nie gesehen! Diese Leute kann ich nicht getötet haben!"
Der Gestank von vermoderten Leichen liegt in der Luft. Das Licht des Monds, das durch die Vorhänge fällt, lässt alles so echt erscheinen.
SCHLIEßE DIE AUGEN UND ERINNER DICH! DIESER SÜßLICH-BEISSENDE GERUCH ... DAS IST DEIN WERK!
Panisch schaue ich abermals auf die vielen Leichen, die von meiner Decke hängen. "Das ist mein Werk ...", flüstere ich kalt, blicke in die Gesichter der Leichen und erinnere mich. An all die Momente, in denen ich ein Gefühl fühlen durfte, das mir keiner geben kann. An all die Schreie, die gequälten Gesichter. An alles kann ich mich erinnern. Ein Lachen entgleitet meiner Kehle. Ich fange an zu grinsen, bis ich in ein herzhaftes Lachen versinke. "Das ist mein Werk!"
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