79.| O l i v i a
Jason löst seine Lippen langsam von meinen, und trotz all der schrecklichen Dinge die in diesem Sommer geschehen sind, verspüre ich in diesem Moment einen tiefen Frieden.
"Wieso hast du mich hierher gebracht?", fragt er und fährt langsam die Linien in meiner Handinnenfläche nach.
Für einen Moment antwortet ich nicht, und sehe einfach auf die bunten Lichter von London hinab.
"Ich war hier am Anfang des Sommers, an dem Tag an dem wir uns zum ersten mal wieder gesehen haben", flüstere ich dann und streiche mir eine meiner nassen Haarsträhnen aus der Stirn.
Aus irgendeinem Grund, habe ich das Gefühl ich würde auch gerade noch in dieser Erinnerung schwelgen.
"Ich würde mit dir über das Verhör sprechen", beginnt Jason und macht dann eine kurze Pause.
"Aber ich denke, wir brauchen zumindest eine Zeit Abstand von all dem", beendet er seinen Satz.
"Jason", sage ich leise und erneut, hört sich sein Name wunderschön an.
"Ich glaube nicht, dass das so einfach geht", wende ich ein und ziehe etwas aus meiner Jackentasche.
"Ich wollte mit dir darüber sprechen", sage ich leise und zeige ihm das Stück Papier welches ich in den Händen halte.
Ich umklammere es beinahe und als Jason es mir abnehmen möchte, zucke ich schreckhaft zusammen.
"Was ist das?", will er wissen und in meinem Kopf werden die ängstlichen Stimmen immer lauter.
"Eine Einladung", antworte ich und reiche ihm den Zettel. Ich bin sicher er weiß, wie schwer es mir fällt darüber zu sprechen.
Vorsichtig streiche ich über das weiße Papier.
"Wofür?", fragt Jason unsicher und öffnet den Umschlag.
Mein Herz bleibt beinahe stehen und die Worte auf dem Papier scheinen vor meinen Augen zu tanzen. Ich erinnere mich noch genau an sie.
"Ihre Beerdigung", flüstert Jason und beantwortet sich seine eigene Frage damit. Nur aus dem Augenwinkel kann er mein Nicken und die Träne erkennen, die über meine Wange läuft.
"Morgen", füge ich noch hinzu und erneut kann er nichts darauf erwidern.
Anstelle etwas zu sagen, greift er nach meiner Hand. Ich habe keine Kraft zu sprechen und weiter nachzudenken wie man Dinge die geschehen sind hätte verhindern können.
Wir bewegen uns im Takt zum Klang des Regens der auf das Dach prallt, und versuchen unsere eigene kleine Welt zu erschaffen, in der es mehr gibt als zu kurze Leben, Ängste und schwere Herzen.
"Wir können nicht ewig tanzen", flüstere ich sanft in sein Ohr, und in meinem Herzen weiß ich das ich Recht habe.
"Nur für diesen Augenblick", antwortet Jason.
Nur für diesen Augenblick.
Früher habe ich nie auch nur daran gedacht, jemals einen Menschen zu finden der mich hält wenn ich das Gefühl habe zu fallen.
Ich habe nicht damit gerechnet, jemandem zu finde, bei dem die Zeit stehen bleibt.
Doch genau dass ist geschehen, als Jason in mein Leben kam. Zu einer Zeit, in der ich am wenigsten damit gerechnet habe.
"Es wird kalt", sage ich leise und siehe Jason an. Es regnet immer noch, und das Kleid welches ich trage ist vollkommen durchnässt.
Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde sein Blick würde nicht auf den Stellen hängen bleiben bei denen meine Haut durchschimmert.
Die Treppen nach unten kommen mir mit einem mal viel länger vor, und auch der Rückweg zu ihr nach Hause.
Vielleicht liegt es auch an den nassen Klamotten die wir tragen, oder dem noch immer andauernden Gefühl seiner Lippen auf meinen.
"Gute Nacht", sagt Jason leise und lehnt sich zu mir um mich noch einmal zu küssen.
"Du kannst noch bleiben", antworte ich leise und mein Herz macht einen aufgeregten Sprung in meiner Brust.
"Deine Mom", beginnt Jason doch mein Blick trifft bereits seinen.
"Komm rein", fordere ich ihn leise auf und nehme Jason bei der Hand, ehe ich ihn ins Haus ziehe.
"Meine Eltern sind heute nicht da", sage ich dann und aus irgendeinem Grund scheint es ihn zu enttäuschen.
Vermutlich hätte es sich besser angefühlt, wenn ich ihn dennoch reingelassen hätte.
"Ach so", murmelt er vor sich hin und folgt mir ins Zimmer nach oben.
"Ich muss mich umziehen", sage ich leise und sehe zu Boden.
Es fühlt sich merkwürdig an, dass ich mich dafür schäme und dennoch folgt Jason meiner indirekten Bitte und dreht sich um.
"Es tut mir leid, seit all das passiert ist habe ich das Gefühl dass wir nicht das Recht haben zu lieben", hauche ich leise und aus dem Augenwinkel erkennt Jason wie mein Kleid zu Boden gleitet.
Erneut wird mir bewusst wie er mich ansieht und wie seine Augen strahlen wenn ich Jason ein Lächeln schenke.
"Ich bin Schuld an seinem Tod", sagt Jason plötzlich und es wird vollkommen still. Nicht einmal das Rascheln des Stoffes kann ich noch hören.
"Nein bitte sag so etwas nicht", sage ich und drehe mich um. Das ich nun nur in Unterwäsche vor ihm stehe, stört mich in diesem Moment nicht.
"Aber ich kann dich auch lieben für alles andere was du bist. Um dich zu lieben, brauche ich nicht deinen Körper", sagt Jason und kann nicht glauben dass er jedes Wort ehrlich meint.
Noch vor ein paar Monaten hätte der alte Jason nichts dergleichen gesagt. Menschen ändern sich.
"Ich bin seit ich lebe nur mein Aussehen Jason", sage ich leise und siehe ihn an. Ich bin sicher, in meinen Augen schimmern Tränen, und er kann meine gebrochene Seite erkennen.
"Es ist nicht so leicht das abzulegen. Sich sicher zu sein, dass man mehr als das sein kann", sage ich und Jason drückt meine Hand noch etwas fester.
"Du musst nichts können, du bist", versichert er mir und mein Herz macht erneut glückliche Sprünge.
"Wenn du doch nur wüsstest wie viel mehr du für mich bist", höre ich ihn leise flüstern, ehe er sich durch die Haare fährt.
Aus irgendeinem Grund ist dieser Moment magisch.
"Wir gehen morgen zusammen zur Beerdigung?", frage ich um von meinen Gefühlen abzulenken.
"Natürlich", antwortet er und gibt mir einen sanften Kuss aufs Haar.
"Danke", hauche ich und richte die Kissen in meinem Bett, ehe sich Jason neben mich legt.
Als mich die Müdigkeit überkommt und ich meine Augen schließe, kommen mir unzählige Gedanken in den Kopf.
Einer schleicht sich ein, der sich immer wieder und wieder wiederholt.
Jason. Jason. Jason.
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